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Wie transportiert man Ärger ohne Brüllen…

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Katrin Richter, die als Paar- und Familientherapeutin in Laboe bei Kiel arbeitet, hat als Familienhelferin in Berlin begonnen und dort auch wichtiges Marschgepäck von ihren Klienten mit auf den Weg bekommen, wovon sie im heutigen Kalendertürchen berichtet:

“Als ich in Berlin-Neuköln wieder bei dieser Familie mit den 3 Mädchen war, machte ich die Erfahrung, dass ich mit meinem zirkulären Fragen und mit meinem systemischen Schätzen nicht so richtig weiter kam. Aber irgendwie war mir auch klar, dass diese Mutter ihre Kinder nicht sehen wollte und alles auf ihnen ablud. Ich fand es schrecklich, die Kinder litten und verschafften sich durch Gebrüll Gehör. Diese Mutter meinte es zu gut und gehörte zu denen, die all ihre eigenen Unsicherheiten auf das Herumzupfen an den Kindern laden, sie ständig kontrollieren, sich dann gleichzeitig darüber zu beschweren, dass diese unselbständig sind und zum allgemeinen Familienunfrieden beitragen, wenn sie dagegen aufbegehren. Der Vater brüllt am lautesten, weil das ja nicht auszuhalten ist und wenn man dann in diese Familien hineingerät, herrscht betretenes Schweigen und Scham. Niemand kann der armen Mama sagen, was denn wirklich nervt, wenn etwas nervt, weil sie dann weint und lamentiert und heimlich weitermacht mit Herumzupfen und Kritteln. Ein Tabu-doulebind. Mit etwas Mut schrieb die ältesten Tochter ein Gedicht für die Mama, was durch seine Form endlich eine Gesprächsebene eröffnete und vielleicht für viele Mütter gelten könnte und an das Vertrauen in ihre Kinder appelliert. Es war die Eintrittskarte für mich, nicht über Ärger, sondern über Lieben zu sprechen.
 
Für die  Mütter dieser Erde
 
Rupf nicht an mir
Zupf nicht an mir
Nun lass mich doch
endlich mal sein

Hör auf zu reiben
es zu übertreiben
Der Schal sitz doch
ausreichend fein

Lass deine Hände
doch von mir und
wende dich dir
deinerselbst wieder zu

Ich will nicht
gekämmt sein
ich will verpennt ein
und putz auch nicht
meine Schuhe

Ich merke vorm Spiegel
gleich wird mir übel
Wir sind wirklich nicht
einer Meinung

Du bist meine Mutter
und ich noch klein
aber lass mich doch
einfach mal sein”

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