systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

16. Januar 2019
von Tom Levold
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Systemische Traumarbeit

2012 erschien der Band Systemische Traumarbeit: Der schöpferische Dialog anhand von Träumen im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht. In der Verlagsinformation hieß es: „Dieses systemische Traumbuch ermutigt Laien und Fachleute, mit Träumen in einen schöpferischen Dialog zu treten. In Träumen spiegeln sich Persönlichkeit und Lebenswirklichkeiten. Dabei zeigen sich bewährte oder einschränkende Gewohnheiten genauso wie neue Impulse und unausgeschöpfte Möglichkeiten. In Traumdialogen treffen Erlebniswelten der Träumer und Wirklichkeitsverständnisse der Dialogpartner aufeinander und führen zu einer gemeinsamen Erzählung. Welcher Sinn entsteht und welche Möglichkeiten sich eröffnen, hat mit Erfahrungen, Vorstellungen und Haltungen der Beteiligten zu tun, aber auch mit dem Kontext und der Gesprächsituation. Erfahrene können in kreativen Traumdialogen wesentliche Entwicklungsimpulse geben. Aber auch Unerfahrene können im unbefangenen Dialog wertvolle Beiträge leisten und zu vielschichtiger Kommunikation hinführen. Intuitive und bewusste Ebenen greifen ineinander. Die Autoren erläutern hilfreiche Vorgehensweisen für Traumdialoge aus der systemischen Beratung, stellen Arbeitsfiguren praktisch dar und illustrieren anhand von Beispielen die Wirkungsweisen systemischer Traumarbeit. Die Fallstudie einer Serie von Traumdialogen lädt zum Mitmachen ein. Ein Leitfaden für Traumdialoge am Schluss des Buches liefert praktische Hinweise im Überblick.“
Da das Buch offensichtlich nicht so gut gelaufen ist, wie der Verlag sich das gewünscht hätte, sind die Rechte nun an die Autoren zurückgefallen, die das Buch nun allen interessierten LeserInnen zum kostenlosen Download auf der website des isb Wiesloch anbieten. Den Link zum Buch finden Sie hier…

11. Januar 2019
von Tom Levold
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Was Familien so alles unternehmen …

Nun, in Familienunternehmen unternehmen die Familien allerhand. Diesem Thema ist auch das erste Heft des aktuellen Jahrgangs der Familiendynamik gewidmet, herausgegeben von Heiko Kleve und Arist von Schlippe. In ihrem Editorial schreiben sie: „Die BWL schaut auf Unternehmen aus einer Perspektive der Effizienz und Gewinnmaximierung. Für das Verständnis von Familienunternehmen reicht dieser Blick jedoch nicht aus. Hier geht es darüber hinaus um psychosoziale Faktoren, mit denen die familiären Eigentümer die ihnen angeschlossenen Unternehmen nachhaltig prägen. Wer Familienunternehmen verstehen will, der muss die transgenerationale Logik von Familien und die sich daraus ergebenden systemischen Muster beschreiben können. Familienunternehmen sind damit ein typisch transdisziplinärer Praxis- und Forschungsbereich: Unterschiedliche Professionen und Disziplinen sind gefordert, ihre Perspektiven so zusammenzuführen, dass diese Unternehmens- und Familienform in ihrer Vielschichtigkeit begriffen werden kann. Die Familiendynamik hatte bereits in den Heften 4/2001 und 1/2010 diese Unternehmensform in den Blick genommen. Nun liegt mit der aktuellen Ausgabe das dritte Heft zu diesem Feld vor. Offenbar müssen immer wieder neun Jahre vergehen, bis dieses Thema auf die Tagesordnung gelangt … Im Jahre 2001 standen Beiträge im Mittelpunkt, in denen das Spannungsverhältnis von Familie und Unternehmen untersucht wurde. Fritz B. Simon formulierte dies im Titel seines Beitrags pointiert so: »Geld oder Liebe«. Im Kontext von Familienunternehmen handelt es sich jedoch nicht um sich wechselseitig ausschließende Alternativen, sondern um eine Parallelität: Geld und Liebe müssen in ein passendes Verhältnis zueinander gesetzt werden. 2010 wurden diese grundsätzlichen Fragestellungen und Positionierungen dazu bereits vorausgesetzt. Forschung und Theorieentwicklung zu Familienunternehmen hatten sich international und auch in Deutschland etabliert. Als Pionier ist hier das Wittener Institut für Familienunternehmen an der Universität Witten / Herdecke zu nennen, wo ab 1998 zunächst Fritz B. Simon und Rudolf Wimmer sowie ab 2005 Arist v. Schlippe den systemischen Blick auf diese Unternehmens- und Familienform etablierten. Daher ging es in der Ausgabe 2010 nicht mehr um die basalen Bestimmungen des Gegenstandes, sondern um spezifischere Probleme von Familien, für die ein Unternehmen als Kontext ihrer alltäglichen Lebens- und Kommunikationsvollzüge nachhaltige Bedeutung hat.
In der aktuellen Ausgabe ist nun der Vertreter der dritten Generation der systemischen Wittener Perspektive als Mitherausgeber an Bord: Heiko Kleve hat im Juli 2017 den Lehrstuhl für Organisation und Entwicklung von Unternehmerfamilien übernommen. Bereits der Titel zeigt: Jetzt steht explizit die Unternehmerfamilie im Zentrum des Interesses. Denn eine Erkenntnis aus über 20 Jahren Forschung ist, dass eine Theorie des Familienunternehmens immer auch eine Theorie der Unternehmerfamilie sein muss.“

