systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

3. September 2024
von Tom Levold
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Digitale Transformationen in Organisationen

Das aktuelle Heft von Organisationsberatung, Supervision, Coaching setzt sich mit einem Thema auseinander, dem schon in 2022 und 2023 Themenhefte der Zeitschrift gewidmet waren – ein Zeichen für die Dringlichkeit der Befassung auch auf Seiten der Berater, Coaches und Supervisoren. Im Editorial schreiben Silja Kotte und Thomas Webers: „Digitalisierung hat sich in Organisationen zum Dauerthema entwickelt. Schon mehrfach hat diese Zeitschrift sich mit den Auswirkungen beschäftigt. Das OSC-Heft 4/2022 hat die Auswirkungen der Digitalisierung auf virtuelles Arbeiten und Führung auf Distanz beleuchtet. „Digitalisierung in der Beratung“ lautete der Titel des OSC-Hefts 1/2023. Das aktuelle Themenheft „Digitale Transformation in Organisationen“ nimmt eine breitere organisationale Perspektive ein: Wie transformiert Digitalisierung Organisationen? Wie gestalten Organisationen die damit verbundenen Change-Prozesse? Welche neuen Formen der Kooperation bilden sich dadurch heraus? Wie kann digitale Arbeit gut gestaltet werden?

Digitalisierung ist ein Querschnittsthema, das alle Funktionsbereiche und Prozesse in Organisationen grundsätzlich transformiert – von der Produktion bis zum Controlling, von den Kern- bis zu den Unterstützungsprozessen. Auch das neuerdings People- statt HR- genannte Management und die Beratung sind davon nicht ausgenommen (Strohmeier 2022): Von der Personalauswahl über die Arbeitsgestaltung, die Zusammenarbeit in Organisationen, Führung, Personalentwicklung und -beurteilung bis hin zur Organisationsentwicklung – alle Bereiche sind von der Digitalisierung betroffen.

Organisationen müssen sich mit den technologischen Entwicklungen auseinandersetzen und sich positionieren. Sie sehen sich derzeit vielen Ideen und Initiativen gegenüber, von denen nicht immer absehbar ist, ob sie sich als nützlich herausstellen und einen Mehrwert generieren können. Neuen Möglichkeiten stehen auch Skepsis und Vorbehalte gegenüber. Nicht alles, was (technisch) machbar erscheint, ist auf den zweiten Blick betrachtet sinnvoll – und findet auch nicht immer Akzeptanz. Nicht zuletzt stehen Fragen des Datenschutzes und der Ethik auf der Agenda, die nicht immer angemessen beantwortet werden. Organisationen gehen diese Transformation mehr oder weniger strategisch an: Sie entwickeln Digitalisierungsstrategien, setzen zentrale Stabsstellen oder cross-funktionale Teams ein, die diese umsetzen sollen, und schreiben Stellen wie „Digital Transformation Manager“ oder „Digital Transformation Specialist“ aus, für die ein unternehmerisches Verständnis der Zusammenhänge zwischen Business, IT und Digitalisierung sowie Erfahrung in der Umsetzung von Transformationsprojekten gefordert wird.“

Die breite Palette interessanter Themen mit allen bibliografischen Angaben und abstracts gibt es hier…

26. August 2024
von Tom Levold
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Theoriebezüge in der systemischen Therapie

In einem sehr lesenswerten Beitrag, der als Open-Access-Artikel im Psychotherapie Forum erschienen ist, beschäftigt sich Elisabeth Wagner aus Wien mit der Relevanz systemtheoretischer Theorien für die klinische Praxis. Im Abstract heißt es: „Die enorme Binnendifferenzierung der Systemischen Therapie bietet zwar eine nützliche Vielfalt an Interventionsmöglichkeiten, führt auf der theoretischen Ebene jedoch zu Unvereinbarkeiten und Widersprüchen. Dies erschwert nicht nur die Vermittlung der systemtheoretischen Grundlagen in der Ausbildung sondern auch eine verlässliche theoretische Fundierung des professionellen Handelns von Praktiker:innen. Nach einer grundsätzlichen Diskussion des Theorie-Praxisverhältnisses in der Psychotherapie, soll in diesem Beitrag dargelegt werden, wie eine konstruktivistische Grundhaltung die absichtsvolle und reflektierte Nutzung verschiedener Systemtheorien erlaubt. Dabei werden die soziologische Systemtheorie sensu Luhmann und die Synergetik in Hinblick auf ihr Auflösungsvermögen und die Passung für verschiedene Phänomenbereiche gegenübergestellt und Anforderungen an eine klinische Theorie der systemischen Therapie definiert.“

