systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

10. Oktober 2014
von Tom Levold
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Luc Ciompi wird 85!

Heute feiern wir Luc Ciompis 85. Geburtstag, ein Datum, das man kaum glauben mag. Die Vitalität und Energie, die er versprüht, ist auch in hohem Alter immer noch und überall zu verspüren. Seine Begeisterungsfähigkeit, seine vielfältigen Interessen und nicht zuletzt seine freundliche und zuwendende Art bleiben allen in Erinnerung, die ihn bei einem Vortrag oder Workshop erlebt haben oder ihn persönlich kennenlernen durften. Er hat nicht nur maßgebliche Akzente bei der Entwicklung einer humanen und sozialen Psychiatrie mit seinem Soteria-Konzept in Bern gesetzt (wovon er in diesem Video erzählt), sondern seit den frühen 80er auch wesentliche Beiträge dazu geleistet, dass die Bedeutung der Affekte auch im systemischen Feld den Platz einnehmen, der ihm gebührt – keine Selbstverständlichkeit, hat sich die Systemische Therapie doch zunächst überscharf gegen alles abgegrenzt, was eher dem individualpsychologischen Erleben zugeordnet werden konnte. Seine Bücher (z.B. Affektlogik, Außenwelt und Innenwelt oder Die emotionalen Grundlagen des Denkens) sind durch eine mitreißende Begeisterung für die theoretische Durchdringung therapeutisch relevanter Sachverhalte gekennzeichnet, die sich auch im Gespräch mit ihm immer wieder mitteilt. Die Malerei ist ein weiteres von vielen Medien, in dem seine Kreativität und Gestaltungskraft ein angemessenes Gefäß findet.

Lieber Luc, ich gratuliere ganz herzlich zum Geburtstag und wünsche noch viele gute und gesunde Jahre, voll Schaffenskraft, Genuss und neuen Erkenntnissen – und damit bin ich nicht alleine, wie dieser Strauß von Gratulationen im systemagazin zeigt…
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9. Oktober 2014
von Tom Levold
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Die Realität der Massenmedien

Am 24. September habe ich an dieser Stelle auf ein Radio-Interview mit Niklas Luhmann hingewiesen, das Wolfgang Hagen für Radio Bremen anlässlich Luhmanns 70. Geburtstag geführt hatte. Das Gespräch hatte noch einen ebenso ausführlichen zweiten Teil, in dem es um Luhmanns Theorie der Massenmedien ging.

Auf der website von Radio Bremen heißt es dazu: „Die Realität ist so hinzunehmen, wie sie von den Massenmedien präsentiert wird und, auf sich selbst aufbauend, reproduziert wird. Diese Überlegungen stehen im Zentrum der Kommunikationstheorie, wie sie der Sozialwissenschaftler Niklas Luhmann formuliert hat.Sollten also der alltägliche Wahnsinn, so fragte der Spiegel prompt, sollten der Bildersalat des Fernsehens, die verblödende Werbung, der Schwachsinn der Unterhaltung ein „operatives, geschlossenes System“ darstellen, das nach eigenen Regeln erzeugt, was die Gesellschaft als die Realität akzeptiert? Genau dieses ist Erkenntnis und Kerngedanke der Luhmannschen Medientheorie, nachzulesen in seinem opus magnum: „Die Gesellschaft der Gesellschaft“. Luhmann verzichtet auf normative Wertungen. Er weigert sich zu sagen, wie die Medien eigentlich funktionieren müßten. Er beschränkt sich darauf, zu beobachten, wie die Medien beobachten. Die kommunikationswissenschaftlichen Überlegungen stehen im zweiten Teil des Gesprächs mit dem emeritierten Soziologie-Professor im Zentrum. Die Fragen stellte der Radio-Bremen-Redakteur Wolfgang Hagen.“

Das Audio-Interview können Sie hier hören, es gibt aber auch ein Transkript der Sendung.

