systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

1. Dezember 2018
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2018 – schöne neue Welt

Liebe Leserinnen und Leser,

heute startet wieder der systemagazin-Adventskalender. Die Leitfrage für dieses Mal ist ja, welche Ideen, Hypothesen und Prognosen Sie haben, wohin sich das systemische Feld in den kommenden Jahren entwickeln wird. Welche Konzepte werden Bestand haben, welche kommen unter die Räder (des Mainstreams, des Fortschritts, des Rückschritts)? Was bleibt in Erinnerung, was wird vergessen? Was geschieht mit den Verbänden, Instituten und Interessengruppen? Mit welchen Auflösungen, Spaltungen, Fusionen und Neuformationen wird zu rechnen sein? Was wird man in 10 Jahren unter „systemisch“ verstehen? Wie schätzen Sie Ihre eigene Zukunft unter diesen Prämissen ein? Angenommen, Sie schauen 2028 auf 10 turbulente Jahre zurück, was ist alles an erfreulichen und deprimierenden Ereignissen geschehen?

Wie immer ist auch heute noch überhaupt nicht klar, ob der Kalender in diesem Jahr voll wird. Viele Kolleginnen und Kollegen haben schon einen Beitrag zugesagt – aber fühlen Sie sich auf jeden Fall eingeladen, auch selbst noch tätig zu werden und ein Türchen zu gestalten. Ihrer Phantasie sind dabei keine Schranken gesetzt. Wie immer bleibt die Form Ihnen ganz überlassen. Analysen, Pamphlete, zirkuläres Hypothetisieren, reflektierende Dialoge, Horoskope, Briefe aus der Zukunft in die Vergangenheit, Geschichten, Weissagungen, Satire, persönliche Bekenntnisse – alles hat seinen Platz, und der ist im Internet nicht begrenzt. Kleine Bedingung: Ihr Text sollte etwas mit den gestellten Fragen zu tun haben.

Die Eröffnung macht heute Wolfgang Loth mit einem Blick aus der Zukunft – lassen Sie sich überraschen. Ich freue mich auf Beiträge, Rückmeldungen und Diskussionen.

Wolfgang Loth: Schöne neue Wellt

Neulich mit Benno beim Kaffee. Vielleicht sollte ich genauer sagen, ich Kaffee, Benno Strom. Benno ist der meines Wissens erste zertifizierte KI-Berater. Ein Roboter, wie man früher gesagt hätte. Das wäre jedoch für Zwecke psychosozialer Optimierungsberatung ein eher abschreckender Begriff. Wer will sich schon von einem Roboter unter die Arme greifen lassen?! „Wart’s nur ab!“, hatte Benno gelacht, „eines Tages wirst Du froh sein, wenn ich Dir nicht nur geduldig immer wieder das Gleiche erkläre, weil Du es kurz darauf schon wieder vergessen hast. Sondern Dich auch noch ohne zu mucken durch den Raum trage ohne müde zu werden.“ Natürlich hatte er bemerkt, dass mich das gruselte, künstliche Intelligenz eben, aufmerksam bis zum letzten, unbeeindruckt, gleichmäßig freundlich, ob ich nun abwinke oder nicht. Und jetzt eben bei Kaffee&Strom. Von Zeit zu Zeit muss Benno noch Pause machen und den Akku laden. Dann, und nur dann habe ich eine Chance auf ein Gespräch, das nicht nur funktional abläuft. Ein Gespräch, bei dem er sich volens nolens Zeit nehmen muss, während er sie ansonsten, wie es scheint, entweder immer hat oder außerhalb ihrer menschenüblichen Verschleißdauer funktioniert. Klingt nicht schön, aber irgendwie ist es wohl so. Weiterlesen →

22. November 2018
von Tom Levold
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Systemische Therapie sozialrechtlich anerkannt!

Berlin/Köln 22.11.2018: G-BA legt Grundlage für kassenfinanzierte Systemische Psychotherapie

In seiner heutigen Sitzung hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) den Nutzen und die medizinische Notwendigkeit der Systemischen Therapie für Erwachsene bestätigt. Damit hat er den Grundstein dafür gelegt, dass Systemische Psychotherapie künftig als Versicherungsleistung von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden kann. Mit seinem Beschluss beauftragt das G-BA-Plenum den Unterausschuss Psychotherapie des G-BA, mit den Beratungen zur Erweiterung der Psychotherapie-Richtlinie um die Systemische Therapie zu beginnen.

