systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

9. September 2015
von Tom Levold
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Feldkräfte im Hier und Jetzt. Kurt Lewin zum 125. Geburtstag

Klaus Antons & Monika Stützle-Hebel (2015): Feldkräfte im Hier und Jetzt

Klaus Antons & Monika Stützle-Hebel (2015): Feldkräfte im Hier und Jetzt

Heute vor 125 Jahren wurde Kurt Lewin geboren. Er war einer der wichtigsten und einflussreichsten deutschsprachigen Psychologen des 20. Jahrhunderts, der 1947 im Alter von nur 56 Jahren viel zu jung gestorben ist. In den zwanziger Jahren war er gemeinsam mit Max Wertheimer, Wolfgang Köhler und Kurt Koffka ein wichtiger Pionier der Gestaltpsychologie. Als jüdischer Hochschullehrer erfasste er früh die Gefahr durch den Nationalsozialismus und knüpfte rechtzeitig Kontakte in die USA. 1932 erhielt er eine halbjährige Gastprofessur an der Stanford University in Kalifornien und emigrierte dann 1933 endgültig in die Vereinigten Staaten. Dort knüpfte er schnell Kontakte und war unter anderem mit Margaret Mead und Gregory Bateson befreundet, mit denen er gemeinsam auch an der Auftaktveranstaltung der legendären Macy-Konferenzen in New York 1946 teilnahm, die eine wichtige Weichenstellungsfunktion für die sich entwickelnde kybernetische Bewegung innehatte. Heute ist er in erster Linie als ein Wegbereiter der der Gruppendynamik und Pionier der Human-Relations-Bewegung in Erinnerung, eine etwas einseitige Perspektive, die der Breite des vielfältigen Theorie- und Forschungsspektrums Lewins nicht gerecht wird.

Zum 125jährigen Geburtstag ist nun im Carl-Auer-Verlag ein von Klaus Antons und Monika Stützle-Hebel herausgegebener Sammelband zu Ehren Lewins erschienen. Beide arbeiten als Trainer und Dozenten für Gruppen- und Organisationsdynamik und haben eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen versammelt, die sich dem feldtheoretischen Ansatz von Kurt Lewin verpflichtet fühlen. In seinem Geleitwort zum Buch unterstreicht Heiner Keupp die Vielseitigkeit Lewins: „Wenn wir einen aktuellen Psychologieprofessor und sein Fachprofil mit dem von Kurt Lewin vergleichen, dann fällt zuerst auf, was für einen breiten Bildungshintergrund Kurt Lewin hatte: neben unterschiedlichsten Teilbereichen der Psychologie war er auch in der Philosophie, der Medizin, in der Physik oder der Biologie verankert und hat dieses Wissen auch in unterschiedlichsten Kontexten eingesetzt. Heute sind akademische Hochschullehrerkarrieren offensichtlich nur noch in einem engen Fachkorridor möglich, gefördert wird Expertenschaft in einem hochspezialisierten Teilbereich und nicht selten entsteht daraus auch ein fachlicher Tunnelblick. Es dürfte wenige Psychologen geben, die in so unterschiedlichen Bereichen wie der Wahrnehmungspsychologie, der Gestaltpsychologie, der Methodologie, der Jugendforschung, der Gruppendynamik, der Motivationspsychologie, der ökologischen Psychologie oder der Führungsforschung weltweit beachtete Impulse gegeben haben“ (S. 6). Dem kann man nur zustimmen. Insofern ist es sehr erfreulich, dass der dezidiert systemische Carl-Auer-Verlag das Jubiläum zum Anlass nimmt, an Kurt Lewin zu erinnern. Weiterlesen →