8. Oktober 2014
von Tom Levold
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International Journal of Body, Mind & Culture

ijbmc-isfahanAus einer mehrjährigen Zusammenarbeit der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universität Freiburg (Ärztlicher Direktor: Michael Wirsching) und einer Arbeitsgruppe in Isfahan im Iran, an der neben der dortigen Universitätsklinik für Psychosomatik auch ein familientherapeutisches Weiterbildungsinstitut beteiligt ist, ist die Idee eines wissenschaftlichen Journals entstanden, das die Verbindung von körperlich-leiblichen, seelischen und kulturbedingten Dynamiken als zentrales Thema begreift. Programmatisch heißt es: „Modern medicine is supposed to be in a paradigmatic crisis in terms of the accelerative demographic, epidemiologic, social and discursive Aspects. The ontological, epistemological and methodological gaps in biomedicine lead to a chaotic condition in health believes and behaviors. Body, Mind and Culture is focused on interdisciplinary, cross-cultural and conceptual research; Theoretical papers, review articles, case reports and clinical trials which address biopsychosocial interchanges and interactions in the field of health and Medicine will be welcomed. The researches should focused on paradigmatic shift and/or humanizing medical practice. All interdisciplinary researches such as social sciences (e.g., sociology, anthropology, psychology), humanities (e.g., literature, religion, history, and philosophy and arts (e.g., music, cinema) which have an impact on medical education and practice are acceptable.“

Die Zeitschrift ist als Open Access Journal konzipiert, erscheint zweimal jährlich und steht kostenfrei online zur Verfügung. Start war 2014, die zweite Ausgabe ist soeben erschienen. Chairman des Journals ist Prof. Dr. Michael Wirsching, Editor-in-Chief is Farzad Goli MD. aus Isfahan, Co-Editors sind Carl Scheidt (Freiburg) und Alireza Monajemi (Tehran). Eine vollständige Übersicht über das Editorial Board findet sich hier. Weiterlesen →

7. Oktober 2014
von Tom Levold
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Wittgenstein: Realismus, Ethik und Ästhetik

Mario Brandhorst (Foto: www.uni-goettingen.de)

Auf dem 22. Deutschen Kongress für Philosophie hat Mario Brandhorst vom Philosophischen Seminar der Universität Göttingen einen Vortrag zum Thema „Wittgenstein: Realismus, Ethik und Ästhetik“ gehalten, der auch im Internet zu lesen ist. Seine Vortragseröffnung lautet folgendermaßen: „Mein Vortrag befasst sich mit Wittgensteins Spätwerk. Er betrachtet es aus einer ungewohnten Perspektive: der Perspektive der Metaethik. Das zu tun, ist in mindestens zweierlei Hinsicht gewagt. Erstens gibt es nur eine sehr kleine Basis von Texten, in denen Wittgenstein sich mit ethischen Fragen beschäftigt. Was er dort sagt, mag nicht sein letztes Wort sein; und es ist einfach nicht viel. Zweitens herrscht die Auffassung vor, Wittgenstein lehne jede Form von philosophischer Theorie ab, sodass es von vornherein verfehlt zu sein scheint, nach seiner ›Position‹ in der Metaethik zu fragen. Es gibt einen Mythos in Bezug auf Wittgenstein: Der Mythos lautet, er gebe keine Erklärungen, stelle keine philosophischen Thesen auf, über die man vernünftigerweise streiten könnte und breche mit jeder Metaphysik, insbesondere mit jeder Art von Ontologie. Natürlich ist der Mythos nicht ganz aus der Luft gegriffen. Im Gegenteil: Wer Wittgenstein kennt, hört leicht heraus, dass all das, was ich eben gesagt habe, um den ›Mythos‹ näher zu charakterisieren, so oder so ähnlich von Wittgenstein selbst gesagt wird. Das will ich natürlich nicht bestreiten – und auch nicht, dass wir das ernst nehmen müssen, was Wittgenstein hier über sich und sein Verständnis von Philosophie sagt. Eine umfassende Interpretation muss in der Lage sein, diese und andere Passagen zur philosophischen Methode zu integrieren, ohne ihnen ihre polemische Pointe zu nehmen – aber auch, ohne sie über Gebühr zu strapazieren und aus ihrem Kontext zu lösen. Dass das möglich ist, setze ich hier voraus, ohne es im Einzelnen belegen und erläutern zu können. Kurz gesagt: Wittgenstein scheint sich selbst in Passagen wie diesen nicht gegen jede, sondern eher gegen bestimmte sehr anspruchsvolle, ihm selbst nur zu gut vertraute Arten philosophischer Erklärung und die damit zusammenhängenden Thesen der Metaphysik und Ontologie zu wenden. Das Paradigma dieser verfehlten Art der Erklärung ist die Metaphysik und Ontologie des Tractatus. Es kann aber kein Zweifel darüber bestehen, dass Wittgenstein auch im Spätwerk Erklärungen anderer Art nicht nur zulässt, sondern selbst erwägt und entwickelt.“

