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Online-Journal für systemische Entwicklungen

systemagazin Adventskalender 2022 – 04. Bernd Schmid

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Bin ich hoffnungsvoll?  (Seid Ihr hoffnungsvoll?)

Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut geht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht. (Vaclav Havel)

Ich gebe zu, ich habe diese Frage gemieden. Dadurch, dass ich mich ernsthaft mit unserer heutigen Situiation auseinandergesetzt habe, ist aber eher mehr Sinn und Hoffnung in mir entstanden.

Vielleicht liegt es auch an meinem protestantischen Hintergrund: Wenn ich also wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich – nein! Keine Kreuzfahrt machen- sondern wie Luther einen Apfelbaum pflanzen.

Und was noch? 

Das möchte ich mit der Heidelberger Lyrikerin Hilde Domin sagen:

Nicht müde werden, sondern dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten.

Jetzt erleben wir, wie brüchig unser Leben in geordneten und sicheren Bahnen ist. Hilft da die größere Perspektive?: Leben war immer gefährdetes Leben. Und Leben und Aufbruch im Angesicht apokalyptischer Entwicklungen und in der Angst vor übermächtigen Kräften ist eigentlich schon immer die Conditio humana gewesen. Das ist wohl wahr. Aber hilft es, selbstverständlich gewordene Anspruchshaltungen loszulassen. Gibt es Hoffnung? Weckt es Mut?

Allmählich kommt Angst auf. Das ist gut, wenn auch Angst allein bekanntlich kein guter Ratgeber ist. Wir greifen zu Hausmittelchen:

Etwa den Spruch: Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch. « Ein Zitat aus Hölderlins Hymne Patmos, der Insel, auf der Johannes seine apokalyptischen Visionen niederschrieb.

Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch. Das tröstet schon irgendwie. Doch stimmt das für uns? Hat es für die unzähligen ausgestorbenen Arten und Zivilisationen gestimmt?

Zu groß ist immer wieder die Versuchung, angesichts der übermächtig erscheinenden Herausforderungen hinter die Front zu flüchten, mental, emotional und räumlich. Da liegt der Rückzug auf das Luxusdeck und in die Bars der Titanic nahe. Genial-törichte Vereinfachungen und Polarisierungen helfen, uns angemessenen Auseinandersetzungen mit uns selbst und anderen über unsere Lebensweise zu entziehen. Das heißt aber leider auch, dass immer wieder Unruhe gestiftet werden muss, wenn nicht genug geschieht oder scheinbare Auswege keine Lösung sind.

Aus dem isb-Sprüche-Büchlein: Glück und Unglück haben eines gemeinsam: Meist kommt nicht soviel wie man erwartet. Wäre schön, wenn das diesmal auch gelten sollte. Vielleicht geschieht in Sachen Aufbruch ja auch schon viel mehr als schon erkennbar wird. Bekanntlich macht ein fallender Baum mehr Lärm als ein wachsender Wald. Hoffentlich zeigt sich bald mehr und mehr der wachsende Wald.

Also Balance halten zwischen Skepsis und Hoffnung. Nur Hoffnung geht nicht!

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