6. September 2015
von Tom Levold
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Als die Psychiatrie laufen lernte

Meine ersten Erfahrungen mit der Psychiatrie machte ich Mitte der Siebziger Jahre. Eine Freundin absolvierte ihre Ausbildung als Krankenschwester in der rheinischen Landesklinik Langenfeld. Dort holte ich sie öfter von der Arbeit ab. Auf dem Gelände bot sich dem Besucher das klassische Bild der alten Psychiatrie: schwer sedierte Menschen schlurften auf den Wegen an einem vorbei, oft in unwürdigen Outfit. Man hatte das Gefühl, auf einem anderen Stern zu sein, der nach völlig unterschiedlichen Gesetzen funktionierte.
Meine Freundin arbeitete im Rahmen ihrer Ausbildung eine Zeit lang in der gerontopsychiatrischen Abteilung. Ich erinnere mich an einen großen, gekachelten Saal, in dem eine Gruppe von alten, inkontinenten Frauen ohne jede Bekleidung auf blanken Pritschen angeschnallt lagen und gelegentlich von einem Pfleger mit einem Wasserschlauch abgespritzt wurden, um sie „sauber zu machen“. Eines Tages erdreistete sich meine Freundin, die Frauen aus den Gurten zu befreien, ihnen etwas anzuziehen und mit ihnen einen Spaziergang auf dem Gelände zu machen. Wegen dieser Eigenmächtigkeit wurde sie von ihrer Vorgesetzten übel zusammengestaucht.
An diese Geschichte musste ich denken, als ich das Interview mit Rainer Kukla und Arndt Schwendy las, das in der neuen Ausgabe der Psychosozialen Umschau erschienen ist, und in dem die Beiden von von der Umsetzung der Psychiatrie-Enquete im Bereich des Landschaftsverbandes Rheinland erzählen. Im September 2015 – also diesen Monat – wird die Psychiatrie-Enquete 40 Jahre alt. Rainer Kukla war als Soziologe enger Mitarbeiter des Vorsitzenden dieser Enquete, Caspar Kulenkampff (wo gibt es heute schon noch Soziologen in der Psychiatrie? Als ich mein Studium 1978 beendet hatte, hatte jedes Landeskrankenhaus des LVR eine Soziologenstelle!), Arnd Schwendy leitete das Presseamt des Landschaftsverbandes Rheinland. Bei der Umsetzung der Enquete ging es um nichts weniger als um die Überführung der Psychiatrie aus der Tradition der Ausgrenzung und Menschenverachtung, die sich aus der nationalsozialistischen Zeit nahtlos in die Bundesrepublik fortgesetzt hatte, in eine humanere und professionelle Gestaltung der Beziehungen mit Menschen in psychischen Notlagen. Weiterlesen →

3. September 2015
von Tom Levold
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Instant Hamlet — A family tragedy in one act

Ziemlich genau vor 30 Jahren, im Mai 1985, fand in Heidelberg eine denkwürdige Veranstaltung statt. Das Heidelberger Institut für psychoanalytische Grundlagenforschung und Familientherapie an der Universität Heidelberg unter der Leitung von Helm Stierlin, einer der zentralen Ausgangspunkte der Entwicklung der Systemischen Therapie in Deutschland, feierte sein 10. Jubiläum mit einer Tagung „Familiäre Wirklichkeiten“ mit über 2000 Teilnehmern, an der viele Pioniere der Familientherapie und Systemischen Therapie teilnahmen, von denen leider die meisten nicht mehr leben. Höhepunkt der Tagung war das Fest im Heidelberger Schloss, an das ich mich noch gut erinnern kann. Helm Stierlin hatte ein Theaterstück „in elisabethanischem Englisch“ verfasst, das die familientherapeutische Prominenz zum Vergnügen der Teilnehmer auf die Bühne brachte – ohne vorher Gelegenheit zu einer Probe zu finden. Gottseidank ist dieser Teil des Festes (sowohl auf als auch hinter der Bühne) auf Video aufgezeichnet worden und der Carl-Auer-Verlag hat dieses Video auf seiner youtube-Seite veröffentlicht. Zu sehen sind u.a. neben Helm Stierlin: Carl Withaker, Paul Watzlawick, Lyman Wynne, Ivan Boszormeny-Nagy, Gianfranco Cecchin, Jürg Willi, Mara Selvini Palazzoli, Luigi Boscolo, Rosmarie Welter-Enderlin und Josef Duss von-Werth – aus dem Off ist auch Gunther Schmidt klar zu vernehmen. Man versteht nicht alles, aber alleine die Protagonisten bei ihrem Tun zu sehen, macht schon Spaß genug!

