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7. Dezember 2022
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2022 – 07. Barbara Kuchler
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7. Dezember 2022
von Tom Levold
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6. Dezember 2022
von Tom Levold
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Im November 1944 heirateten meine Eltern, Kriegshochzeit, ihre Aussichten waren unsicher, ihre Zuversicht alleine getragen von einem Glauben. Ihr Hochzeitsbild hängt über meinem Schreibtisch. Ich frage mich, was systemische Zuversicht sein soll. Zuversicht meint ja wohl ein Vertrauen darauf, dass etwas eintreffen wird, was man sich wünscht, erhofft, herbeisehnt. Ein Ausschnitt aus dem vielen Möglichen wäre das, worauf sich Zuversicht richtet. Und was wäre dann mit systemischen Perspektiven, die letztlich bedeuten, es könne immer auch anders sein? Er gehe davon aus, dass eher eines von dem Vielen eintreten werde als eins von dem Wenigen, lässt Gregory Bateson den Vater zu seiner Tochter sagen in seinem Metalog darüber, warum Sachen durcheinander kommen. Das Durcheinanderkommen als Ausdruck davon, dass das Erwünschte, Erhoffte, Ersehnte nicht so wahrscheinlich ist, wie das andere, das Befürchtete, das über einen Hereinbrechende, oder auch das langweilig und alltagsgrau vor sich Hinschlappende. Und so nähere ich mich der „systemischen Zuversicht“ eher über eine Vorstellung, systemisch habe es eher mit „tapfer“ zu tun als mit „mutig“, eher mit „Rücksicht“ als mit „Volldampf“, eher mit der Erkenntnis, dass im dynamischen Wirbel des Lebendigen die Ruhe die Ausnahme ist. Und dass es wenig nützt, mit Gewalt anzugehen gegen diese Wirbel, aber auch wenig nützt, sich darin aufzugeben. Dass es also helfen kann, sich im Wirbel zu finden und wenn es gut geht, sich miteinander zu finden, miteinander die Farbe im Grauen zu sehen, und so dem eher Wenigen aus dem Vielen, dem Erhofften beizustehen und zu helfen, es wirklich werden zu lassen. Glück wäre dann die gelegentliche Erkenntnis, dass das sinnvoll war. Zuversicht wäre dann eine Patin für dieses, eine Begleiterin, ein Lichtschein, der im Grauen die Farbe leuchten lässt. Und „systemisch“? Ja, auch, wieso nicht.
Wolfgang Loth (Niederzissen)
5. Dezember 2022
von Tom Levold
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Systemische Zuversicht
heisst Vertrauen
heisst tun oder lassen, was möglich ist
Wir Menschen haben einen beispiellosen Tsunami des Verschwindens losgetreten, der uns schon zu Lebzeiten die Energien raubt, spätestens aber mit dem Wissen um den eigenen Tod zu einem Ärgernis, oft aber auch zur Erlösung wird. „Das führt unweigerlich zu einer Theologie, die sich seit Jahrhunderten darauf spezialisiert hat, dem skandalösen Verschwinden von Menschen durch ihren biologischen Tod mit einem theoretischen Überbau und Versprechen zu begegnen“ (P.Blom). Diesem Ärgernis, in christlicher Tradition – geleitet von weihnächtlichen Visionen und österlichen Tröstungen – zu begegnen, ist nachvollziehbar. Im Wissen, dass Transzendenz ja nicht etwas für Phantasten ist, Energien sich erhalten, auch wenn Aggregatszustände sich verändern, bleibt es trotzdem fraglich, ob und für wen „systemische Zuversicht“ denn Sinn macht, gleichsam als säkulare Tröstung gegen der Zerfall. Ich für meinen Teil, in der Begegnung mit mir selber, dem/den andern und der Natur im Allgemeinen, lasse mich – sozusagen immanent – leiten von der Erfahrung und vom Wissen, dass es sich lohnt zu vertrauen.
