systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

5. Dezember 2019
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender: Freiheit wurde wieder abbestellt

Ullrich Fellmeth, Stuttgart:

Nein, es ist keine Begeisterung oder Euphorie bei mir ausgebrochen an jenem Fernsehabend, als sich unter dem Andrang der Massen die Mauer öffnete. Wohl aber eine gewisse Ergriffenheit gegenüber den in meinen inneren Bildern vorrätigen Schicksalen vieler Beteiligter und vor allem Erleichterung, dass es so friedlich, wie kaum vorstellbar, verlaufen ist. Als die politische Frage dann mindestens mal für diesen Abend geklärt war wurde es mir irgendwann auch zu viel und ich habe mir Marius Müller Westernhagen aufgelegt, vor allem „Freiheit“.

Seltsam, dass dieser Song später in einer Live-Version zu einer Art Hymne der Wiedervereinigung wurde, denn mein bevorzugter Textteil hieß:

Freiheit, Freiheit, Ist die einzige, die fehlt.
Der Mensch ist leider nicht naiv. Der Mensch ist leider primitiv.
Freiheit, Freiheit, wurde wieder abbestellt.

Ich habe mich dann sehr lange sehr fern von den „neuen“ Bundesländern gehalten, entgegen der hektischen Betriebsamkeit vieler diakonischer Schwestern und Brüder. Ja, Berlin ist aufgelebt und auch Städte wie Eisenach, Halle, Erfurt und Weimar habe ich gerne besucht, an der Wiege der Reformation und der SPD, umweht vom Mantel europäischer Geschichte der Geisteswissenschaften.

Aber ansonsten habe ich lieber Abstand gehalten von diesem so oft als rückwärts gewandt, negativ aufgedreht und ewig benachteiligt beschriebenen Osten des wieder vereinten deutschen Reichs.

Meine Wende kam erst vor wenigen Jahren, eingeleitet durch einen kleinen familiären Schock. Nach dem Sohn wollte partout auch unsere Tochter nach Leipzig ziehen zum Studium, wo ihr doch alle großen Universitäten in Westen offenstanden.

Und doch: aus Abwehr und dann Annäherung ist eine Liebe geworden zu Menschen, Orten und eben diesen Widersprüchen als Teil UNSERER Geschichte und Zukunft. In den Wohngemeinschaften und bei Treffen mit vielen spannenden, begabten und sympathischen jungen Leuten mit ostdeutscher Herkunft verändert sich oft die Stimmung, wenn es um die eigenen Eltern und um die Großeltern-Generation geht. Allein die Patchwork-Varianten stellen alles in den Schatten, was wir im Westen so im Laufe der Zeit kultiviert haben. Für mich als Vater und auch den Familientherapeuten eine Herausforderung: die vielen geplatzten Träume und Hoffnungen, die Ungleichzeitigkeiten politischer Veränderungen und persönlicher Krisen, die Achterbahnfahrten zwischen Neuorientierung und Rückfällen, Aufstieg und Fall.

Haben wir alles auch, jedoch nicht in dieser Dimension und nicht vor diesem staats- und gesellschaftspolitischen Hintergrund, doppelt betrogen: vom „neuen Menschen“ im freiheitlichen Sozialismus, der dann doch eher als repressiver Staat mit kleinbürgerlicher Blockwartmentalität daher kam, und den entfesselten Produktionsverhältnissen eine lähmende Planwirtschaft entgegen stellte. Und danach die große Freiheit, die sich als KDW-Gutscheinheft ohne Nachhaltigkeit entpuppte und bei allen demokratischen Errungenschaften, die letzten Reste von Solidarität zugunsten einer Ellenbogenmentalität unter ungleichen Bedingungen beiseite wischte.

Heute hat sich bei mir eine gewisse Nachdenklichkeit eingestellt, ja auch etwas Scham, dem so lange aus dem Weg gegangen zu sein und doch vor allem Freude an meiner eigenen Wiedervereinigung. Wir unterstützen unsere erwachsenen Kinder und deren Bewegungen für Autonomie, Solidarische Wohnprojekte (SOWO Leipzig), Neue Ökonomie, Klimaschutz, „Ende Gelände“, gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit. Und ich habe beste Freund*innen in der DGSF gewonnen aus Leipzig und Dresden in der gemeinsamen Leidenschaft und Zuversicht, gerade auch mit systemischen Konstrukten und Haltungen, mit unseren Potentialen und Ressourcen zur Transformation beizutragen von der individualistischen EGO- zur solidarischen ÖKO-Gesellschaft.