2. September 2015
von Tom Levold
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Gewaltfreier Widerstand im Umgang mit gewalttätigen Kindern mit Zwangsstörungen

Haim Omer

Haim Omer

„Im Gegensatz zu der herrschenden Meinung, wonach Kinder mit Zwangsstörungen nicht gewalttätig sind, stellte sich heraus, dass 20 % der von Eltern als gewalttätig bezeichneten Kinder unter solchen Störungen litten. Diese kindliche Tyrannei zeigte sich in zwei Erscheinungsformen: Kinder, die versuchten, jeden Aspekt des Familienlebens zu diktieren, und Kinder, die sich in ihr Zimmer einmauerten und allen den Eintritt oder jegliche Änderung ihres Territoriums verboten. Versuchen seitens der Eltern diese Bestimmungen herauszufordern wurde mit endlosem Schreien, absichtlicher Schlafverweigerung, Zerstörung von Familieneigentum, körperlichen Angriffen und Suiziddrohungen begegnet. Ein Programm von gewaltfreiem Widerstand wurde entwickelt, um mit der Aggression ohne Eskalation umzugehen.“ Über dieses Programm berichtet Haim Omer (Foto: Vandenhoeck & Ruprecht), der das Konzept des gewaltfreien Widerstandes für Eltern entwickelt hat, in einem Beitrag für systhema aus dem Jahre 2003. Den vollständigen Text kann man hier lesen…

1. September 2015
von Tom Levold
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Armin Nassehi in der FAZ über Hass auf „Wirtschaftsflüchtlinge“ in Deutschland 

Es ist gar nichts gegen Engagement zu sagen – und alles, was sich von den Pöbelnden distanziert, ist zu begrüßen. Aber die Kategorien, mit denen da gearbeitet wird, sind oftmals untauglich. Überall sprießen Initiativen, die ausloten, wie man „gemeinsam“ leben kann und die Leute dann zum Reden bringt. Es wird dann eine gemeinsame Sprache entwickelt, also doch wieder ein Container, in dem wir drin sein sollen, obwohl die faktische Lebensform – gerade von Flüchtlingen – anders aussieht. Die engagierten Milieus sind geübt darin, große Sätze zu sprechen und andere zum Sprechen zu bringen. Was freilich nottut, sind unaufgeregte Formen der Inklusion, arbeitsrechtliche und -praktische Arrangements, schulische Initiativen, Sprachförderung vor allem für Kinder. Ich frage mich manchmal, wie es aus der Perspektive von Flüchtlingen wohl aussieht, einerseits vor einem schwierigen Gewirr von Ämtern und Instanzen um Inklusionsmöglichkeiten zu kämpfen, andererseits als kulturelle Form herhalten zu müssen, das ganz andere sein zu sollen. Am besten, das wissen wir aus klassischen Einwanderungsländern, geht es Migranten (welcher Art auch immer), wenn sie möglichst wenig erzählen müssen. Erst dann entstehen ganz neue Geschichten.

Quelle: Hass auf „Wirtschaftsflüchtlinge“ in Deutschland

31. August 2015
von Tom Levold
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Psychotherapie ist mehr als Wissenschaft oder: von der Wissenschaft zur Kunst

In einem gerade erschienenen Beitrag für das Online-Journal Psychotherapie Wissenschaft stellt Serge Sulz aus der Schweiz, Honorarprofessor für Grundlagen der Verhaltensmedizin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie an der Kath. Universität Eichstätt-Ingolstadt, noch einmal eine Übersicht über die Argumente vor, dass es sich bei der Psychotherapie nicht um eine Wissenschaft und auch nicht um angewandte Wissenschaft handelt, sondern immer um einen professionellen Prozess einer jeweils individuell einzigartigen Begegnung, der zwar durch wissenschaftliche Erkenntnisse grundiert und angeregt werden kann, aber nicht von diesen determiniert werden kann. Im abstract heißt es: „In Deutschland wird Psychotherapieausbildung in die Hände von Wissenschaftlern gegeben und die praktische Ausbildung hintangestellt. Dies führt zur Frage, inwiefern und in welchem Ausmaß Psychotherapie Wissenschaft ist. Beginnend mit einer Diskussion von Psychologie als Wissenschaft und ihren Fehlentwicklungen und Stagnationen wird zur Frage übergegangen, ob Psychotherapie Wissenschaft ist, die von den Wissenschaftlern bejaht wird. Die praktizierenden Psychotherapeuten dagegen sagen, dass sie eine Kunst ist, die auf Wissenschaft aufbaut, aber mehr ist als diese. Sie leiten daraus ab, dass diese Kunst nicht von Wissenschaftlern gelehrt werden kann. Aber auch unter den Wissenschaftlern herrscht keine Einigkeit. Die einen forschen unter experimentellen, laborähnlichen Bedingungen, während ihre Ergebnisse von den anderen als ungültig für die reale Welt außerhalb des Labors betrachtet werden. Schließlich wird der Frage nachgegangen, wo und wie die Kunst der Psychotherapie gelernt werden kann.“