der vollständige Text ist hier zu lesen…

21. August 2024
von Tom Levold
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Hermann Haken (12.7.1927 – 14.8.2024)

Hermann Haken 1995 (Foto: Jürgen Kriz)

Am 14. August ist der Physiker und Begründer der Synergetik Hermann Haken im Alter von 97 Jahren verstorben. Die Synergetik ist die Lehre vom Zusammenwirken von Elementen innerhalb komplexer dynamischer, nicht-linearer Systeme und befasst sich mit der spontanen Bildung synergetischer Strukturen in diesen Systemen (Selbstorganisation). Ursprünglich im Bereich physikalischer Phänomene entwickelt, zeigte sich, dass die zentralen theoretischen Konzepte wie das Prinzip der Ordnungsparameter, das  Versklavungsprinzip und die Theorie der Phasenübergänge auch auf Phänomene in der Chemie, Biologie, Psychologie und Soziologie angewendet werden konnten. Die Arbeit Hermann Hakens spielte auch in der Entwicklung des systemischen Ansatzes eine wichtige Rolle und wurde vor allem durch die Arbeiten von Günter Schiepek und Jürgen Kriz für die therapeutische und beraterische Arbeit fruchtbar gemacht.

Jürgen Kriz hat folgenden Nachruf auf Hermann Haken für das systemagazin und die Website der DGSF verfasst.

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16. August 2024
von Tom Levold
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Eine gelungene Begegnung von Bindungs- und Beziehungspsychotherapie

Heute würde Daniel N. Stern (16.8.1934 – 12.11.2012) 90 Jahre alt. Er war einer der führenden Säuglingsforscher des vergangenen Jahrhunderts, der die Ergebnisse seiner empirischen Untersuchungen in vielen Veröffentlichungen auf beeindruckende Weise in therapietheoretische und -praktische Modelle überführte. Auf der Website des John Bowlby-Centre ist eine Fallgeschichte von ihm zu finden, in der er beispielhaft zeigt, was er unter einem „Gegenwartsmoment“ versteht, und die erstmals im Band „Attachment: New Directions in Psychotherapy and Relational Psychoanalysis – Vol. 1 No.1” (Karnac) erschienen ist.

Darin heißt es: „This kind of moment is what the Boston Change Process Study Group calls a ‘now moment’. (…). It is a moment of Kairos when, all at once, many things come together and come to crisis in the therapeutic relationship. In that short time window if you act, you can change the destiny of what will happen. And if you don’t act, the destiny will be changed anyway because you didn’t act. Kairos is the ‘moment of opportunity’, like a ‘moment of truth’ or a ‘decisive moment’. Such ‘now moments’ cause much anxiety in the therapist, who is not sure what to do, and there is not an appropriate technical fall back position that is acceptable, clinically and perhaps morally. Therapist and patient both sense that something momentous is happening, that the ongoing therapeutic relationship has been threatened and put at risk. Also hanging in the air is the therapeutic framework or at least the traditional, personal way the patient and therapist have been working together, up until now. Such moments demand an alteration in the intersubjective field between the two. It is not important whether one wants to put this in terms of the transference–countertransference momentary stance. It is a two-person event involving a potentially perturbing change in the intersubjective field of the total relationship, transferential and real.“

Den vollständigen Text finden Sie hier …

15. August 2024
von Tom Levold
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International Conference: Family in Transition – 6.- 8.12. 2024

