systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

25. September 2019
von Tom Levold
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Systemischer Forschungspreis für Mathias Berg

(DGSF, 25.9.2019) Systemischer Forschungspreis für Wirksamkeitsforschung in der Jugendhilfe

Der Systemische Forschungspreis 2019 geht an Mathias Berg. Ausgezeichnet wird seine Dissertation „Auswirkungen systemischer Beratung und Therapie in einer Erziehungs- und Familienberatungsstelle auf die Bindungssicherheit verhaltensauffälliger Kinder im Grundschulalter”. Der Preis der beiden systemischen Fachgesellschaften DGSF und SG ist mit 3.000 Euro dotiert und wurde im Rahmen der wissenschaftlichen Jahrestagung der DGSF in Hamburg verliehen.

Erziehungs- und Familienberatung ist die meistgenutzte Hilfe zur Erziehung im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe. Dabei ist systemische Beratung und Therapie das dominierende Verfahren. Erziehungsberatung und der systemische Ansatz in der psychosozialen Beratung sind hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und ihrer Effekte im Vergleich zur Psychotherapie allerdings noch wenig erforscht. Mathias Berg untersuchte in seiner Interventionsstudie die Beratungsprozesse bei 61 Grundschulkindern. Hauptsächliches Forschungsziel war es, mehr über eine potentielle Veränderung der Bindungssicherheit bei Kindern nach der Beratung herauszufinden, zentraler Bestandteil der systemischen Intervention waren dabei die Eltern beziehungsweise die Familie des Kindes. Die Befunde zeigen, dass systemische Beratung und Therapie im Feld der Erziehungsberatung dazu in der Lage sind, Bindungssicherheit zu fördern und Verhaltensauffälligkeiten zu reduzieren.

Dr. Ulrike Borst, Vorsitzende der Systemischen Gesellschaft (SG), und Dr. Björn Enno Hermans, scheidender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF), übereichten den Preis gemeinsam am vergangenen Samstag im Audimax der Universität Hamburg. Der Preisträger ist seit September Professor für Theorien und Konzepte Sozialer Arbeit an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen.

Näheres über die Arbeit von Mathias Berg ist hier zu lesen.

 

24. September 2019
von Tom Levold
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Schon wieder Weihnachten?

Weihnachten? Im September? Nun, schaut man sich in den Supermärkten dieses Landes um, findet man sich schon seit einigen Tagen zwischen Bergen von Spekulatius, Dominosteinen und Lebkuchen wieder. Der Spätsommer hat sich noch nicht abgemeldet, da klopft schon die Weihnachtsindustrie an die Türen der Konsumenten. Auf absehbare Zeit stellt sich wieder die Frage: „Was schenken wir unseren Kindern?“ Zu dieser Frage haben Gerald Hüther und André Stern „eine Entscheidungshilfe“ vorgelegt, die gerade frisch veröffentlicht worden ist. Wolfgang Traumüller hat sich das Büchlein angeschaut und präsentiert hier seine Überlegungen:

Wolfgang Traumüller: Vom Schenken, Beschenktwerden und fraglichen Dank

Es ist Herbsteszeit, der Sommer scheint vorüber und mit den vom Rhein über die Rebhänge herüber wabernden Nebelschwaden zieht bereits ein leises Wähnen des Christkinds über das Land, in das aus den Fenstern der Discounter schon die ersten Nikoläuse lauernd Schokoladen-Blicke werfen. Wie alle Jahre wieder wird stimulierter Kaufrausch über die Theken und Verkaufstische branden, der Handel unter dem Klingeln seiner Kassen mehr oder weniger zufriedene Gesichter machen und von mancher Kanzel die hilflos-dumme Mär verbreitet werden, weil Gott im Kind sich zum Geschenke mache, schenkten auch wir von dieser unbändigen Freude weiter. Als habe sich nichts verändert seit den Tagen des Paradiesgärtleins und der kargen Lichtlein auf dem kargen Fichtlein, das der Großvater aus dem Schnee in die warme Stube bringt und Kinderaugen groß macht unter einem bewegenden „Stille Nacht“-Gesang. Was noch vor hundert Jahren und mehr die Herzen wärmte, wirkt in unseren coolen Tagen wie in Konsum ersoffener, betulicher Brauchtumskitsch.

