systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

28. Oktober 2014
von Tom Levold
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Hilfe zum Lebensunterhalt: 8 % mehr Leistungsempfänger im Jahr 2013

WIESBADEN – Am Jahresende 2013 erhielten in Deutschland rund 370 000 Personen Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch SGB XII „Sozialhilfe“. Wie das Statistische Bundesamt Destatis weiter mitteilt, stieg die Zahl der Hilfebezieher im Vergleich zum Vorjahr um 8,1 %. Zwei Drittel der Leistungsberechtigten 67 % lebten in Einrichtungen wie Wohn- oder Pflegeheimen, ein Drittel 33 % der Empfänger lebte außerhalb solcher Einrichtungen. Letztere führten überwiegend einen Einpersonenhaushalt. Im Vergleich zum Jahr 2005 hat sich die Zahl der Empfänger außerhalb von Einrichtungen um 54 % erhöht, in Einrichtungen um 29 %. Insgesamt gab es 2013 deutschlandweit über ein Drittel 36 % mehr Leistungsbezieher als 2005. Damit waren am Jahresende 2013 deutschlandweit rund 5 von 1 000 Einwohnern auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen. Am häufigsten bezogen die Menschen in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt mit jeweils 7 Personen je 1 000 Einwohner diese Sozialleistung. Am seltensten nahm die Bevölkerung in Baden-Württemberg diese Hilfe in Anspruch, hier lag die Quote bei 1 Person je 1 000 Einwohner. Mit 42 Jahren waren die Leistungsbezieher außerhalb von Einrichtungen im Durchschnitt deutlich jünger als Bezieher in Einrichtungen. Diese waren durchschnittlich 55 Jahre alt. Hilfe zum Lebensunterhalt richtet sich unter anderem an Menschen mit Behinderung und pflegebedürftige Personen, die in Einrichtungen leben und dort Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem 6. Kapitel SGB XII oder Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel SGB XII beziehen. Sie können neben diesen rein maßnahmebezogenen Sozialhilfeleistungen auch Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten. Voraussetzung hierfür ist, dass sie diesen Bedarf nicht zum Beispiel durch Renteneinkünfte, durch Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel SGB XII oder in anderer Weise decken können. Außerhalb von Einrichtungen kommt die Hilfe zum Lebensunterhalt etwa für vorübergehend Erwerbsunfähige, längerfristig Erkrankte oder Vorruhestandsrentner mit niedriger Rente in Betracht.

via Pressemitteilungen – Hilfe zum Lebensunterhalt: 8 % mehr Leistungsempfänger im Jahr 2013 – Statistisches Bundesamt Destatis.

28. Oktober 2014
von Tom Levold
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Therapeutisches Chaos

G. Strunk & G. Schiepek (2014): Therapeutisches Chaos

G. Strunk & G. Schiepek (2014):
Therapeutisches Chaos

Im Hogrefe-Verlag Göttingen erscheint seit kurzem unter dem Label Systemische Praxis eine neue Praxisreihe zu systemischer Therapie und Beratung. HerausgeberInnen der Reihe sind Günter Schiepek, Wolfgang Eberling, Heiko Eckert, Matthias Ochs, Christiane Schiersmann, Rainer Schwing und Peter Tass. Man darf angesichts dieser Herausgebergruppe hochkarätige Bücher erwarten. Bislang sind Bücher zu Grundlagen systemischer Therapie und Beratung (Schiepek, Eckert, Kravanja) und über Systemische Einzeltherapie (Konrad P. Grossmann) erschienen, Bände über Das psychische Immunsystem und die Selbstorganisation in der stationären Psychotherapie sind in Vorbereitung. Ein synergetischer Schwerpunkt in der theoretischen Orientierung ist unverkennbar und setzt sich deutlich von einer sozialwissenschaftlich orientierten Systemtheorie ab. Dessen Grundierung ist die Zielsetzung des zweiten Bandes der Reihe, „Therapeutisches Chaos. Eine Einführung in die Welt der Chaostheorie und der Komplexitätswissenschaften“, verfasst von Guido Strunk und Günter Schiepek. Interessanterweise findet sich auf der website des Verlages, auf der das Buch erworben werden kann, noch ein ursprünglich mal angedachter (Arbeits-)Untertitel „Realistische Einblicke in die Komplexität menschlichen Verhaltens“. Wolfgang Loth hat das Buch gelesen und sehr positiv rezensiert, meldet aber auch Bedenken an: „Weniger schön wäre es, wenn die (…) skizzierte Unterscheidung zwischen einer sozialwissenschaftlich verstandenen Kybernetik 2. Ordnung und einer naturwissenschaftlichen Theorie nichtlinear-dynamischer Systeme in einem Schisma resultieren würde. Es bedarf des Willens und der Kompetenz zur Verständigung, damit die Potenziale beider Perspektiven sich gegenseitig anreichern und ergänzen können. Ansatzpunkte gibt es genug. Das vorliegende Buch kann dieser Verständigung dienen. Ich wünsche ihm viele LeserInnen und eine ,attraktive’ Resonanz“. Weiterlesen →