4. Dezember 2019
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender: Nicht die „guten“ Intentionen sind entscheidend

Heiko Kleve, Potsdam:

Am 7. Oktober 1989 war ein Tag für mich, den ich in ganz besonderer Erinnerung habe. Es war der 40. Jahrestag der DDR. Ich arbeitete in dieser Zeit als junger Facharbeiter für Datenverarbeitung in einem Rechenzentrum in der Nähe vom Berliner Alexanderplatz. Und obwohl der Tag ein Feiertag war, hatte ich Dienst. Denn wir waren in einem Vierschichtsystem tätig. Als meine Schicht zu Ende ging, unterhielt ich mich mit zwei Kollegen darüber, was wohl heute am Alexanderplatz passieren werde. Es wurde gemunkelt, dass am 40. DDR-Geburtstag, und zwar während Honecker mit Gorbatschow und den anderen geladenen realsozialistischen Staatsführungen im Palast der Republik feierten, eine spontane Demonstration an der Weltzeituhr losgehen würde. So war es dann auch – und meine Kollegen und ich waren dabei.

Die Demonstration bestand vor allem aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen und zählte ca. 3.000 Personen. Vor dem Palast der Republik verweilten wir, riefen „Gorbi, Gorbi“, „Freiheit, Freiheit“, „Keine Gewalt“ und „Wir sind das Volk!“. Danach zogen wir weiter in Richtung Prenzlauer Berg. Am Ende versammelten wir uns in der Gethsemanekirche.

Für mich war diese spontane Demonstration ein Protestzug von Menschen, die das Land verändern wollten, die nicht an Ausreise dachten, sondern in der DDR radikale demokratische Reformen forderten. Es war ein Aufbegehren von Idealisten, die noch an die Reformbarkeit des Realsozialismus glaubten. Die daran anschließenden Tage bis Ende Oktober 1989 erlebte ich sehr intensiv. Da ich sehr nahe an der Gethsemanekirche in Berlin-Prenzlauer Berg wohnte, war ich täglich dort. Denn es hatten sich unter diesem Dach Protestierende versammelt, die die Forderungen der Straße mittels Diskussionen und Ansprachen in die Kirche hineintrugen.

Am 1. November 1989 war für mich dann zunächst schlagartig Schluss mit diesen intensiven Auseinandersetzungen und Protesten für eine neue DDR. Denn ich wurde zum Grundwehrdienst der Nationalen Volksarmee (NVA) eingezogen. Da ich 1991 anfangen wollte, Wirtschaftsinformatik zu studieren, musste ich zuvor den Grundwehrdienst ableisten. Bei der NVA war ich bis März 1990; auch dort gab es Proteste. So demonstrierten wir etwa für die Einführung des Zivildienstes, der dann tatsächlich Ende 1989 etabliert wurde. Und so stellte ich einen entsprechenden Antrag und wurde daraufhin im Frühjahr 1990 von der Armee entlassen.

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3. Dezember 2019
von Tom Levold
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In eigener Sache

Nachdem die Vorgängerversion des systemagazins (systemagazin.de) über längere Zeit nicht mehr verfügbar war (ein veraltetes Contentmanagement-System und seine Inkompatibilität mit den aktuellen Versionen der Skriptsprache php waren der Grund), ist dieses Problem mittlerweile behoben, so dass der Zugriff auf das systemagazin-Archiv bis 2014 nun wieder möglich ist. Ich freue mich, dass das systemagazin nun wieder in Gänze der interessierten Leserschaft zur Verfügung steht.

Herzliche Grüße
Tom Levold, Herausgeber systemagazin

3. Dezember 2019
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender – Meine kleinen Geschichten um die Wendezeit herum

Ulrike Jänicke, Halle:

Ich bin 1950 geboren in Mainz, wuchs aber seit 1957 in der damaligen DDR auf – bin also ost-sozialisiert. Die Wende war ein großes Glück für mich, für uns als Familie, für unendlich viele Menschen im Osten.

3 kleine Anekdoten mag ich teilen:

Es war 1990 und ich ging mit meiner Familie (Ehemann und meinen 12 und 14-jährigen Töchtern ins Neue Theater in Halle/Saale – einem Ort für gutes Denken und modernes Theater. Einige namhafte Journalist*innen aus dem Westen waren gekommen, um über die DDR und das Jetzt zu diskutieren. Wir waren gespannt. Aber was sich da auftat, war über die Zeit fast nicht auszuhalten, weil es sehr einseitige Betrachtungsweisen gab. Meine durchaus per se nicht so extrovertierten Töchter waren nach einer Stunde fast nicht auf ihren Plätzen zu halten, weil sie eigentlich immer rufen wollten: „Nein, so ist es nicht, nein, so war es nicht, ich habe keinen Schaden im Kindergarten genommen und nein, auch die Schule war nicht schrecklich, weil wir immer beide Seiten kannten, die DDR-Meinung und das West-Fernsehen und die Diskussionen zu Hause“. – Ein wenig stolz war ich da schon.

