systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

23. August 2014
von Tom Levold
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Familienrat: Bürger statt Klienten in der sozialräumlich inspirierten Hilfeplanung | sozialraum.de

Ursprünglich 2008 in der Zeitschrift „Jugendhilfe“ (46[3], S. 121 – 130) erschienen, haben Wolfgang Budde und Frank Früchtel ihren Artikel „Familienrat: Bürger statt Klienten in der sozialräumlich inspirierten Hilfeplanung“ auch online für die website sozialraum.de zur Verfügung gestellt. Das Konzept des Familienrates ist ein bahnbrechendes Modell für eine partizipative Vorgehensweise in der Sozialen Arbeit, die die Klienten nicht nur ernst nimmt, sondern auch auf eine besondere Art und Weise in die Übernahme von Verantwortung mit einbezieht. „Der Familienrat als Verwaltungsverfahren nimmt das Wunsch- und Wahlrecht nicht nur ernst, sondern bestärkt die Souveränität von Bürgern, auch und gerade weil sie im Aufmerksamkeitsfokus von Jugendhilfe stehen. Mit dem Verfahren soll erreicht werden, dass Kinder in Familien sicher sind, weil Eltern, Verwandte, Freunde und Nachbarn sich für diese Sicherheit verantwortlich fühlen. Die Lösung einer Erziehungsproblematik soll Netzwerk-Engagement und bürgerschaftliche Selbstbestimmung so mit sozialstaatlichen Hilfen kombinieren, dass die Potenziale der Familie und ihres Netzwerkes nicht von Profileistungen absorbiert werden, sondern die Entscheidung und Leistung der Familie im Vordergrund stehen. Die Erfahrungen in Nordamerika, Skandinavien, Großbritannien, Australien, Holland und Neuseeland zeigen: Die „Sicherheit eines Kindes“ und die Tatsache, dass Eltern ihre Familienangelegenheiten als verantwortungsvolle Bürger selbst regeln, widersprechen sich nicht (Sundell/ Vinnerljung 2004; Thomas 2004; Hamilton 2005; Baumann 2005; Sandau-Beckler 2003; Lupton / Stevens 1997, Wesp Jeugdzorg 2007). Denn durch das in Deutschland noch relativ unbekannte (in Deutschland hat der Familienrat im Rahmen von Projekten in verschiedenen Städten und Landkreisen Eingang in die Jugendhilfe gefunden: Berlin-Mitte, Braunschweig, Herford, Landkreis Kassel, Landkreis Nordfriesland, Landkreis Viersen, Landkreis Waldeck-Frankenberg, Main-Taunus-Kreis, Mühlheim/ Ruhr, Rosenheim, Stuttgart, im Arbeitsfeld Sozialpsychiatrie in Ravensburg) Verwaltungsverfahren gelingt es beeindruckend, Kinderschutzfälle mithilfe der Ressourcen von Familien und ihrer Netzwerke so zu lösen, dass Eltern und andere Bezugspersonen sich als Gestalter und Produktivkräfte des Prozesses erleben und die Fachkräfte des Jugendamtes gleichzeitig ihr Wächteramt erfüllen.“ Der Artikel beschreibt auf informative Weise die konzeptuellen Hintergründe für die Entwicklung dieses Verfahrens sowie die Vorbereitung und Durchführung eines Familienrates.

Zum vollständigen Text: Familienrat: Bürger statt Klienten in der sozialräumlich inspirierten Hilfeplanung | sozialraum.de.

22. August 2014
von Tom Levold
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Normal. Gegen die Inflation psychiatrischer Diagnosen

