Nachdem gestern schon ein runder Geburtstag zu feiern war, folgt sogleich der Nächste: heute wird Arist von Schlippe 65 Jahre alt – und tritt damit theoretisch in das Rentenalter ein, was sich aber wohl niemand so richtig vorstellen kann. Was hat er nicht alles in den vergangenen Jahrzehnten initiiert, angeschoben und durchgeführt, als Lehrtherapeut, Dozent, Wissenschaftler, Forscher, Autor, Herausgeber, Unternehmensberater und nicht zuletzt auch als Organisator, Institutsvertreter und Vorsitzender der Systemischen Gesellschaft. Gegenseitig in den Blick genommen haben wir uns über eine kritische schriftliche Auseinandersetzung Mitte der 80er Jahre, bei der es nicht nur inhaltlich, sondern auch persönlich zur Sache ging. Einige Zeit später machte ich dann die schöne Erfahrung, dass man im persönlichen Kontakt mit Arist auch schnell über alten Ärger hinwegkommen kann, seitdem haben wir immer wieder an unterschiedlichen Orten und in unterschiedlichen Kontexten mehr oder weniger viel, aber immer gerne miteinander diskutiert, gearbeitet und sind dabei gute Freunde geworden: Als Autoren und Herausgeber (mit wechselseitig befruchtender Konkurrenz), als Funktionsträger in der Systemischen Gesellschaft, in der mehrjährigen gemeinsamen Arbeit am großen EFTA-Kongress in Berlin 2004 mit über 3.500 Teilnehmern und als Diskussions- und Intervisionspartner hinsichtlich unserer Theorieinteressen und Beratungspraxis. Dabei sind wir uns in den letzten Jahren gute Begleiter auch unserer privaten Lebenswege geworden, eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte.
Als Herausgeber des Kontext haben Petra Bauer, Dörte Foertsch, Wolf Ritscher und ich Deinen Geburtstag zum Anlass für ein Kontext-Gespräch genommen, das Dörte mit Dir geführt hat und das gerade rechtzeitig zu Deinem Geburtstag erschienen ist. Es ist ein schönes Gespräch geworden und hier kann man es nachlesen…
Lieber Arist, zum 65. also alles Gute! Dass das Ende Deiner festberuflichen Basis mit diesem Alter naht, liegt auf der Hand. Dass Du weniger aktiv als in den vergangenen Jahren sein wirst, ist allerdings kaum vorstellbar. Doch auch dafür braucht man in unserem Alter Gesundheit, Ruhe, Pausen und Erholung, damit man meistern kann, was man meistern möchte. Dafür wünsche ich Dir Glück, weiterhin eine gute Hand bei der Auswahl Deiner Aktivitäten und uns noch viele freundschaftliche Begegnungen!
Neben mir gratulieren Dir auch noch eine Reihe anderer Kolleginnen und Kollegen an diesem Tage im systemagazin, auf dass Du ihn genießen und Dich feiern lassen mögest!
Ganz herzlich, Tom Weiterlesen →


Schwerpunktthema der aktuellen Ausgabe der Familiendynamik ist „Angst“, wie schon einmal bei einem Themenheft von 2008. Die Herausgeber dieses Heftes, Christina Hunger und Arist v. Schlippe, schreiben hierzu in ihrem Editorial: „Angststörungen [werden] neben affektiven und somatoformen Störungen zu den drei häufigsten »Volkskrankheiten« gezählt. Und die Zahlen, so die Krankenkassen, steigen weiter. Dies könnte dazu verleiten anzunehmen, dass noch keine Generation so sehr von seelischen Erkrankungen bedroht gewesen sei wie unsere. Jedoch gilt es zu berücksichtigen, dass unsere Statistiken psychischer und psychiatrischer Leiden auf von Ärzten diagnostizierten Störungen beruhen. Und die Ärzte haben gerade in den vergangenen Jahren »Bezeichnungen« für psychische und psychiatrische Störungen häufiger gewählt. Das bedeutet aber nicht, dass Angststörungen nicht auch schon früher häufig vorgekommen sind. Epidemiologische Studien zeigen jedenfalls, dass in den westlichen Staaten psychische Störungen seit der Mitte des letzten Jahrhunderts nicht zugenommen haben. In diesem Zusammenhang wollen wir gleich auf einen kritischen Beitrag von Allen Frances (Coronado, USA) in den Seiten-Blicken verweisen. Er hat an verschiedenen Formen des DSM (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen) mitgearbeitet und hinterfragt nun die fünfte Version massiv, weil sie in der Gefahr stehe, immer neue »Krankheiten« und damit eben auch viele neue »Kranke« zu produzieren. Daher ließe sich nun mit Recht fragen: Wozu erneut eine Ausgabe der Familiendynamik zum Thema »Ängste«? Dieses Heft wird zeigen, dass auch wenn die Anzahl der diagnostizierten Angststörungen konstant bleibt, sich dennoch der Blick auf diese verändert hat. Dieser veränderte Blick ermöglicht wiederum neue (systemische) Behandlungsformen. Zugleich möchte das Heft folgendem Umstand Rechnung tragen: Neben der kassenfinanzierten Versorgung von Angststörungen im Rahmen (kognitiv-)verhaltenstherapeutischer, tiefenpsychologisch-fundierter und psychoanalytischer Ansätze ist die systemische Therapie bekanntlich gut etabliert. Sollte sie durch das »Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen« (IQWiG) in den nächsten Jahren positiv bewertet und in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden, stünde diese allen gesetzlich Versicherten als ein weiteres Psychotherapieverfahren zur Verfügung. Insofern ergibt eine – wenn auch stets kritisch zu reflektierende – Störungsorientierung der systemischen Therapie Sinn.“