4. Dezember 2022
von Tom Levold
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Bin ich hoffnungsvoll? (Seid Ihr hoffnungsvoll?)
Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut geht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht. (Vaclav Havel)
Ich gebe zu, ich habe diese Frage gemieden. Dadurch, dass ich mich ernsthaft mit unserer heutigen Situiation auseinandergesetzt habe, ist aber eher mehr Sinn und Hoffnung in mir entstanden.
Vielleicht liegt es auch an meinem protestantischen Hintergrund: Wenn ich also wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich – nein! Keine Kreuzfahrt machen- sondern wie Luther einen Apfelbaum pflanzen.
Und was noch?
Das möchte ich mit der Heidelberger Lyrikerin Hilde Domin sagen:
Nicht müde werden, sondern dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten.
Jetzt erleben wir, wie brüchig unser Leben in geordneten und sicheren Bahnen ist. Hilft da die größere Perspektive?: Leben war immer gefährdetes Leben. Und Leben und Aufbruch im Angesicht apokalyptischer Entwicklungen und in der Angst vor übermächtigen Kräften ist eigentlich schon immer die Conditio humana gewesen. Das ist wohl wahr. Aber hilft es, selbstverständlich gewordene Anspruchshaltungen loszulassen. Gibt es Hoffnung? Weckt es Mut?
Allmählich kommt Angst auf. Das ist gut, wenn auch Angst allein bekanntlich kein guter Ratgeber ist. Wir greifen zu Hausmittelchen:
Etwa den Spruch: Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch. « Ein Zitat aus Hölderlins Hymne Patmos, der Insel, auf der Johannes seine apokalyptischen Visionen niederschrieb.
Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch. Das tröstet schon irgendwie. Doch stimmt das für uns? Hat es für die unzähligen ausgestorbenen Arten und Zivilisationen gestimmt?
Zu groß ist immer wieder die Versuchung, angesichts der übermächtig erscheinenden Herausforderungen hinter die Front zu flüchten, mental, emotional und räumlich. Da liegt der Rückzug auf das Luxusdeck und in die Bars der Titanic nahe. Genial-törichte Vereinfachungen und Polarisierungen helfen, uns angemessenen Auseinandersetzungen mit uns selbst und anderen über unsere Lebensweise zu entziehen. Das heißt aber leider auch, dass immer wieder Unruhe gestiftet werden muss, wenn nicht genug geschieht oder scheinbare Auswege keine Lösung sind.
Aus dem isb-Sprüche-Büchlein: Glück und Unglück haben eines gemeinsam: Meist kommt nicht soviel wie man erwartet. Wäre schön, wenn das diesmal auch gelten sollte. Vielleicht geschieht in Sachen Aufbruch ja auch schon viel mehr als schon erkennbar wird. Bekanntlich macht ein fallender Baum mehr Lärm als ein wachsender Wald. Hoffentlich zeigt sich bald mehr und mehr der wachsende Wald.
Also Balance halten zwischen Skepsis und Hoffnung. Nur Hoffnung geht nicht!
3. Dezember 2022
von Tom Levold
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Zuversicht in diesen Zeiten, auch in diesem Herbst, zu verbreiten, ist die Aufgabe.
Der Weg ist auch herbstlich und läd zur Erkundung ein. Wir Therapeuten können den Krieg nicht ändern. Wir sind aber vor Ort, um immer wieder zu erinnern, dass wir nur in Gemeinsamkeit und im Gespräch den Frieden fördern können.
