Im Wiener Promedia Verlag ist 2015 das Buch „Das Ende der MEGA-Maschine. Geschichte einer scheiternden Zivilisation“ von Fabian Scheidler erschienen. Scheidler, der Geschichte, Philosophie und Theaterregie studiert hat, arbeitet als freier Autor für unterschiedliche Medien. Sein Buch wurde von der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in die „TOP 10 der Zukunftsliteratur 2015“ gewählt. Jochen Schweitzer hat es gelesen und empfiehlt die Lektüre nachdrücklich. Lesen Sie selbst:
Jochen Schweitzer, Heidelberg:
Dies ist ein Buch, das mich ungewöhnlich stark begeistert hat und das ich daher vielen Menschen empfehlen möchte. Es hat mich begeistert, weil es
- in knappestmöglicher Form eine Geschichte der Macht- und Ausbeutungsverhältnisse von circa 1350 bis heute schreibt,
- Satz für Satz voll dichter Informationen und zugleich sehr verständlich geschrieben ist,
- die Geschichte des Finanzkapitals, der Klassenkämpfe, der politisch-militärischen Repression und der Ideologieproduktion in einer systemischen, zirkulären Denkweise beschreibt und deshalb als eine hervorragende kurze Lektüre auch für gesellschaftspolitisch interessierte SystemikerInnen dienen kann.
Viele Besucher der Frankfurter DGSF-Jahrestagung 2016 mögen den sympathischen Autor bei seinem dortigen gleichnamigen Vortrag gehört haben. Scheidlers Kernthese ist, dass in der Menschheitsgeschichte vier Tyranneien ständig eng zusammengearbeitet haben bei der Unterdrückung von Menschen durch Menschen: die physische Macht, besonders durch Waffengewalt; die strukturelle Gewalt als systematisch ungleiche Verteilung von Rechten, Besitz, Einkommen und Prestige; die ideologische Macht durch Priester, Journalisten und Experten, die die beiden anderen Formen der Macht legitimieren oder unsichtbar machen halfen; schließlich die Tyrannei des linearen Denkens als Versuch, durch Kommandos, Befehle und Kontrollpraktiken die Menschen wie die unbelebte Natur sich einseitig untertan zu machen. Keine dieser Tyranneien funktioniert ohne die andere: Waffengewalt braucht ideologische Begründung und den Glauben an die Möglichkeit der Kontrolle der Welt durch Waffen; starke Ungleichheit ist dauerhaft nicht durchsetzbar ohne ideologische Begründung oder (wenn diese nicht ausreicht) ohne Waffengewalt. Weiterlesen →

Das letzte Heft des Kontext-Jahrgangs 2016 ist kurz vor Weihnachten erschienen und dem Thema Achtsamkeit und Spiritualität gewidmet. Im Editorial heißt es: „Das Thema Achtsamkeit boomt. Schlägt man dieser Tage eine beliebige Wirtschafts- oder Managementzeitschrift auf, braucht man nicht lange zu blättern, bis man auf einen Artikel stößt, der die Achtsamkeits- und Meditationspraxis als hilfreich für die Bewältigung der Herausforderungen preist, mit denen Führungskräfte und Mitarbeiter in Unternehmen zu kämpfen haben. Wurde dieses Thema in den vergangenen Jahrzehnten eher dem Bereich spiritueller Selbstvergewisserung oder gar dem zweifelhaften Milieu esoterischer Lebensentwürfe zugeordnet, haben Achtsamkeit und Meditation Einzug in eine Welt gehalten, die weithin eher mit rationalistischen Optimierungsstrategien in Verbindung gebracht wird als mit der Frage nach Transzendenz und Sinnsuche.
Lösungsorientierte Beratung hört sich oft einfacher an, als es ist. Dies gilt ganz besonders in der Beratung mit Eltern, die sich bereits getrennt haben und miteinander als Partner nichts mehr zu tun haben wollen. Hier sind Konflikte vorprogrammiert, die an lösungsorientierte BeraterInnen besondere Anforderungen stellen. Sabine Holdt und Marcus Schönherr arbeiten als PsychologInnen seit 1996 in der Familienberatungsstelle des FamThera-Instituts in Leipzig mit getrennt lebenden Eltern an der Bewältigung ihrer Nachtrennungskonflikte und der Regelung ihrer Sorge für die gemeinsamen Kinder. Über ihren Arbeitsansatz haben sie ein Praxishandbuch geschrieben, das 2015 im Klett-Cotta-Verlag in der Reihe Leben lernen erschienen ist.
Die Independent Social Research Foundation (ISRF) und das Journal for the Theory of Social Behaviour (JTSB) vergeben jährlich Essay-Preise für Arbeiten aus unterschiedlichen Sparten. 2014 hat der bekannte Sozialpsychologe Kenneth J. Gergen (Foto: www.carl-auer.de) diesen Preis für einen Essay gewonnen, der eine neue Perspektive auf Forschung vorschlägt – und auf der website von Gergens Taos-Institut heruntergeladen werden kann. Er geht davon aus, dass die „Wissenschaftskriege“ der letzten Jahrzehnte nachgelassen haben und damit Platz für einen „reflektierenden Pragmatismus“ eröffnet, auch wenn nach wie vor die vorherrschende Metapher, die den meisten Forschungen in den Sozialwissenschaften zugrundeliegt, die eines „Spiegels“ von Wirklichkeit sei, also primär eine visuelle Metapher der Beobachtung und Beschreibung von Realität. Gergen bietet eine Alternative zur Spiegelmetapher an, die den Forscher weniger als „Welt-Untersucher“ denn als Welterfinder definiert. Es geht ihm also nicht darum, die Welt auf das, was sie ist, zu untersuchen, sondern Forschung vielmehr darauf auszurichten, Zukunft aktiv zu gestalten. Mit dieser Art von Forschung verbunden ist die Suche nach und Entwicklung von neuen Praktiken und kollaborativem Handeln. Damit einher gehen auch Überlegungen zur veränderten Rolle von Theorie und die Bedeutung einer relationalen Ethik der Forschung.
Liebe Leserinnen und Leser des systemagazin,
Jürgen
Cornelia