Zum vollständigen Text geht es hier…

6. Oktober 2014
von Tom Levold
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Aufgewachsen in „eiserner Zeit“

Barbara Stambolis (2014): Aufgewachsen in „eiserner Zeit“

Barbara Stambolis (2014):
Aufgewachsen in „eiserner Zeit“

In den letzten Jahren ist das Schicksal von Kindern, die vor dem oder im letzten Weltkrieg geboren worden sind, stärker in das Licht der Öffentlichkeit getreten. Interessant ist diese Perspektive nicht nur, um die Bedeutung des Erfahrenen für die Betroffenen selbst besser zu verstehen, sondern auch vor dem Hintergrund einer mehrgenerationalen Betrachtung. Welche Konsequenzen für den Aufbau und die Erhaltung von Beziehungen sowie für die Gründung von Familien und Erziehung der eigenen Kinder haben belastende oder gar traumatische Erfahrungen im eigenen (frühen) Kindesalter? Was davon ist erinner- und bearbeitbar, was wirkt im Dunkeln, ohne dass die damit verbundene Dynamik erkennbar würde? Das in diesem Jahr im psychosozial-Verlag erschienene Buch der Historikerin Barbara Stambolis (Professorin in Neuerer und Neuester Geschichte, Universität Paderborn) behandelt die Situation der Kriegskinder zwischen Erstem Weltkrieg und Weltwirtschaftskrise. Das liegt angesichts des 100jährigen Jahrestages des Ausbruch des 1. Weltkrieges und der damit verbundenen Publikationswelle nahe, eröffnet aber vor dem Hintergrund der eingangs erwähnten „Kriegskinder-Literatur“ auch neue Blickwinkel. Barbara Stambolis macht in ihrer Einleitung darauf aufmerksam, dass es neben vielen Ähnlichkeiten zwischen den Kriegskindern des ersten und zweiten Weltkrieges eben auch Unterschiede gibt: „Zahlreiche Angehörige der Kriegskindergeneration des Zweiten Weltkriegs stellen heute im Alter fest, dass ihre Eltern – zwischen

Erstem Weltkrieg und Weltwirtschaftskrise aufgewachsen – vielleicht ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie später ihre Kinder in und nach dem Zweiten Weltkrieg. Ihre Spurensuche in privaten Unterlagen ist oft wenig ergiebig und auch in geschichtswissenschaftlichen Untersuchungen finden sie nur wenige Anhaltspunkte. Diesem ›blinden Fleck‹ gilt in der vorliegenden Publikation die Aufmerksamkeit. Manche Leserinnen und Leser – zwischen 1930 und 1945 geboren – werden sich in den Kindern des Ersten Weltkriegs teilweise wiedererkennen, sie werden aber auch feststellen, dass sie in vielerlei Hinsicht unter anderen Bedingungen aufgewachsen sind und dass ihre Lebensperspektiven sich von denen Heranwachsender nach 1918 grundlegend unterscheiden. Jüngere, nach 1945 Geborene, werden zum einen gängigen Perspektiven auf das 20. Jahrhundert einige neue Facetten hinzufügen und sich der Frage nach der Dauer mentaler und psychohistorischer Erbschaften zuwenden können. Es handelt sich im Folgenden um einen vorsichtigen historischen Brückenschlag zwischen Kindheits- und Jugenderfahrungen im bzw. nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg, dem hoffentlich weitere, vor allem detailliertere Untersuchungen folgen werden.“ Hier ein auf Autorenwunsch anonym bleibende Rezension des Buches für systemagazin: Weiterlesen →