Ute Oessenich-Lücke und Clemens Lücke
Tanz- und Familientherapeuten
im Advent 2022
2. Dezember 2022
von Tom Levold
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Das Motto Systemische Zuversicht freut mich sehr, schließt es doch direkt an einen Artikel von mir im Kontext an. Wir haben hier in Bremen im März spontan ein kleines Unterstützungsprojekt für geflüchtete ukrainische Kolleg:innen ins Leben gerufen. Olha, Viktoria, Marina, Svitlana und Julia bieten in unseren Praxisräumen muttersprachliche psychologische Begleitung und Stabilisierung für geflüchtete Frauen aus der Ukraine an, sie erhalten ein kleines Honorar für ehrenamtliche Tätigkeit aus Spendengeldern (das nicht abgezogen werden kann), und wir organisieren gemeinsame Intervision. So ist wenigstens ein kleiner „haltender Rahmen“ entstanden. Wenn wir, die „Nativ-Bremer“, mit den Kolleginnen zusammensitzen, werden die kaum aushaltbaren Bilder des irrsinnigen Vernichtungskrieges der russischen Armee in der Ukraine durch „ganz normale menschliche Begegnungen“ überblendet und korrigiert. Das tut uns allen gut, und für eine Weile geht es mir wie Albert Camus, „mitten im Winter habe ich erfahren, dass es in mir und ZWISCHEN UNS einen unbesiegbaren Sommer gibt“ (Einfügung J.B.). Das destruktive Potenzial in und zwischen uns können wir nicht leugnen, doch diese Erfahrung nährt in mir die Überzeugung, dass WIR ALLE uns, egal woher jemand kommt, egal welche Sprache jemand spricht, egal wie sich jemand identifiziert oder nennt, oder wo jemand, wie Rio Reiser singt, gerade pennt, in unserem tiefsten Inneren nichts anderes wünschen als Freiheit, Sicherheit und ein gutes Zusammenleben.
1. Dezember 2022
von Tom Levold
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Liebe Leserinnen und Leser,
wie in den vergangenen Jahren gibt es auch in diesem Jahr wieder einen Adventskalender im systemagazin, der von Ihnen und uns gemeinsam gestaltet wird. Das übergreifende Thema lautet „systemische Zuversicht“ im Angesicht einer krisenhaften Zeit. In meiner Einladung vor wenigen Wochen fragte ich: Was gibt Ihnen ein Gefühl von Zuversicht in Hinblick auf zukünftige Entwicklungen? In welchen Systemen beobachten Sie die Kraft für positive Veränderungen? Welche privaten, gemeinschaftlichen, organisationalen oder gesellschaftlichen Erfahrungen und Ereignisse stimmen Sie zuversichtlich? Welche Visionen und Zukunftsbilder bestärken Sie in Ihrer systemischen Praxis?
Ebenfalls wie immer ist der Kalender noch längst nicht gefüllt, also eine Art work in progress – und wie immer bin ich gespannt, ob wir die 24 Tage voll kriegen. Fühlen Sie sich also eingeladen, einen Beitrag zu leisten. Dabei denke ich an Geschichten, Anekdoten, Reflexionen, theoretische Überlegungen, aber auch Fotos, Bilder, Collagen, Symbole oder andere Formate, die für Sie dieses Thema auf eine gute Weise zum Ausdruck bringen. Wie kurz oder lang, groß oder klein, spielt dabei keine Rolle. Es sollte nur deutlich werden, warum Ihr Text oder Bild Ihre Vorstellung von Zuversicht verdeutlicht und was Ihren systemischen Blick darauf ausmacht.
Den Anfang heute macht Susanne Quistorp aus Zürich mit einer schönen Referenz auf ein Zitat des Schweizer Bildhauers Jean Tinguely.
In „le Définitif, c’est le Provisoire“ steckt für mich das Vertrauen, dass kein Zustand so bleibt, wie er ist – und jede Bewegung vielseitige Mit-Bewegungen und damit schöpferische Möglichkeiten generiert.
Das ist meine Zuversicht.
