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Heilauftrag? Jenseits? Begriffe, die selbst schon wieder einen eigenen Diskurs in Gang bringen könnten. Gemeint ist die Praxis der Systemischen Therapie in unterschiedlichsten psychosozialen Arbeitsfeldern, die vom größten Teil der Systemischen TherapeutInnen erbracht wird, aber nicht unter die kassenfinanzierte Psychotherapie fällt. Tanja Kuhnert und Mathias Berg haben einen Sammelband mit konzeptuellen und praxisorientierten Beiträgen zu diesen Arbeitsbereichen herausgegeben, der im vergangenen Jahr bei Vandenhoeck & Ruprecht erschienen ist und ein differenziertes Bild auf die vielseitigen Arbeitsfelder, aber auch die Kontroversen wirft, die das systemische Feld seit Beginn der Bemühungen um die Anerkennung als Richtlinienverfahren der Psychotherapie führt. Andreas Wahlster hat das Buch für systemagazin rezensiert.
Andreas Wahlster, Ladenburg:
Als Tom Levold mich fragte, ob ich eine Rezension zum vorliegenden Buch schreiben wolle, war ich durchaus ambivalent zwischen dem Opfern von knapper privater Freizeit zum Schreiben und der Neugier auf ein Fachbuch mit substantiellen Beiträgen aus Kontexten, die mir in ihrer Vielschichtigkeit und Komplexität aus eigener Berufserfahrung zum Teil bekannt sind. Ich habe mich richtig entschieden.
Die inhaltliche Struktur des Buches ist in sich schlüssig und wird in einer jeweils vorangehenden Einleitung zu den fünf Kapiteln wie auch in der Einführung anschaulich erläutert.
Rainer Schwing positioniert sich in seinem Vorwort deutlich. Insgesamt bewertet er die sozialrechtliche Anerkennung der systemischen Therapie als großartigen Erfolg. Er wirft jedoch auch einen differenzierenden Blick auf die Frage, wie sich dies auf die Arbeitsbedingungen der vielen Systemischen Therapeut*innen, sowie auf die Möglichkeiten auswirken wird, dass die unterschiedlichen Berufsgruppen in den systemischen Weiterbildungsgängen gemeinsam voneinander lernen.
Kuhnert und Berg geben in ihrer Einführung das Leitmotiv des Buches vor: Was bedeuten „Systemisch denken, therapeutisch handeln (…) jenseits von Approbation und Heilauftrag“? Das eröffnet ein weites Feld und führt zu der Aufgabe, „alle jene Kontexte beispielhaft für die Vielfalt systemtherapeutischer Arbeit zu beleuchten“. Dafür hatten Kuhnert und Berg ziemlich gute Scheinwerfer, die auch die Ecken ausleuchteten. Es würde den Umfang einer Rezension überdehnen, wenn hier alle Beiträge der insgesamt fünfundzwanzig Autor*innen genannt würden, so sei mir meine subjektive Auswahl verziehen.
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