Zum Online-Text geht es hier…

28. August 2015
von Tom Levold
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Geschichten im Sand

Wiltrud Brächter

Wiltrud Brächter

Wiltrud Brächter hat sich in den vergangenen Jahren mit ihrem Konzept einer systemischen Spieltherapie einen Namen gemacht. Ihre Arbeit zeichnet sich nicht nur durch eine gründliche theoretische Fundierung, sondern auch durch eine außerordentliche Phantasie und ihre phänomenale Fähigkeit aus, sich voll und ganz – eben spielerisch – auf die Welt der Kinder einzulassen, deren ,Geschichten im Sand’ sie behutsam zur Entfaltung verhilft. Im Carl-Auer-Verlag hat sie darüber ein wunderbares Buch verfasst.

Im DGSF-Wissensportal findet sich ein Text von ihr, der 2009 im Kontext erschienen ist. Im abstract dazu heißt es: „Vorgestellt wird das Konzept einer narrativen Kindertherapie, die sich auf die Geschichten von Kindern bezieht, hier in Kombination mit der Methode des Sandspiels. Sandspieltherapie ermöglicht Kindern, ihr Problemerleben in die Therapie einzubringen. Unter narrativer Perspektive werden Sandbilder zum Ausgangspunkt für Geschichten, die sich in die Zukunft öffnen. Parallel zur selbsttätigen Arbeit an ihren Geschichten gelingt es Kindern häufig, Blockaden aufzulösen und in ihrer Entwicklung wieder voran zu kommen. Sandspieltherapie kann auch einen Zugang zu Themen ermöglichen, die nur im Rahmen von Familientherapie zu lösen sind. Sandbildskulpturen lassen sich hier gut verwenden, um zirkuläre Muster zu erkennen, Probleme zu externalisieren und Metaphern zu erfinden, mit denen Lösungsideen im Alltag verankert werden können. Abschließend wird erörtert, welche Möglichkeiten eine narrativ orientierte Spieltherapie im Rahmen systemischer Therapie eröffnen kann.“

Den vollständigen Artikel gibt es hier…

27. August 2015
von Tom Levold
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Diagnose: Besonderheit

S. Klar & L. Trinkl (Hrsg.) (2015): Diagnose Besonderheit

S. Klar & L. Trinkl (Hrsg.) (2015):
Diagnose Besonderheit

Unter dem Titel „Diagnose: Besonderheit. Systemische Psychotherapie an den Rändern der Norm“ versammeln die Wiener Systemischen Therapeutinnen Sabine Klar und Lika Trinkl Beiträge zur therapeutischen Arbeit mit Klientensystemen, die gewissermaßen aus dem Rahmen psychotherapeutischer Standardversorgung herausfallen, weil sie aus dieser Perspektive nicht oder nur begrenzt therapierbar erscheinen, den Rahmen einer Normalpraxis nicht aus-, ein- oder durchhalten können, deren Therapie von den Kassen als aussichtslos oder nicht angebracht abgelehnt wird, deren Ressourcenlage bescheiden ist, die als Randgruppen ohnehin wenig sozialen Status haben etc. Das Buch ist gerade bei Vandenhoeck & Ruprecht erschienen. Andrea Brandl-Nebehay hat es für systemagazin gelesen und empfiehlt die Lektüre… Weiterlesen →

24. August 2015
von Tom Levold
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Schlaflos mit Kleopatra

Selajdin Gashi: Schlaflos mit Kleopatra. Paranus 2015

Selajdin Gashi: Schlaflos mit Kleopatra. Paranus 2015

Schlaflos mit Kleopatra? Wieder einmal ein Erfahrungsbericht eines psychiatrieerfahrenen Menschen? Das waren auch Gedanken, die Sibylle Prins bei ihrer Lektüre dieses Buches aus dem Paranus-Verlages durch den Kopf gingen: „,Oh nein‘, dachte ich beim allerersten Anlesen dieses Buches, ,nicht schon wieder ein Erfahrungsbericht eines Psychotikers, der fünftausenddreihundertachtundvierzigste, den ich (gefühlt) lese – ich kann das nicht mehr, das kenne ich schon in allen Varianten, muss das sein?‘ Doch schon bald merkte ich, dass ich im Irrtum war. Diese Kapitel und Beschreibungen eines ersten psychotischen Schubes eines jungen Mannes, der mit veränderter Wahrnehmung und veränderten Gedanken in einem gemeinsamen Urlaub mit der Freundin beginnt, sind mitnichten einfach nur ,aufgeschrieben‘. Das ist alles fein säuberlich durchkomponiert, die Reflexionen, die in einer sehr lesbaren, klaren und einfach erscheinenden Sprache daherkommen, sind gründlich durchgearbeitet. Es ist zwar geschrieben aus der Perspektive des sehr jungen Mannes, aber dahinter steckt doch ein schon gereifterer Mensch.“ Das sieht auch Andreas Manteufel so, dessen Rezension dieses Buches hier zu lesen ist. Der Mann, von dem die Rede ist, heißt Selajdin Gashi, ist 1962 in Nikushtak, Mazedonien, geboren worden und aufgewachsen in Dardanien (heutiges Kosovo). 1984 kam er nach Köln und studierte dort Germanistik, Philosophie und Anglistik. 1989 machte er erste Psychose- und Psychiatrieerfahrungen. Heute ist er als Übersetzer und Dolmetscher – auch für Gerichte und andere Institutionen – tätig. Weiterlesen →