„Die Anerkennung der Systemischen Therapie durch den G-BA ist eine gute Nachricht für die Patientinnen und Patienten in Deutschland. Das Angebot einer kassenfinanzierten Systemischen Therapie bringt eine wichtige Verbesserung des psychotherapeutischen Behandlungsangebotes“, betont Dr. Björn Enno Hermans, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF).

Die heutige Entscheidung wurde mit den Stimmen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie der drei unparteiischen Mitglieder ermöglicht, nach einem klaren Plädoyer des G-BA-Vorsitzenden Professor Josef Hecken für die Anerkennung Systemischer Therapie. Auch die nicht stimmberechtigte Patientenvertretung unterstützte den Beschluss. Der G-BA stellt mit diesem Votum den Nutzen Systemischer Therapie in fünf Anwendungsgebieten der Psychotherapie fest, darunter die am häufigsten auftretenden Erkrankungen Angst- und Zwangsstörungen und affektive Störungen (Depression). Für eine Zulassung muss der Nutzen zwingend für diese beiden Indikationen belegt sein. Basis für die heutige Entscheidung ist die Nutzenbewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das im Auftrag des G-BA den Nutzen in sieben Störungsbereichen festgestellt hatte. Den Antrag auf die Nutzenbewertung hatte 2013 das damalige unparteiische Mitglied Dr. Harald Deisler gestellt. Die Anerkennung der Systemischen Therapie durch den Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie ist bereits vor zehn Jahren erfolgt.

Psychische Erkrankungen sind längst zu Volkskrankheiten geworden. „Wir begrüßen es, dass erstmals nach 31 Jahren wieder ein hoch wirksames Psychotherapieverfahren vor der Aufnahme in den Leistungskatalog der Krankenkassen steht“, erklärt Dr. Ulrike Borst, Vorsitzende der Systemischen Gesellschaft (SG). Bis es soweit ist, müssen sich die Patientinnen und Patienten noch etwas gedulden, da im nächsten Schritt die konkrete Anpassung der Psychotherapie-Richtlinie vorgenommen werden muss. Neben den beiden psychoanalytisch begründeten Verfahren und der Verhaltenstherapie wäre Systemische Therapie dann das vierte Richtlinienverfahren zur Behandlung psychischer Störungen.

Bis März 2019 soll laut einer Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag das Bewertungsverfahren zur Systemischen Therapie abgeschlossen sein. „Wir freuen uns“, so Sebastian Baumann, Vorstandsbeauftragter Psychotherapie der SG, „dass der G-BA für eine Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung in Deutschland gesorgt hat und auf der Grundlage des heutigen Beschlusses Systemische Therapie nun bald allen Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen kann.“ Professor Josef Hecken machte von seinem Steuerungsrecht als Vorsitzender Gebrauch und mahnte eine sehr zügige Umsetzung des heutigen Beschlusses an.

(Quelle: Presseinformation von DGSF und SG, 22. November 2018)