Im Dezember findet an den Sigmund Freud-Privat-Universität Wien eine dreitägige Tagung über unterschiedliche Konzepte des Familienliebens sowie über psychotherapeutische Ansätze für verschiedene Familienthemen statt. Dabei werden herkömmliche Vorstellungen über Familie und leitende familientherapeutische Theorien, die meist auf ein Familienkonzept gründen, das seine Hochphase in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg hatte und den damals vorherrschenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen entsprach, auf ihre Brauchbarkeit für die Herausforderungen familiären Zusammenseins in der Gegenwart überdacht. Vortragende aus Italien, Slowenien, Kroatien, Deutschland, Österreich, aber auch aus Israel, China und Iran geben einen Einblick in ihre unterschiedlichen kulturellen und gesellschaftlichen Perspektiven auf das Thema. Das detaillierte Programm und Anmeldungsmöglichkeit ist hier zu finden … 

12. August 2024
von Tom Levold
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Vom Schlechten des zur Schau gestellten Guten: Der Philosoph Philipp Hübl hat ein Buch über „Moralspektaktel“ geschrieben

Stefan Beher, Bielefeld:

„Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es“! So wenig diese Einsicht des großen Erich Kästner heute, beinahe 100 Jahre später, an Glanz verloren hat, so sehr muss sie doch um das psychologische und soziologische Wissen darum ergänzt werden, dass gutem Handeln ganz unterschiedliche Motive zu Grunde liegen können. Wer anderen seine moralische Integrität handelnd zur Schau stellt, dem werden beträchtliche Achtungsgewinne zu Teil, die gerade unter dem Gesichtspunkt von Nutzenmaximierung eine üppige Dividende abwerfen können. Denn nicht nur die Mafia, sondern alle sozialen Gemeinschaften belohnen das Handeln einzelner, wenn es von Eigeninteressen absieht und sich in den Dienst der Gruppe stellt mit einem der höchsten Güter, die uns erstrebenswert erscheinen: sozialer Anerkennung. Der Soziologe Peter M. Blau argumentiert deswegen, dass noch scheinbar selbstlose Handlungen in der Regel auf Eigeninteresse basieren und durch die Erwartung indirekter Belohnungen motiviert werden. Die Warnung vor Moral aus ethischen Gründen ist zudem ein alter systemtheoretischer Topos. Und ohnehin betrifft alles, was wir den Tag über so tun, uns selbst und zahlreiche andere auf mannigfaltige und höchst unterschiedliche, gute wie schlechte Weisen. Von dieser (konstruktivistischen) Warte aus ist also schon eine prinzipielle Skepsis geboten – wenn Gutes reklamiert wird, gerade wenn es sich als Handlung der praktischen Überprüfung entzieht.

Letzteres wird in Zeiten der Social Media-Echtzeitkommunikation zunehmend einfacher für Menschen, die es bloß auf Achtungsgewinne abgesehen haben. Gerade sie werden daran interessiert sein, die Preise zu senken und die Achtung günstiger für sich zu gewinnen: Durch bloßes Zurschaustellen des eigenen Feinsinns in moralischen Belangen etwa, ganz ohne sich dabei die Hände schmutzig zu machen. Ohnedies halten wir alle von uns selbst gerade unter dem Gesichtspunkt unserer Sittenhaftigkeit eine Menge. Noch Gewaltverbrecher, das wissen wir aus der psychologischen Forschung, halten sich im Allgemeinen für moralisch besonders achtenswert. Sie beurteilen sich in allen pro-sozialen Eigenschaften vorbildlich, lediglich in Punkto Rechtstreue als Durchschnitt.

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6. August 2024
von Tom Levold
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Ideologiemaschinen

Zu den wichtigen Lektüreerfahrungen dieses Sommers gehört für mich das Buch „Ideologiemaschinen. Wie Cancel Culture funktioniert“ von Harry Lehmann, das kürzlich im Carl-Auer-Verlag erschienen ist. Es handelt sich um einen Sonderband aus der Reihe update gesellschaft, die Essays über relevante zeitgenössische Diskurse und Konfliktlagen bereit hält. Harry Lehmann, 1965 in Dohna bei Dresden geboren, ist Physiker und Kunstphilosoph, der 2003 mit einer systemtheoretischen Arbeit zur Wahrheit der Kunst promovierte.

