
Am 25. Oktober letzten Jahres ist Sepp Duss-von Werdt im Alter von 87 Jahren gestorben. Er war ein bedeutsamer Pionier der Familientherapie und der Mediation im systemischen Feld. Wolf Ritscher würdigt sein Leben und Werk an dieser Stelle mit einem ausführlichen Text, der in gekürzter Form auch im „Entlebucher Anzeiger“, eine Zeitung aus dem Tal, in dem Sepp Duss- von Werdt als Kind und Jugendlicher zu Hause war, erscheinen wird.
Wolf Ritscher: Für Joseph Duss – von Werdt (1932 – 2019) – Philosoph, Familien- und Paartherapeut, Mediator, Forscher, Mensch – eine Würdigung in kollegialer, geistiger und freundschaftlicher Verbundenheit
Meine Gedanken zu Joseph (Sepp) Duss von Werdt sind vor allem geprägt durch (leider viel zu seltene) persönliche Begegnungen und einige seiner vielen Veröffentlichungen über Familientherapie, Paartherapie und Mediation. Unser Interview, das ich mit ihm für die Zeitschrift KONTEXT führen durfte, gehört zu meinen mich am tiefsten bewegenden Begegnungen im fachlichen Rahmen. Diese Begegnung – Sepp hatte für dieses Interview auch das Motto Leben ist Begegnung gewählt – war eben nicht nur fachlich, sondern zutiefst persönlich, von Beginn an durch eine freundliche und verstehende kommunikative Bezogenheit aufeinander geprägt. Schon mit dem Begrüßungshandschlag, dem freundlichen Blick, der in den Raum einladenden Geste wurde ein Klima des Willkommens und des geistigen Austausches geschaffen, das sich als roter Faden durch das ganze Gespräch zog. Seine humanistische Bildung faszinierte mich – Geschichte, Kunst, Musik Sprachen, Literatur, Physik, Politik, Philosophie waren für ihn gelebte Felder, in denen er sich reflektierend, erkundend, handelnd ganz selbstverständlich bewegte. Er verstand alte und neue Sprachen, spielte Klavier, sang, reiste, wanderte – und das alles neben seinen engeren fachlichen und beruflichen Tätigkeiten. Trotz seiner umfassenden humanistischen Bildung war Sepp nie selbstgerecht, anmaßend und seine Wahrheit zum Maß aller Dinge erklärend. Nie wollte er belehren, sondern vor allem fragen. Und er war neugierig auf Antworten, denn sie sollten neue Fragen ermöglichen. Ihm ging es nicht um die Bestätigung vorab festgelegter Wahrheiten und (Vor-)Urteile, sondern um das Gespräch in der Begegnung. In diesem sich im „Zwischen“ (Martin Buber) ereignenden Dialog werden aus sich selbst heraus Ideen, Phantasien, Pläne und Konzepte freigesetzt, die wir, die DialogpartnerInnen, dann er-greifen, be-greifen und durch daran anschließende Fragen weiterentwickeln können. Diese Grundhaltung der auf den Anderen bezogenen Offenheit, Neugier, Allparteilichkeit, Unbestechlichkeit und Akzeptanz, die seinem Lebenskonzept entspracht ist genau das, was ein Mediator/eine Mediatorin braucht, um wirksam zu sein. Angestoßen durch eine aus den USA zurückkehrende Psychologin kam er in Kontakt mit der sich damals dort ausbreitenden Mediation und wusste, dass diese Arbeitsform zu seiner professionellen Haltung und persönlichen Einstellung passte. So verschob sich sein Arbeitsschwerpunkt von der Familien- und Paartherapie zu diesem neuen-alten Modell der Konfliktbewältigung und er wurde einer ihrer Pioniere in der Schweiz, in Österreich, Deutschland und Frankreich.
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