23. November 2022
von Tom Levold
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Unter dem Titel Evaluation 2.0 geht es in der letzten Ausgabe der Familiendynamik in diesem Jahr schwerpunktmäßig um ein Prozessfeedback „als ,Herzstück’ systemischer Praxis“, das von Günter Schiepek unter dem Stichwort Synergetisches Navigationssystem (SNS) entwickelt worden ist. Im Editorial heißt es: „Die Fokus-Beiträge stellen diese »Evaluation 2.0« mit dem Synergetischen Navigationssystem (SNS) von Praktiker:innen in verschiedenen Kontexten vor. Das SNS ist seit 15 Jahren im klinischen Routineeinsatz, womit wir mit diesem Themenheft auch ein kleines Jubiläum feiern. Tilo Mielenz und Markus Keller berichten anhand von Fallgeschichten über die Anwendung in der Jugendhilfe. Christoph Huy und Günter Schiepek zeigen mit einem Transfer des SNS in schulische Kontexte, wie Schüler:innen ihre Lernprozesse damit besser gestalten und Lehrkräfte dadurch gewissermaßen »Supervision« erhalten. In den Über-Sichten skizzieren Günter Schiepek und Rieke Oelkers-Ax, wie Evaluation und Wirksamkeit von Therapie und Beratung neu gedacht werden können (»2.0«) und veranschaulichen dies anhand einer Mutter-Kind-Therapie.“ Etwas merkwürdig mutet allerdings an, dass an keiner Stelle des Heftes, weder in den Texten noch in einem conflict of interest statement darauf hingewiesen wird, dass das SNS eine kommerzielle Anwendung ist, die von der Firma CCSYS GmbH vermarktet wird, bei der Günter Schiepek als Geschäftsführer fungiert. Ein solches Statement ist mittlerweile ganz unabhängig von der Güte der Artikel state of the art in den meisten wissenschaftlichen Zeitschriften und eine notwendige Orientierungshilfe für die Leserschaft.
Alle bibliografischen Angaben und abstracts des Heftes finden Sie hier…
10. November 2022
von Tom Levold
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Am Montag vergangener Woche ist Jochen Schweitzer nach langer Krankheit gestorben. Ein Tod, der abzusehen war, aber dennoch – wie immer – zur Unzeit eintrat. Noch im Sommer hatten wir uns in Heidelberg getroffen und ein weiteres Treffen im November avisiert. Dazu ist es nun nicht mehr gekommen. Nachdem ich ihn in den 1980er Jahren bereits durch seine Veröffentlichungen (u.a. in der Familiendynamik) und von Tagungen kannte, habe ich ihn persönlich wohl erst Anfang der 1990er Jahre näher kennengelernt. Durch unsere Zusammenarbeit in der SG und später der DGSF (in der er als Vorstandsmitglied und später 1. Vorsitzender fungierte und ich Mitglied des Kontext-Herausgebergremiums) hatten wir immer wieder miteinander zu tun. In vielen inhaltlichen und fachpolitischen Fragen standen wir auf eher kontroversen Positionen, allerdings machten uns die Auseinandersetzungen immer auch Spaß und waren von großer persönlicher Wertschätzung geprägt, zumal hinter diesen Kontroversen auch ein großes Maß an Übereinstimmung und parallelen persönlichen Entwicklungsprozessen stand. Die ungeheure Breite seiner Themen in Praxis und Forschung haben mich ebenso fasziniert wie seine unglaublich kreative Ader, mit der er Menschen beruflich und privat mitreißen und zur Kooperation bringen konnte und mit der er seine Ideen für alle möglichen Interventionen in unterschiedlichsten Kontexten entwickelte. Die Integrationskraft, mit der er die DSGF zusammenhielt und gleichzeitig nach vorne brachte, habe ich sehr bewundert.
Dass seine Aussichten nicht gut standen, war ihm schon im vergangenen Jahr klar. Er hat die Zeit nicht nur genutzt, um sich aus seinen Verpflichtungen zu lösen, von seinen wichtigen Wegbegleitern und Projekten zu verabschieden und sich auf das Bevorstehende vorzubereiten, sondern auch noch für Wanderungen, kleinere Reisen und andere Dinge, die für ihn zum guten Leben gehörten. Seine bewunderswerte Gelassenheit im Umgang mit seiner Erkrankung und seine Akzeptanz des Unvermeidlichen haben mich tief beeindruckt.