Das vorliegende Buch untersucht das sich auch hierzulande ausbreitende Phänomen der Cancel Culture in Hinblick auf die Frage, welche Konsequenzen das Cancel-Culture-Syndrom – „worunter wir den ganzen Komplex aus cancel culture, wokeness, victimhood culture, safetyism und identity politics verstehen“ (S. 7) für die Verfasstheit unserer Gesellschaft hat. Seine These ist, dass „infolge der digitalen Medienrevolution … die Institutionen in liberalen Demokratien die Fähigkeit [verlieren], eine Grenze zwischen politischer und nichtpolitischer Kommunikation zu ziehen, was zu erheblichen Dysfunktionalitäten führt“ (ebd.). Das lässt sich derzeit paradigmatisch an den Funktionssystemen der Wissenschaft und der Kunst zeigen, deren Institutionen leider zunehmend „anstelle von Wissen, Bildung und Kunst Ideologie produzieren: Sie verwandeln sich in Ideologiemaschinen“ (S. 8).

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16. Juli 2024
von Tom Levold
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Geschwärzte „Akteur:innen der Wissenschaft innerhalb der DGSF“

Vorbemerkung: Dieser Text ist ziemlich umfangreich. Er betrifft die Fragen des Spielraums, den inhaltliche Kontroversen in einem Fachverband wie der DGSF und ihrer Zeitschrift Kontext – Zeitschrift für systemische Perspektiven haben sollten, wieviel Polemik dabei statthaft und wie mit Forderungen nach einer Zensur von unliebsamen Beiträgen umzugehen ist: ein Thema, das auch für das systemische Feld im allgemeinen von Relevanz sein dürfte.

Wer die vorletzte Ausgabe des Kontext aufmerksam gelesen hat, ist am Ende des Editorials auf einen Absatz gestoßen, der sich auf eine Kontroverse bezieht, die um die Rezension eines Buches des Soziologen Martin Schröder „Wann sind Frauen wirklich zufrieden?“ durch einen der Herausgeber in Heft 3/2023 entstanden ist und in deren Rahmen der DGSF-Vorstand, der  Wissenschaftliche Beirat des Kontext (dem ich seit meinem Ausscheiden als Herausgeber anzugehören die Ehre habe) sowie  der Ethikbeirat der DGSF zu Stellungnahmen aufgefordert wurde. Dort wurde darauf hingewiesen, dass die Dokumentation dieser Kontroverse (die durch eine sogenannte „Replik“ auf die Rezension durch einige Mitglieder in Gang gebracht wurde) mit allen dazu eingegangenen Stellungnahmen der Verbandsöffentlichkeit auf der DGSG-Webseite zugänglich gemacht würde. 

Erst einige Zeit später wurde diese Dokumentation im Mitgliederbereich der DGSF-Webseite veröffentlich, doch so kunstvoll versteckt, dass jemand, der nicht in diese Kontroverse einbezogen worden ist, wohl nur durch einen Zufall auf die Seite stoßen kann. Leider sind die Texte der „Replikgruppe“ in dieser Dokumentation aus Gründen vollständig geschwärzt, auf die noch zurückzukommen sein wird. Das ist bedauerlich, denn die Art und Weise, wie diese Auseinandersetzung geführt wurde, und vor allem die darin erhobenen Forderungen an den Verband, die auf die Beschneidung der Unabhängigkeit der Herausgeber sowie auf die inhaltliche Kontrolle der veröffentlichten Texte abzielen, sind nicht nur relevant für die DGSF mit immerhin 10.000 Mitgliedern, sondern dürften auch von Interesse für die gesamte systemische Community sein.