Allen Frances: Normal. Gegen die Inflation psychiatrischer Diagnosen

Im vergangenen Jahr ist die neue Ausgabe des DSM (Diagnostic and Statistical Manual)  in der Version V von der American Psychiatric Society veröffentlicht worden. Allen Frances (*1942) ist einer der bekanntesten Psychiater der USA und weiß als Vorsitzender der Arbeitsgruppe zur Durchführung der vierten Revision des DSM-IV genau, wovon er redet, wenn er sich kritisch zum DSM-V äußert. In seinem Buch „Normal. Gegen die Inflation psychiatrischer Diagnosen“ richtet er sich massiv  gegen die Pathologisierung von bislang als normal eingeschätzten Problemen in der neuen Ausgabe des DSM. Dazu gab es auch im systemagazin schon zu lesen, etwa hier, hier oder hier. Das Buch hat in Deutschland sehr große Beachtung gefunden, auch wenn hierzulande in erster Linie das ICD-10 als diagnostisches Manual eingesetzt wird. So haben alle große Print-Medien wie auch TV und Rundfunk ausführlich berichtet. Stefan Schäkel aus Berlin hat das Buch gelesen und beurteilt es trotz grundsätzlicher Zustimmung zu Frances‘ Kritik am DSM-V durchaus skeptisch.

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21. August 2014
von Tom Levold
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Systemische Therapie auf Krankenschein – Prüfauftrag für das IQWiG

IQWiG

Die DGSF gibt heute in einer Presseerklärung bekannt:

„In seiner heutigen Sitzung hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) einstimmig beschlossen, das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zu beauftragen, das psychotherapeutische Verfahren Systemische Therapie zu bewerten. „Wir begrüßen diesen Schritt und nehmen an, dass die Versicherten demnächst auch Systemische Therapie als Kassenleistung beanspruchen können“, sagt Dr. Björn Enno Hermans für die systemischen Fachverbände DGSF (Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie) und SG (Systemische Gesellschaft).

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21. August 2014
von Tom Levold
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Kultur- und Fremdheitsdiskurse in der Sozialen Arbeit

Clemens Dannenbeck

Clemens Dannenbeck

Clemens Dannenbeck (Foto Hochschule Landshut) ist Soziologe an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Landshut und hat früher bei Deutschen Jugendinstitut DJI in München gearbeitet. Aus dieser Zeit stammt ein kurzer und lesenswerter Artikel über Kultur- und Fremdheitsdiskurse in der Sozialen Arbeit mit dem Titel: „Differenz(en) in der Sozialen Arbeit – Pädagogisch-praktische Überlegungen zu Kultur- und Fremdheitsdiskursen“. Es zeigt sich, dass interkulturelle Soziale Arbeit nicht einfach davon ausgehen kann, dass ihre Klientel aus einer „anderen“ Kultur kommt, deren Regeln man dann nur kennenlernen muss, sondern dass kulturelle Eindeutigkeit und Widerspruchslosigkeit ein Mythos sind, die kulturelle Heterogenität und Ambivalenz dagegen den Normalfall darstellen. Im abstract heißt es: „Debatten um und über Differenz(en) haben Konjunktur. Differenztheoretische Diskurse haben inzwischen Eingang in die deutschsprachigen Sozialwissenschaften gefunden – wenn auch mit einiger Verzögerung, wie beispielsweise die zeitlich versetzte Rezeption der Cultural Studies hierzulande belegt. Weiterlesen →

20. August 2014
von Tom Levold
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„Die Zukunft der Psychotherapie“ – Ein unmoralisches Angebot?

Peter Fiedler (Hrsg.) (2012): Die Zukunft der Psychotherapie. Wann ist endlich Schluss mit der Konkurrenz?

Thorsten Padberg, Berlin:

„Wann ist endlich Schluss mit der Konkurrenz?“ fragen Peter Fiedler und seine Heidelberger Kollegen im Sammelband „Die Zukunft der Psychotherapie“. Sie sehen sich jenseits des Therapieschulenstreits, wollen „Inspiration“ sein und „kollegiale Anregung“ geben.

In einer Zeit, in der sich die Psychologie nicht mehr von Therapieschulen, sondern von Daten bestimmt sieht, ist es besonders wichtig, auf die Beispiele zu achten, die – meist nebenher – benutzt werden. Sie stellen Zusammenhänge her, wo sonst nur Zahlen stünden.

In dem vorliegenden Band ist es der Streit in der psychoanalytischen Vereinigung zwischen Freud, Jung und Adler, der als abschreckendes Beispiel für Eitelkeiten und Ideologien in der Wissenschaft dient. „Glaubensgemeinschaften“ und „Sektenbildung“ assoziiert Fiedler. Als vorbildlich empfiehlt er dagegen „die herausragenden Psychiater“ Emil Kraepelin und Jean-Martin Charcot.