Farewell, Jochen! Dass du gegangen bist, ist ein großer Verlust für uns alle. In unserer Erinnerung wirst du einen festen Platz behalten.
Matthias Ochs, Doktorand, langjähriger Mitarbeiter und Freund von Jochen Schweitzer, hat einen Nachruf verfasst, der heute auch auf der DGSF-Webseite veröffentlicht wurde. Mit seiner freundlichen -Erlaubnis bringe ich seinen Text hier im systemagazin – begleitet mit Fotografien, die ich in den letzten 20 Jahren von Jochen machen konnte.
Nach längerer Krankheit ist am 31.10.2022 unser ehemaliger DGSF-Vorsitzender Prof. Dr. Jochen Schweitzer im Alter von 68 Jahren viel zu früh verstorben. Das ist ein großer, großer Verlust für viele von uns, für die DGSF und für das gesamte systemische Feld – auch für mich persönlich, da ich meinen Doktorvater, Mentor sowie geschätzten und nahen Kollegen verloren habe. Unser besonderes Mitgefühl gilt seiner Familie und seinen Angehörigen.
Jochen Schweitzer hat die Entwicklung des systemischen Felds in Deutschland auf so vielfältige Weise mitgeprägt, dass es schwerfällt, einige wenige Bereiche in den Vordergrund zu stellen. Besonders dankbar bin ich deshalb dafür, dass es Jochen noch möglich war, sein vielfältiges berufliches Wirken über Jahrzehnte in dem gerade erschienenen Buch „Ich hätte da noch eine Idee … Persönliche Geschichten aus 45 Jahren Systemischer Therapie und Beratung“ selbst so wunderbar, informativ und beeindruckend darzustellen.
Weiterlesen →9. November 2022
von Tom Levold
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Liebe Leserinnen und Leser des systemagazin,
wie in den vergangenen Jahren möchte ich Sie auch dieses Jahr wieder einladen, den systemagazin-Adventskalender mitzugestalten. Dass wir in herausfordernden Zeiten leben, ist wohl eine ungeheure Untertreibung. Pandemie und Krieg erschüttern unser Gesellschaftssystem und lassen zunehmend an seiner politischen, sozialen und kulturellen Integrationskraft zweifeln. Spaltung und Polarisierung nehmen zu. Über allem steht die sich abzeichnende ökologische Katastrophe, der nicht nur aufgrund der militärischen und ökonomischen Auseinandersetzungen weltweit nicht mit den Anstrengungen begegnet wird, die notwendig sind. Keine erfreulichen Aussichten auf die Zukunft.
Dabei steht gerade die Adventszeit im Christentum für die hoffnungsvolle Erwartung der Zukunft in der Person Christi. Auch ohne Vertrauen in die Religion beruht in unserem säkularen Zeitalter die Stärke unserer Handlungsmöglichkeiten darauf, dass wir bei allen Zweifeln und pessimistischen Prognosen mit Zuversicht in die Zukunft schauen können. Dieser Zuversicht „trotz alledem“ soll der aktuelle Adventskalender gewidmet sein.
Ich freue mich also über einen kleinen Beitrag von Ihnen zum Thema „systemische Zuversicht“. Was gibt Ihnen ein Gefühl von Zuversicht in Hinblick auf zukünftige Entwicklungen? In welchen Systemen beobachten Sie die Kraft für positive Veränderungen? Welche privaten, gemeinschaftlichen, organisationalen oder gesellschaftlichen Erfahrungen und Ereignisse stimmen Sie zuversichtlich? Welche Visionen und Zukunftsbilder bestärken Sie in Ihrer systemischen Praxis?