27. Oktober 2014
von Tom Levold
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Wie im Wald

Elisabeth Klar (2014): Wie im Wald

Elisabeth Klar (2014):
Wie im Wald

Sabine Kirschenhofer stellt heute im systemagazin den Roman einer jungen österreichischen Autorin vor, die literarisch schon von sich reden gemacht und dafür auch einige Preise bei literarischen Wettbewerben gewonnen hat. Elisabeth Klar ist Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, leitet den Verein Literaturwerkstatt Wien und hat mit „Wie im Wald“ ihren Debütroman vorgelegt, eine Studie über eine familiendynamisch spannende und angespannte Schwesternbeziehung: Weiterlesen →

26. Oktober 2014
von Tom Levold
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Systeme sind Theorie(n) | Dialog

Rolf Todesco: „Theorie begründet lediglich eine je ganz spezifische Sicht auf ihr Referenzobjekt, respektive auf das durch sie geschaffene Referenzobjekt. In diesem Sinn teile ich die Aussage, dass es keine Systeme gibt, als Aussage, dass es nichts gibt, was mich zu einer bestimmten Sicht zwingt. Und ich teile die – die von mir unterstellte – Aussage, dass Systeme Objekte von Theorien sind. Dabei unterscheide ich allerdings, ob ich durch eine kybernetische Theorie Maschinen beschreibe, die es jenseits dieser Theorie gibt, oder ob ich soziale Verhältnisse beschreibe, die ich auch durch andere Theorien sehen kann.

Die sozialen Systeme, die es in den Augen von N. Luhmann gibt, zeigen vor allem, dass N. Luhmann eine reaktionäre Theorie pflegt, in welcher gerade die Systeme existieren, die unter den gegeben gesellschaftlichen Verhältnissen jenseits von Theorie durchgesetzt werden: Wirtschaft, Recht, Wissenschaft, Religion, Erziehung – die Ereignisse der Dystopie.“

via Systeme sind Theorie(n) | Dialog.

25. Oktober 2014
von Tom Levold
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18th Herbstakademie: „The Circularity of Mind and Body“ – Call for papers

Mich erreichte folgende Einladung, die ich hier gerne weitergebe:

„Dear friends, dear colleagues,

You are cordially invited to submit a paper for either oral or poster presentation to the upcoming conference

18th Herbstakademie: „The Circularity of Mind and Body“

The Circularity of Mind and Body is part of the series of Herbstakademie meetings dedicated to the topic of complex systems in psychology, neuroscience and related disciplines; 2015 will be the 25th anniversary of the series. Please submit and/or register using this website.

The meeting will take place at Heidelberg University, Germany, on March 26 – 28, 2015. We will address questions related to embodiment and dynamical systems theory: Which role does the body play in feeling and thinking? Which new perspectives arise for the philosophy of mind and the cognitive sciences? How can clinicians and psychotherapists incorporate principles of embodiment into their work? How does embodiment influence social and communicative processes?