Das ist für die Psychotherapie keine ganz unproblematische Auswahl. Kraepelins und Charcots Interesse an psychischen Krankheiten orientierte sich an den Klassifikationssystemen der Botanik, als gelte es seltsame Blüten zu sortieren. Ihr Therapieverständnis beschränkte sich häufig auf die bloße Verwahrung der Kranken. Beide wollten nicht allzu nah an ihre Patienten heran. Kraepelin, weil er Empathie als schlechte, weil verzerrende Basis einer wissenschaftlichen Psychiatrie ansah. Charcot zusätzlich deshalb, weil er als Professor und Arzt an der Nervenheilanstalt Salpêtrière mit den Patienten, die meist aus der Unterschicht stammten, wenig gemein hatte. Weiterlesen →

20. August 2014
von Tom Levold
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Betreuungsgeld im 2. Quartal 2014 für 224 400 Kinder

In einer Presseerklärung zum Thema Betreuungsgeld schreibt das Statistische Bundesamt: „Im zweiten Quartal 2014 wurden 224 400 laufende Bezüge von Betreuungsgeld gemeldet. Dies sind knapp 78 600 Leistungsbezüge mehr als im ersten Quartal 2014. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden (Destatis) mitteilt, zeigen dies die Ergebnisse der Statistik zum Betreuungsgeld, die die tatsächlichen Leistungsbezüge im betrachteten Zeitraum erfasst.
Seit dem 1. August 2013 haben Eltern Anspruch auf Betreuungsgeld, wenn sie für ihr Kind keine frühkindliche Förderung in öffentlich geförderten Tageseinrichtungen oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege in Anspruch nehmen. Eltern, deren Kinder nach dem 31. Juli 2012 geboren wurden, erhielten bis zum 31. Juli 2014 Betreuungsgeld in Höhe von 100 Euro monatlich und seit dem 1. August 2014 monatlich 150 Euro. Weiterlesen →

19. August 2014
von Tom Levold
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Psychopharmaka: Häufiger auf dem Land

In einer Presseerklärung weist die Bundespsychotherapeutenkammer heute darauf hin, dass in den ländlichen Regionen häufiger Psychopharmaka verschrieben werden als in der Stadt. Dabei dürfte die unzureichende Arztdichte und die damit verbundene geringere Zeit pro Patient eine wesentliche Rolle spielen: „Pflegeheimbewohner in ländlichen Regionen werden häufiger mit Psychopharmaka behandelt als in der Stadt. Im Durchschnitt werden 30 bis 50 Prozent der Heimbewohner mit Antidepressiva und Antipsychotika behandelt. Auf dem Land ist die Verschreibungshäufigkeit noch höher. Dies geht aus dem Bericht des Berliner IGES-Instituts zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz hervor.

Mangel an Psychotherapeuten führt zu einseitiger Behandlung

Dass Psychopharmaka auf dem Land häufiger verschrieben werden, führen die Autoren des Berichts darauf zurück, dass es dort zu wenige psychotherapeutische und fachärztliche Praxen gebe. Weiterlesen →

18. August 2014
von Tom Levold
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Freud-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung

H.-M. Lohmann & J. Pfeiffer: Freud Handbuch. Leben - Werk - Wirkung

H.-M. Lohmann & J. Pfeiffer:
Freud Handbuch. Leben – Werk – Wirkung

Durch einen Hinweis in der Psychotherapeutenliste von Gerd Böttcher bin ich auf eine Rezension des Freud-Handbuches anlässlich seines erneuten Erscheinens als Paperbackausgabe gestoßen, die mich sofort zur Lektüre gereizt hat. Sie fängt nämlich folgendermaßen an: „Von einem wissenschaftshistorischen Standpunkt aus ist es nicht sehr entscheidend, ob eine Theorie überwiegend vermeintlich Wahres oder sogenannt Falsches systematisiert. Auch die Haltbarkeitsdauer dieser wissenspoetisch fingierten Fakten und Irrtümer interessiert nicht unbedingt vorrangig. Ebenso wenig relevant ist für die Wirkungsgeschichte einer Theorie oder eines wissenschaftlichen Kriterien genügenden Stoffes, ob deren Ingredienzen entweder zufällig und gegen die Absicht der an ihnen beteiligten Wissenschaftsautoren oder aber forscherintendiert generiert wurden.  Weiterlesen →

