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Online-Journal für systemische Entwicklungen

Online-Beratung in Zeiten von Corona

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Der Lockdown im März dieses Jahres hat viele systemisch arbeitende Kolleginnen und Kollegen kalt erwischt. Vom 12. bis 14.3. war ich als Dozent an der Universität Kassel in einem Studiengangsmodul tätig, als die Nachrichten von den ersten Maßnahmen stündlich eintrafen und die Universität dann am 13.3. alle Veranstaltungen räumen ließ. Alle geplanten Workshops und Seminare sowie Vorträge auf Tagungen wurden in den Folgetagen abgesagt – ich hatte im März und April zunächst einmal mehr oder weniger Zwangsferien. Einige Therapien und Coachings liefen weiter, aber die meisten Supervisionen (in Kliniken und anderen Einrichtungen) wurden kurzfristig storniert. Als sich abzeichnete, dass es sich womöglich um einen länger andauernden Zustand handeln könnte, entstanden neue und kreative Lösungen auch dort, wo bislang eher eine wenig technik-affine Haltung seitens der Klientensysteme vermutet werden konnte. Online-Plattformen wie Zoom oder andere Videokonferenz-Anbieter machen derzeit rasante Umsatz- und Gewinnsprünge. Mittlerweile habe ich eine ganze Reihe von Supervisionen und Weiterbildungsseminaren online durchgeführt, und auch wenn die fehlende räumliche Präsenz einen Verlust an interaktionellen Erfahrungen, Lebendigkeit und zwischenmenschlichen Begegnungen mit sich bringt, zeigt sich, dass die Arbeit online durchaus nicht nur Schattenseiten hat, sondern auch produktiv genutzt werden kann. Die therapeutische Arbeit oder Coachings im Einzelsettung kann ich mir online nach wie vor nur als unvermeidbaren Ersatz für ein anders nicht realisierbares Setting vorstellen.

Emily Engelhardt beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema online-Beratung. 2014 hat sie im Kontext einen Artikel über Online-Supervision veröffentlicht, der sich allerdings noch primär mit text-basierter Supervision über e-Mail oder Chats auseinandersetzte. Im abstract heißt es: „Vor welchen Herausforderungen steht Supervision im sich stetig fortentwickelnden Zeitalter der Digitalisierung und Mediatisierung unserer Gesellschaft ? Wie kann mit den gesellschaftlichen Veränderungen, die sich hierdurch auch für das Feld der Supervision ergeben, sinnvoll umgegangen werden? Die psychosoziale Beratung hat hierauf in den letzten zehn Jahren erste Antworten gefunden. Die immer stärkere Verbreitung von Onlineberatung als zusätzliches (oder eigenständiges) Beratungsangebot spiegelt sich in der Vielzahl der im Internet aufrufbaren Beratungsangebote wider. Supervision als »Sonderform« von Beratung wird sich in den nächsten Jahren dieser Entwicklung stellen müssen. Adäquate Angebote sind derzeit nur sehr vereinzelt zu finden. Eine klare Positionierung der Fachverbände für Supervision steht noch aus, ebenso die Entwicklung von Qualitätsstandards sowie spezifizierten Ausbildungen im Bereich der Online-Su- pervision (Höllriegel, 2013). Wenn Reflexion ein wesentlicher Aspekt von Supervision ist, müssen Supervisionskonzepte so gestaltet sein, dass sie Reflexion zulassen. Das bedeutet insbesondere, dass sich Supervisor/-innen als Verantwortliche für den Beratungsprozess Gedanken darüber machen müssen, in welchem Setting und mit welchen Methoden sie ihr Supervisionsangebot gestalten. Der Artikel gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der Online-Supervision, ihren besonderen Charakter und leitet Entwicklungsaufgaben für die Zukunft ab.“

Aktuell hat sie einen interessanten Blog in die Welt gesetzt, der sich in Texten und Podcasts u.a. mit dem Thema Online-Beratung in Corona-Zeiten beschäftigt. Wer sich mit diesen Fragen, den Medien, Methoden und auch den praxeologischen und ethischen Implikationen beschäftigen möchte (und das dürfte im Moment und in Zukunft sehr viele von uns betreffen), sollte diesen Blog einmal besuchen.

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