Passend zum Anlass, zum Weltkindertag am 20.September und zur Buchmesse legen die Bildungsexperten Gerald Hüther und André Stern ihre Entscheidungshilfe vor: „Was schenken wir unseren Kindern?“

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23. September 2019
von Tom Levold
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Sigmund Freud (6.5.1856-23.9.1939)

Heute vor 80 Jahren starb in London der Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud, wohin er am 4. Juni 1938, nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland aus Wien emigrierte und wo er sein letztes Lebensjahr verbrachte. Ein Anlass auch für Systemiker, seiner zu gedenken. Systemtheorie und Psychoanalyse zusammen zu denken ist seit jeher ein Anliegen von Harald Wasser, auf dessen Dissertation „Sinn – Erfahrung – Subjektivität. Eine Untersuchung zur Evolution von Semantiken in der Systemtheorie, der Psychoanalyse und dem Szientismus“ von 1994 ich hier hinweisen möchte. In der Einleitung heißt es: „In der vorliegenden philosophisch-interdisziplinären Arbeit soll der Versuch unternommen werden, implizite wie explizite evolutionär bedeutsame Modifikationen und Neuentwicklungen der Begriffe Sinn, Erfahrung und Subjektivität aus der Literatur zum systemtheoretischen, zum psychoanalytischen und zum sogenannten szientistischen Ansatz gleichsam „abzulesen“ und detailliert herauszuarbeiten.
Dabei liegt die These zugrunde, daß die jeweiligen Verwendungen und Definitionen (oder auch Zurückweisungen) der Begriffe des Sinns, der Erfahrung und der Subjektivität von zunehmender Bedeutung für die Struktur und die Entwicklung der ausgewählten und möglicherweise auch anderer wissenschaftlicher Strömungen sind. Damit verbunden ist die weitere These, daß anhand einer Untersuchung der genannten Begriffe Tendenzen sichtbar werden, die darauf hinweisen, daß sich diese Wissenschaften mitten in einem evolutionären Schub von großer Bedeutung befinden. Insbesondere der Sinnbegriff ist dabei von Relevanz.“

Die Arbeit ist online hier zu lesen…

21. September 2019
von Tom Levold
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Hören 1. und 2. Ordnung. Warum Zuhören mehr ist als wissen, was gesagt worden ist

Am 14.4.2018 fand in Berlin die Jubiläumstagung des Berliner Instituts für Familientherapie (BIF) zum Thema »Die Kunst zu Hören« statt. Während die Kunst zu fragen von Beginn an ein Markenzeichen des Systemischen Ansatzes ist, das sich in zahllosen Veröffentlichungen spiegelt, blieb die Beschäftigung mit dem Hören und Zuhören im therapeutischen Prozess unentwickelt. Der Beitrag „Hören 1. und 2. Ordnung. Warum Zuhören mehr ist als wissen, was gesagt worden ist“, den ich auf der Basis eines Vortrages auf dieser Tagung verfasst habe, ist im Kontext-Heft 1/2019 zum Thema „Hören und Zuhören“ erschienen und findet sich auch im Wissensportal der DGSF. Im abstract heißt es: „Im systemischen Diskurs sind visuelle Metaphern dominant, zum Hören und Zuhören ist hier wenig zu finden. Auch die Literatur zur Gesprächsführung ist primär an Fragen orientiert und nicht am Zuhören. Der Aufsatz beschreibt die Unterschiede zwischen Hören und Zuhören und arbeitet die Bedeutung des Zuhörens für Therapie und Beratung heraus. Sprechen und Zuhören werden als wechselseitiger Prozess dargestellt, in dessen Verlauf verborgene Aspekte des Problemerlebens als »Thema hinter dem Thema« sowie mögliche Lösungen erkennbar werden. Dabei spielt die Erfassung unterschiedlicher linguistischer und paralinguistischer Elemente von Klientennarrativen eine bedeutsame Rolle. Abschließend werden die Konsequenzen dieser Konzeption für die Frage einer aktiven Strukturierung von Therapiegesprächen erörtert.“

Der vollständige Beitrag kann hier gelesen und heruntergeladen werden…

18. September 2019
von Tom Levold
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Süchtiges Trinken eine Heldenreise?!