Außerdem gibt es im Heft noch einen Beitrag über Cybermobbing, einen Text über die systemisch-narrative Therapie und einen Artikel über die Praxis des Offenen Dialogs im Umgang mit Psychosen. Alle bibliografischen Angaben und abstracts gibt es hier…

2. Januar 2019
von Tom Levold
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Verhandlungsmacht

Verhandlungsmacht. Konfliktdynamik 4/2018

Die letzte Ausgabe der KonfliktDynamik 2018 beschäftigt sich mit dem Thema Verhandlung und Verhandlungsmacht. Im Editorial heißt es: „»Verhandlungsmacht« – ein facettenreiches Thema für den FOKUS dieser Ausgabe der konfliktDynamik. Sowohl in der Verhandlungstheorie als auch im Rahmen praktischer Verhandlungsführung wird das Instrumentarium von »Verhandlung« und »Macht« mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten diskutiert und eingesetzt, etwa strategisch, ökonomisch, funktional, sozial oder strukturell. Bereits die Charakterisierung einer »Verhandlung« wurde im Rahmen der Gutachterreviews kritisch beleuchtet, sind doch die Definitionen mannigfach. Entsprechend vielfältig sind die Sichtweisen zu den Machtquellen, aus denen sich Verhandlungspositionen ergeben können. In der Gesamtbetrachtung kommt der Verhandlungsmacht insbesondere im Geschäftsleben, aber auch im politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Umfeld große Bedeutung zu. Es stellen sich damit einhergehend Fragen der Begrenzung eigener Verhandlungspositionen und solche der aktiven Beschränkung des Verhandlungspartners, so durch Strategie, bewusste Beeinflussung (Manipulation, Drohung, Versprechen), Informationsasymmetrie oder Wahl der Verhandlungsmethode. Die Determinierung von Verhandlungsmacht kann zudem von außen stattfinden, so beispielsweise durch staatliche Reglementierung aus sozialen oder rechtlichen (Fairness, Schutz) Gesichtspunkten. Der Status, die berufliche oder persönliche Rolle, die Reputation aber auch die Geduld eines Verhandlungsteilnehmers sind weitere Einflussgrößen von Verhandlungsmacht.“
Zu allen bibliografischen Angaben und abstracts geht es hier…

30. Dezember 2018
von Tom Levold
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Systemisch Meditieren

Bernd Schmid, Wiesloch

Bernd Schmid

Wie so oft kommen wir bei Tisch ins Gespräch, diesmal beim vorweihnachtlichen Frühstück mit unserem Lehrtrainer Markus Schwemmle. Er ist gerade 50 geworden und schafft es, neben 4 kleinen Kindern und dem Aufbau seines Unternehmens sich immer neue Inspirationen rein zu holen. Wir reden davon, inwieweit die Fixierung auf IT-Technik analoge und menschliche Begegnung aushebelt. Oder ist das Pendel bereits wieder am zurückschwingen und das Unbehagen an Überbetonung von Internet und medialer Kommunikation wächst?

Markus erzählt von einem Blog, in dem dargelegt wurde, warum in Asien weniger Scheu besteht, sich z.B. im Alter von einem Roboter pflegen zu lassen. Im Taoismus sei das Göttliche eben auch im Roboter zu finden. Interessant. Hatten wir in unserer christlichen Welt nicht auch so was? Gott in allen Dingen! (Ignatius von Loyola) Was ist dann eigentlich der Unterschied? Mir fällt Luhmann ein und die Frage, was ist die Leitdifferenz, von der ausgehend wir differenziert zu denken versuchen.

