Eve Lipchik wurde 1931 als Tochter einer jüdischen Familie in Wien geboren und konnte nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland in letzter Sekunde mit ihrer Mutter in die USA fliehen. Nach ersten Jahren in New York und Basel zog sie mit ihrem Mann Elliot nach Milwaukee, wo sie gemeinsam mit Steve de Shazer, Insoo Kim Berg und anderen das Brief Family Therapy Center BFTC gründete, das mit der Entwicklung des lösungsorientierten Ansatzes berühmt wurde. 1988 kam es zur Trennung: während Steve de Shazer und Insoo Kim Berg zunehmend mit der Vermittlung ihres Ansatzes in internationalen Weiterbildungsaktivitäten beschäftigt waren, konzentrierte sich Eve Lipchik verstärkt auf die therapeutische Praxis. In ihren Veröffentlichungen wurde sie vor allem durch ihre Arbeiten zur Bedeutung der Affekte und der Gestaltung der therapeutischen Beziehung bekannt, ein Aspekt, der für sie im lösungsorientierten Ansatz zu wenig Beachtung erfährt. Am 2. August feierte sie ihren 85. Geburtstag.
Ihr Geburtsland hat Eve Lipchik lange gemieden, der Kontakt mit Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für systemische Therapie und systemische Studien ÖAS führten dazu, dass Eve Lipchik ihre Geburtsstadt wieder besuchte und auch dort arbeitete. Ich lernte sie dort vor über 10 Jahren auf einer Tagung kennen und war sofort begeistert und hingerissen von ihrer Person. Schon damals entstand die Idee, ein längeres Interview mit ihr über ihr Leben zu führen. 2014 hielt sie auf der ÖAS-Tagung „fremd gehen“ einen Hauptvortrag, in dem sie ihre eigene professionelle Entwicklung rekapitulierte. Wir verabredeten uns am Rande dieser Tagung im Haus von Corina Ahlers, wo Corina und ich ein langes Gespräch mit Eve über ihre Kindheit in Wien, ihre Ausreise in die USA, ihre Familienzeit, die Ausbildung zur Sozialarbeiterin und die Zeit mit und nach dem BFTC. Ursprünglich sollte es ein Video-Interview werden, aber die Qualität der Aufnahmen und ein Fehler bei der Tonaufzeichnung machten Bild- und Tonsynchronisation unmöglich, was auch die Transkription und Überarbeitung in die Länge zog. Hier können Sie nun das gesamte Gespräch lesen. Unsere Fragen sind kursiv gesetzt. Weiterlesen →