Stefan Jirkovsky ist Klinischer und Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut (SF) und u.a. Lehrtherapeut an der Wiener Lehranstalt für systemische Familientherapie. Am Psychosomatischen Zentrum Eggenburg arbeitet er mit Menschen mit süchtigen Verhaltensweisen. Im Journal der Lehranstalt Systemische Notizen hat er 2018 einen Artikel veröffentlicht, der das Narrativ der „Heldenreise“, die „Dreiphasen-Struktur“ von Übergangsritualen von Van Gennep und das „Dreiphasenmodell“ nach Rudolf Klein zur Bearbeitung süchtigen Trinkens miteinander kombiniert.

In seinem Text heißt es: „In diesem Artikel möchte ich Ansätze systemischer Therapie bei süchtigem Trinken in das Narrativ der Heldenreise integrieren. Ich beschäftigte mich mit der Frage, wie wiederkehrende, leidvolle und häufig von Vorfällen boykottierte Suchtdynamiken mit dem Narrativ der Heldenreise so aufbereitet werden, dass sie in Entwicklungsdynamiken übergehen können. Als Grundlage dient mir das Modell von Rudolf Klein (…), der süchtiges Trinken als missglücktes oder stagnierendes Übergangsritual konzeptualisiert hat. Ich erweitere diesen Ansatz um das Narrativ der Heldenreise als ein Übergangsritual in einem vergrößerten bzw. metaphorischen Maß. In einem Folgeartikel werde ich Interventionen und Fallgeschichten dazu diskutieren und die Chancen aufzeigen, diese im ambulanten Einzelsetting und stationären Gruppensetting zu nützen.“

Der erste Teil kann hier online gelesen und heruntergeladen werden.

16. September 2019
von Tom Levold
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Systemischer Kinderschutz – Empfehlungen des Fachverbands DGSF

(DGSF, 16.9.2019): Es gibt keinen allumfassenden Kinderschutz, auch nicht mit noch so ausgefeilten Checklisten oder Handlungsmanualen. Ein wirksamer Kinderschutz darf nicht vorwiegend auf stärkere Kontrolle setzen. Er sollte vielmehr dialog-, und hilfeorientiert sein, muss die Lösungsideen der betroffenen Familien ernst nehmen und sie bei Gefährdungseinschät­zungen aktiv beteiligen. Das sind zentrale Aussagen einer fast 100-seitigen Broschüre „Systemischer Kinderschutz“, die die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) zu ihrer am 19. September beginnenden Jahrestagung in der Universität Hamburg vorlegt.

Das Thema Kinderschutz gerate vor allem durch dramatische Kinderschutzfälle in die öffentliche Diskussion, die die fachliche Kinderschutzpraxis zu verengen drohe. Es nähmen fachliche und fachpolitische Tendenzen zu, den Schutz von Kindern und Jugendlichen auf technokratisches und auf Kontrolle ausgerichtetes Handeln zu verkürzen, was einen „achtsamen und hilfeorientierten“ Kinderschutz erschwere, so der Fachverband in seiner Broschüre. DGSF-Vorsitzender Dr. Björn Enno Hermans schreibt in seinem Vorwort: „Systemischer Kinderschutz bedeutet für mich, den Kontext und die Wechselwirkungen der Situation eines Kindes angemessen zu berücksichtigen und alle relevanten Personen und Institutionen einzubeziehen“.

Die Broschüre beschreibt „Leitplanken“ eines systemischen Kinderschutzes, die „Systemische Sozialraumorientierung“ und Kinderschutz als Elternrecht. Von der Kindeswohlgefährdung vor der Geburt über Kinderschutz für ältere Kinder und Jugendliche bis zum Schutz in Institutionen werden die verschiedensten Aspekte des Themas berücksichtigt. Auch die Rolle der Medizin im Kinderschutz wird systemisch betrachtet. Ein Anhang mit systemischen Arbeitsmethoden – wie aufsuchende Familientherapie, Multifamilienarbeit, Familienrat oder „Kidstime“ – die Nennung von Ansprechpartnern sowie die Verlinkung zu Arbeitshilfen und Fachbeiträgen erhöhen den praktischen Nutzen der Veröffentlichung für Fachkräfte im Kinderschutz.