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28. Dezember 2018
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender (Nachschlag 3): Eine Talkshow im Jahre 2028

Rudolf Klein, Merzig: Eine Talkshow im Jahre 2028

Wir schreiben das Jahr 2028. Die sozialrechtliche Anerkennung der Systemischen Therapie feiert 10-jähriges Jubiläum. Vielerorts wird fleißig im sogenannten Gesundheitssystem systemische Therapie praktiziert. Natürlich haben sich die Mehrpersonensettings zugunsten von Einzelsettings zurückentwickelt. Warum sollte man mit mehreren Menschen reden, wenn es mit einem einzelnen genauso viel Geld einbringt? 

Dennoch beschäftigt sich in dem aus Kostengründen zusammengelegten Fernsehkanal ARDplusZDF eine Diskussionsrunde im Rahmen der Sendung mit dem etwas vieldeutigen Titel „Will Maischberger“ mit dem Thema: „Systemische Therapie – kann sie die Versprechungen halten?“

Da es aufgrund bahnbrechender technischer Fortschritte inzwischen möglich ist, per Schalte Direktkontakt zum Jenseits herzustellen, hat sich eine illustre Runde zur Diskussion eingefunden. 

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27. Dezember 2018
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender (Nachschlag 2): Adventskranz

Peter Müssen, Köln: Adventskranz

Einleitung
Dank des schönen Beitrags von Martin Rufer im 9. Türchen haben wir ja bereits Menschen im Stall von Bethlehem belauschen können, die sich über die verkündete Freude der Anerkennung der Systemischen Therapie austauschen. Andere fragen sich sorgenvoll, ob diese Anerkennung wirklich die Geburt des Lichtes ist, das das Dunkel der psychotherapeutischen (und beraterischen?) Welt erleuchten kann und wie sich dieses Kind in Zukunft wohl entwickeln wird. Es ist verlockend, sich den Fragen vom „Therapeutes-Hirten“ Tom zu stellen; der Therapeutes ist ja im Ursprung des Wortes auch Pfleger, Diener und Wärter.
Ich möchte dabei gerne im Advent und bei den vier Kerzen des Adventskranzes bleiben. Zum ersten Mal 1925 in Köln in einer katholischen Kirche aufgehängt, gehört er heute zur festen Gewohnheit an vielen Orten. Es ist mir aber in den letzten Wochen mehrfach passiert, dass ich Adventskränze gesehen habe, deren Kerzen nicht entzündet oder elektrisch bereits voll erleuchtet waren … reine Dekoration ohne den Sinn von Erwartung und die Hoffnung auf das zunehmende Licht … auch in zwei Arztpraxen.
So möchte ich denn metaphorisch vier Kerzen entzünden und mit meinen Hoffnungen im Hinblick auf die Zukunft der Systemischen Praxis in ihren verschiedenen Feldern verbinden, auch wenn und weil es natürlich viele berechtigte Ambivalenzen, Fragen und Bedenken im Hinblick auf die Anerkennung gibt:

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26. Dezember 2018
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender (Nachschlag 1): Exklusivinterview mit der Systemischen Therapie zum 10jährigen!

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Autorinnen und Autoren des diesjährigen Adventskalenders,
die Adventszeit ist vorbei und ich möchte mich ganz herzlich bei allen bedanken, die in diesem Jahr zum Gelingen des Adventskalenders beigetragen haben. Offenbar war das Thema so aktuell und interessant, dass ich dieses Mal schon sehr schnell wusste, dass der Kalender voll sein würde. Der Vorteil bei einem Online-Kalender besteht darin, dass man beliebig viele Türchen aufmachen kann. Weil ich Ihnen auch die weiteren eingegangenen Beiträge nicht vorenthalten möchte, kommen hier noch einige Nachschläge in den Kalender. Ich wünsche viel Vergnügen bei der Lektüre!
Mit herzlichen Grüßen
Tom Levold
Herausgeber systemagazin

Sebastian Baumann, Berlin: Exklusivinterview mit der Systemischen Therapie zum 10jährigen!

Dem Redaktionsteam der Systecxt, dem Mitgliedermagazin des neu gegründeten systemischen Dachverbandes DSG, in dem DGSF und SG zusammen aufgegangen sind, ist etwas Besonderes gelungen: Exklusiv und erstmalig gibt die Systemische Therapie im Kassenkontext ein großes Weihnachtsinterview und damit einen Einblick in ihr Seelenleben. 

Systecxt:Liebe ST, 2018 ging man davon aus, dass zehn turbulente Jahre auf dich zukommen würden. Für die Weihnachtsfeiertage hast du dich an einen geheimen Ort zurückgezogen, an dem wir dich besuchen dürfen. Wie geht es dir heute? 