Confirmed Keynotes by:

Steven Boker, psychology, University of Virginia, USA
Ezequiel di Paolo, theoretical biology and enactivism, Basque Science Foundation, San Sebastian, Spain
Marianne Eberhard-Kaechele, dance therapy, German Sport University, Cologne, Germany
Karl Friston, theoretical neuroscience, Wellcome Trust/University College, London, UK
Hermann Haken, theoretical physics and synergetics, University of Stuttgart, Germany
Scott Kelso, biology and complex systems, Florida Atlantic University, Boca Raton, USA
Mark Solms, neuro-psychoanalysis, Groote Schuur Hospital, Capetown, South Africa

You may attend one of the two pre-conference workshops on March 25:
Miriam Kyselo „Enacting the self – a bodily exploration of self with others“
Thomas Heidenreich „Embodiment in mindfulness-based interventions“

With kind regards
Wolfgang Tschacher, Sabine Koch, and Thomas Fuchs

ORGANIZERS
Prof. Dr. Wolfgang Tschacher
Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universität Bern

Prof. Dr. Sabine Koch
Fakultät für Therapiewissenschaften
SRH Hochschule Heidelberg

Prof. Dr. Dr. Thomas Fuchs
Klinik für Allgemeine Psychiatrie
Universität Heidelberg“

24. Oktober 2014
von Tom Levold
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Rudi Kronbichler (25.6.-1951-8.5.2014)

Rudi Kronbichler Foto: Eveline Kronbichler

Rudi Kronbichler
Foto: Eveline Kronbichler

Im Mai ist nach langer Krankheit in Salzburg Rudi Kronbichler gestorben. Als ich in den 80er Jahren in Salzburg zu einem Seminar am dortigen Kinderschutz-Zentrum eingeladen wurde, habe ich ihn zum ersten Mal persönlich kennengelernt. In  den folgenden Jahren bin ich ihm als Lehrtherapeut für die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für systemische Therapie und systemische Studien (ÖAS) immer wieder begegnet. Eine seiner letzten Veröffentlichungen war sein Beitrag für unser Lehrbuch für systemische Therapie und Beratung, den er zur „Narrativen Therapie“, Michael White und dessen Ansatz verfasste. Er gehörte sicherlich zu den Kollegen im deutschsprachigen Raum, die mit Michael White am engsten verbunden waren, und hat ihn häufig besucht und eingeladen. Der  narrative Ansatz im systemischen Feld ist nicht nur in Österreich mit dem Namen von Rudi Kronbichler eng verknüpft. Wir vermissen ihn! Gerhard Walter, sein Freund, Kollege und Wegbegleiter in Salzburg, hat für systemagazin einen Nachruf verfasst. Weiterlesen →

23. Oktober 2014
von Tom Levold
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Spurensuche – Virginia Satir

Familiendynamik 39(4): Virginia Satir

Familiendynamik 39(4):
Virginia Satir

Die Zeitschrift Familiendynamik beendet mit einem Themenheft zur Pionierin der Familientherapie ihren 39. Jahrgang: Virginia Satir. Im Editorial schreiben die Herausgeber Haja Molter und Arist von Schlippe: „Virginia Satir starb 1988 im Alter von 78 Jahren, also vor gut 25 Jahren. Was ist von ihrer Person, ihrem Denken, ihrem Ansatz geblieben? Welche Spuren können wir in den gegenwärtigen »Landschaften« der Familientherapie, der Psychotherapie noch finden? Bis heute weckt ihr Name recht unterschiedliche Assoziationen. Einige erinnern sich an ihre bewegenden und lebendigen Workshops, z. B. die »Familienrekonstruktionen«, in denen es oft »hoch herging« und aus denen sie oft mit ganz neuen, meist liebevolleren Perspektiven auf ihre eigene Familie herausgingen. Für andere war sie dagegen eher die charismatische Übermutter, die mit ihrer Positivität alle kritisch-nachdenklichen Stimmen zwar freundlich, aber eben doch zum Schweigen brachte. Andere vermissen in ihrem Ansatz eine solide theoretische Fundierung, wieder andere schreiben ihr in der Entwicklung der systemischen Familientherapie nur eine marginale Bedeutung zu. Wir sehen Virginia Satir neben Carl Whitaker, Salvador Minuchin, Jay Haley, John Bell und anderen als eine der großen Pioniere/Pionierinnen, ohne die die systemische Familientherapie heute wohl ein ganz anderes Gesicht hätte.“