Die DGSF stellt die Broschüre auf ihrer Website kostenfrei zum Download zur Verfügung. Dort richtet der Fachverband auch ein Forum für Rückmeldungen, Kritik und weitere fachliche Expertisen ein. Die Veröffentlichung soll im Dialog mit der Fachöffentlichkeit weiterentwickelt werden – ein ergänzendes Kapitel zum Kinderschutz bei sexueller Gewalt ist bereits in Vorbereitung und wird in Kürze auf der DGSF-Webseite zum Kinderschutz veröffentlicht.

10. September 2019
von Tom Levold
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Lynn Hoffman, 10.9.1924 – 21.12.2017

Heute würde Lynn Hoffman ihren 95. Geburtstag feiern. Im systemagazin ist schon häufiger auf ihre Bedeutung für die Entwicklung des systemischen Ansatzes hingewiesen worden, so z.B. hier oder hier. Wie vielen anderen PionierInnen der Systemischen Therapie bliebe ihr, die zunächst als Literaturwissenschaftlerin in Kontakt mit dem therapeutischen Feld gekommen ist (und von Virginia Satir eingeladen wurde, ihr bei der Abfassung des Buches „Conjoint Family Therapy“ zu helfen), heute wohl der Weg zu einer therapeutischen Ausbildung versperrt – auch wenn gerade ihr unkonventioneller professioneller Background (wie bei vielen anderen Pionieren) die therapeutischen Perspektiven in den vergangenen Jahrzehnten wesentlich erweitern half. Die Sprache und ihre Bedeutung für die Konstruktion und Veränderung von Wirklichkeiten blieb ihr lebenslanges Thema, das sie mit Klugheit und Wärme in aller Welt auf wunderbare Weise vermittelte. An dieser Stelle sei mit zwei Nachrufen von Harlene Anderson und Imelda McCarthy an Lynn Hoffman erinnert!

9. September 2019
von Tom Levold
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Systemische Organisationsberatung

Eckard König, emeritierter Lehrstuhlinhaber im Fachbereich Erziehungswissenschaft an der Universität Paderborn, ist gemeinsam mit Gerda Volmer für seine „Personale Systemtheorie“ bekannt geworden, die im Unterschied zum Luhmannschen Ansatz die Basis sozialer Systeme nicht in den Kommunikationen als zentrale Operationen sieht, sondern in den beteiligten Personen, ihren Wirklichkeitsdeutungen und daraus resultierenden kommunikativen Mustern, Systemgrenzen und -entwicklungsmöglichkeiten. Beide sehen sich dabei in der Tradition von Gregory Bateson und Paul Watzlawick. Ihr. Konzept der „Personalen Systemtheorie“ stellten sie in ihrem Buch „Einführung in die systemische Organisationsberatung“ vor, das heute als wichtige Grundlage für Systemische Organisationsberatung und Systemisches Coaching gilt. Erstmals 1993 erschienen, wurde 2008 aus der Einführung das Handbuch, das 2018 bereits in der 3. komplett überarbeiteten Fassung im Beltz-Verlag erschienen ist. Ingo Kallenbach, der die ursprüngliche Fassung in den 90er Jahren kennengelernt hat, ordnet den Band dem unverzichtbaren Kanon der Organisationsberatungsliteratur zu:

Ingo Kallenbach, Rohrbach:

Gern würde ich die Besprechung mit einer kleinen Umfrage starten: Wer von Ihnen als Lesende/r dieser Rezension hat dieses Buch nicht auch im Bücherschrank stehen? Da es sich bei der Zielgruppe hier um Systemiker/innen handelt, schätze ich einfach mal auf mindestens 50 %. Und das auch nur, da sich nicht jede/r im weiten Feld der systemischen Disziplin für Organisationsberatung interessiert, denn dann wären es vermutlich nahezu 100 %.