ST:Das waren schon terra Zeiten, die letzten Jahre. Ein bisschen ist mir immer noch schwindlig. Die paradoxen Einflüsse und Anforderungen, Hoffnungen und Befürchtungen von allen Seiten haben mich etwas müde gemacht. Die gute Nachricht ist: I’m alive.

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24. Dezember 2018
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender: Vier Kerzen in Flammen, und dann der ganze Baum?

Alexander Trost, Aachen: Vier Kerzen in Flammen, und dann der ganze Baum?

Wozu sind Adventskalender gut? Sie führen uns Tag für Tag mit neuen Überraschungen in die schwärzeste Nacht des Jahres, verbunden mit der Hoffnung, dass danach etwas wirklich Großes geschieht, das den Menschen Eintracht und Frieden, Erlösung von Verstrickung und Blindheit verspricht. Das zumindest war das ursprüngliche Narrativ der Vorweihnachtszeit.

Für uns SystemikerInnen ist mit der sozialrechtlichen Anerkennung das erste Kerzchen aufgeleuchtet. Das zweite wird vermutlich die Anerkennung für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie sein. Aber was ist mit der dritten und vierten Kerze für unser systemisches Mikro-System, aber auch fürs System Erde? Die Vier steht ja bekanntlich für die vollendete Gestalt, das Ganze. Werden systemische Therapie und Beratung in zehn Jahren wirklich DIE Bedeutung haben? Da darf man skeptisch sein…

Lassen wir doch einmal die sozialrechtliche Anerkennung der systemischen Therapie beiseite. So wichtig das für’s systemische Ego und, bei aller Ambivalenz, erfreulich auch für die Anbieter*innen kassenfinanzierter Leistungen ist: das systemische Feld war gerade auch im Ringen um die eigenen therapeutische/beraterische Identitäten und Profile lebendig, kreativ und produktiv, und das wird hoffentlich auch so bleiben!
Nochmal zurück zum Endpunkt der Adventsgeschichte: Weihnachten! Verstörend daran ist doch (natürlich auch im systemischen Sinn) die verrückte Idee, dass ein mittelloses hilfloses Kind von obdachlosen Migranten das Heil der Welt in sich tragen soll!

Naja, so ganz abgedreht ist das aus heutiger Perspektive nicht: Neurowissenschaften, Säuglingsforschung und Bindungstheorie haben mittlerweile sehr gut belegt, dass die Fähigkeit eines Menschen sich selbst in Affekten, Impulsen, Gedanken und Handlungen zu regulieren, entscheidend von seinem personalen, emotionalen und sozialen Kontext von Beginn des Lebens an abhängt. Eine dialogisch-resonante, respektvolle und gleichzeitig haltgebende Beziehung in den ersten Jahren stellt die Weichen, ob jemand sein Leben in sozialer Kooperation und im Einklang mit seinem Denken und Fühlen gestalten kann, oder nicht. Ob jemand das umsetzen kann was sie/er als richtig und notwendig erkannt hat, und nicht nur seinen archaischen Überlebensimpulsen folgen muss, um nicht unterzugehen, egal was das kostet. Autoren wie Sven Fuchs, Politikwissenschaftler an der Uni Köln, haben aufgezeigt, dass „als Kind geliebte Menschen … keine Kriege an(fangen)“ (2012). Im Umkehrschluss neigen früh traumatisierte, vernachlässigte Kinder, deren Eltern ja oft in starker Verunsicherung Gefahr und Belastung leben und auch sozial nicht sicher sind, eher als eben „geliebte Kinder“ zu binären, einsinnigen, nicht kooperativen, und bis hin zu gewaltsamen Lösungen. Bindungssicherheit ist nicht alles, aber die erste und wichtigste Voraussetzung dafür, dass das Leben im weiteren Verlauf gelingen kann, welchen Zumutungen der betreffende Mensch auch ausgesetzt sein mag.

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23. Dezember 2018
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender: Ein Dialog zur systemischen Zukunft

Sabine Klar, Wien: Ein Dialog zur systemischen Zukunft

Pessi: Die systemische Therapie der Zukunft wird Klient*innen mittels Übungen und diversen gezielten Interventionen behandeln, damit sie wieder funktionieren und ihre Aufgaben erfüllen. Dann sind alle zufrieden, die sich an ihren Eigenarten gestört haben.

Opti: Wenn sie wieder funktionieren, lässt man sie in Ruhe und gibt ihnen die Zuwendungen, die sie zum Leben brauchen. Außerdem leiden sie weniger, wenn sie sich kontextadäquat und damit sozial kompetent verhalten können. Etwas zu schaffen stärkt sie und richtet sie auf.