5. Oktober 2014
von Tom Levold
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Der Beitrag der Kinder- und Jugendpsychiatrie zum Kinderschutz

Wilhelm Rotthaus

Wilhelm Rotthaus

Vor kurzem habe ich an dieser Stelle das aktuelle Heft des Kontext vorgestellt, das dem Thema Kinderschutz gewidmet ist. Der Beitrag der Kinder- und Jugendpsychiatrie zum Kinderschutz ist Thema eines Artikels von Wilhelm Rotthaus, der von 1983 bis 2004 die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Rheinischen Kliniken in Viersen geleitet hat. Der frühere Vorsitzende der DGSF hat in zahlreichen Veröffentlichungen wichtige Grundlagen für eine systemischen Kinder- und Jugendpsychiatrie geschaffen. Im abstract seines aktuellen Textes, der auch im Wissensportal der DGSF zu finden ist, heißt es: „Die Kinder- und Jugendpsychiatrie kann – sei es ambulant oder stationär – einen wesentlichen Beitrag zum Kinderschutz leisten, wenn sie ihre Aufgabe darin sieht, Eltern dabei zu helfen, ihre Elternfunktion (wieder) erfolgreich wahrzunehmen, und Kinder sowie Jugendliche dabei unterstützt, in diesem Rahmen die eigenen Entwicklungsaufgaben nach ihren Möglichkeiten möglichst gut zu bewältigen. Dazu ist es gegebenenfalls notwendig, dass in Kooperation mit dem Jugendamt ein Zwangskontext gestaltet wird, der eine solche Arbeit erst möglich macht. Ein besonderer Nutzen von kinder- und jugendpsychiatrischen Diagnosen für den Kinderschutz in den Systemen Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie erscheint nicht erkennbar. Der Beitrag ist aus der Sicht des Autors geschrieben, der über lange Zeit ärztlicher Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie Viersen war.“

Der vollständige Text ist hier zu finden…

4. Oktober 2014
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Niklas Luhmann über Macht

„In der Theorie wird man aber nicht auf die Dauer ignorieren können, daß Macht nicht nur in den Händen einzelner Teilnehmer, sondern auch auf der Ebene des Systems selbst eine Variable ist, die mit anderen Variablen – zum Beispiel Kommunikationsdichte, Ausmaß des Konsenses, Ausmaß der Interdependenz des Handelns – zusammenhängt. Eine Steigerung der wechselseitigen Interdependenzen kann dazu führen, daß die Macht aller Teilnehmer aufeinander zunimmt, jeder einzelne also mächtiger und abhängiger zugleich wird. Und bei einer solchen Systementwicklung wird es vermutlich notwendig werden, Macht in Formen zu generalisieren, die nicht mehr allein am mutmaßlichen Kampfausgang orientiert sind, also auch in dieser Hinsicht mit Prämissen der klassischen Machttheorie zu brechen“

(aus „Macht im System“, Berlin 2012 [Suhrkamp], S. 38)

3. Oktober 2014
von Tom Levold
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Luhmanns Spaziergang in den brasilianischen Favelas

M. Grizelj u. D. Kirschstein (Hrsg.) (2104) Riskante Kontakte Postkoloniale Theorien und Systemtheorie

M. Grizelj u. D. Kirschstein (Hrsg.) (2104)
Riskante Kontakte
Postkoloniale Theorien und Systemtheorie

Unter diesem Titel hat Linda Maeding, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bremen imFachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften, eine Rezension zum Sammelband „Riskante Kontakte. Postkoloniale Theorien und Systemtheorie?“ verfasst, der von Mario Grizelj und Daniela Kirschstein herausgegeben wurde und 2014 im Kulturverlag Kadmos erschienen ist. Darin schreibt sie: „Das systemtheoretische Konzept einer Weltgesellschaft ohne Außen ist wie geschaffen für eine postkoloniale Kritik. Niklas Luhmann gelangte in seinen späteren Schriften selbst zu einer Modifizierung systemtheoretischer Globalitätsannahmen, die sich insbesondere an dem Begriff der – in der Weltgesellschaft eigentlich nicht vorgesehenen – Exklusion festmachte: „Zur Überraschung aller Wohlgesinnten muß man feststellen, daß es doch Exklusion gibt, und zwar so massenhaft und in einer Art von Elend, die sich der Beschreibung entzieht. Jeder, der einen Besuch in den Favelas südamerikanischer Großstädte wagt und lebendig wieder herauskommt, kann davon berichten“, schreibt Luhmann in „Jenseits von Barbarei“ nach einer Brasilienreise. Unabhängig von den exotistischen Elementen seiner Beschreibung hat sich der Systemtheoretiker hier ganz offensichtlich ein Stück weit von seinem Theoriegebäude entfernt und von unmittelbaren sinnlichen Erfahrungen affizieren lassen.

