Im hohen Alter von 100 Jahren ist vorgestern der amerikanische Psychologe Jerome Bruner gestorben. Er war ab 1952 Professor für Psychologie in Harvard, wechselte 1972 nach Oxford und arbeitete seit 1980 an der School of Law der New York University. Neben zahlreichen Arbeiten zur Entwicklungs- und Lernpsychologie, die stark von der Rezeption des russischen Entwicklungs- und Sprachpsychologen Lew Vygotski beeinflusst waren, beschäftigte sich Bruner mit der Bedeutung von Konzepten, die Menschen benutzen, um die Umwelt zu vereinfachen und herauszufinden, wie sie in dieser agieren sollen. In Wikipedia heißt es: „Bruner plädiert dafür, der ,Bedeutung’ als einem zentralen psychologischen Konzept mehr Geltung zu verschaffen. Die Konstruktion von Bedeutung – damit ist die Frage gemeint, wie Menschen aus dem Durcheinander physikalischer Sinneseindrücke einen Sinn entwickeln – soll nach Bruner verstärkt erforscht werden. Die Bedeutung des Selbst im Kontext der Kultur greift Bruner in jüngeren Schriften ebenso auf. Eine Erklärung des menschlichen Zustandes kann keinen Sinn ergeben, ,wenn sie nicht im Licht der Symbolwelt interpretiert wird, die die Grundlage menschlicher Kultur bildet’, schreibt Bruner 1990.“ Bruner ist ein wichtiger Wegbereiter des narrativen Ansatzes gewesen, sein Buch „Acts of Meaning“ aus dem Jahre 1991 ist 1997 auf Deutsch im Carl-Auer-Verlag unter dem Titel „Sinn, Kultur und Ich-Identität. Zur Kulturpsychologie des Sinns“ erschienen, aber mittlerweile leider vergriffen.
2004 ist ein sehr schöner Text aus dem Jahre 1987 in der Zeitschrift Social Research neu abgedruckt worden, der sich mit der Konstruktion des eigenen Lebens als Narrativ beschäftigt – und der Frage, inwiefern gelebtes Leben und erzähltes Leben wechselseitig aufeinander bezogen sind. In Bruners Worten: „The first thesis is this: We seem to have no other way of describing ,lived time’ save in the form of a narrative. Which is not to say that there are not other temporal forms that can be imposed on the experience of time, but none of them succeeds in capturing the sense of lived time: not clock or calendrical time forms, not serial or cyclical orders, not any of these. (…) My second thesis is that the mimesis between life so-called and narrative is a two-way affair: that is to say, just as art imitates life in Aristotle’s sense, so, in Oscar Wilde’s, life imitates art. Narrative imitates life, life imitates narrative. ,Life’ in this sense is the same kind of construction of the human imagination as ,a narrative’ is. It is constructed by human beings through active ratiocination, by the same kind of ratiocination through which we construct narratives. When somebody tells you his life—and that is principally what we shall be talking about—it is always a cognitive achievement rather than a through-the-clear-crystal recital of something univocally given.“
Den vollständige Text kann man hier online lesen…