Insgesamt war es ein spannender Jahrgang, das neben der Würdigung für Virginia Satir den Themen der Sexualität (Heft 1), der Ambivalenz (Heft 2) und der Prävention (Heft 3) gewidmet war. Alle bibliografischen Angaben und abstracts sind hier zu finden. Übrigens: Wenn Sie Student_in oder noch in psychotherapeutischer Weiterbildung sind, können Sie das Print-Abonnement oder das Online-Abo für die Familiendynamik schon für 50,00 € erwerben. Online erhalten Sie Zugriff auf sämtliche Jahrgänge der Familiendynamik seit 1976!

22. Oktober 2014
von Wolfgang Loth
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Das Außergewöhnliche im Gewöhnlichen – Tapio Malinen im Gespräch mit Jill Freedman

Tapio Malinen Foto: http://www.tathata.fi

Tapio Malinen ist ein finnischer Therapeut, der mit seinem Tathata-Institut ein Sammelbecken poststrukturalistischen Denkens und Handelns zur Verfügung stellt. Immer wieder gibt er Texte ins Netz, die weit über das rein technische Knowhow hinausgehen und sozusagen die Seele des narrativen Ansatzes erspüren und dabei Querverbindungen zu buddhistischen Traditionen und zu philosophischen Positionen ziehen (z.B.: „Buddha, Wittgenstein and Postmodern Therapies“). Vor einiger Zeit hat er ein Gespräch mit Jill Freedman veröffentlicht, das er im Winter 2010 mit ihr in Jerusalem führte.

Jill Freedman Foto: T. Levold

Jill Freedman
Foto: T. Levold

Jill Freedman ist eine der profiliertesten und bekanntesten VertreterInnen der Narrativen Therapie weltweit. Zusammen mit ihrem Mann Gene Combs leitet sie das Evanston Family Therapy Center. Im Gespräch mit Malinen erzählt Freedman, dass sie eher zufällig auf Michael White und den narrativen Ansatz gestoßen sei. Bei White und David Epston habe sie beeindruckt, dass und wie diese ein echtes Interesse an den Menschen hatten, das weit über das Interesse an Problemen und Lösungen hinausging. Auch das Politische ihres Tuns machte ihr Eindruck, wie aber auch das Spielerische. Sie selbst habe zu der Zeit als sie die beiden kennenlernte, eher zielorientiert gedacht und gearbeitet. Die narrative Vorgehensweise habe sie in gewisser Weise demütig gemacht. Malinen fragt auch nach den häufigsten Fehlern, die man machen könne, wenn man narrativ arbeiten möchte. Freedman sieht es da vor allem als ein Manko an, zu schnell vorzugehen, zu früh zu verstehen glauben, etwa nach einigen kurzen Beschreibungen des Problems schon mit Externalisieren zu beginnen. Malinens Frage, wie sich narrative TherapeutInnen im Zaum halten, welche Art Blick auf sich selbst sie internalisiert hätten, findet Freedman sehr anregend. Während beide versuchen sich einer Antwort anzunähern, wird deutlich, dass dies nicht ganz einfach ist. Michael White, so Freedman, sei manchmal ein wenig verzweifelt gewesen angesichts der Unmöglichkeit so zu leben, dass es einen Michael White ausmacht, dem Bild gerecht zu werden, für das dieser Name steht. Wichtig sei auf jeden Fall, nicht im Bestehenden, dem Anerkannten, zu erstarren, sondern sich weiter zu entwickeln. Auch dies habe White vorgelebt. Das Politische am narrativen Ansatz klingt auch durch, wenn Malinen nach Freedmans Erfahrungen in der Arbeit in Ruanda fragt und wenn sie über ihre Erfahrungen dort mit IBUKA spricht, einer Organisation von Überlebenden des Genozids in Ruanda.
Das Gespräch ist erschienen im Journal of Systemic Therapies (Vol. 30, No.1, 2011) und kann im Volltext auf der website von Tapio Malinen nachgelesen werden. Zugang ist hier…