13. November 2018
von Tom Levold
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systemagazin-Adventskalender 2018

Liebe systemagazin-Leserinnen und -Leser,

wie jedes Jahr möchte ich Sie auch in diesem Jahr wieder einladen, einen kleinen Beitrag für den systemagazin-Adventskalender beizusteuern. Seit langer Zeit ist er der geneigten Leserschaft lieb geworden, die Beiträge werden gerne gerne gelesen und diskutiert. Nie war er am 1.12. fertig, sondern immer für mich eine Art „Work in Progress“ – und mit der Spannung verbunden, ob alle Türchen bis zum 24.12.2018 besetzt werden. Auch dieses Mal bin ich zuversichtlich, dass das klappt.
Wie in den vergangenen Wochen möchte ich auch den diesjährigen Kalender Jahr unter ein Leithema setzen. Die 10er Jahre dieses Jahrhunderts sind für die systemische Szene sehr stark von den Bemühungen um die sozialrechtliche Anerkennung der Systemischen Therapie als kassenfinanziertes Therapieverfahren gekennzeichnet gewesen. Gleichzeitig sind die systemischen Verbände SG und DGSF außerordentlich gewachsen, der systemische Ansatz ist in vielen Bereichen psychosozialer Arbeit nicht nur populär geworden, sondern nimmt oft schon eine fast dominante Rolle ein. Das Label „systemisch“ ist überall zu finden, aber ist auch immer „systemisch“ drin, wenn „systemisch“ drauf steht? Und wohin führt uns das?
Mich würden Ihre Ideen, Hypothesen und Prognosen interessieren, wohin sich das systemische Feld in den kommenden Jahren entwickeln wird. Welche Konzepte werden Bestand haben, welche kommen unter die Räder (des Mainstreams, des Fortschritts, des Rückschritts)? Was bleibt in Erinnerung, was wird vergessen? Was geschieht mit den Verbänden, Instituten und Interessengruppen? Mit welchen Auflösungen, Spaltungen, Fusionen und Neuformationen wird zu rechnen sein? Was wird man in 10 Jahren unter „systemisch“ verstehen? Wie schätzen Sie Ihre eigene Zukunft unter diesen Prämissen ein? Angenommen, Sie schauen 2028 auf 10 turbulente Jahre zurück, was ist alles an erfreulichen und deprimierenden Ereignissen geschehen?
Da wir in die Zukunft schauen, sind Ihrer Phantasie keine Schranken gesetzt. Wie immer bleibt die Form Ihnen ganz überlassen. Analysen, Pamphlete, zirkuläres Hypothetisieren, reflektierende Dialoge, Horoskope, Briefe aus der Zukunft in die Vergangenheit, Geschichten, Weissagungen, Satire, persönliche Bekenntnisse – alles hat seinen Platz, und der ist im Internet nicht begrenzt. Kleine Bedingung: Ihr Text sollte etwas mit den gestellten Fragen zu tun haben 🙂
Ich hoffe, dass ich Ihnen Lust gemacht habe, ein Türchen zu gestalten und freue mich schon jetzt auf alle Zusendungen an: levold@systemagazin.com – für alle wird Platz im Kalender sein (auch wenn es mehr als 24 werden sollten).

Mit herzlichen Grüßen
Tom Levold
Herausgeber systemagazin

6. November 2018
von Tom Levold
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Luhmann für dich und mich

Heute vor 20 Jahren ist Niklas Luhmann (8.12.1927 – 6.11.1998) gestorben. Auch wenn sein primäres Interesse einer Systemtheorie der Gesellschaft galt, ist seine Ausstrahlung und Bedeutung im Feld der systemischen Beratung und Therapie ungebrochen. In der Zeitschrift systhema haben Haja Molter und Karin Nöcker 2012 versucht, Aspekte der Theorie der sozialen Systeme nach Niklas Luhmann, insbesondere seiner Kommunikationstheorie, auf den Nutzen und mögliche Konsequenzen für die systemische Praxis zu befragen.

Aus dem Anlass dieses Jahrestages verweist systemagazin auf diesen Text, in dem es u.a. darum geht:

  • Welche Relevanz hat diese Systemtheorie für unsere systemische Praxis?
  • Inwieweit ist diese Theorie brauchbar, hilfreich oder möglicherweise hinderlich für unsere Arbeit mit Klienten?
  • Welche konkreten Interventionen/Einladungen lassen sich für unseren Berufsalltag ableiten und anwenden, welche Anregungen könnten wir geben und welche Aufregungen könnten wir veranlassen, um die Selbstorganisation unserer Klienten zu fördern?
  • Wie kann es gelingen, eine anschlussfähige Kommunikation anzuregen?
  • Wenn „Missverstehen“ in der Kommunikation wahrscheinlicher als „Verstehen“ sein soll, wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass wir Luhmanns Theorie der sozialen Systeme verstanden haben?