Dabei denke ich an Geschichten, Anekdoten, Reflexionen, theoretische Überlegungen, aber auch Fotos, Bilder, Collagen, Symbole oder andere Formate, die für Sie dieses Thema auf eine gute Weise zum Ausdruck bringen. Wie kurz oder lang, groß oder klein, spielt dabei keine Rolle. Es sollte nur deutlich werden, warum Ihr Text oder Bild Ihre Vorstellung von Zuversicht verdeutlicht und was Ihren systemischen Blick darauf ausmacht.
In den vergangenen über 20 Jahren ist es immer gelungen, den Kalender zu bestücken und ich sehe dieser Möglichkeit auch dieses Mal mit Zuversicht entgegen 🙂
Für Ihre Einsendungen unter levold@systemagazin.com bedanke ich mich schon jetzt und freue mich auf Ihre Kreativität und Zuversicht.
Mit herzlichen Grüßen
Tom Levold
Herausgeber systemagazin
8. November 2022
von Tom Levold
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Aus Wien erreichte mich folgender Brief systemischer Kolleginnen und Kollegen, den ich gerne weiterleite:
Liebe systemische Kolleg:innen,
in Österreich wird seit Jahresbeginn intensiv an der Akademisierung der Psychotherapieausbildung gearbeitet. Die grundsätzlich zu begrüßenden Bestrebungen für ein neues Psychotherapiegesetz laufen in der letzten Zeit in eine bedenkliche Richtung. Es droht nun auch bei uns das „deutsche Modell“. Dazu hat das Netzwerk Psychotherapie neuwesentliche Einwände, die wir in einer Petition formuliert haben:
Wir haben eine Petition gestartet und bitten Sie um Ihre Unterschrift!!!
4. November 2022
von Tom Levold
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Auf auf dem DGVT-Kongress 2021 gab es eine Lesung von Ken Gergen, der sein Buch „Relational Being“ (Auf deutsch: „Die Psychologie des Zusammenseins“, s. auch die Rezension von Wolfgang Loth hierzu) vorgestellt hat. In der Zeitschrift VPP (Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis) 3/22 wurde sein Beitrag gemeinsam mit einem Interview veröffentlicht, das Thorsten Padberg, Eugene Epstein, Manfred Wiesner und Lothar Duda mit Ken Gergen geführt haben. systemagazin veröffentlicht hier diese Texte mit freundlicher Genehmigung der VPP (Fotos: Tom Levold)
Eine Lesung auf dem DGVT-Kongress 2021
Vorbemerkung: Kenneth Gergen zählt zu den 50 einflussreichsten Psychologen der Welt. Als Sozialpsychologe hat er sein Fach immer wieder vor Herausforderungen gestellt. Schon in der 70er Jahren stellte er in Frage, ob es zeitlich überdauernde Gesetze der Psyche gebe – eine Idee, die sich aus seiner Sicht nur deshalb so weit verbreiten konnte, weil die Psychologie über ihren empiristischen Fokus vergessen hatte, die Entstehung ihrer Konzepte zu untersuchen. Seine Antwort: „Sozialpsychologie ist Geschichtswissenschaft“. In seinem populärwissenschaftlichen Bestseller „Das übersättigte Selbst“ von 1991 erklärte er der erstaunten Öffentlichkeit, dass das Selbst keinen festen Kern habe, sich der Mensch vielmehr in Abhängigkeit von seinem Umfeld in theoretisch unbegrenzte „Personenpersonen“ auffächerte. In seinem zuletzt erschienenen Buch „Relational Being“, das jetzt unter dem Titel „Die Psychologe des Zusammen-Seins“ im dgvt-Verlag erschienen ist, schrieb er die gesamte Psychologie neu: Statt der Erforschung der Psyche müsse sie sich der Erforschung von Beziehungen widmen, um als Wissenschaft eine feste Grundlage zu haben.