Ich habe bis 1992 als Oberärztin in der Psychiatrie an der Universität in Halle gearbeitet. Wir hatten seit zwei Jahren einen neuen Chef aus Bonn. Am letzten Arbeitstag gab es ein Abschlussgespräch. Nach den üblichen Dingen im Austausch fragte er mich ganz offen und ein wenig ratlos, was denn falsch lief. Er bemühe sich so und die Kolleginnen und Kollegen folgten ihm so wenig. Er wollte wirklich einen Rat. Ich sagte ihm sehr offen: „Sie haben uns keine Fragen gestellt, Sie haben nur Antworten gegeben. Wir hätten auch was einbringen können und zu sagen gehabt.“ Er war verdutzt und ich weiß nicht, was davon er verstanden hat.

1990 wurde ich als „Exotin“ zu einem Workshop auf einer Tagung von Systemiker*innen eingeladen zur Frage, wie es mir als Frau in der DDR gegangen ist. Ein wenig aufgeregt nahm ich an. Denn: Ich hatte das sichere Gefühl, dass ich es als Frau es in der DDR gut gehabt habe: ohne Mühe Krippen- und Kindergartenplatz, feste Arbeitszeiten, Freistellung von Nachtdiensten bis zum 6. Lebensjahr meiner Kinder, einen Haushaltstag pro Monat für die Erledigung welcher Dinge auch immer, gleiches Gehalt, einen Frauenförderungsplan für wissenschaftliches Arbeiten mit zeitlicher Freistellung, einen Mann, dem die Gleichberechtigung im Alltag selbstverständlich war und wir uns gut in die Kinderbetreuung hineinteilen konnten. Ich erzählte munter und engagiert davon, beantwortete Fragen dazu und hatte dennoch durchaus kritische und irritierte Zuhörerinnen. Meine Erzählung passte nicht zum Frauenbild, das damals im Westen da war und es schien unvorstellbar, dass ich das, worum in der BRD noch so hart gekämpft wurde, für mich schon realisiert sah.

Und: Ich habe über die vielen Jahre verstanden, warum ich so eine heftige Liebesbeziehung mit dem Systemischen eingegangen bin und mich nicht mehr trennen werde: ich kann fragen, fragen, fragen. Ich kann neugierig sein auf Menschen, Lebensweisen, Sichtweisen und Haltungen und ich weiß, dass ich nicht der Nabel der Welt und des Wissens bin. Ich kann Dinge von den unterschiedlichsten Seiten betrachten und ich kann die Toleranz leben, die ich in meiner Herkunftsfamilie schon mit der Muttermilch aufgesogen habe.

Was mir tatsächlich aber fehlt (oder ich nur nicht in den passenden Gremien bin), ist das Einbringen der Systemiker*innen in die aktuelle gesellschaftspolitische Diskussion. Ich denke oft, wir hätten war wichtiges beizusteuern, wir müssten das tun, wir sollten das tun, wer, wenn nicht wir?….

2. Dezember 2019
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender – Westberliner Erinnerungen

Barbara Bräutigam, Stralsund:

In den 80iger Jahren wurde ich bei Urlaubsreisen mit meinen Eltern immer wieder von anderen westdeutschen Jugendlichen gefragt, ob wir uns in Berlin nicht eingesperrt fühlen würden. Mir und meinen Westberliner Freunden ist diese Frage immer unglaublich auf die Nerven gegangen. Wir hegten eine gewisse Verachtung für das provinzielle und kapitalistische Westdeutschland, wo man zum Wehrdienst musste und stundenlanges Telefonieren sehr teuer war. Im Fach politische Weltkunde verteidigte ich die DDR als das eindeutig humanistischere System und fand die Mauer zwar bedauerlich, aber nun ja …

In den letzten Wochen habe ich des Öfteren voller Scham an meine Empathielosigkeit und meine ziemlich bornierte erste Reaktion auf den Mauerfall vor 30 Jahren gedacht und fand mich bei Jutta Dittfurths Einstellung wieder, die nach dem November 1989 in erster Linie wieder ein mächtiges, womöglich kriegstreibendes Deutschland befürchtete.

Für den Osten begann ich mich trotz ostdeutscher Verwandtschaft erst zu interessieren, als ich Mitte der 90iger Jahre im Land Brandenburg zu arbeiten und leben begann. Ich lernte bei Begrüßungen konsequent die Hand zu geben und entwickelte eine gehörige Portion Demut angesichts heftiger biographischer Brüche und Verluste im Zuge der Wende.