Soll heißen: An dem Handbuch kommt eigentlich nicht vorbei, wer sich mit systemischer Organisationsberatung beschäftigt. Meine persönliche Ausgabe, damals noch im Deutschen Studienverlag erschienen, datiert aus dem Jahr 1996, damals schon die 4., überarbeitete Ausgabe innerhalb von drei Jahren. Erstausgabe war im Jahre 1993. Die hier zugrundeliegende Ausgabe ist die 3., komplett überarbeitete Auflage des »Handbuch Systemische Organisationsberatung«, wie es seit 2008 heißt. Weiterlesen →

6. September 2019
von Tom Levold
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Gestiegene Geburtenhäufigkeit bei älteren Müttern

WIESBADEN (3.9.2019) – Im Jahr 2018 kamen in Deutschland 787 500 Babys zur Welt. Das waren rund 2 600 Neugeborene mehr als im Vorjahr. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, blieb 2018 die durchschnittliche Kinderzahl je Frau auf dem Vorjahresniveau: Die zusammengefasste Geburtenziffer betrug 1,57 Kinder je Frau. In den neuen Ländern (ohne Berlin) war sie mit 1,60 Kindern je Frau höher als im früheren Bundesgebiet (ohne Berlin) mit 1,58. Bemerkenswert ist die steigende Geburtenhäufigkeit der Frauen ab 40 Jahren. Mütter im Alter ab 40 Jahren brachten 2018 rund 42 800 Babys zur Welt. Zwar war ihre Geburtenhäufigkeit mit 88 Kindern je 1000 Frauen immer noch relativ gering, hat sich aber gegenüber 23 Kindern je 1000 Frauen in 1990 fast vervierfacht.
Die zusammengefasste Geburtenziffer wird zur Beschreibung des aktuellen Geburtenverhaltens herangezogen. Sie gibt an, wie viele Kinder eine Frau im Laufe ihres Lebens bekäme, wenn ihr Geburtenverhalten so wäre wie das aller Frauen zwischen 15 und 49 Jahren im betrachteten Jahr.

Niedersachsen und Brandenburg mit höchster Geburtenziffer

In Niedersachen und Brandenburg war 2018 die zusammengefasste Geburtenziffer mit 1,62 Kindern je Frau am höchsten. Mit Ausnahme Mecklenburg-Vorpommerns war sie auch in den übrigen ostdeutschen Bundesländern sowie in Bremen und Nordrhein-Westfalen mit 1,60 Kindern je Frau relativ hoch. Besonders niedrig war die Geburtenziffer dagegen in Berlin (1,45 Kinder je Frau). Auch im Saarland (1,47) und in Hamburg (1,49) war sie deutlich niedriger als den übrigen Bundesländern.

Stadtstaaten gemessen an Einwohnerzahl besonders geburtenreich

Die Zahl der Geborenen wird allerdings nicht nur durch das Geburtenverhalten, sondern auch durch die aktuelle Altersstruktur der Bevölkerung beeinflusst. In Bundesländern mit einer relativ jungen Bevölkerung gibt es mehr potenzielle Eltern. Dort werden deshalb – bezogen auf die Einwohnerzahl – vergleichsweise mehr Kinder geboren. An erster Stelle standen hier 2018 die Stadtstaaten Hamburg mit 12 Kindern sowie Berlin und Bremen mit jeweils 11 Kindern je 1 000 Einwohnerinnen und Einwohner. In den Bundesländern mit einer verhältnismäßig alten Bevölkerung und weniger potenziellen Eltern wurden dagegen im Verhältnis zur Einwohnerzahl weniger Kinder geboren. So kamen in den neuen Ländern (außer Sachsen) und im Saarland nur 8 Babys je 1 000 Einwohnerinnen und Einwohner zur Welt. In Deutschland insgesamt wurden 9 Kinder je 1 000 Einwohnerinnen und Einwohner geboren, im früheren Bundesgebiet (ohne Berlin) 10 Kinder.

Quelle: Deutsches Statistisches Bundesamt

5. September 2019
von Tom Levold
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Kammer: Kliniken brauchen mehr qualifiziertes Personal für wirksame Behandlung