Sucht man nach theoretischen Verbündeten der postkolonialen Studien, so denkt man an erster Stelle wohl an Poststrukturalismus und Dekonstruktion – kaum aber an die Systemtheorie. Dass es lohnend sein kann, beide ins Verhältnis zueinander zu setzen, zeigen Mario Grizelj und Daniela Kirschstein in dem von ihnen herausgegebenen Sammelband „Riskante Kontakte. Postkoloniale Theorien und Systemtheorie?“. Das umfangreiche Buch begründet die Begegnung zwischen beiden Theorieansätzen nicht nur programmatisch, sondern spielt sie zugleich auch in mehreren Fallstudien und an Beispielen aus Gesellschaft und Literatur durch.“

Die vollständige Rezension lesen Sie hier…, das Inhaltsverzeichnis und die Einleitung gibt es als PDF hier…

 

2. Oktober 2014
von Tom Levold
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Dirk Baecker über die Idee der Universität

Dirk Baecker

Dirk Baecker

Wie vor kurzem zu lesen war, ist Stephan Jansen, der immer noch junge (43) und sowohl als Wissenschaftler wie als Unternehmer überzeugende Gründungspräsident der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen, vorzeitig zurückgetreten. Obwohl er dafür in der Öffentlichkeit persönliche Gründe geltend gemacht hat, stehen Vorwürfe im Raum, die etwas mit der Verwendung von Sponsorengeldern und Bonuszahlungen an Professoren bei der Einwerbung von Drittmitteln zu tun haben (hier und hier) . Ohne zu diesen Vorwürfen Stellung zu nehmen, hat Dirk Baecker, seit 2007 Inhaber des Lehrstuhls für Kulturtheorie und -analyse, in seinem Blog ein leidenschaftliches und sehr lesenswertes Plädoyer für die Idee der Zeppelin-Universität gehalten, die sich eben mit der Zersplitterung von Disziplinen nicht zufrieden gibt, sondern einen Komplexitätsbegriff verfolgt, der sich nachhaltig von traditionellen Vorstellungen von Wissenschaft unterscheidet: Weiterlesen →

1. Oktober 2014
von Tom Levold
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Systemische Impulse für die erzieherische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die durch sexuell übergriffiges Verhalten auffällig wurden

Frank Natho und Simone Bebermeyer vom Institut für Fortbildung, Supervision und Familientherapie in Halberstadt haben 2013 in der Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung einen beachtenswerten Aufsatz über die Arbeit mit Jugendlichen veröffentlicht, die durch sexuell übergriffiges Verhalten auffällig wurden. Dabei unterziehen sie die auf einer Kontrolle und Defizitorientierung beruhenden „Täter-Orientierung“ einer kritischen Betrachtung und plädieren für einen Ansatz, der die Entwicklungsdynamik der Jugendlichen angemessen berücksichtigt, ihre Selbstwirksamkeitskonzepte fördert und Vertrauen und pädagogische Aufmerksamkeit an die Stelle von Misstrauen und Überwachung setzt. Weiterlesen →

