systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

1. August 2011
von Tom Levold
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Kann Liebe Arbeit sein? Überlegungen zum Verhältnis von Staat und Familie

Bruno Hildenbrand, Professor für Soziologie an der Universität Jena (Arbeitsbereich Sozialisationstheorie und Mikrosoziologie) und Lehrtherapeut am Ausbildungsinstitut Meilen in Zürich, hat in der neuen Ausgabe des online-Magazins paraplui eine Polemik gegen die Enteignung der Familie durch die öffentliche Erziehung und die Idee der Familienarbeit als Erwerbsarbeit verfasst, die er selbst folgendermaßen zusammenfasst:„Ich habe diesen Beitrag begonnen mit einer kritischen Betrachtung der Idee, Familienarbeit zu bezahlen, dann meine Auffassung deutlich gemacht, dass Familienleben und Lohnarbeit durch unterschiedliche, nicht austauschbare Solidaritäten gekennzeichnet sind, und schließlich die Idee von der bezahlten Familienarbeit in einen umfassenderen Kontext gestellt. Sieht man diese Idee zusammen mit der Ausweitung öffentlicher Kindererziehung, dann zeigt sich folgendes Bild: Wir befinden uns in Deutschland derzeit in einer Phase der zunehmenden Enteignung von Familien. Diese Enteignung wird nicht als das bezeichnet, was sie ist, nämlich als ein Übergriff. Stattdessen wird sie als wohlfahrtstaatliches Handeln verkauft. Tatsächlich aber geht es darum, die Familie an die Kandare zu nehmen. Die Idee von der bezahlten Familienarbeit ist nur ein Bauer in diesem Spiel“
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31. Juli 2011
von Tom Levold
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Barblas Weisheit

Eine Antwort auf die Frage, wer meine weiblichen Vorbilder seien, fällt mir leicht. Es sind zwei: meine Mutter und Barbla. Barbla ist 82, gelernte Handarbeitslehrerin und Bäuerin, Mutter von fünf, Großmutter und Urgroßmutter von ungezählten Kindern. Ihr Haus liegt an der Straße, durch die sich bis vor zwei Jahrzehnten der ganze Nord-Süd-Verkehr zwängte. Jetzt ist es ruhig hier.
Unser Besuch beginnt wie immer mit dem Gang zum Friedhof, wo nebeneinander Barblas Mann und Bruder liegen, vor 20 Jahren im selben Jahr an Krebs gestorben. Seit kurzem ist auch ihr ältester Sohn Gian neben ihnen begraben. Damals, als sein Vater erkrankte, hat Gian das elterliche Höflein übernommen und mit Hilfe seiner Familie zu einem Hof ausgebaut, der heute der schönste ist im Dorf. Kurz vor seinem Krebstod mit 58 übergab Gian den Hof seinem ältesten Sohn. Barbla steht mit uns vor den drei Gräbern und wischt sich die Tränen weg. In unserer Familie gibt es seit Generationen Krebs, sagt sie, und es trifft fast immer die Männer, niemand weiss warum.
Der zweite Teil des Rituals ist das sonntägliche Mittagessen im «Crusch Alba», eingehüllt in herzliche Gemeinschaft. Die alten Geschichten bekommen ihren Platz, wie schon oft. Vor über 40 Jahren bin ich, direkt aus dem Palace-Hotel, wo ich meine erste Erfahrung mit der grossen Welt machte, in dieses kleine Dorf gekommen. Ich war jung und unsicher, was aus mir werden sollte, und wollte nicht planlos ins Unterland zurück. So kam ich über die Praktikantinnenhilfe ins Tal. Im Postauto saßen Frauen in schwarzen Kleidern, die einen fremden romanischen Dialekt redeten, die Passstrasse war staubig, das Tal arm und am Ende der Welt. In ihrer Küche kniete Barbla und fegte den rohen Holzboden. Kurz darauf musste sie einige Tage ins Spital, und ich war allein mit der grossen Familie, einem Holzherd und einem Spirituskocher für die Milchflasche des Säuglings; Tagwache um 5 Uhr. Seine Windeln wusch ich am kalten Dorfbrunnen.
Dann, als Barbla zurückkam, wurden wir Freundinnen. Sie, kaum je über das Tal hinausgekommen, hat mir bei der Haus- und Feldarbeit zugehört und mich ermutigt, meine halb ausgedrückten Ideen abzurunden. Sie erfand Visionen für mich wie noch niemand auf der Welt.
Der dritte Teil des Rituals ist, dass wir in Barblas Stube bei Iva-Schnaps sitzen. Die Sonntagsbesuche von Familienangehörigen, vor allem jungen, reissen nicht ab, bis wir die Heimfahrt antreten. Nichts von Vereinsamung im Alter. Barbla ist im Zentrum von Liebe und Respekt, eine weise alte Frau, die neugierig bleibt auf Leben und sich nur einmischt, wenn sie gefragt wird.

