13. Januar 2016
von Tom Levold
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Christian Michelsen, Bremen: Marokkanische Ambitionen
Rückblicke
Hand aufs Herz: Letztlich geht es uns durchschnittlich karitativen, wohltätigen, humanitären Menschen bei unseren Ambitionen, d.h. erklärten Absichten zumindest teilweise um unseren Ehrgeiz, die andere Bedeutung von Ambition. Als ich mich 1970 als junger Mediziner von der staatlichen westdeutschen Entwicklungshilfe-Organisation, die damals noch in Klammern die Bezeichnung GAWI (Gesellschaft zur Abwicklung Wirtschaftlicher Interessen) trug, in ein westafrikanisches Land hatte entsenden lassen, geschah das in der Absicht, eine ehrenwerte Arbeit als Entwicklungs-Helfer zu leisten. Ich selbst war völlig unzureichend ausgebildet, kaum auf Afrika vorbereitet, sprach weder Wolof, noch Fulbe. Sondern nur die Sprache der (Neo-) Kolonisatoren, Französisch.
Zweierlei Ernüchterungen ließ mich – vertragsbrüchig – vorzeitig in die BRD zurückkehren. Die großzügig von Westdeutschland in das Buschhospital gepumpten Gelder waren ein Preis dafür, dass die senegalesische Regierung bei der Stange blieb, d.h. sich nicht etwa dazu verführen ließ, die DDR anzuerkennen. Ich diente also mittelbar noch der (1969 formal von der sozialliberalen Koalition unter Kanzler Willy Brandt aufgegebenen) Hallstein-Doktrin. Diese hatte mit ihrem Alleinvertretungsanspruch, d.h. der Auffassung, dass die Bundesrepublik die einzige legitime Vertretung des deutschen Volkes sei, den Zweck verfolgt, die DDR zu isolieren. Wir lebten im Kalten Krieg. Da musste man weltweit auf der richtigen Seite stehen. Da wurde man als junger Arzt, der sich dazu bekannte, auf die nächste Anti-Vietnamkriegs-Demo auf den Ku’Damm zu gehen, am nächsten Tag von den Stationsschwestern als „Kommunist“ bezeichnet, mit Jodtupfern rot angemalt und verteufelt („Euch müsste man vergasen!“).
Die andere Ernüchterung, vor Ort, in jenem westdeutschen Hospital, erlebte ich darin, dass ich von den angeblich drei angestellten einheimischen Ärzten während der knappen drei Wochen meiner Anwesenheit keinen zu sehen bekommen hatte. Es hieß, sie seien auf diesem oder jenem Kongress, in Frankreich oder anderswo. Hygiene, Leitungskompetenz, medizinische Geräte waren mangelhaft. Antibiotika vergammelten im Keller. Die beiden teuren Fahnenmasten zum partnerschaftlichen Hissen der Flaggen beider Länder waren niemals aufgerichtet worden.
Kurz, das vermeintliche Aushängeschild westlicher Überlegenheit nährten meine Zweifel an „Entwicklungshilfe“ und lehrten mich, meinen Ehrgeiz zu mäßigen. Unsere Dauergaben hatten von vorn herein statt Partnerschaft Bettlerschaft gemacht. Das Geschenkte wurde nicht geachtet, folglich nicht instandgehalten. Ich selbst, in meiner Doppelrolle als „Helfer“ und zugleich zunehmend skeptischer Teil des gesamten Hilfe-Systems, missachtete zunehmend ebenfalls meinen eigenen Beitrag an Gaben und Geschenken. Weiterlesen →