Zum vollständigen Text geht es hier…

5. November 2018
von Tom Levold
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10 % der Frauen hatten 2017 einen höheren Bildungsstand als ihr Partner

WIESBADEN – Im Jahr 2017 hatten 10 % der Frauen, die mit einem Partner im Haushalt zusammen lebten, den formal höheren Bildungstand in der Beziehung. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, traf der umgekehrte Fall häufiger zu: Bei über einem Viertel der Paare (27 %) hatte der Mann im Vergleich zu seiner Partnerin einen höheren Bildungsstand. Überwiegend (63 %) hatten in einer Partnerschaft lebende Frauen und Männer in Deutschland jedoch in etwa das gleiche Bildungsniveau.

Ehepaare, die die Mehrzahl der Paargemeinschaften stellen, unterschieden sich kaum vom Durchschnitt aller Paare. In gemischtgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, also bei unverheirateten Paaren hatten 15 % der Frauen einen höheren Bildungsabschluss als ihre Partner. Dass der Mann einen höheren Bildungstand hatte, kam zu 20 % vor. 65 % der Frauen und Männer in diesen Lebensgemeinschaften hatten ein ähnliches Bildungsniveau.

Bei einer regionalen Betrachtung gab es ebenfalls Unterschiede im Bildungsniveau der Partner. In Ostdeutschland waren 13 % der Frauen besser qualifiziert als ihre Partner, Männer hatten hier in 20 % der Fälle den höheren Abschluss. Westdeutschland unterschied sich dagegen kaum vom Bundesdurchschnitt.

Auch von den in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft lebenden Personen hatte die Mehrzahl (63 %) einen gleichen Bildungstand wie ihre Partnerinnen beziehungsweise Partner. Nach dem Geschlecht differenziert, traf das auf 60 % der Männer und 66 % der Frauen in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften zu.

Die Ergebnisse basieren auf dem Mikrozensus 2017, für den jährlich 1 % der Haushalte befragt wird. Hierbei werden ausschließlich in einem gemeinsamen Haushalt lebende Personen einbezogen. Über den Haushalt hinaus bestehende familiäre Bindungen werden dabei nicht berücksichtigt. Für diese Auswertung werden Ehepaare und Lebensgemeinschaften nach dem International Standard Classification of Education (ISCED) betrachtet, einer Kombination aus Schul- und Berufsbildungsabschluss.

Quelle: Pressemitteilungen – 10 % der Frauen hatten 2017 einen höheren Bildungsstand als ihr Partner – Statistisches Bundesamt (Destatis)

4. November 2018
von Tom Levold
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Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie zu dem Dokumentarfilm „Elternschule“

Köln, 2.11.2018

Im Folgenden nimmt die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) Stellung zu dem Film „Elternschule“ (2018), einer Dokumentation von Ralf Bücheler und Jörg Adolph, die in der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen, Abteilung Pädiatrische Psychosomatik, Allergologie und Pneumologie, gedreht wurde.

Als größte systemische Fachgesellschaft fühlen wir uns zu einer Stellungnahme aufgefordert, da der verantwortliche Psychologe Dietmar Langer wie auch die Klinik selbst, sich darauf berufen, „auch systemisch“ zu arbeiten.

In dem gezeigten Einblick in die Arbeit des Gelsenkirchener Teams vermögen wir jedoch nichts Systemisches zu erkennen und distanzieren uns in aller Deutlichkeit von dem Vorgehen in der Psychosomatischen Abteilung der Kinderklinik. Die Stellungnahme des Deutschen Kinderschutzbundes zu diesem Film vom 26.10.2018 wird von Seiten der DGSF vollumfänglich unterstützt.

Ziel systemischen Handelns ist es, eine innere Haltung und Einstellung bei Eltern, Therapeutinnen und Therapeuten, Erzieherinnen und Erziehern anzuregen, aus denen heraus sinnvolles erzieherisches oder therapeutisches Handeln unter den einmaligen Bedingungen der jeweiligen Einzelsituation möglich wird (1).

Diese Haltung ist geprägt vom Respekt für die Wege und bisherigen Lösungsversuche der einzelnen Familien, von der Würdigung des Leidens dieser Familien und von der Zuversicht, dass diese auch unter extremen Bedingungen über eigene Ressourcen verfügen. Systemisches Arbeiten mit Familien bietet einen geschützten Rahmen, in dem diese neue Lösungen finden und Selbstwirksamkeit durch Wertschätzung erfahren können.