Pessi: Mag sein, aber es bestärkt sie auch in ihren Machbarkeits-, Leistungs- und Selbstoptimierungsideen, von denen sie ohnehin ständig angetrieben sind. Die werden von der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Umgebung gefördert. Auch therapeutische Techniken sind zunehmend davon geprägt – Fragen, Ideen und Anregungen werden als Übungen und Interventionen verkauft, man will wieder wissen, wo´s langgeht und diverse Tools bzw. Handwerkszeug für die Beseitigung von Störungen zur Verfügung haben.

Opti: Die Vermittlung der neugierigen, noch-nicht-genug wissenden Haltung reicht halt nicht aus, wenn man sich als Therapeutin orientieren und den Klientinnen helfen möchte, die ihre Symptome einfach schnell loswerden wollen. Vielleicht weil sie sich längere Reflexionsprozesse, was das alles mit ihnen und ihrem Leben zu tun hat, gar nicht leisten können.

Pessi: Der gesellschaftlichen Umgebung und der Politik scheint an längeren Reflexionsprozessen überhaupt nicht gelegen zu sein, im Gegenteil. Doch auch Therapeutinnen, die eigentlich Interesse haben sollten, ihre Klientinnen einfach mal als Menschen zu verstehen, sind schnell bereit, Klagen über schädliche Umgebungsbedingungen zu unterbrechen und stattdessen danach zu fragen, was das Individuum selbst tun kann, um mit einengenden oder schlechten Lebensbedingungen besser umgehen zu können.

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22. Dezember 2018
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender: der Schmetterling meiner (systemischen) Träume

Lothar Eder, Mannheim: Als der Schmetterling meiner (systemischen) Träume einmal an einem Mittwochvormittag in meiner Kassentherapiestube landete

Schon seit Kindertagen liebe ich das Träumen, Sinnieren, Erspüren, den gedehnten Blick, das Lauschen. Im Zwischenraum der Worte, in den Tagtraumrefugien fand ich Anschluß an eine Welt jenseits der vordergründig realen Gegebenheiten. Ein Studium der Seelenkunde war die logische Folge, hielt aber in seiner mathematisch-naturwissenschaftlichen Orientierung an der Universität doch einige Enttäuschungen bereit. Die Wahrheit ist eben auf dem Platz, wie man im Fußball sagt. Diese Neigung aber macht es mir auch heute relativ leicht, mir Szenarien vorzustellen, seien es befürchtete oder erwünschte.

Toms Impuls für den heurigen Adventskalender aktivierte den Schmetterling meiner Träume. Er heißt so nach einer Textzeile eines lateinamerikanischen Liedes, in der vom „mariposa de mis sueños“, also dem „Schmetterling meiner Träume“ die Rede ist. Nun dachte ich, ich lasse mich einfach vom Schmetterling meiner systemischen Wunschträume ins Jahr 2028 entführen, denn am liebsten mag ich schöne Vorstellungen. Gleich wollte ich eine erste Erkundung vornehmen, die ich später aufschreiben wollte. Im Nu befand ich mich auf einer Art Konvent, wohl einem systemischen Kongreß und natürlich war alles, wie in der Traumwelt üblich, mehr von Stimmungen und Bildern getragen, die Zeit mal verlangsamt, die Bilder eindrücklicher als in der Alltagsrealität, die Orts- und Perspektivwechsel teils wie im Flug, eben so wie wenn man mit einem Schmetterling unterwegs ist. Ei, war das schön und erstaunlich. Den Hauptvortrag hielt der Ehrenvorsitzende Kurt Ludewig, er trug den Titel „Das Wesen des Menschen liegt jenseits des Sprachlichen – zur Revision von Humberto Maturanas Anthropologie im Kontext systemischen Denkens“. Ich war tief beeindruckt und erfreut. Endlich, dachte ich, wird begriffen, dass das Wesentliche im Menschlichen jenseits der Worte liegt. Ich sah, dass ein weiterer Hauptvortrag angekündigt war. Welch Freude, Byung-Chul Han würde über „Depression und Burnout als seelische Infarkte der späten Moderne“ sprechen und damit, so las ich in der Zusammenfassung „die entscheidende Schnittstelle zwischen Seele und Gesellschaft sowie die innerseelische Dynamik der Depression“ thematisieren. Hui, da ist aber was passiert in den letzten 10 Jahren, dachte ich, das systemische Feld läßt Sprachregelungen zu, in denen diagnostische Kategorien vorkommen und die sich auf typische seelische Dynamiken beziehen!

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