21. Oktober 2014
von Tom Levold
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Aus Kinderschutzfehlern lernen

K. Biesel & R. Wolff (2014) Aus Kinderschutzfehlern lernen

K. Biesel & R. Wolff (2014)
Aus Kinderschutzfehlern lernen

„Aus Kinderschutzfehlern lernen“ eignet sich gut als Motto für das wissenschaftliche und praktische Lebenswerk von Reinhart Wolff, der gestern seinen 75. Geburtstag feierte. Es ist der Titel seines neuesten Buches, das er gemeinsam mit Kay Biesel, Professor für Kinder- und Jugendhilfe an der Fachhochschule Nordwestschweiz, verfasst hat und welches in diesem Jahr im transcript-Verlag in Bielefeld erschienen ist. Wie der Untertitel verrät, geht es nicht um eine theoretische Abhandlung, sondern um „eine dialogisch-systemische Rekonstruktion des Falles Lea-Sophie“.

Lea-Sophie, ein fünfjähriges Mädchen aus Schwerin, starb am 20. November 2007 in der Wohnung ihrer Eltern. Das Mädchen wog bei einer Körpergröße von 95 cm nur noch 7,4 kg. Schon ein Jahr zuvor hatten sich die Großeltern besorgt an das Jugendamt gewandt, zu einem Eingreifen des Jugendamtes kam es jedoch nicht. Der spektakuläre Fall ging bundesweit durch die Presse, z.B. hier oder hier.

Das vorliegende Buch hat sich zum Ziel gesetzt, diesen Fall in einem „dialogisch-systemischen Fall-Labor“ aufzuarbeiten. Das Ergebnis, um es vorweg zu nehmen, ist ein herausragendes Beispiel für gute sozialwissenschaftliche Forschungsliteratur, die von größter Bedeutung für alle Praktikerinnen und Praktiker der sozialen Arbeit ist. Weiterlesen →

20. Oktober 2014
von Tom Levold
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Reinhart Wolff (20.10.1939)

Reinhart Wolff

Reinhart Wolff

Heute feiert Reinhart Wolff seinen 75. Geburtstag. Der Erziehungswissenschaftler und Soziologe kann mit Fug und Recht als der Begründer des modernen Kinderschutzes in Deutschland bezeichnet werden. Schon während seines Engagements in der 68er Bewegung, die ihm auch – gemeinsam mit seinen Brüdern KD und Frank Wolff – eine Episode als Vorstandsmitglieder des SDS bescherte,   wurde er zum bekannten Vertreter der antiautoritären Kinderladenbewegung.

In den siebziger Jahren gründete er in Berlin mit Teilnehmern eines von ihm abgehaltenen Seminars über Kinderschutz an der soziologischen Fakultät der Freien Universität das erste deutsche Kinderschutz-Zentrum als privater Verein. Es gelang ihm, Fördermittel des Bundes für ein Modellprojekt zu akquirieren, das die Gründung eines weiteren Kinderschutz-Zentrums in Gütersloh (als Vergleichsprojekt im ländlichen Raum) ermöglichte und einen Transfer der Erfahrungen in andere Regionen der Republik beinhaltete. Er selbst führte die wissenschaftliche Begleitung durch.

Aus dieser Konstellation entwickelten sich in vielen Städten eine Reihe von Kinderschutz-Zentren, die in den achtziger Jahren ganz wesentlich zur Ablösung des bestehenden repressiven, noch ganz in den autoritären Strukturen der Nachkriegszeit verhafteten Kinderschutzes beitrugen. Das moderne, familienorientierte Konzept „Hilfe statt Strafe“, das anstatt auf Verfolgung auf die Nutzung vorhandener Ressourcen setzt, wurde zum Wegbereiter einer neuen Kinder- und Jugendhilfe, deren Prinzipien auch in die Überarbeitung des KJHG einflossen. Weiterlesen →