In den gefilmten Sequenzen der stationären Therapie in der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen zeigt sich die systemische Haltung in keiner Weise. Es wird vielmehr das scheinbare Versagen der Eltern im „Kampf“ gegen die Kinder in den Vordergrund gestellt. Dabei wird den Eltern kein Raum geboten, eigene Vorstellungen von Lösungen zu entwickeln oder sich ihrer eigenen Ressourcen bewusst zu werden. Sie erhalten Frontalunterricht von Experten, die Ihnen aufzeigen, welche Fehler sie in der Vergangenheit machten und was sie stattdessen in Zukunft zu tun haben. Weiterlesen →

27. Oktober 2018
von Tom Levold
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Fritz B. Simon zum 70.

Heute feiert Fritz B. Simon seinen 70. Geburtstag (auch die systemischen Youngster der frühen 80er kommen in die Jahre 🙂 – und systemagazin lässt ihn hochleben. Seine vielfältigen Beiträge zur Entwicklung der systemischen Theorie, Praxis und Weiterbildung in den Feldern der Psychotherapie, Beratung, Supervision, Coaching, Organisationsentwicklung sind gar nicht mehr zu zählen, die Liste seiner Bücher und Aufsätze zu allen möglichen Themen und Fragestellungen könnte schon selbst ein kleines Buch ergeben – mit dem Carl-Auer-Verlag hat er den ersten rein systemisch orientierten Verlag mitbegründet. Seine internationalen Aktivitäten, vor allem die Entwicklung der systemischen Therapie in China und seine Arbeit für die Europäische Familientherapie-Vereinigung EFTa, nicht zu vergessen. All das hier noch einmal aufzuzählen, hieße Eulen nach Athen tragen.
Lieber Fritz, zum 70. gratuliere ich ganz herzlich und wünsche dir alles Gute. Wir sind in einem Alter, wo der Wunsch nach Gesundheit in der Rangskala immer weiter nach oben steigt. Also hoffe ich, dass du auch im kommenden Jahr gesund und munter bleibst und das systemische Feld auch in der Zukunft noch mit deinen wichtigen Impulsen unterstützen wirst. Vor allem aber wünsche ich Freude am Leben in all seinen Varianten! Ich freue mich immer über unsere Begegnungen – in Berlin, Heidelberg und anderswo!

Eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen sind meiner Einladung gefolgt, dir an dieser Stelle ebenfalls zu gratulieren, was mich ebenfalls sehr freut. Auch wenn du (gottlob) die Kommentarfunktion an deinem Blog ausgeschaltet hast, gibt es im systemagazin über die Kommentarfunktion für alle die Möglichkeit, ihre eigenen Glückwünsche hinzuzufügen.

Ganz herzlich
Dein Tom

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8. Oktober 2018
von Tom Levold
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Bruno Hildenbrand wird 70!

Bruno Hildenbrand

systemagazin gratuliert Bruno Hildenbrand ganz herzlich zum 70. Geburtstag, den er heute feiert. In der systemischen Szene ist er vor allem durch seine Zusammenarbeit und die gemeinsamen Veröffentlichungen mit Rosmarie Welter-Enderlin („Systemische Therapie als Begegnung“), durch die Schriftleitung von „System Familie“ und durch seine Arbeiten zur Genogrammanalyse bekannt geworden. Von 1994 bis 2014 war er Professor für Sozialisationstheorie und Mikrosoziologie am Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Nach seinem Studium der Soziologie, der Politischen Wissenschaften und der Psychologie an der Universität Konstanz arbeitete er von 1979 bis 1984 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Psychiatrischen Klinik der Philipps-Universität Marburg und war anschließend Hochschulassistent an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main von 1984 bis 1989, wo er sich 1991 habilitierte. Von 1989 bis 1994 arbeitete er als Fachleiter für Arbeit mit psychisch Kranken und Suchtkranken an der Berufsakademie Villingen-Schwenningen. Als „Klinischer Soziologe“ entwickelte er eine besondere Perspektive auf die Arbeit mit psychiatrischen Patienten wie auch auf die beraterische Arbeit mit Familien, vor allem mit Familien in ländlichen Regionen. Dieser Arbeit galt auch immer wieder sein Forschungsinteresse, dass u.a. auf Transformationsprozesse der Kinder- und Jugendhilfe in ländlichen Regionen Ost- und Westdeutschlands, Sozialisationsprozesse in der Pflegefamilie, Verfachlichung alltäglicher Lebenspraxis und die fallrekonstruktiven Verfahren in den Sozialwissenschaften gerichtet war.