2003 zog ich mit Mann und Kind nach Stralsund und verstand einerseits zunehmend die Abneigung vieler ostdeutscher Menschen gegenüber den Wessis und hatte andererseits immer mehr die Nase voll davon, mich scheinbar für meinen Geburtsort entschuldigen zu müssen. Erst als ich ein paar Jahre später im Rahmen einer Paartherapie von dem westdeutschen Mann für eine Westdeutsche und von der ostdeutschen Frau für eine Ostdeutsche gehalten wurde, hatte ich das Gefühl, diesem Dilemma ein wenig entronnen zu sein. Inzwischen bin ich als Lehrende an der Hochschule Neubrandenburg immer öfter mit Menschen konfrontiert, die entweder unsäglich unter der DDR und deren System der Bespitzelung und Repression gelitten haben oder denjenigen, die es immer noch nicht fassen können, dass alles falsch sein soll, was einmal richtig war. Eine konstruktivistische Sichtweise auf die Vergangenheit scheint zwar dabei die einzig mögliche, hilft aber nur bedingt, da Leid validiert werden will. Ich glaube nach wie vor, dass es mir als westsozialisiertem Menschen nicht zusteht, darüber zu entscheiden, ob die DDR ein Unrechtsstaat war oder nicht. Aber die Frage treibt mich zunehmend um.

1. Dezember 2019
von Tom Levold
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Adventskalender 2019

Auch in diesem Jahr gibt es wieder den systemagazin-Adventskalender, ein Raum für Geschichten, Einfälle, Erinnerungen und Assoziationen, die dieses Mal mit dem Mauerfall vor 30 Jahren verbunden sein sollen. Wie immer ist der Kalender zu Beginn noch längst nicht gefüllt, daher hier noch einmal die Einladung an alle Leserinnen und Leser, sich mit ihren eigenen Überlegungen und Erzählungen zu beteiligen. Welche Dynamiken hat die Vereinigung zweier so unterschiedlicher politischer, wirtschaftlicher und kultureller Systeme in Gang gebracht? Was verbindet, was trennt bis heute? Welche Symmetrien und Asymmetrien, Macht- und Größendifferenzen, Konfliktlagen und Mentalitätsunterschiede haben diese Dynamiken geprägt und sind von ihnen geprägt worden? Was war das Gute im Schlechten und das Schlechte im Guten?

Die Beiträge sollen sich an folgenden Fragen orientieren: Wie haben Sie diesen Tag und das, was danach folgte, erlebt? Welche persönlichen und professionellen Begegnungen haben sich für Sie aus der Wiedervereinigung ergeben? Welche Unterschiede haben sich für Sie aufgelöst, welche erhalten oder sogar verstärkt? Welche erlebten und erleben Sie als produktiv und spannend, welche als problematisch und besorgniserregend? Wie hat sich die Wiedervereinigung in der Entwicklung der systemischen Szene in Deutschland bemerkbar gemacht? Was bedeutet es, aus einer systemischen Perspektive auf diese Geschichte zu schauen – und welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen?

Ich freue mich, wenn Sie sich beteiligen wollen und mir Ihre Reflexionen an tom@levold.de zuschicken mögen.

Den Anfang macht heute Thomas Keller, für den der 9.11.1989 der Beginn einer freundschaftlichen Zusammenarbeit wurde.

Thomas Keller: Überraschung in der Pizzeria

Seit 1985 war ich Chefarzt an einem großen psychiatrischen Krankenhaus in Langenfeld. Von Anfang an arbeiteten wir daran, systemische Arbeitsformen im Alltag der psychiatrischen Klinik zu entwickeln, dabei wurden wir von unserem externen Supervisor Klaus Deissler unterstützt, dem Gründer und Leiter des Marburger Instituts. Unsere Arbeitsgruppe traf sich mehrmals im Jahr an Wochenenden. 1989 hatten wir bereits ein brauchbares Modell für Kooperation im Netzwerk von Patient*in, Angehörigen und beteiligten Fachleuten entwickelt. Am 9. November dieses Jahres hatten wir einen ganz besonderen Gast: Ulrike Jänicke aus Halle. Wir erfuhren, dass sie – seinerzeit Oberärztin in der Psychiatrie der dortigen Universität – eine Pionierin des Systemischen Ansatzes in der DDR war und von den dortigen Behörden die Genehmigung hatte, in den Westen zu reisen, um unterschiedliche systemische Arbeitsgruppen zu besuchen. Sie kam auch zu uns, weil sie gehört hatte, dass wir im psychiatrischen Alltag systemisch arbeiteten.

Abends gingen wir in eine Pizzeria. Wir hatten kaum bestellt, da ging die Tür auf, Leute kamen herein und sagten: „Im Fernsehen haben sie gerade gesagt, dass in Berlin die Mauer aufgemacht wird.“ Wir waren wie vom Donner gerührt, besonders aber natürlich Ulrike. Sie musste erst mal rausgehen, um diese epochale Nachricht für sich zu verarbeiten. Dann versuchte sie, mit ihrer Familie zu Hause zu telefonieren.