30. September 2014
von Tom Levold
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M. = Max = Marianne = Mann?

1989 erschien in der Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung eine Kampfansage von Marianne Krüll gegen eine bestimmte Verlagspraxis, nämlich die Geschlechtszugehörigkeit von AutorInnen bei Literaturangaben durch die bloße Nennung von Initialen der Vornamen unsichtbar zu machen. Hinter dieser Praxis vermutete sie eine systematisch gegen schreibende Frauen gerichtete sexistische Kampagne – die Beiträge von Frauen würden damit (da der Wissenschaftsbetrieb überwiegend durch Männer in Gang gehalten werde) gewissermaßen enteignet und u.U. als Produkte männlicher Erkenntnis dargestellt. Auch wenn ich die feministische Emphase dieser Darstellung nie geteilt habe (Frauenfeinde könnten Texte womöglich auch negativer bewerten, wenn sie geschlechtsspezifisch ausgeflaggt sind), war ich von diesem Text begeistert, weil er etwas thematisierte, was mich immer schon gestört hat: dass ich mir nämlich keine Vorstellungen von der Person machen konnte, die diesen Text verfasst hat, weil der Name dann nur noch eine Chiffre für die Autorenschaft ist, aber keine hinter dem Text stehende Person. Der Anteil der weiblichen Autoren im Wissenschaftsbetrieb dürfte seit 1989 deutlich zugenommen haben. Das Argument, dass Frauen mit der inkrimierten Praxis marginalisiert werden sollen, scheint mir daher mittlerweile an Überzeugungskraft verloren zu haben. Gleichzeitig ist aber deutlich zu sehen, dass es mittlerweile kaum noch Ausnahmen von der Regel gibt, d.h. wir finden nur noch selten die vollständigen Namen in Literaturverzeichnissen (ja: wir können uns noch glücklich schätzen, wenn wir überhaupt noch ein vollständiges Literaturverzeichnis in einer Zeitschrift finden dürfen). Gerade als Systemiker sind uns aber die Angaben zu den AutorInnen (Geschlecht, Nationalität, Herkunft, Arbeitsfeld) doch wichtige Kontextinformationen, weil Texte nicht für sich selbst sprechen, sondern beobachterabhängig sind. Im Kontext, der Zeitschrift, die ich selbst mit herausgebe, ist die Reduzierung auf das Initial des Vornamens genauso Praxis wie in der Zeitschrift, in der dieser Text 1989 erschienen ist. Für mich ein Grund, diese Praxis noch einmal mit dem Verlag zu diskutieren. Insofern danke ich Jürgen Hargens für die Anregung, diesen Beitrag im systemagazin nach 25 Jahren wieder zu veröffentlichen und Marianne Krüll für die Zustimmung. Weiterlesen →

29. September 2014
von Tom Levold
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Das Netz

https://www.youtube.com/watch?v=fHxRuLT4FIE

Auf Youtube ist einer der interessantesten Dokumentarfilme über die Kybernetik und das Internet aus dem Jahre 2004 zu sehen: Lutz Dammbecks Das Netz. In Wikipedia heißt es dazu: „Ausgangspunkt ist die kybernetische Betrachtung des Internets und die Parallelen zur modernen Kunstszene. Das erste Interview wird mit dem amerikanischen Literaturagenten John Brockman geführt, dessen Autor David Gelernter, ein Informatiker, von einer Bombe des Unabombers verletzt wurde. Brockman beschreibt seine persönlichen Anfänge in der Kunst und der erfolgreichen Verbindung mit moderner Informatik. Kultur der Kopie – daraufhin begibt sich die Dokumentation auf die Spur des Unabombers und dessen Manifest. Im folgenden Interview wird der Autor Stewart Brand befragt, der in den 1970er Jahren an LSD-Tests teilnahm und das Computernetz WELL initiierte.

Weiterhin geht es um das Manifest des Unabombers und diesen selbst.

Es erfolgt eine Darstellung der Zusammenhänge zwischen Wissenschaft und Militär. Dabei wird auf das wissenschaftliche Angebot Norbert Wieners eingegangen, der im Zweiten Weltkrieg für die Regierung der USA arbeitete. Wiener ist der Begründer der Kybernetik. Die theoretische Darstellung der Kybernetik beginnt mit einer Abhandlung über SAGE und das ARPANET. Die kybernetische Theorie wird im Folgenden hauptsächlich in Interviews mit dem Kybernetiker und Sozialkonstruktivisten Heinz von Foerster dargestellt.

Die soziologischen Ansätze der Macy-Konferenzen, über Kybernetik, die Ansätze der Frankfurter Schule, eine Faschismusskala zu entwickeln, werden als Einflüsse für die Entwicklung des Internets skizziert.“