21. August 2015
von Tom Levold
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Family Process 2/2015

Family Process 2015-2In der aktuellen Ausgabe von Family Process stehen Forschungsarbeiten im Mittelpunkt, vor allem Arbeiten aus einer Forschungsgruppe, die sich mit familiären Mustern (Gender, Elternschaft, Übertragung kultureller Wertvorstellungen etc.) von Familien in den USA beschäftigen, die einen mexikanischen Migrationshintergrund haben. Eine Arbeit von Conroy Reynolds und Carmen Knudson-Martin thematisiert „Gender and the Construction of Intimacy among Committed Couples with Children“, Luana Ferreira, Peter Fraenkel u.a. finden in einer Studie heraus, dass Autonomie und Veränderung das Begehren in Paarbeziehungen unterstützt, während Konflikte und Kinder beeinträchtigende Faktoren sind (sic!). Ein interessanter Artikel untersucht, inwieweit das Konzept der „Boundary Ambiguity“ Erklärungsmöglichkeiten dafür anbietet, warum misshandelte Frauen ihre Partner nicht verlassen. Christina Hunger, Jan Weinhold et al. präsentieren hier noch einmal die auf Deutsch schon präsentierten Ergebnisse ihrer Untersuchung der Effekte von Aufstellungsseminaren. Bemerkenswert ist vor allem ein sehr offen kritisches Editorial des Herausgebers Jay Lebow über Interessenkonflikte von Autoren bei Veröffentlichungen in Family Process, in dem er deutlich macht, dass viele Familienforschungsprojekte ebenso wie neue Therapiekonzepte in erster Linie den Zweck verfolgen, die Arbeit der AutorInnen bekannt zu machen und zu Erfolg zu verhelfen. Dies gilt natürlich in besonderer Weise für Arbeiten der Selbstbeforschung bzw. Selbstevaluation, die selten den Zweck verfolgen, die eigene Arbeit kritisch unter die Lupe zu nehmen. Gleichwohl dürften, da Lebow zufolge das allgemeine Interesse an diesen Arbeiten eher gering ausfällt, solche Arbeiten kaum das Licht der Welt erblicken, wenn man hier zu strenge Maßstäbe hinsichtlich möglicher Interessenkonflikte anlegen würde. Deshalb plädiert er für eine abgewogene Publikationspolitik. Für die Family Process gelten aber ab 2015 neue Richtlinien für die Veröffentlichung von Interessenkonflikten, die über die Bekanntgabe finanzieller Zuwendungen (die ja eher bei medizinischen Veröffentlichungen seitens der Pharma-Konzerne ein Problem darstellen) auch andere Konflikte benennen müssen.

Die neuen Regelungen lauten: „Family Process requires that all authors disclose any potential sources of conflict of interest. Any interest or relationship, financial or otherwise that might he perceived as influencing an author’s objectivity is considered a potential source of conflict of interest. These must he disclosed when directly relevant or indirectly related to the work that the authors describe in their manuscript. Potential sources of conflict of interest include hut are not limited to any source of income directly related to a product or service described in the manuscript. This might include stock ownership, membership on a company hoard of directors, membership on an advisory board or committee for a company, fees from training or service in the method described, and consultancy for or receipt of speaker’s fees from a company. It might also involve participation in an entity that competes with a product or service described in the paper. The existence of a conflict of interest does not preclude publication in this journal. If the authors have no conflict of interest to declare, they should also state this at submission. It is the responsibility of the corresponding author to review this policy with all authors and to collectively list in the cover letter (if applicable) to the Editor-in-Chief, in the manuscript (in a footnote to the heading of the article) and in the online submission system ALL pertinent commercial and other relationships.“