18. August 2014
von Tom Levold
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Observing the stars. Love in the age of systems

Kjetil A. jakobsenKjetil A. Jakobsen, Jahrgang 1965 (Foto: Humboldt-Universität Berlin) , war u.a. außerordentlicher Professor am Masterstudiengang für Kulturstudien an der Hochschule in Telemark 2004-2006, Mitarbeiter am Institut für Informations- und Medienwissenschaften von 2006-2009 ind wissenschaftlicher Assistent am Fachbereich für Ideengeschichte der Universität Oslo 2010-2011. Seit dem Sommersemester 2011 hat er die Henrik-Steffens-Professur am Nordeuropa-Institut der Philosophischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin inne.
In einem lesenswerten Aufsatz für die von der Society of Media Researchers in Denmark herausgegebenen Zeitschrift MedieKultur (2010, 49, S. 26-40) hat er sich aus der Perspektive der Luhmannschen Systemtheorie mit der Paradoxie der massenmedialen Unterhaltung auseinandergesetzt, nämlich Intimität zu beobachten, ohne Intimität beobachten zu können. Weiterlesen →

17. August 2014
von Tom Levold
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Alltag – Arbeit – Abendrot

Seitdem Jürgen Hargens die Freuden des Rentnerdaseins genießt, hat er das Feld der Romanschriftstellerei für sich entdeckt – und mittlerweile bereits den sechsten Roman (und den vierten im Berliner Trafo-Literaturverlag) mit dem Titel „Alltag – Arbeit – Abendrot“ veröffentlicht. Auf der Verlagswebsite heißt es: „Das Schönste ist und bleibt, verliebt zu sein. Das wissen sogar die Psychologen. Bernhard Detering, Mitte 40, Lehrer, ist sein Leben abhanden gekommen. Und sein Job geht ihm schon lange nicht mehr nahe. Eines Tages erlebt er, dass man mit Speck nicht nur Mäuse fangen kann… Der Speck lässt ihn in das pralle Leben der alleinstehenden Kathrin Amelander und ihrer zwei halbwüchsigen Kinder stolpern. Es ist wie ein Strudel, der ihn überrascht, verunsichert, belustigt … und anzieht. Der Tod von Kathrins Bruder lässt ein verdrängtes Familiendrama wieder aufscheinen – die wechselseitige Ablehnung zwischen Vater und Bruder. Und das politische Erwachen der Kinder von Kathrin und ihrer Mitschüler – sie engagieren sich gegen die Anwendung der CCS-Technologie in ihrer Region – führt auch Detering, zögernd, wieder in das Leben eines aktiven, verantwortlichen Menschen zurück. Drücken wir ihnen allen die Daumen.“  Ernst Hansen-Magnusson aus Wanderup hat den Roman rezensiert. Weiterlesen →

17. August 2014
von Tom Levold
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2013: Jugendämter führten rund 116 000 Gefährdungseinschätzungen für Kinder durch

WIESBADEN – Die Jugendämter in Deutschland führten im Jahr 2013 knapp 116 000 Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls durch. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, waren das 8,5 % mehr als bei der im Jahr 2012 erstmals durchgeführten Erhebung über Verfahren gemäß Paragraf 8a Absatz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung).
Eine Gefährdungseinschätzung wird vorgenommen, wenn dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines/einer Minderjährigen bekannt werden und es sich daraufhin zur Bewertung der Gefährdungslage einen unmittelbaren Eindruck von dem Kind beziehungsweise Jugendlichen sowie seiner Lebenssituation macht. Weiterlesen →

16. August 2014
von Tom Levold
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Daniel N. Stern (16.8.1934 – 12.11.2012)

