systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

13. Januar 2015
von Tom Levold
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Staunen, Humor, Mut und Skepsis

Thomas Stölzel (2012): Staunen, Humor, Mut und Skepsis

Thomas Stölzel (2012): Staunen, Humor, Mut und Skepsis

Rainer Zech, Hannover:

Seit über 25 Jahren bin ich Organisationsberater und leidenschaftlicher Laie in Sachen Philosophie. Bisher hatte ich mir meinen persönlichen Reim aus der Philosophie für meine beraterische Praxis gemacht. Da stieß ich auf das genannte Buch und erhoffte mir hier professionelle Unterstützung.

Thomas Stölzel baut sein Buch um die im Titel genannten Kompetenzen Staunen, Humor, Mut und Skepsis auf. Zunächst erfolgt allerdings auf den ersten rund 100 Seiten (einem Drittel des Gesamtwerkes) eine grundlegende Einführung der Bedeutung der Philosophie für die beraterische Praxis. Was an diesem Buch fasziniert, beginnt gleich hier. Der Autor legt Wert auf den verantwortlichen Umgang mit Begriffen, die er – zur Freude des Rezensenten – immer etymologisch herleitet, denn die üblicherweise verwendeten fixen Definitionen entpuppen sich nicht selten nur als stabile Vorurteile. Philosophie ist für den Autor daher auch kein Kanon historischer Lehrmeinungen und Erkenntnisse, sondern eine praktische Anleitung zum Selberdenken gemäß dem Kant’schen auf Horaz zurückgehenden Motto »Sapere aude« – Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen. Weiterlesen →

12. Januar 2015
von Tom Levold
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Petition „Therapievielfalt für Deutschland“ online

Seit dem 6. Januar ist ist vom Petitionsausschuss des deutschen Bundestags die Petition zur Anerkennung der systemischen und der humanistischen Psychotherapie auf dem Bundestagsserver freigeschaltet und kann bis zum 3.2.dort auch unterzeichnet werden. Die Forderung lautet: „Mit der Petition wird gefordert, dass der Gesetzgeber den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beauftragt, zeitnah zu prüfen, die Systemische und die Humanistische Psychotherapie in die Richtlinien aufzunehmen und damit dort die Psychotherapie in ihren vier Grundorientierungen abzubilden. Hiermit soll auch der 1998 im Zuge des Psychotherapeutengesetzes erfolgte Ausschluss dieser Verfahren aufgehoben werden.“ Informationen über die Initiative gibt es hier. Und hier kann man die Petition zeichnen!

8. Januar 2015
von Tom Levold
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Die visuelle Analyse des Genogramms

Jürgen Beushausen

Jürgen Beushausen

2004 hat Jürgen Beushausen unter diesem Titel einen Artikel über den Einsatz von Genogrammen in der familientherapeutischen Arbeit im Kontext veröffentlicht, der auch im Wissensportal der DGSF online zur Verfügung steht. Im abstract heißt es: „Die Analyse von Genogrammen gehört zum Standardrepertoire familien-therapeutischer Techniken Mit diesem Verfahren kann ein umfassender Überblick über die komplexen familiären Beziehungen und Strukturen mehrerer Generationen gewonnen werden. In diesem Rahmen bietet die visuelle Analyse eines von Klienten gezeichneten Genogramms zusätzliche sinnvolle Hinweise für die Exploration individueller und familienspezifischer Themen. Mit der visuellen Analyse wird ein Beitrag zur Weiterentwicklung der Arbeit mit Genogrammen vorgestellt. Einleitend wird ein Überblick über die Genogrammarbeit gegeben, um dann Aspekte der visuellen Analyse an Hand von Beispielen zu diskutieren.“
Zum vollständigen Text geht es hier…

7. Januar 2015
von Tom Levold
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Gisal Wnuk-Gette wird 75!

Gisal Wnuk-Gette

Gisal Wnuk-Gette

Heute feiert Gisal Wnuk-Gette ihren 75. Geburtstag und kann mit ungebrochenem Elan und enormer Schaffenskraft auf ein bewegtes Leben zurückblicken. Für die systemische Bewegung hat sie in den vergangenen Jahrzehnten Außerordentliches als Lehrerin, Verbandspolitikerin und Organisatorin geleistet und viele Generationen von systemischen TherapeutInnen ausgebildet und inspiriert. Gemeinsam mit ihrem Mann Werner Wnuk hat sie das Wenger Mühle Centrum als Ausbildungsstätte aufgebaut. In ihrer Region des Ortenau-Kreises hat sie gemeinsam mit einem engagierten Team und der örtlichen Jugendhilfe ein innovatives und beeindruckendes Familientherapie-Projekt mit mehrfach belasteten Familien durchgeführt, das als Beispiel für eine systemisch inspirierte Jugendhilfe auch heute noch Gültigkeit hat (auch wenn sich die staatliche Jugendhilfe wieder davon entfernt). Sie hat als langjährige Vorsitzende des DFS entscheidenden Anteil an der Fusion mit der DAF zur DGSF im Jahre 2000 gehabt und als deutsche Vertreterin in der EFTA gewirkt. Gisal hat nur wenig veröffentlicht und ihre Stärke mehr im Aufbau und der Gestaltung von Beziehungen gesehen, eine Fähigkeit, die dazu führte, dass vieles praktische Gestalt angenommen hat, was sonst das Licht der Welt nie erblickt hätte. Bis 2002 hatten wir uns aus ganz unterschiedlichen Gründen eine ziemlich distanzierte Beziehung, sowohl inhaltlich als auch persönlich. Sie wurde zu einer wunderbaren Freundschaft, als wir gemeinsam mit Kurt Ludewig, Arist von Schlippe, Wilhelm Rotthaus, Anni Michelmann und Friedebert Kröger die große EFTA-Tagung im Berliner Kongress-Zentrum vorbereiteten und durchführten. Ihr phänomenales Organisationstalent und ihr Blick für das große Ganze wie für die Kleinigkeiten, die letzten Endes die Stimmung ausmachen, haben mich damals wie heute enorm beeindruckt. Jeder, der schon einmal bei ihr zu Gast war, weiß, wovon ich rede (und sie hat kein Problem damit, dafür zu Sorgen, dass sich auch 100 Gäste auf der Wenger Mühle zuhause fühlen). Über ihr Leben gäbe es viel zu sagen, Wolf Ritscher hat für den Kontext 2013 ein schönes Gespräch mit ihr geführt, in dem sie aus ihrer Geschichte erzählt: »Ich will von meinem Glück etwas abgeben«.

