Wenig Zuversicht vermittelnde Zeiten
In der Einladung zum diesjährigen systemagazin Adventskalender hat mich besonders der Hinweis auf die wenig Zuversicht vermittelnden Zeiten angesprochen. Ich halte im kommenden Jahr einen Vortrag auf einer Konferenz zum Thema „Zuversicht und Zumutung“ am IF Weinheim. Den Titel finde ich extrem passend für unsere Zeit, denn sie scheint mir voller Zumutungen zu sein und diese laden nicht grad zur Zuversicht ein.
Auch in Konflikten wird das Gegenüber ja schnell als Zumutung empfunden. Anhand kybernetischer Theorie kann jedoch auch die eigene Rolle daran klar werden: Wir tragen mit unserer Art, das Geschehen zu interpunktieren, und unseren verinnerlichten, oftmals unbewussten Mustern und Strategien selbst dazu bei, dass das Gegenüber sich gar zunehmend so verhält, wie wir es eigentlich nicht möchten. Wir bestärken das, was wir zu verhindern versuchen. Verrückt! Wenn auch nachvollziehbar – und leider oftmals unbewusst.
Wie kann dann damit umgegangen werden? Darauf gibt es zwar keine pauschale Antwort, aber deshalb nicht minder Möglichkeiten: So sind das Wissen um systemische Dynamiken, die Offenheit dafür, etwas Neues auszuprobieren, die Flexibilität im eigenen Verhalten, die Reflexion von dem, was war und über das, was wir wollen, nur einige Ansatzmöglichkeiten, um einen Unterschied zu machen, der die Dynamik verändern kann – oder um einen ersten Schritt in Richtung des Umgangs mit einer Zumutung zu gehen, die dann zur Herausforderung wird.
Die damit einhergehende Handlungsfähigkeit oder auch nur die Hoffnung auf diese schafft Zuversicht, da sie neue Türen öffnet. Wir wissen vielleicht noch nicht, wohin diese genau führen werden, aber sie sind da, wenn wir sie öffnen. Das bedeutet auch Freiheit – und zwar keine, die alleine steht, sondern eine, die Verantwortung einbezieht, denn es ist liegt an uns, ob und welche Tür wir wählen.
Für mich ist das das Hoffnungsvolle trotz dieser Zeit und besonders hoffnungsvoll, da es für jede Zeit gilt. Es ist unsere Entscheidung, ob wir uns grämen, beschweren und entlasten oder ob wir uns Umgangsweisen überlegen, nach Lösungen suchen und aktiv werden – Dabei scheint mir Ersteres nicht per se schlecht und Letzteres nicht per se hilfreich, aber es scheint mir wichtig, beides klar zu unterscheiden, bewusst zu wählen und sich vor allem bewusst darüber zu sein, dass Ersteres nicht die einzige Option ist. Es liegt an uns mit den Herausforderungen umzugehen, das ist unsere Freiheit und Verantwortung – insbesondere in unzumutbaren Zeiten.
Lina Nagel, Witten/Herdecke