(lifePR) (Wiesbaden, 4.9.2019)Bundesgesundheitsminister Jens Spahn kann dafür sorgen, dass ab 1. Januar 2020 durch neue Vorgaben in allen Psychiatrie-Krankenhäusern ausreichend qualifiziertes Personal für wirksame Therapien angestellt werden muss. Diese Überzeugung vertritt die Psychotherapeutenkammer Hessen. In einer am Mittwoch (4. 9.) in Wiesbaden verbreiteten Erklärung bittet Kammerpräsidentin Dr. Heike Winter den Bundesgesundheitsminister, hier – im Interesse psychisch kranker Menschen – ein klares gesundheitspolitisches Signal zu setzen: „Die Psychiatrie-Personalverordnung (PsychPV) ist seit fast dreißig Jahren nicht mehr aktualisiert worden. Seitdem haben Medizin und Psychotherapie enorme Fortschritte gemacht: Bei den meisten psychischen Störungen empfehlen wissenschaftlich fundierte Behandlungsleitlinien Psychotherapie als wesentliches Element.“ Doch nach wie vor gebe es „Verwahr-Psychiatrien wie im vorangegangen Jahrtausend, in denen die Patientinnen und Patienten hauptsächlich Medikamente bekommen – ohne leitliniengerechte Psychotherapie-Angebote“, stellt Kammerpräsidentin Winter fest. Die „Beschäftigungstherapie“ bestehe dort manchmal vor allem im gemeinsamen Fernsehen: „Hier muss es ab 2020 endlich grundlegende Verbesserungen geben – kosmetische Korrekturen helfen nicht mehr weiter.“ Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat den Auftrag, bis zum 30. September 2019 Mindestvorgaben zur Personalausstattung in Psychiatrie-Kliniken zu entwickeln. Diese Mindestvorgaben sollen eine Versorgung psychisch kranker Menschen nach modernen Standards ermöglichen. Weiterlesen →

26. August 2019
von Tom Levold
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Metaphern: Ihre Analyse und ihr Einsatz in Therapie und Beratung

Die linguistische Metapherntheorie von George Lakoff und Mark Johnson hat seit ihrem erstmaligen Erscheinen (Lakoff & Johnson 1980) das Verständnis von Metaphern grundlegend verändert. Anstatt nur als rhetorisches Stilmittel betrachtet zu werden, erweisen sie sich mittlerweile als Schlüssel zum Verständnis und zur Rekonstruktion individueller und sozialer Selbst- und Weltverhältnisse. Vor allem für den Bereich der Psychotherapie und Beratung hat sich die neuere Metapherntheorie als extrem fruchtbar erwiesen.

In den letzten vier Jahrzehnten ist ein riesiger Fundus an grundlagentheoretischen sowie forschungs- und praxisbezogenen Büchern und Aufsätzen entstanden, der leider – das gilt auch für die Arbeiten von Lakoff und Johnson – zum allergrößten Teil nur englischsprachig zur Verfügung steht. Im deutschsprachigen Raum sind es vor allem die theoretischen und empirischen Arbeiten von Michael B. Buchholz (u.a.), die in den 90er Jahren maßgeblich dazu beigetragen haben, dass die Arbeiten von Lakoff und Johnson auch hierzulande wahrgenommen worden sind.

In diesem Zusammenhang ist auch Rudolf Schmitt zu nennen, der mit seinen zahlreichen Veröffentlichungen und Metaphern-Sammlungen (z.B. zu Metaphern des Helfens oder des Alkoholkonsums) das Thema ebenfalls seit langem intensiv bearbeitet. Nach dem Studium der Germanistik und Psychologie in Marburg und Berlin arbeitete er zunächst ein paar Jahre als Familienhelfer in Berlin, dann von 1990 bis 1997 als Klinischer Psychologie in der Allgemeinpsychiatrischen Abteilung der Karl-Bonhoeffer-Klinik in Berlin. In dieser Zeit machte er auch eine Weiterbildung in systemischer Therapie. Seit 1997 hat er an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Hochschule Zittau-Görlitz eine Professur inne, seine Betätigungsfelder sind „Empirische Forschungsmethoden, Beratung und Behandlung, Soziale Arbeit mit psychisch kranken und substanzabhängigen Menschen“.