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6. Juli 2024
von Tom Levold
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Kollektive Traumata

Die aktuelle Ausgabe der Familiendynamik befasst sich mit dem Schwerpunktthema kollektiver Traumata. Dazu heißt es im Editorial: „Finanzkrise, Klimakatastrophe, Dürre, Überschwemmungen, Hunger, Artensterben, Pandemie, Angriffskrieg in Europa, Inflation, Krieg im Nahen Osten … Die Welt befindet sich zunehmend im Dauerkrisenmodus. Dadurch sind Menschen nicht nur individuell belastet, sondern es entstehen auch kollektive Ängste und Überforderung bis hin zu Traumatisierungen, die wiederum transgenerational und innerfamiliär weitergetragen werden können. Im Mikrosystem der Familie kann dies beispielsweise über dauerhaft unabgestimmte Interaktionen zwischen Bezugspersonen und Kindern geschehen. Solche kollektiven und kumulativen Traumata stehen im Fokus dieses Heftes, welches von Kazuma Matoba und Jörn Borke herausgegeben wird. Dabei blicken wir über den systemischen Tellerrand hinaus, glauben aber, dass die dargestellten Ansätze auch für die systemische Praxis erkenntnisreich sein können.“ Zu den bibliografischen Angaben und allen abstracts geht es hier…

4. Juli 2024
von Tom Levold
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Evan Imber-Black (19.5.1944 – 29.5.2024)

Am 19. Mai habe ich in dieser Stelle noch Evan Imber-Black zum 80. Geburtstag gratulieren können. Nur 10 Tage später ist sie in ihrem Haus in Connecticut gestorben. Sie hinterlässt ihre 87 Jahre alte Schwester Meryle Sue Mitchel, zwei Kinder und drei Enkelkinder. Ihr Mann, Lascelles Black, verstarb bereits im Jahr 2022.

Evan Imber-Black war Psychologin mit einem Doktortitel in klinischer Psychologie und Familientherapie. Ihren akademischen Hintergrund und ihre Berufsausbildung erhielt sie an der University of California, Los Angeles (UCLA), wo sie auch ihre klinische Ausbildung in Familientherapie absolvierte. Sie war langjähriges Fakultätsmitglied des Ackerman-Institute und ehemalige Direktorin des Ackerman’s Center for Families and Health, dessen Schwerpunkt in der Arbeit mit Familien liegt, die von somatischen Erkrankungen und körperlichen Einschränkungen betroffen sind. Darüber hinaus war sie Professorin und Programmdirektorin des Masterstudiengangs Ehe- und Familientherapie am Mercy College sowie Professorin in der Abteilung für Psychiatrie am Albert Einstein College of Medicine in der Bronx. Von 2004 bis 2011 arbeitete sie als Herausgeberin von Family Process, einer der wichtigen familientherapeutischen Zeitschriften in den USA.

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27. Juni 2024
von Tom Levold
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6,1 % weniger Ehescheidungen im Jahr 2023

WIESBADEN – Im Jahr 2023 wurden in Deutschland durch richterlichen Beschluss rund 129 000 Ehen geschieden. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, sank die Zahl der Scheidungen gegenüber dem Vorjahr um 8 300 oder 6,1 % und damit stärker als im Jahr 2022 (-3,8 % zum Vorjahr). Im langjährigen Trend ging die Zahl der Scheidungen mit Ausnahme weniger Jahre seit dem Jahr 2003 zurück (-39,7 %) und erreichte 2023 den niedrigsten Stand seit der Deutschen Vereinigung im Jahr 1990. Auch die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung nicht beeinflusst. Die Zahl der Eheschließungen ist langfristig ebenfalls rückläufig. 2023 sank sie auf den zweitniedrigsten Stand seit 1950.

109 600 Kinder aus geschiedenen Ehen im Jahr 2023

Etwas mehr als die Hälfte (50,8 % beziehungsweise rund 65 600) der im Jahr 2023 geschiedenen Ehepaare hatte minderjährige Kinder. Von diesen hatten 48,8 % ein Kind, 39,7 % zwei und 11,5 % drei oder mehr Kinder. Insgesamt waren im Jahr 2023 etwa 109 600 Minderjährige von der Scheidung ihrer Eltern betroffen.