Daniel Stern

Daniel N. Stern

Heute wäre Daniel Stern 80 Jahre alt geworden. Leider kann er diesen Tag nicht mehr erleben, am 12. November 2012 starb er im Alter von 78 Jahren in Genf. Ich erinnere mich noch gut, mit welcher Aufregung ich sein erstes Buch („Die Lebenserfahrung des Säuglings“) verschlungen habe, das 1992 zum ersten Mal in deutscher Sprache bei Klett-Cotta erschien. Es vermittelte nicht nur auf unglaublich spannende Weise die damals noch umwälzenden Erkenntnisse der neueren Säuglingsforschung, sondern präsentierte gleichzeitig eine besondere Form des konzeptuellen Denkens, in der die vorgestellten empirischen Daten immer als Potenzial zur Theoriebildung genutzt wurden. Hier begegnete ich einer Form kreativen wissenschaftlichen Denkens, die für mich vorbildhaft bleiben sollte.

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15. August 2014
von Tom Levold
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Die Modernisierung der Seele

Martin Dornes: Die Modernisierung der Seele. Kind-Familie-Gesellschaft

Martin Dornes ist ein bekannter Autor, er hat Anfang der 90er-Jahre mit dem Bestseller „Der kompetente Säugling“ wie kaum ein Anderer die Ergebnisse der modernen Säuglingsforschung im deutschsprachigen Raum auch einem größeren Publikum verständlich dargelegt. Dornes ist von Haus aus Soziologe, hat sich 1996 in Psychoanalytischer Psychologie habilitiert und die Perspektive auf die Entwicklung und Situation von Kindern beibehalten. In letzter Zeit beschäftigt er sich mit dem „Strukturwandel der Persönlichkeit in der Spätmoderne“, so z.B. in einem 2012 erschienenen gleichnamigen Aufsatz für „Psychotherapie & Sozialwissenschaft“, in er davon ausgeht, „dass Veränderungen in der Erziehung, wie sie seit 1968 festzustellen sind, nicht ohne psychostrukturelle Folgen bleiben. Vier Möglichkeiten werden untersucht. Moderne Erziehungspraktiken und Lebensbedingungen führen a) zu einer regressiven Entdifferenzierung der Psyche, b) zu einer progressiven Differenzierung, c) zu einem bloßen Oberflächenwandel, der ihre Tiefenstrukturen unberührt lässt oder d) zu einem ambivalenten Wandel, der zu größerer intrapsychischer Freiheit, aber auch zu größerer Verletzlichkeit führt. Der Autor favorisiert die These vom ambivalenten Wandel. Danach werden mögliche makrosoziale Quellen psychischer Verunsicherung behandelt. Den Abschluss bildet eine Skizze der »postheroischen Persönlichkeit«, die der Autor als neuen Sozialcharakter betrachtet“ (P&S 14(1),2012, S. 17-36). Dass diese Position bei konservativen Psychoanalytikern auf Widerstand stoßen muss, wie etwa bei Christa Rohde-Dachser im gleichen Heft („Im Gegensatz zu Dornes, für den der »postmoderne Mensch« den Konflikten, die aus der Sicht der Psychoanalyse die Conditio humana prägen, mehr oder minder entwachsen ist, vertritt die Autorin die Ansicht, dass diese Konflikte »unkündbar« sind, auch wenn sie im Zuge der Modernisierung ihre Ausdrucksform verändert haben“), sei hier nur am Rande angemerkt.

Im gleichen Jahr jedenfalls hat Dornes eine ziemlich umfangreiche Studie (528 S.) als Fischer-Taschenbuch herausgebracht, die sich aus der benannten entwicklungspsychologischen Perspektive mit der Situation  von Kindern und Jugendlichen in ihren Familien in der Gegenwart beschäftigt. In der Verlagsankündigung heißt es: „Kinder und Eltern haben derzeit eine schlechte Presse. Kindeer sind angeblich entweder verwöhnt und tyrannisch oder verwahrlost und gewalttätig. Eltern setzen angeblich keine Grenzen , fordern die Kinder zu wenig oder fördern sie falsch. Trotz guten Willens seien viele Eltern einfach überfordert. Der Autor untersucht den Realitätsgehalt dieser Meinungen; sein Ergebnis: Kinder und Eltern sind besser als ihr Ruf.“ Lothar Unzner hat das Buch gelesen, hier seine Rezension…

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