Es wurde der Beginn einer langen und freundschaftlichen Zusammenarbeit. Das Marburger Institut bot ihr eine Weiterbildung an, später kam es zu gemeinsamen Projekten in Halle und Leipzig. Ulrike Jaenicke wollte aber keine Ostfiliale eines Westinstituts aufmachen, sondern sie gründete  ihr eigenes Institut in Halle, das später nach Leipzig umzog. Sie wurde Vorstandsmitglied der Systemischen Gesellschaft und machte sich schließlich noch einen Namen in der systemischen Organisationsentwicklung. Ihr Mann wurde mit einem Software-Unternehmen erfolgreich.

25. November 2019
von Tom Levold
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Stellungnahme der systemischen Fachgesellschaften SG und DGSF zum Referentenentwurf der PsychTh-ApprO

Die systemischen Fachgesellschaften haben den Referentenentwurf einer „Approbationsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten“ (PsychTh-ApprO) vom 17.10.2019 zur Kenntnis genommen. Wir bedanken uns für die Möglichkeit, hierzu Stellung zu nehmen. Wir möchten die Arbeit an dem unter Hochdruck erarbeiteten Entwurf würdigen.

Nach intensiver Beschäftigung mit dem Entwurf entsteht der Eindruck, dass fast nur verhaltenstherapeutische Expertise aus dem Erwachsenenbereich bei der Erstellung genutzt wurde. Systemische und psychodynamische Elemente finden sich im Entwurf bislang kaum wieder. Dabei schreibt das neue Psychotherapeutengesetz selbst vor: „Ziel des Studiums ist eine verfahrensbreite Qualifizierung, die gleichermaßen alle wissenschaftlich anerkannten Verfahren umfasst“. „(…) das Studium [soll] sich auf die Vermittlung von Kenntnissen und Kompetenzen in allen wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen Verfahren erstrecken“ (Beschlussempfehlung und Bericht des Gesundheitsausschusses vom 25.09.2019, Drucksache 19/13585 des Deutschen Bundestages, Seite 80).

Wir halten die Verhaltenstherapie für einen sinnvollen und wirksamen psychotherapeutischen Ansatz, aber sie ist nicht der einzige wirksame Psychotherapieansatz. Eine Verfahrensintegration wird nicht gelingen, wenn lediglich ein Verfahren in der Approbationsordnung berücksichtigt wird. Dies steht zudem im Widerspruch zur sozialrechtlichen Psychotherapie-Richtlinie, die verschiedene Psychotherapieverfahren kennt.

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24. November 2019
von Tom Levold
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Beratung in der Sozialwirtschaft

In der von Stefan Busse, Rolf Haubl und Heidi Möller herausgegebenen Reihe „Beraten in der Arbeitswelt“ erscheinen kompakte Bändchen zu arbeitsweltbezogenen Themen im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht. 2018 veröffentlichte der frühere Professor der Sozialarbeitswissenschaft Herbert Effinger darin den Band „Beratung in der Sozialwirtschaft. Ungewissheiten als Chance kreativer Problemlösungsstrategien“. Peter Jensen hat ihn für systemagazin gelesen und stellt ihn hier in seinem Rezensions-Essay ausführlich vor:

Peter Jensen: Kairos – die Gunst des rechten Augenblicks. Rezension von Herbert Effinger: Beratung in der Sozialwirtschaft

Herbert Effinger bringt in seinem Buch zwei Bereiche zusammen: den Bereich professioneller Sorgearbeit und die Beratung. Eine Beraterin oder ein Berater, in diesen Bereich kommend, fragt sich, vor welchen Herausforderungen steht eine Sorgearbeiterin (die männliche Sprachform umstandslos anzufügen, würde verschleiern, dass in diesem Arbeitsfeld überwiegend Frauen tätig sind), was brauchen die Tätigen, ist Beratung die angemessene Antwort auf die Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen der Behindertenarbeit, der Altenarbeit, in den Kliniken, oder dient sie als Feigenblatt, wo schlicht bessere Entlohnung her müsste, wo kapitalistisches Profitstreben einen ethischen Widerspruch aufreißt in Bezug auf die Ziele und Erfordernisse des Feldes zu helfen, zu unterstützen, Pflege zu geben, d.h. auf Kosten der Bedürftigen und auf dem Rücken der Beschäftigten?