Scheidung meistens nach einjähriger Trennungszeit und mit Zustimmung beider Partner

Die meisten der geschiedenen Ehen (80,1 %) wurden nach einer vorherigen Trennungszeit von einem Jahr geschieden. Scheidungen nach dreijähriger Trennung machten einen Anteil von 18,9 % aus. In diesen Fällen wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist. In knapp 1,1 % der Fälle waren die Regelungen zur Scheidung vor einjähriger Trennung oder Scheidungen nach ausländischem Recht maßgebend. Im Durchschnitt waren die im Jahr 2023 geschiedenen Ehepaare 14 Jahre und neun Monate verheiratet. Bei etwa 21 900 oder 17,0 % aller geschiedenen Paare erfolgte die Scheidung im Jahr der Silberhochzeit oder später.

Bei 89,6 % der Ehescheidungen wurde 2023 der Scheidungsantrag mit Zustimmung des Ehegatten oder der Ehegattin gestellt. Bei 6,2 % wurde der Antrag von beiden Ehepartnern zusammen eingereicht. Bei den anderen 4,2 % stimmten der Ehegatte oder die Ehegattin dem gestellten Antrag nicht zu.

Mehr Scheidungen, aber weniger Aufhebungen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften

Im Jahr 2023 ließen sich rund 1 300 gleichgeschlechtliche Paare scheiden. Dies waren etwa 200 oder 15,0 % gleichgeschlechtliche Paare mehr als im Jahr 2022. Ehescheidungen gleichgeschlechtlicher Paare umfassten 1,0 % aller Ehescheidungen des Jahres 2023. Seit der Einführung der „Ehe für alle“ im Oktober 2017 können in Deutschland keine Lebenspartnerschaften mehr begründet werden. Gleichgeschlechtliche Paare, die in einer zuvor eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, können diese nicht durch Scheidung, sondern durch Aufhebung beenden. 2023 wurden mit rund 700 Aufhebungen von Lebenspartnerschaften etwa 200 oder 19,4 % weniger erfasst als im Vorjahr. Damit ist diese Zahl das vierte Jahr in Folge gesunken. Hier findet zunehmend eine Verschiebung von den Aufhebungen zu den Scheidungen statt.

Weitere Informationen:

Basisdaten und Zeitreihen zu rechtskräftigen Ehescheidungen sowie Aufhebungen von Lebenspartnerschaften sind in den entsprechenden Statistischen Berichten auf der Themenseite „Eheschließungen, Ehescheidungen und Lebenspartnerschaften“ sowie über die Tabellen 12631 sowie 12661 in der Datenbank GENESIS-Online abrufbar. Daten und Zeitreihen zu Eheschließungen bieten die Tabellen 12611. (Quelle: www.destatis.de)

21. Juni 2024
von Tom Levold
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Mara Selvini-Palazzoli (15.8.1916-21.6.1999)

Heute jährt sich der Todestag von Mara Selvini-Palazzoli zum 25. Mal. Wenn ich die Teilnehmer der Weiterbildungskurse in systemischer Therapie nach ihr Frage, kennt sie kaum jemand. Das ist bedauerlich, war sie doch mit ihrem Mailänder Team in den 1970er und 1980er Jahren weltberühmt und hat auch der familientherapeutischen Szene in den deutschsprachigen Ländern wesentliche Impulse gegeben. Aus dieser Werkstatt stammten die Erfindungen des zirkulären Fragens und der paradoxen Intervention, um nur zwei Interventionsideen zu nennen. Sie interessierte sich für die „schmutzigen“ Spiele der Familie, denen mit einem ausgeklügelten strategischen Ansatz begegnet wurde, der heute nicht mehr so praktiziert wird. Sie selbst hat radikal ihre eigenen Konzepte immer wieder selbstkritisch revidiert oder aufgegeben, immerhin war sie sehr lange Psychoanalytikerin, bevor sie mit den Arbeiten von Gregory Bateson und der Palo-Alto-Gruppe bekannt wurde. Auch wenn das Mailänder Modell heute kaum noch – jedenfalls nicht mehr in seiner Rigorosität – eine Rolle spielt, wäre es traurig, diese wichtige Pionierin des systemischen Denkens zu vergessen. In ihrem Todesjahr ist ein Buch von ihrem Sohn Matteo Selvini im Carl-Auer-Verlag erschienen, in dem ihre „Revolutionen” gewürdigt werden und das auch einige zentrale Aufsätze von ihr enthält. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages ist hier das Einführungskapitel von Matteo Selvini zu lesen, in dem es um die psychoanalytische Ausbildung Mara Selvinis geht, um ihren „Sprung vom Individuum zur Familie“, die Anwendung des kommunikationstheoretischem Ansatz bei der Entwicklung der therapeutischen Techniken, und die Erforschung der familiären Spiele. Das ganze Buch ist noch als ebook für 10,- € hier erhältlich.