Im Jahre 2002 hat die im vergangenen Jahr verstorbene systemische Paartherapeutin Rosmarie Welter-Enderlin allwöchentlich Sonntags in der Neuen Zürcher Zeitung eine Kolummne mit dem schönen Titel„Paarlauf“ veröffentlicht, in der sie kleine Beobachtungen und Geschichten aus ihrer paartherapeutischen Praxis für ein größeres Publikum zugänglich machte. Rudolf Welter hat aus diesen Beiträgen eine kleine Broschüre zum Andenken an Rosmarie Welter-Enderlin gestaltet. Mit seiner freundlichen Erlaubnis können die LeserInnen des systemagazin an diesen Sonntagen die Texte auch online lesen.

28. Juli 2011
von Tom Levold
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Achtsamkeit und Weisheit in der Suchttherapie — zur tiefensystemischen Bearbeitung von mental-somatischen Modellen

Vor einer Woche wurde an dieser Stelle die Rezension des Bandes„Tiefensystemik – Wege aus der Süchtigkeit finden“ von Rudolf Klein vorgestellt. Die Autoren des Buches, Leo Gürtler, Urban Studer und Gerhard Scholz haben einen Artikel über ihren Ansatz geschrieben, der auch im Internet zu lesen ist und der erstmals 2007 im von Ulrike Anderssen-Reuster herausgegebenen Band„Achtsamkeit in Psychotherapie und Psychosomatik. Haltung und Methode“ im Schattauer-Verlag erschienen. In der Zusammenfassung heißt es:„Dieser Artikel untersucht am Beispiel von Suchttherapie im schweizerischen Suchttherapiezentrum start again die tiefensystemische Bearbeitung von mental- somatischen Modellen. Mit der Tiefensystemik steht ein Instrument bereit, welches auf der Basis von Mitgefühl und Empathie anderen Menschen auf systematisch methodisch kontrollierte Weise hilft, die eigenen mentalen Modelle zu hinterfragen und schrittweise aufzulösen, um die persönliche Entwicklung zu unterstützen. Hierbei steht die Hilfe zur Selbsthilfe im Vordergrund. Die Tiefenauseinandersetzung mit den eigenen mentalen Modellen (z.B. mit der eigenen Süchtigkeit) wird durch die transformatorische Praxis von Anapana-sati und Vipassana-Meditation — Achtsamkeit und Weisheit — realisiert. Der Einsatzbereich der Tiefensystemik beschränkt sich jedoch nicht nur auf professionelle Suchttherapie. Vielmehr kann die Tiefensystemik bei angemessener Abstimmung in ganz unterschiedlichen Kontexten eingesetzt werden. Dazu gehören etwa das Gesundheitswesen, Case-Management, Coaching sowie ganz allgemein die Förderung von Potenzialen und Kompetenzen wie z.B. Personalführung oder Talentförderung im Sport“
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27. Juli 2011
von Tom Levold
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Top 10 Mistakes in Behavior Change

Top 10 Mistakes in Behavior Change

23. Juli 2011
von Tom Levold
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Mediation

Die vorliegende neue Ausgabe der„Familiendynamik“ enthält wieder eine ganze Reihe sehr spannender und lesenswerter Artikel. Kurt Ludewig stellt nach einem gründlichen Überblick über verschiedene Spielarten von Theorien über Psychische Systeme, Selbst bzw. Identität seine jüngsten Überlegungen zu einer Theorie des Psychischen unter dem Schlüsselbegriff„Polyphrenie“ vor. Schwerpunktthema des Heftes, von Nicola Neuvians und Arist von Schlippe als Herausgeber betreut, ist die Konflikt-Mediation. Die beiden Herausgeber leiten in ihrem Editorial dieses Thema anregend ein:„Konflikte sind jedem Menschen aus dem Alltag bekannt. Doch obwohl sie allgegenwärtge und wiederkehrende Phänomene sind, werden sie meist eher als schwierig und trennend erlebt. Die verbindende Seite des Konflikts wird dabei häufig übersehen. Ist ein Konflikt eine Bagatelle, berührt er uns nicht. Ist er dagegen ein eskalierter Widerspruch, also ein Widerspruch, der über die übliche Bekundung einer anderen Ansicht hinausgeht, bekommt er einen bindenden Charakter und eine beobachtbare Eigenlogik, die von enormer Präsenz sein kann“ Die Beiträge zum Thema gelten der Familienmediation, der Mediation in Paarkonflikten und der„Narrativen Mediation“ als Konfliktlösungsansatz, zudem gibt es noch ein Interview mit dem Landgerichtspräsidenten und Mediator Antonius Fahnemann. Mit den üblichen Rubriken und weiteren Beiträgen, u.a. des Philosophen Wilhelm Schmid über die Liebe, ist ein prall gefülltes Sommerheft zur Ferienlektüre geworden.
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22. Juli 2011
von Tom Levold
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Zwischen Kur und Optimierung: Körper als Problem