Was hat Beratung anzubieten? Beratung fordert die Zielgruppe der in diesen Arbeitsfeldern Tätigen dazu auf, den Blick auf sich selbst zu lenken. Sie bietet an, aus den Anstrengungen, dem Stress, aus den berührenden Erlebnissen Sprache zu formen. Sie ermöglicht Zuhören, Austausch. Sie eröffnet einen Emotionsraum. Denn die Menschen in Carebereich leisten Emotionsarbeit (Hochschild 2003). Wir wissen, das emotionale Verarbeiten von belastenden Situationen bedarf eines Vertrauensrahmens, es braucht Zeit, und Zeit ist in diesem Feld ein knappes Gut, zu wenig vorhanden. Sie bietet kreativ den Raum für Umdeutungen, z.B. dassindividuell empfundene Erschöpfung oder Resignation keine persönliche Schwäche ist, sondern auch von den Kolleginnen und Kollegen erlebt wird und vielleicht eine strukturelle Überanstrengung ausdrückt. Und die Beraterin oder der Berater kann durch seinen Außenblick auf das Handeln der einzelnen Kollegin, auf das Team, die Organisation und auf das Feld insgesamt, neue Sichtweisen anregen, die entlastend wirken können, Lösungen aufzeigen, aber auch Grenzen des Machbaren benennen.

Wirft man diese beiden Bilder, das des Arbeitsfeldes und das der Beratung projektiv an eine Wand, erkennt man vielfältige, widersprüchliche Muster auf unterschiedlichen Ebenen:strukturelle, dynamische, handlungsethische, ökonomische, politische. Herbert Effinger erkennt diese unübersichtliche Komplexität. Er greift sie im Eingangskapitel seines Textes auf: Ungewissheit als Risiko und Chance lautet die Überschrift. Er stellt sie als Basiserzählung seiner Analyse voran. Damit benennt er gleichzeitig eine zentrale Kompetenz, die Beratenden in diesem Feld abverlangt wird, mit Offenheit liebevoll und genau hinzuhören auf die Erzählungen der zu Beratenden; liebevoll meint das zentrale Ziel des Arbeitsbereichs im Blick und im Herzen zu haben, unterstützungsbedürftige Menschen zu halten und zu pflegen. Das heißt also genau nicht neutral zu sein, sondern auf der Seite der zu Versorgenden und an der Seite der Frauen und Männer, die diese Arbeit machen, zu stehen.

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19. November 2019
von Tom Levold
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Josef Duss-von Werdt (24.10.1932 – 25.10.2019)

Schon am 25. Oktober 2019 ist Josef Duss-von Werdt gestorben, einen Tag nach seinem 87sten Geburtstag. Erfahren habe ich erst gestern davon. In den letzten Jahren war es still um ihn geworden.
Sepp Duss von Werdt hat an der Entwicklung der Systemischen Therapie schon früh Anteil gehabt und sie später lange begleitet, nicht zuletzt gemeinsam mit Helm Stierlin als Herausgeber der Zeitschrift Familiendynamik.
1956 schloss er sein Studium der Philosophie und Psychologie an der Katholischen Universität Löwen mit einem Dr. phil. ab, ich erinnere mich, wie begeistert er mir von seinen Studien im Husserl-Archiv an der Löwener Universität erzählte. 1964 wurde er dann noch an der Universität München zum Dr. theol. promoviert.
Von 1967 bis 1987 war er Leiter des Institutes für Ehe und Familie in Zürich, das er auch mitbegründet hatte. An diesem Institut, das in den 70er Jahren eine Reihe von sehr einflussreichen internationalen Tagungen zur Familientherapie organisierte, arbeitete er auch mit Rosmarie Welter-Enderlin zusammen, die von ihrem Aufenthalt in den USA neue systemische und familientherapeutische Konzepte mitbrachte. 1976 begründete er gemeinsam mit Helm Stierlin die Zeitschrift Familiendynamik, die in den ersten Jahren noch überwiegend psychoanalytisch inspirierte Beiträge veröffentlichte, dann aber zunehmend ein systemisches Profil entwickelte. 1987 gab er seine Herausgebertätigkeit auf. Schon seit Ende der 1970er Jahre befasste er sich aufgrund seiner Begegnungen mit Richtern, Anwälten und Beratern mit der Frage außergerichtlicher Konfliktklärungen und war in den Folgejahren maßgeblich als Pionier an der Entwicklung der Mediation beteiligt. Er prägte insbesondere die Familienmediation mit zahlreichen Vorträgen, Weiterbildungen und Veröffentlichungen. Sein Werk „Homo Mediator. Geschichte und Menschenbild der Mediation“ wurde zu einem Standardwerk der Mediation. 1992 begründete er den Schweizerischen Verein für Mediation. Im Jahr 2014 erhielt er den Mediationspreis des Schweizer Dachverbandes SDM/FSM für sein Lebenswerk. Ab 1998 war Joseph Duss-von Werdt als Lehrbeauftragter für Mediation an der Fernuniversität Hagen tätig. Auf Youtube ist er in einem Gespräch mit Bernhard Böhm zu sehen:

Bis in die 90er Jahre hinein erlebte ich Sepp Duss-von Werdt vor allem über seine Publikationen und hatte auch einmal Kontakt mit ihm als Herausgeber der Familiendynamik gehabt, bei dem ich mich über seine wertschätzenden und unterstützenden Kommentare zu meiner Arbeit freuen konnte. Erst auf einer SG-Tagung lernten wir uns auch persönlich näher kennen. Ich bekam einen Eindruck von seinem unglaublich breiten geisteswissenschaftlichen Horizont und seinem spannenden professionellen Werdegang, erfuhr von seiner Wanderlust, die er auf Tausenden von Kilometern durch Europa auslebte.