1. Juni 2024
von Tom Levold
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Kybernetik dritter Ordnung? Entwicklung einer phänomenologisch angesetzten Theoriebildung und ihre Relevanz für die systemtherapeutische Praxis und Lehre

In der aktuellen Ausgabe von Psychotherapie Forum setzt sich Evelyn Niel-Dolzer aus Wien mit der Frage auseinander, wie die theoriebasierte Polarisierung von Subjekt und Sozialen Systemen, die in der Systemtheorie wie der Kybernetik praktiziert werde, aufgelöst werden könne. Im Editorial heißt es: „Mit Ludwik Flecks Konzept des Denkstils wird ein Vorschlag unterbreitet, Theoriebestände innerhalb eines zersplitterten Binnendiskurses hinsichtlich ihrer klinischen Nützlichkeitexplizit(er) herauszuarbeiten. Anhand einer konkreten Entwicklung in der Lehranstalt für Systemische Familientherapie wird gezeigt, wie der Wechsel von einem konstruktivistisch zu einem phänomenologisch fundierten Bezugsrahmen eine Alternative zur Polarisierung von Subjekttheorien und Theorien sozialer Systeme darstellt: Aus der Perspektive der Intersubjektivität lässt sich psychisches Erleben systemtheoretisch fundiert konzeptualisieren, theoriegeleitet beobachten und in der Ausbildung vermitteln. Anschlüsse und Beteiligung an schulenübergreifenden Diskursen als Anspruch an eine zeitgemäße Ausbildung werden sichtbar gemacht.“

Ausgangspunkt ist dabei die Annahme, dass Subjektivität eben nichts „Innerliches“ ist, sondern immer schon ein relationales intersubjektives Phänomen, dessen Folge (und nicht Ursache) subjektives Erleben ist. In dieser Hinwendung zu einer phänomenologischen Perspektive sieht Niel-Dolzer den möglichen Wandel von einem Denkstil der Kybernetik 2. Ordnung hin zu einer Kybernetik 3. Ordnung: „Der Wechsel des konstruktivistischen Bezugsrahmen der Kybernetik zweiter Ordnung lässt sich unter Bezugnahme auf Ludwik Fleck als Denkstilumwandlung in Richtung einer – möglicherweise – Kybernetik dritter Ordnung beschreiben. Ihre klinische Nützlichkeit erweist sich in ihrer „Sehhilfe“ auf psychisches Erleben als wirkmächtiger Aspekt therapeutischer Performanz. Wo sich klinisch relevantes Geschehen nicht durch die Theorien einer Kybernetik II (als Dekonstruktion von Problemen) konfigurieren lässt, sind Theorien einer Kybernetik III als „Sehhilfe“ auf die (intersubjektive) Genese und Aufrechterhaltung pathologischer Phänomene erforderlich. Relevant ist dies vor allem in Prozessen, in denen drohender Selbstverlust bzw. Selbstaufrichtung zentraler Aspekt des (impliziten) Behandlungsauftrages sind. Das sind v. a. Kontexte traumatischen Erlebens und existentieller Verluste/Zerstörung, Arbeit mit emotional schwer erreichbaren Klient:innen, und auch mit Kindern und Jugendlichen, wo die Orientierung an (Selbst)Entwicklungstheorien prinzipiell unverzichtbar ist“.

Auch wenn nicht so richtig klar wird, wofür es eine neue Kybernetik braucht und inwiefern die Nutzung phänomenologischer Konzepte nicht auch in eine Kybernetik II integriert werden kann (so lässt sich auch das Fragezeichen in der Überschrift deuten), ist dieser Text sehr lesenswert und als Open Access auch hier frei verfügbar.