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Fröhliche Wissenschaft

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Der„Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie” (WBP) unter dem derzeitigen Vorsitz von Manfred Cierpka und Dietmar Schulte erstellt nach Selbstauskunft auf seiner website„u. a. nach § 11 des Psychotherapeutengesetzes Gutachten zur wissenschaftlichen Anerkennung von Psychotherapieverfahren“. Manche systemisch orientierte Menschen mögen jetzt glauben, dass die Welt der Wissenschaft wieder in Ordnung sei, nachdem der WBP im Dezember die wissenschaftliche Fundierung der Systemischen Therapie anerkannt habe. Daran darf man aber auch zweifeln. Schaut man in der Wikipedia unter Wissenschaft nach, findet man unter der Rubrik„Werte der Wissenschaft” folgende interessanten Sätze:„Ignoriert die Wissenschaft vorsätzlich Argumente, spricht man meist von Pseudowissenschaft. Lässt sie sich zum Spielball politischer oder finanzieller Interessen machen, indem sie zugunsten solcher Interessen bewusst wesentliche Aspekte ausblendet, spricht man von Junk Science“. Auch wenn man den WBP wissenschaftssoziologisch durchaus einmal als Spielball politischer oder finanzieller Interessen untersuchen sollte, scheint es doch nur schwer vorstellbar, dass dieser vorsätzlich Argumente ignorieren oder ausblenden könnte. Wir gehen daher einfach mal von einem, na sagen wir: Versehen aus. Im November 2007 hat nämlich der Wissenschaftliche Beirat in einer Version 2.6 sein sogenanntes Methodenpapier veröffentlicht, in dem„Verfahrensregeln zur Beurteilung der wissenschaftlichen Anerkennung von Methoden und Verfahren der Psychotherapie” festgelegt wurden, eben jene Regeln, nach denen die Systemische Therapie übrigens ihren Segen nicht bekommen hätte, weil sie das darin enthaltene sogenannte„Schwellenkriterium” nicht erfüllt. Der Schönheitsfehler des 40-seitigen Methodenpapiers lag in einem abweichenden dreiseitigen Votum (S. 38-40) des damaligen (systemisch orientierten) WBP-Mitglieds Jürgen Kriz, der darin u.a. monierte, dass sich das Papier„als ein Bollwerk dafür verwenden (ließe), um in der internationalen Wissenschaft angesehene Verfahren in Deutschland nicht wieder für die ambulante Versorgung und die Ausbildung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zuzulassen“. Ein solcher Vorwurf unter Wissenschaftlern hätte natürlich für eine öffentliche Debatte (und was lieben echte Wissenschaftler mehr) darüber sorgen können, wie denn überhaupt Urteile über Wissenschaftlichkeit zustande kommen. Hat es aber nicht. Als ich aus aktuellem Anlass noch einmal das Minderheitenvotum nachlesen wollte, musste ich feststellen, dass mittlerweile eine neue Version 2.6.1 auf der website des WBP zu finden ist. Als Freund von updates freute ich mich sogleich auf neue Texte, Materialien und womöglich kritische Anmerkungen, die die längst fällige selbstkritische Debatte in Gang bringen könnte. Weit gefehlt! Auf der ersten Seite findet sich folgender Erläuterungstext:„Verabschiedet auf der Sitzung des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie am 8. Oktober 2007 sowie in einer nachfolgenden schriftlichen Abstimmung am 21. November 2007. In der Sitzung des Beirats vom 26.März 2009 wurde eine Klarstellung der Fußnoten 2 und 3 beschlossen. [Änderungen gegenüber der Fassung 2.6 sind graphisch hervorgehoben]“. Interessanterweise wird in der„Klarstellung der Fußnoten” aber nur darauf verwiesen, dass sich seit 2007 keine inhaltliche Änderungen ergeben haben. Nun wäre die Aktualisierung eines Dokumentes wegen absolut unbedeutender Fußnoten überhaupt kein Thema, wäre diese Fassung nicht drei Seiten kürzer als die Vorherige. Was nämlich plötzlich fehlt, sind die Seiten 38-40, also das Minderheitenvotum von Jürgen Kriz, das natürlich Teil der im November 2007 verabschiedeten Fassung ist. Diese Kürzung wurde weder graphisch hervorgehoben noch an irgendeiner anderen Stelle der neuen Version erwähnt. Böse Zungen könnten meinen, der WBP habe womöglich vor der Verhandlung am 30.4.2009 vor dem Bundesverwaltungsgericht den Eindruck erwecken wollen, mit einer Stimme zu sprechen und die Gelegenheit ausgenutzt, dass Jürgen Kriz seit Jahresende 2008 dem Beirat nicht mehr angehört. Da der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie – wie gesagt – über jeden Vorwurf von Pseudowissenschaft oder gar Junk Science erhaben ist, kommt aber nur ein versehentliches Löschen in Frage, man darf also davon ausgehen, dass dieser Fehler alsbald korrigiert werden wird. In der Zwischenzeit kann auf die Version 2.6 (die ich versehentlich abgespeichert hatte) auch im systemagazin zurückgegriffen werden,
und zwar hier…

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