19. Oktober 2014
von Tom Levold
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Versorgungsstärkungsgesetz: 7.400 psychotherapeutische Praxen bedroht

Berlin, 16. Oktober 2014: Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz plant die Bundesregierung, 7.400 psychotherapeutische Praxen abzubauen – das ist ein Drittel der vorhandenen Psychotherapiepraxen. Die Wartezeiten für psychisch kranke Menschen würden sich dadurch drastisch verlängern. „Wir sagen seit Langem, dass die psychotherapeutische Versorgung nicht zu sichern ist, wenn weiter mit den fehlerhaften Bedarfszahlen aus dem Jahr 1999 gerechnet wird“, erklärt Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Die Anzahl der psychotherapeutischen Praxen, die 1999 als ausreichend festgelegt wurde, hatte schon damals mit dem realen Bedarf nichts zu tun und ist viel zu niedrig. Dadurch droht jetzt ein radikaler Abbau von ambulanten Behandlungsplätzen für psychisch kranke Menschen, denn die angebliche Überversorgung mit psychotherapeutischen Praxen existiert nur auf dem Papier. In der Realität warten psychisch Kranke monatelang auf einen ersten Termin bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten.“

Mit dem Versorgungsstärkungsgesetz plant die Bundesregierung, Praxissitze von Ärzten oder Psychotherapeuten nicht wieder zu besetzen, wenn in einer Region zu viele Praxen existieren. Von einer Überversorgung geht man aus, wenn die vorhandenen Praxen über 110 Prozent der Anzahl der Praxen liegen, die die Bedarfsplanung vorgibt. Ein Bedarf an psychotherapeutischen Behandlungsplätzen wurde bisher nie ermittelt, obwohl der Begriff „Bedarfsplanung“ dies suggeriert. Vielmehr wurden die psychotherapeutischen Praxen, die am 31. August 1999 existierten, schlicht zum Bedarf erklärt. „Ohne eine Reform der Bedarfsplanung, die die historischen Fehler aus dem Jahr 1999 korrigiert, ist eine seriöse Versorgungsplanung für psychisch kranke Menschen nicht möglich“, stellt BPtK-Präsident Richter fest. „Wer jetzt die Fortführung einer psychotherapeutischen Praxis davon abhängig macht, ob in einer Region mehr als 110 Prozent der Praxen existieren, die 1999 zugelassen wurden, verschließt seine Augen vor einer Realität, in der psychisch kranke Menschen erheblich länger auf einen Behandlungsplatz warten müssen als körperlich Kranke“, erläutert Prof. Richter. Weiterlesen →

18. Oktober 2014
von Wolfgang Loth
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Lösungsorientierung und Familiengutachten

Im nachehelichen Streit schenken sich Eltern oft nichts, auch nicht, wenn es um’s Kind geht. Hochstrittige Eltern oder High Conflict Couples sind mittlerweile „Schlagworte“ geworden. Das seit einiger Zeit geltende FamFG hat versucht, Mittel und Wege zu fördern, wie dem deeskalierend und zum Wohle des Kindes möglichst einfach und möglichst wirksam begegnet werden kann. In der Praxis erweist sich das oft als ein aufwändiger und nicht selten herausfordernder Teil der Arbeit. Und immer wieder kommt es dann letztlich doch dazu, dass auf dem Weg psychologischer Gutachten ein Weg aus dem Dilemma gesucht werden soll. Auch dies nicht ohne Wellengang: eine medienwirksame Studie legte kürzlich nahe, dass ein Großteil der in NRW getätigten Gutachten nicht den Mindeststandards genügten.

In diesem Zusammenhang könnte es interessant sein, auf eine Dissertation aufmerksam zu machen, die Julia Zütphen im Mai 2010 an der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft der Universität Bielefeld vorgelegt hat. Titel der Arbeit: Psychologische Begutachtung im Familienrecht: Effekte entscheidungsorientierter vs. lösungsorientierter Begutachtung auf die Trennungsfamilie. Interessantes verspricht vor allem der Untertitel: „Erfahrungen aus Elternsicht“. Weiterlesen →