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11. November 2019
von Tom Levold
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Was wirkt in der Psychotherapie?

Wolfgang Loth, Niederzissen

Mit der Serie „Psychotherapeutische Dialoge“ hat Uwe Britten ein Format entwickelt, das zuverlässig für ebenso interessante wie fundierte Erkundungen spezifischer Fragestellungen aus dem Bereich der Psychotherapie sorgt. Eingeladen zum Gespräch sind stets zwei profilierte KollegInnen, die zum Thema publiziert haben und, idealerweise, unterschiedliche Positionen dazu vertreten. Wenn es gut läuft, können sich dabei belebende Momente ergeben, ein Hineinbewegen in noch nicht verphraste Beschreibungen eigener Prämissen, Suchbewegungen und Arbeitserfahrungen, sowie deren Einbettung in theoretisches Rüstzeug. Uwe Britten erweist sich dabei als ein spannender Impulsgeber. Er überblickt erkennbar ein weites Feld, schaut über Tellerränder, bohrt nach und liefert Stichworte, die sich in der Regel nicht einfach so abarbeiten lassen. Es sind, um das abzuschließen, also erhellende Eindrücke zu erwarten, wenn man Bücher dieser Serie in die Hand nimmt.

Wie ist es in diesem Fall? Bernhard Strauß und Ulrike Willutzki vertreten beide ihr Fach in universitärerer Forschung und Lehre und haben beide gewichtige Beiträge zur Psychotherapieforschung geleistet. Strauß reflektiert Psychotherapie eher in Bezug auf seine psychoanalytische Praxis, Willutzki in Bezug auf kognitive Verhaltenstherapie. Dies jedoch nicht im Sinne orthodoxen Bestehens auf einer jeweils „wahren“ Lehre, sondern sowohl theoretisch als auch in konkreten Projekten vernetzt. So ergeben sich unter anderem Impulse aus Psychodrama, Bindungstheorie und Systemtheorie. Insgesamt ergibt das kein Streitgespräch, keine Auseinandersetzung mit gegnerischen Positionen, sondern eine Auseinandersetzung mit dem Thema. Das ist einerseits wohltuend, benötigt jedoch erkennbar Brittens Witz und Anregungssicherheit. Da dies gegeben ist, kann das Gespräch seinen gewinnbringenden Verlauf nehmen.

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9. November 2019
von Tom Levold
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Adventskalender 2019

Liebe Leserinnen und Leser von systemagazin,

Foto: anonym

heute ist der 9. November, die Öffnung der Berliner Mauer – das Startsignal zur deutschen Wiedervereinigung – jährt sich zum 30. Mal. Ein Ereignis, dessen Folgen nicht nur für die beiden deutschen Teilstaaten, sondern auch für die Biografien ihrer Bewohner, auf jeden Fall für die Bürger der ehemaligen DDR, von existenzieller und nachhaltiger Bedeutung waren und heute noch sind. Hinter der allgemeinen Euphorie, dass „zusammenwächst, was zusammen gehört“ (Willy Brandt), wurde aber auch schnell deutlich, wie spannungs- und konfliktreich die Wiedervereinigung (oder der Anschluss?) bis heute war und ist. Welche Dynamiken hat die Vereinigung zweier so unterschiedlicher politischer, wirtschaftlicher und kultureller Systeme in Gang gebracht? Was verbindet, was trennt bis heute? Welche Symmetrien und Asymmetrien, Macht- und Größendifferenzen, Konfliktlagen und Mentalitätsunterschiede haben diese Dynamiken geprägt und sind von ihnen geprägt worden? Was war das Gute im Schlechten und das Schlechte im Guten?
Wie in jedem Jahr soll es mit Ihrer Mitwirkung auch wieder einen systemagazin-Adventskalender geben. Ich möchte Sie anlässlich dieses Jahrestages herzlich einladen, einen kürzeren oder längeren Beitrag zum Kalender beizusteuern, der sich mit diesen und den folgenden Fragen beschäftigt:
Wie haben Sie diesen Tag und das, was danach folgte, erlebt? Welche persönlichen und professionellen Begegnungen haben sich für Sie aus der Wiedervereinigung ergeben? Welche Unterschiede haben sich für Sie aufgelöst, welche erhalten oder sogar verstärkt? Welche erleben Sie als produktiv und spannend, welche als problematisch und besorgniserregend? Wie hat sich die Wiedervereinigung in der Entwicklung der systemischen Szene in Deutschland bemerkbar gemacht? Was bedeutet es, aus einer systemischen Perspektive auf diese Geschichte zu schauen – und welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen?
Wie immer ist die Wahl des Formates völlig frei. Ob eine persönliche Geschichte oder Anekdote, die Sie besonders beschäftigt und berührt hat, einen persönlichen Rückblick auf 30 Jahre Wiedervereinigung, eine Reflexion der Systemdynamik von Spaltung, Trennung, Verbindung und Wiedervereinigung, oder ein Zukunftsbild der Wiedervereinigung aus dem Jahre 2030, alles hat Platz, wenn es in irgendeiner Weise auf das Thema Bezug nimmt.

