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„Ressourcenorientierte Aggressionsprävention“

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Aggressives Verhalten von Kindern und Jugendlichen ist eines der häufigsten Themen, die in Erziehungs- und Familienberatung, wie auch in kinder- und jugendtherapeutischen Praxen zur Sprache kommen. Zwar hat Roland Schleiffer mit seinen Überlegungen zur funktionalen Analyse solchen Verhaltens eine gute Basis für ein konstruktives und interaktionelles Verständnis dieser Phänomene geliefert, doch ist für praktische Anregungen immer noch Bedarf. So wird „Ressourcenorientierte Aggressionsprävention“ aus systemischer Sicht zu einem Blickfang. Unter diesem Titel hat Eva Kneise im Juli 2008 ihre Dissertation an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln abgeliefert, mit dem Untertitel: „Zu den Chancen ressourcenorientierter Ansätze bei Aggression und Dissozialität von Jugendlichen aus pädagogischer Sicht“. Die Autorin (Foto: Universität Köln) geht von der Unterscheidung zwischen Ursachenanalyse und „Begründungen des eigenen Verhaltens und dessen Beurteilung im Nachhinein“ aus. Es gehe „also um die subjektiven Rekonstruktionen des eigenen Handelns und die Frage, wann Heranwachsende eine Konsistenz zwischen ihrem moralischen Denken, Fühlen und Handeln herausbilden“ (S.17). Im weitesten Sinne lässt sich hier eine Querverbindung zu der von Hans Lieb herausgearbeiteten Idee der Kontextsensibilität als genuin systemischer Wirkvariable herauslesen. Mit den Worten der Autorin: „Die Arbeit (…) stellt die Frage nach den Chancen einer pädagogisch-ressourcenorientierten Prävention von Aggression und Dissozialität bei Jugendlichen in den Mittelpunkt, die diese nicht primär als ‚Störer‘ oder ‚Gestörte‘ wahrnimmt, sondern vielmehr deren Stärken und kompetenten Anteile als Ausgangs- und Angelpunkt pädagogischer Förderprozesse in den Fokus rückt (S.17f.). In ihrem Fazit unterstreicht Eva Kneise ihre zentrale These, dass „(e)rst eine systemisch-ressourcenorientierte Blickwendung auf das Phänomen der Aggression ermöglicht, (…) pädagogisch angemessene und nachhaltige Zugangsweisen zur Bearbeitung und Präventionjugendlicher Dissozialität“ zu entwickeln. „Ein solcher Perspektivenwechsel, wie er sich im Zuge von Konzeptionen der Salutogenese und der entwicklungspsychologischen Resilienzforschung ergibt, macht darauf aufmerksam, Heranwachsende stärker auch in ihren positiven Möglichkeiten und individuellen Stärken wahrzunehmen und zu fördern. Ebenso werden durch eine Verbindung mit humanökologischen Konzeptionen soziale Unterstützungsmöglichkeiten in den bedeutsamen Umwelten sowie Optionen zur Erleichterung und Gestaltung ökologischer Übergänge systematisch gesucht und ausgebaut“ (S.259). Und weiter heißt es: „Diese Perspektive legt es dann nahe, Dissozialität auch als subjektiv sinnvolles Bewältigungsverhalten zu begreifen und in seinem Zusammenwirken mit verschiedenen, den Heranwachsenden umgebenden Einflüssen seiner Umwelten zu verstehen. Aggressiv-dissoziales Verhalten wird entsprechend als Bewältigungsversuch erkannt, um Orientierung und Kontrolle in subjektiv unübersichtlichen oder undurchschaubaren sozialen Konfliktsituationen zurück zu gewinnen. Das Ausblenden oder Neutralisieren moralischer Anforderungen in stressigen Sozialsituationen dient dabei dem Erhalt eines positiven Selbstbildes als ‚gute‘ bzw. ‚moralische‘ Person und somit zum Schutz und zur Stabilisierung des Selbstwertes“ (S.260). Am Ende resümiert Kneise, dass „(a)ufs Ganze betrachtet (…) die Stärke und Überzeugungskraft des systemisch-ressourcenorientierten Ansatzes vor allem in dem Perspektivenwechsel (liegt), der die Fixierung auf Lern- und Verhaltensprobleme aufgibt, dadurch dass Probleme grundsätzlich im Verhältnis zu den Stärken des Individuums und im Zusammenhang mit biographischen wie lebensweltlichen Bedingungen betrachtet werden. Diese Sichtweise rückt konsequent die Aktivierung und Erschließung individueller Vermögen und Fähigkeiten sowie potentiell verfügbarer Ressourcen und Unterstützungsmöglichkeiten aus den zentralen Lebenswelten in den Vordergrund“ (S. 262). Die Dissertation von Eva Kneise ist (kapitelweise) im Volltext verfügbar,
und zwar hier …

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