Auf dem DGVT-Kongress im März 2021 war Kenneth Gergen Gast des Symposiums „Sprachbasierte Ansätze in der Psychotherapie“, um die Implikationen seines Ansatzes für die Psychotherapie herauszuarbeiten. Er trug dabei theoretische Passagen und illustrierende Geschichten aus der „Psychologie des Zusammenseins“ vor und erläuterte diese Absätze für die Teilnehmer*innen. Im Folgenden finden sich die vorgetragenen Passagen. In kursiv sind zudem Gergens Erläuterungen wiedergegeben. Diese Erläuterungen wurden hier ergänzt durch Ausschnitte aus einem Gespräch, das die Veranstalter des Symposiums vorab mit Ken Gergen geführt haben.
Weiterlesen →10. Oktober 2022
von Tom Levold
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Mit überwältigender Mehrheit von über 95 % aller Stimmen wurde das Positionspapier „Hingeschaut“ der DGSF-Expertinnengruppe „Ambulante Erziehungshilfen“ bei der Mitgliederversammlung in Dresden beschlossen.
Ziel ambulanter Hilfen zur Erziehung ist, Familien dabei zu unterstützen, ihr Leben gelingend zu gestalten und Kindeswohlgefährdungen möglichst zu verhindern. Ziel des Positionspapiers ist es, eine Sensibilisierung der Fachöffentlichkeit für den Zusammenhang von Qualität und Wirksamkeit von ambulanten Erziehungshilfen zu erreichen und Fachgesellschaften und Politik einzuladen, sich intensiver und umfassender mit dem Thema zu befassen. In dem Positionspapier werden die Reaktionen der Jugendhilfe auf gesellschaftliche Entwicklungen aufgegriffen, die Wechselwirkungen von kommunalen Ressourcen auf die (Nicht-)Beteiligung von Eltern beschrieben, auf die sich wandelnden Rollen von Eltern und Fachkräften im Hilfe- und Kooperationskontext eingegangen, die Anforderungen an die ambulanten Hilfen zur Erziehung beschrieben und an die politischen Verantwortungen zum Handeln appelliert. Das Positionspapier gibt die Sichtweise des Verbandes wieder und ist folgendermaßen gegliedert:
Das Positionspapier stellt nicht nur Forderungen nach einer verbesserten Fachlichkeit von Hilfsangeboten auf, sondern bietet auch eine Analyse des politischen Kontextes, der für die zunehmende Verschlechterung des Hilfesystems bei gleichzeitig zunehmendem Handlungsdruck verantwortlich ist: Die „Fortschritte in den Hilfen zur Erziehung [aus den 1990er Jahren] wurden jedoch nach wenigen Jahren bereits „ausgebremst“, indem mittels neoliberaler Steuerungsinstrumente nicht nur Hilfen als „Produkte“ beschrieben, Pauschalfinanzierungen abgeschafft, Fachleistungsstunden geschaffen, Personalbegrenzungen vorgenommen wurden u.a.m. Das führte nicht nur zu einer immer höheren Fallzahlbelastung unter anderem in den Allgemeinen Sozialen Diensten (ASD) der Jugendämter, sondern auch zu Stundenreduzierungen und Fallzahlerhöhung bei den ambulanten Hilfen zur Erziehung. Damit begann eine langsame, aber bis heute andauernde kontinuierliche Aushöhlung von Fachlichkeit und eine Ökonomisierung in den ambulanten Hilfen zur Erziehung. Gemeint ist hier ein betriebswirtschaftlich ausgerichteter Prozess in der Sozialen Arbeit, bei dem eine „(…) zunehmende Durchdringung von Strukturen, Organisationsmodellen, Konzepten und Handlungsmustern sozialer Dienstleistungstätigkeiten durch wettbewerbliche, marktorientierte Elemente der Konkurrenz und Effizienz“3 stattfindet. Der zentrale Modus, nach dem die vorhandenen Ressourcen, Akteur*innen, Bedarfe und Leistungen koordiniert, optimal verteilt und bestmöglich genutzt werden sollen und der zudem noch systemische Flexibilität und Innovationsoffenheit gewährleisten soll, wird in Markt und Wettbewerb gesucht.“