1996-2000 war er Schriftleiter der letzten Jahrgänge der Zeitschrift „System Familie“, die 2000 vom Springer-Verlag eingestellt wurde. Die letzten drei Jahre machten wir das gemeinsam, in dieser Zeit lernten wir uns intensiver kennen und schätzen, eine freundschaftliche Verbindung, die bis heute anhält. Im Zuge seiner eher untypischen wissenschaftlichen und praktischen Karriere hat sich Bruno Hildenbrand eine Unabhängigkeit sowohl in der Hochschullandschaft als auch im systemischen Feld erhalten, die seine kritischen (und oft durchaus polemischen) Perspektiven auf die systemischen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte umso wertvoller machen, auch wenn seine Lust an der Provokation nicht jedermanns Sache ist. Die Folgen eines Schlaganfalls im Jahre 2012, zwei Jahre vor seinem Ruhestand, hat er – mit großer Unterstützung seiner Frau Astrid – bravourös gemeistert, die daraus resultierende Lähmung verunmöglichte ihm, zu schreiben, weshalb er seine immense Textproduktion auf Spracherkennung am Computer umstellte. Sein unglaublich breites Hintergrundwissen, seine Gründlichkeit und Strenge bei der editorischen Arbeit und seine Unerschrockenheit in inhaltlichen Auseinandersetzungen habe ich immer bewundert und geschätzt. Pünktlich zum 70. Geburtstag ist in der aktuellen Ausgabe des Kontext ein ausführliches Interview mit Bruno Hildenbrand erschienen, das Petra Bauer und ich mit ihm im vergangenen Jahr über sein Leben und seine professionelle Entwicklung geführt haben.

Lieber Bruno, ganz herzliche Glückwünsche zum runden Geburtstag und alles Gute für die kommenden Lebensjahre. Ich wünsche dir und uns, dass deine Energie und Schaffenskraft trotz aller Einschränkungen auch in Zukunft erhalten bleiben und wir noch viele interessante An- und Einsichten von dir bekommen werden! Aber da bin ich ganz zuversichtlich!

Herzliche Grüße, Tom

25. September 2018
von Tom Levold
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Begegnungen im Reich der Mitte

Ulrich Sollmann: „Begegnungen im Reich der Mitte – Mit psychologischem Blick unterwegs in ChinaUlrich Sollmann, Körper und Gestaltpsychotherapeut, ist in der systemischen Szene vor allem durch seinen Blog „Der Körperleser“ bei carl-auer.de bekannt. Seit einigen Jahren reist er regelmäßig nach China und führt dort als Mitglied der Deutsch-Chinesischen Akademie für Psychotherapie Weiterbildungskurse und Workshops durch. Seine Faszination für China war der Grund für sein Buch Begegnungen im Reich der Mitte – Mit psychologischem Blick unterwegs in China,  das Anfang des Jahres im Psychosozial-Verlag in Gießen erschienen ist. Jens Tasche aus Berlin, selbst Bioenergetiker, hat das Buch gelesen. Seine Rezension wird 2019 auch im Forum für Bioenergetische Analyse erscheinen.

Jens Tasche, Berlin:

Keine Frage, Ulrich Sollmann hat sich in das Land China verliebt. Versehen mit einem durchaus kritischen, psychologischen Blick und seiner Kompetenz als Körperpsychotherapeut möchte er mit diesem Buch Verständnis für das Land und dessen Bewohner wecken. Nach Aussage eines mit ihm befreundeten chinesischen Personalberaters sind 80 Prozent der in China arbeitenden Deutschen am Ende ihres Aufenthaltes froh, das Land endlich verlassen zu können. Während der chinesische Freund möchte, „dass nur solche Menschen kommen mögen, die das Land lieben“, will Sollmann durch sein Buch dazu beitragen, dass eine solche Liebe – getragen durch einfühlendes kulturelles Verstehen – gelingen kann.