Der Zürcher Historiker Peter-Paul Bänziger, der sich mit der Geschichte des Beratungs- und Therapie-Zeitalters und der Sexualitätsgeschichte beschäftigt, hat in einer interessanten Analyse von Briefen an die Ratgeberkolumne„Liebe Marta“ die Selbstthematisierung des Körpers und der mit ihm verbundenen Probleme untersucht:„Auf der Basis von Briefen an die Ratgeberkolumne «Liebe Marta» wird untersucht, wie die Ratsuchenden ihre Körper problematisieren. Dabei zeigt sich, dass die Kur rein medizinisch indizierter Krankheiten kaum eine Rolle spielte. Ausnahmen sind hauptsächlich in jenen Fällen zu finden, wo die bisherigen Therapieversuche erfolglos blieben oder keine Therapie möglich war. Hier fungierte die «Liebe Marta» als Beraterin im Feld der zahlreichen und widersprüchlichen therapeutischen Angebote. In den meisten anderen Fällen hingegen waren die Körper zum Problem geworden, weil sie nicht den jeweils vorherrschenden Normen entsprachen. Sie wurden als Gegenstand sozialer Anforderungen thematisiert, was sich an Briefen zu «Inter-» und «Transsexualität» genau so zeigen lässt, wie an jenen Texten, die ästhetische Vorstellungen thematisieren. Es ging den meisten Personen jedoch nicht darum, einen schöneren oder besseren Körper als die anderen zu haben, sondern einen vergleichbaren. Den eigenen Körper zu optimieren, bedeutet in diesen Fällen also lediglich, ein gesellschaftlich bedingtes Leiden zu kurieren“
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21. Juli 2011
von Tom Levold
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Tiefensystemik

„Drogensucht gilt zu Unrecht als unveränderbar. Eine Heilung von Drogensucht bzw. von habitueller Süchtigkeit ist aus Sicht der Autoren jedoch möglich. Von Genesung und vom langfristigen Ziel Heilung von Süchtigkeit handelt dieses Buch. Ausgehend von den Grundsätzen systemischer Therapie und Beratung wird ein eigenes Modell entwickelt — die Tiefensystemik. Sie erweitert das klassische systemische Modell durch die„geistige“ Dimension mental-somatischer Modelle. Kernpunkt der Arbeit mit Süchtigen ist die Auffassung, dass diese die Reorganisation ihrer eigenen Wahrnehmungs- und Kognitionsweisen selbst vollziehen müssen. Als Instrument zur Realisierung dieser Strukturtransformation dient Vipassana-Meditation, die ethische Lebensführung, Konzentration des Geistes und Arbeit an den eigenen mental-somatischen Modellen bedeutet“, so der Verlags-Text zum Buch von Leo Gürtler, Urban Studer und Gerhard Schröder, die gemeinsam als Therapeuten und Therapieforscher im suchttherapeutischen Projekt„start again“ in der Schweiz aktiv sind und ein umfangreiches Buch über„Wege aus der Süchtigkeit“ verfasst haben. Rudolf Klein aus Merzig hat das Buch für systemagazin gelesen und kritisch rezensiert:„Ich halte das Buch trotz der kritischen Anmerkungen für empfehlenswert, obwohl (besser: weil) es keine leichte Kost bereitstellt. Es werden interessante Verknüpfungen hergestellt, die wichtige Hinweise und Denkanstöße für die Therapie drogenabhängiger KlientInnen liefern können. Und letztlich bietet es eine sehr umfassende Materialsammlung, die immer wieder zum Nachschlagen genutzt werden kann“
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20. Juli 2011
von Tom Levold
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systeme 1/2011

Die neue Ausgabe von systeme ist relativ schmal geraten und enthält neben einigen Rezensionen drei Beiträge über die Therapeutische Begegnung (Ulrike Borst), ein inklusiven kinder- und jugendpsychiatrisches Versorgungssystem aus sozialkonstruktionistischer Perspektive (Eugene Epstein) und Systemische Erlebnispädagogik (Bettina Grote).
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