17. Dezember 2014
von Tom Levold
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Lothar Eder, Mannheim:
Es gibt Reiche unterhalb
von Vernunft und Sprache.
Daniel Kehlmann: Berholms Vorstellung
Die Frage ist verführerisch, gewiß. Zumindest für mich, der sich im systemischen Mainstream nicht mehr so ganz beheimatet fühlt. Ich könnte sie also als willkommene Einladung nützen, vieles zu kritisieren, zu bemängeln. Doch das wäre nicht fair. Verdanke ich doch der systemischen Therapie so vieles in meiner persönlichen und professionellen Entwicklung.
Denke ich aber ernsthaft über die Frage nach, was denn fehle, so kommt mir ein Begriff: Wärme. Es fehlt an Wärme. Nicht so sehr in der systemischen Praxis, soweit sie mir geläufig ist. Sie fehlt meiner Meinung nach jedoch im Überbau, in der (Meta-)Theorie. Systemische Praxis und (Meta-)Theorie aber fallen, wie zuletzt Alain Schmitt (Fam.Dyn. 2/2014) eindrücklich zeigen konnte, deutlich auseinander, ja, sie stehen oft sogar in Widerspruch zueinander (bezogen etwa auf die behauptete Nichtinstruierbarkeit von Individuen). Vielmehr unterscheidet sich ein nicht unerheblicher Teil systemischen Handelns nicht wesentlich von therapeutischen Methoden und Haltungen, die aus dem Kontext der humanistischen Therapie stammen (hierzu zählt auch die „Ressourcenorientierung“, also das Ermutigen von Patienten, ihre inhärenten Potentiale zu erkennen und auszuschöpfen).
Man findet in der systemischen Community, wie es neudeutsch so schön heißt, gewiß spontan einigen Zuspruch für die Aussage, daß die Zeiten Sigmund Freuds längst hinter uns liegen. Freuds Projekt aber hatte – unter vielen anderen – einen wesentlichen roten Faden: er forderte die Einheit von Forschen und Heilen. Damit war und ist bis heute im psychoanalytischen Projekt gewährleistet, daß in der (Meta-)Theorie mit den gleichen Annahmen und Kategorien operiert wird wie in der Praxis. Für die systemische Therapie in ihrem praktischen Vollzug gilt dies jedoch nur sehr eingeschränkt, wenn überhaupt. Schmitt (s.o.) liefert hierfür zahlreiche Beispiele und Belege, sie brauchen an dieser Stelle nicht wiederholt zu werden.
Wärme scheint mir ein wesentliches Merkmal, wenn es um die Frage geht, was Menschen brauchen; was somit auch diejenigen Künste benötigen, die sich mit der Begleitung, Unterstützung und Heilung von Menschen beschäftigen. Eben diese Wärme aus der Systemtheorie zu beziehen, scheint so gut wie ausgeschlossen. Warum, möchte ich nachfolgend erläutern. Weiterlesen →