Ulrich Sollmann ist seit längerer Zeit mit China vertraut. Als Mitglied der Deutsch-Chinesischen Akademie für Psychotherapie (DCAP) – einem Zusammenschluss von ärztlichen und psychotherapeutischen Kollegen aus China und Deutschland – führt er dort unter anderem Weiterbildungen durch. Seit 2013 besucht er das Land regelmäßig für sechs Wochen im Jahr, hält Vorträge, leitet Workshops und produziert Lehrvideos. Sein Buch „Einführung in die Körpersprache und nonverbale Kommunikation“ wurde ins Chinesische übersetzt.

Das hier besprochene Buch handelt von den Erfahrungen, die Sollmann in China machen durfte. Er will – und das gelingt ihm hervorragend – dem Leser einen Einblick in die Lebenswirklichkeit des Landes vermitteln. Dabei versteht er sich als ethnologischer Wanderer, als Flaneur, der die Menschen und ihren Alltag erforscht und erlebt. Sollmann beobachtet und begegnet Menschen, um seine Erlebnisse dann auf der Basis seiner psychologischen und körperpsychotherapeutischen Erfahrungen zu reflektieren. So ist er stets gleichzeitig Handelnder und Erkennender. Sollmanns privater Forschungsansatz ist wohl irgendwo zwischen Margaret Mead und der Ethnopsychoanalyse zu verorten und stark von einem hermeneutischen Wissenschaftsverständnis geprägt. Weiterlesen →

14. September 2018
von Tom Levold
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Humberto Maturana wird 90!

Humberto R. Maturana

Heute feiert Humberto R. Maturana seinen 90. Geburtstag. Der chilenische Biologe und Philosoph wurde am 14. September 1928 in Santiago de Chile geboren und gilt als ein wichtiger Wegbereiter der konstruktivistischen Erkenntnistheorie. Er studierte ab 1948 Medizin an der Universidad de Chile und ging 1954 mit einem Stipendium der Rockefeller-Stiftung an das University College in London. Dort entwickelte er erstmals eine Theorie zur Existenz lebender Systeme als autonome dynamische Einheiten. Ab 1956 lebte er in Harvard, USA, wo er 1958 das Doktorat in Biologie abschloss, und arbeitete bis 1960 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge (Massachusetts), USA. 1960 erhielt er den Ruf auf den Lehrstuhl für Biologie an der Fakultät für Medizin der Universidad de Chile, Santiago de Chile. Dort spezialisierte er sich auf Untersuchungen zur visuellen Perzeption, insbesondere der Farbwahrnehmung, und auf die Grundlagen zur Unterscheidung lebender Systeme und nicht-lebender Systeme. 1968 reiste er auf Einladung Heinz von Foersters nach Urbana und nahm von 1969 bis 1970 eine Gastprofessur an der University of Illinois wahr.Von 1970 bis 1973 arbeitete er in enger Kooperation mit Francisco J. Varela in Santiago de Chile. Ab 1970 widmete er sich vor allem der Weiterentwicklung der „Biologie der Erkenntnis“ und beschäftigt sich als Neurophysiologe mit erkenntnistheoretischen Problemen über den Weg der „Biologie des Erkennens“.

Seine Theorie der Autopoise lebender Systeme (im engeren Sinne: der Autopoiese der zellulären Vorgänge in Organismen) erwies sich als äußerst einflussreich im systemisch-konstruktivistischen Diskurs. Der Begriff der Autopoiese wurde von Niklas Luhmann auf die Organisation psychischer und sozialer Systeme übertragen, eine Theorieentscheidung, der Maturana bis heute widerspricht. In einem Gespräch mit Bernhard Pörksen, das 2001 in der Zeitschrift Communicatio Socialis erschienen ist, erklärt er, warum er die Übernahme des Autopoiese-Begriffs für die Theorie Sozialer Systeme für falsch hält.

systemagazin gratuliert Humberto Maturana und wünscht ihm alles Gute für die kommenden Zeiten!