Alle aktuellen bibliografischen Angaben und abstracts gibt es hier…

18. August 2015
von Tom Levold
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Zirkuläre Ressourcenerfragung und existenzielle Fundierung in der ambulanten Suchttherapie

Christian H. Sötemann ist Psychologe, Musiker und Autor. In einem Text aus dem Jahre 2003 für die Zeitschrift systhema beschäftigt er sich mit einem Phänomen, mit dem Professionelle im Bereich der Suchttherapie häufig zu tun haben, nämlich dass Klientinnen und Klienten häufig wenig einfällt, wenn man mit ihnen auf die Suche nach Ressourcen gehen möchte. Vielmehr ist oft zu beobachten, „dass die Patienten das Vorhandensein von eigenen Ressourcen teilweise herunterspielen oder sogar abstreiten“. Er schlägt daher den Einsatz einer zirkulären Vorgehensweise vor, die er existenzialphilosophisch begründet. Im abstract heißt es: „Der Autor untersucht zunächst die existenzielle Dimension von zirkulären Fragen an Patienten und illustriert, rekurrierend auf Laing und Sartre, den identitätskonstituierenden Beitrag der Sicht des Anderen zum Selbstbild. Hieran anschließend wird eine in der ambulanten Suchttherapie einsetzbare mögliche Folge von zirkulären Fragen und hieraus hervorgehenden bzw. an Basisressourcen orientierten Rückmeldungen hergeleitet und somit veranschaulicht, wie in diesem Kontext einem ressourcenorientierten Ansatz Rechnung getragen werden kann.“

Zum vollständigen Text geht es hier…

12. August 2015
von Tom Levold
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Von der Gefahr des systemischen Ansatzes sich in Beliebigkeit zu verlieren

Stefan Kühl (Foto: Uni Bielefeld)

Stefan Kühl
(Foto: Uni Bielefeld)

Nach einer Urlaubspause ist systemagazin wieder zurück am Start, und gleich mit einem interessanten Text, den alle systemisch orientierten Menschen lesen sollten. Systemisch ist in den letzten Jahren zu einem Zauberwort geworden, das mittlerweile alles und nicht aussagt, also recht beliebig erscheint. Dennoch wird meist der Bezug auf Systemtheorie, meist in der Variante der Systemtheorie Niklas Luhmanns, als Referenz mitgeführt. Stefan Kühl, Soziologieprofessor in Bielefeld, der sich viel mit der Systemischen Beratung und Organisationsentwicklung aus systemtheoretischer Perspektive beschäftigt und schon manchen professionellen Diskurs mit seiner durchaus zugespitzten Thesen aufgemischt hat, hat das Manuskript eines Textes über „Die fast unvermeidliche Trivialisierung der Systemtheorie in der Praxis“ ins Netz gestellt, der in der Zeitschrift Gruppendynamik und Organisationsberatung erscheinen soll. Hier geht er gründlich mit dem Begriff des Systemischen ins Gericht, den Systemikern wirft er vor, „die Spannung zwischen Wissenschaft und Praxis weitgehend aufgegeben“ zu haben. Auch wenn er etwas zu heftig auf der Funktion der Systemtheorie als Fremdbeschreibung besteht, und die Übernahme von Systemtheorie in die Selbstbeschreibung systemischer Praktiker ablehnt, ist sein Text unbedingt lesenswert!

Im Abstract heißt es:  „Die Systemtheorie Niklas Luhmanns hat sich zu einer Leittheorie des systemischen Managements und der systemischen Beratung entwickelt. Dabei wird vielfach von einer Eins-zu-eins-Übersetzung einer wissenschaftlichen Theorie in die organisationale Praxis ausgegangen. Eine zentrale Einsicht der Systemtheorie ist aber gerade, dass sie sich dieser simplifizierenden Übertragungslogik von Theorie in Praxis grundlegend entzieht. In der systemischen Beratung und dem systemischen Management ist es – so die These des Artikels – zu einer Trivialisierung der Systemtheorie gekommen. Die Systemtheorie verkommt in der Praxis zu einem Instrument der Kompetenzdarstellung, ohne dass dabei bemerkt wird, dass als systemisch verkaufte Postulate wie Ganzheitlichkeit, Authentizität oder Wertschätzung der Stoßrichtung der soziologischen Systemtheorie zuwiderlaufen.“

Zum Volltext geht es hier…