Ich freue mich auf Ihre Antworten und Zusendungen!

Tom Levold
Herausgeber systemagazin

5. November 2019
von Tom Levold
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«Evidenzbasierung» als Kriterium der Psychotherapie-Selektion? Über eine gutes Konzept – und seine missbräuchliche Verwendung

Jürgen Kriz

In der gerade erschienenen Ausgabe 2 der Online-Zeitschrift Psychotherapie-Wissenschaft geht es um das Verhältnis von Psychotherapie und Wissenschaft. Enthalten ist auch ein Artikel von Jürgen Kriz, der sich kritisch mit dem Konzept der Evidenzbasierung in der Psychotherapie(forschung) auseinandersetzt. Im abstract heißt es: „In diesem Beitrag wird zunächst hervorgehoben, dass «Evidenzbasierung» ein gutes und nützliches Konzept ist, aber durch eine Reduktion auf RCTs inzwischen oft missbräuchlich verwendet wird. Zwar ist das RCT-Design durchaus ein hervorragendes Modell zur Untersuchung experimenteller Forschungsfragen. Dies gilt aber nur dann, wenn klar definierbare Ursachen und ebenso klar definierbare Wirkungen hinreichend isolierbar sind und diese dabei die Untersuchungsrealität brauchbar abbilden. Je grösser der Handlungsspielraum zur Gestaltung der Ursachen (Interventionen) ist und je komplexer die relevanten Wirkungen sind, desto weniger tauglich ist dieser Ansatz. Wie sodann aufgezeigt wird, eigenen sich RCT-Designs in der Psychotherapieforschung besonders dann, wenn manualisierte Programme angewendet werden. Dies ist primär für die Verhaltenstherapie der Fall. Für psychotherapeutisches Vorgehen, das wesentlich in der prozess-spezifischen Entfaltung von Prinzipien begründet ist, sprengt die grosse Variabilität der Detail-Ursachen (Interventionen) die erforderliche massenstatistische Homogenität für ein experimentelles Design. Die Forderung, Wirksamkeit vor allem mit RCT-Designs zu belegen, läuft dort auf methodische Artefakte hinaus, beziehungsweise stülpt eine bestimmte psychotherapeutische Präferenz, nämlich für die Verhaltenstherapie, auf dem Wege der Wissenschaftsmethodik anderen Psychotherapieansätzen über. Abschliessend werden noch einige weitere Reduktionen und Missinterpretationen im Zusammenhang mit RCT- und Metastudien-Designs problematisiert.“

Der Artikel ist hier zu lesen und kann auch als PDF heruntergeladen werden.

31. Oktober 2019
von Tom Levold
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2018 erstmals über 1 Million erzieherische Hilfen für junge Menschen

WIESBADEN – Im Jahr 2018 haben die Träger der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland mehr erzieherische Hilfen für Menschen unter 27 Jahren gewährt als jemals zuvor: Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, wurden erzieherische Hilfen in rund 1 003 000 Fällen in Anspruch genommen. Das waren knapp 17 500 mehr als 2017 (+1,8 %).

Hilfen zur Erziehung sind professionelle Beratungs-, Betreuungs- oder Hilfeangebote, auf die Eltern minderjähriger Kinder einen Anspruch nach dem Kinder- und Jugendhilferecht haben.

Voraussetzung ist, dass eine dem Kindeswohl entsprechende Erziehung nicht gewährleistet werden kann, die Hilfe für die kindliche Entwicklung aber geeignet und notwendig ist. Grundsätzlich ist die Inanspruchnahme freiwillig. Bei drohenden Kindeswohlgefährdungen kann sie jedoch auch vom Familiengericht angeordnet werden. Junge Volljährige haben unter bestimmten Voraussetzungen bis höchstens zum 27. Lebensjahr ebenfalls Anspruch auf erzieherische Hilfen. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre stieg die Zahl erzieherischer Hilfen um gut 205 000 beziehungsweise 26 % auf nun über 1 Million Fälle an. Im Mittel entsprach das einem Plus von jährlich 2,0 %. Weiterlesen →