Seine beiden hier besprochenen Bücher decken die Spannbreite der wissenschaftlichen und praxeologischen Beschäftigung mit dem Thema Metaphern auf eine eindrucksvolle Weise ab. Der Band „Systematische Metaphernanalyse als Methode der qualitativen Sozialforschung“, der ursprünglich als „kleines Buch zur Einführung in die Metaphernanalyse“ gedacht war (S. VIII), mündete schließlich in das Habilitationsprojekt von Schmitt mit immerhin 644 Seiten, davon alleine 80 Seiten Literaturangaben, und ist 2017 bei Springer VS erschienen. Neu hinzu gekommen ist der mit 165 Seiten deutlich kleinere Band „Metaphern in Psychotherapie und Beratung. Eine metaphernreflexive Perspektive“ (Beltz-Verlag Weinheim), den er mit Thomas Heidenreich als Co-Autor verfasst hat, der als verhaltenstherapeutisch ausgerichteter Psychologie als Professor an der Fakultät für Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege an der Hochschule Esslingen arbeitet.

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23. August 2019
von Tom Levold
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Ronald D. Laing (7.10.1927-23.8.1989)

Heute vor 30 Jahren starb Ronald D. Laing im Alter von 61 Jahren beim Tennisspielen in St. Tropez in Südfrankreich. Er gehörte zur Antipsychiatrischen Bewegung der 60er Jahre und war in seiner Arbeit als Psychiater maßgeblich von der phänomenologischen Philosophie (insbesondere von Jean Paul Sarte, aber auch von Martin Buber Ludwig Binswanger u.a.) beeinflusst. In seiner „Phänomenologie der Erfahrung“ bezog er eine klare Position gegen eine szientistische Psychiatrie, die Verrücktheit einem biologistischen und naturwissenschaftlichen, verobjektivierenden Behandlungs-Paradigma unterwarf. Dagegen setzte er den Beziehungsaspekt einer personalen Begegnung mit Schizophrenen. In dem berühmten Sammelband „Schizophrenie und Familie“, der wichtige Artikel zur Familiendynamik psychiatrischer Phänomene von Gregory Bateson, Don D. Jackson, Lyman Wynnne, Jay Haley, Murray Bowen und anderen enthielt, erschien auch ein Artikel von Laing über „Mystifikation, Konfusion und Konflikt“ über die verwirrenden Kommunikationsstrukturen in Familien mit einem schizophrenen Indexpatienten. Die konsequente Interaktionsperspektive entfaltete Laing auch in seinen Arbeiten über „Das geteilte Selbst“, „Sanity, Madness and the Family“, „Das Selbst und die Anderen“ u.a. Weiterlesen →

22. August 2019
von Tom Levold
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Wenn Kinder größer werden. Familientherapie mit älteren Kindern und Jugendlichen

Grossmann Wenn Kinder größer werden

Lange war im Feld der systemischen Therapie das Familiensetting bzw. die Arbeit mit der ganzen Familie dominant – und Markenzeichen des systemischen Ansatzes. Das hat sich in den vergangenen Jahren verändert – in vielen Kontexten (von den aufsuchenden Familienhilfen abgesehen) hat die Arbeit im Einzelsetting einen viel größeren Stellenwert erhalten. Die Arbeit mit der Familie ist aufwendiger und komplexer, im Zuge der Anerkennung von Systemischer Therapie im Rahmen der sozialrechtlich gesicherten psychotherapeutischen Versorgung wird das Familientherapie-Setting nur noch in Ausnahmefällen praktiziert werden, so meine Prognose. Vor diesem Hintergrund ist es begrüßenswert, dass es mit dem vorliegenden Band von Konrad Peter Grossmann ein aktuelles und einladendes Buch zum Thema gibt, das die Relevanz der Arbeit mit der Familie noch einmal nachhaltig vor Augen führt. Ulrike Hollik hat es gelesen und empfiehlt die Lektüre:

Ulrike Hollick, Weimar:

Wenn Kinder größer werden – der Titel spricht einerseits direkt auf die Be-deutung an, die ältere Kinder und Jugendliche in der Familientherapie haben, zum anderen löst er wohl viele Assoziationen aus, die mit eben diesem Größer- werden in engem Zusammenhang stehen, nämlich die Herausforderungen, mit denen größer werdende Kinder und Jugendliche und ihre Familien konfrontiert sind und die Entwicklungsaufgaben, die sie zu bewältigen haben.

Grossmann ermutigt dazu, in der Praxis der Familientherapeuten vermehrt wieder die Vorteile der Arbeit mit der ganzen Familie zu nutzen und vor allem Kinder und Jugendliche ab circa zehn Jahren mit in das Setting einzubeziehen. Weiterlesen →