Zum Geburtstag wünsche ich Dir mit dem systemagazin und vielen Kolleginnen und Kollegen alles Gute, vor allem Gesundheit und weiterhin die Kraft und Energie für alle Projekte, die Du Dir noch vornimmst – beruflich und privat.

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6. Januar 2015
von Tom Levold
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Niklas Luhmann ernst nehmen? (Un-)Möglichkeiten einer ironischen Ethik öffentlicher Kommunikation

Hinter diesem schönen Titel steckt ein Text von Alexander Filipović, der im von Bernhard Debatin & und Rüdiger Funiok herausgegebenen Band „Kommunikations- und Medienethik. Grundlagen – Ansätze – Anwendungen“ 2003 im UVK-Verlag erschienen ist und sich mit der Frage beschäftigt, vor welchem Denk-Horizont heute eine Medienethik entwickelt werden kann. Der Aufsatz ist nicht nur für Medieninteressierte von Belang, sondern setzt sich allgemein mit der Frage der Möglichkeit und Unmöglichkeit einer Ethik aus systemtheoretischer Perspektive auseinander.

In der Einleitung heißt es: „Hier handelt es sich um die systemrationale Rekonstruktion des Gegenstandes einer Medienethik. Aber – und das ist der zweite Aspekt – Ethik selbst könnte ja „systemtheoretisch“ entwickelt werden. Mit „systemtheoretisch“ ist dabei nicht allein das System/Umwelt-Paradigma oder die Soziologie Luhmanns gemeint. Vielmehr ist der Denkhorizont entscheidend, der im Werk Niklas Luhmanns und bei denen, die sich auf ihn berufen, erkennbar ist. Die übergreifende Frage lautet also: Kann eine Medienethik ausgehend von dem Denkhorizont der Systemtheorie entwickelt werden? Es werden dafür aus pragmatischen Gründen hier in erster Linie Äußerungen Niklas Luhmanns herangezogen, so dass die erkenntnisleitende Frage für diese Überlegungen spezifiziert werden muss: Halten die hinsichtlich Moral und Ethik relevanten Äußerungen Niklas Luhmanns für eine Medienethik geeignete Anregungen bereit?“.

Der Text ist online zu lesen, und zwar hier…

5. Januar 2015
von Tom Levold
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Vom Umgang mit der Paradoxie Gleichheit und Differenz

Haja (Johann Jakob) Molter (Düsseldorf), Karin Nöcker (Frechen):

Zum Aufblühen von Kulturen kommt es, wenn auf eine Frage
von heute eine Antwort von morgen gegeben wird. Zum
Niedergang von Kulturen kommt es, wenn auf ein Problem
von heute eine Antwort von gestern gegeben wird.
Arnold Toynbee

„Unterschiede, die einen Unterschied machen“ (Bateson), ist ein immer wieder  gern zitierter Glaubenssatz in der systemischen Praxis.

Haja Molter

Haja Molter

„Deutschland hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem der beliebtesten Einwanderungsländer Europas entwickelt. In den 50er- und 60er-Jahren erfolgte die Zuwanderung in die Bundesrepublik Deutschland überwiegend aufgrund der Anwerbung von Arbeitsmigranten, in den 70er- und 80er-Jahren insbesondere durch den Familiennachzug. Seit den 90er-Jahren treten andere Wanderungsmotive in den Vordergrund. Hier sind deutschstämmige (Spät-)Aussiedler, Asylsuchende und Flüchtlinge sowie neue Formen der Arbeitsmigration, insbesondere Werkvertrags- und Saisonarbeitnehmer, zu nennen.

Zwischen 1991 und 2010 wanderten insgesamt 18 Millionen Menschen nach Deutschland ein.“ (Demografiebericht 2011, S.25)

Karin Nöcker

Karin Nöcker

Schaut man auf die Zahlen, fragen wir uns, ob der oben zitierte Glaubenssatz „Unterschiede, die einen Unterschied machen“ für die systemische Arbeit mit Menschen aus anderen Kulturen allein hilfreich ist,  um in Kooperation zu kommen.  Die nicht zu übersehenden Unterschiede, die sich bei Menschen aus anderen Kulturen im Verhältnis zu uns zeigen, bekommen  eine immens überhöhte Bedeutung.

  • Wie lassen sich diese Unterschiede mit dem Diktum: „alle Menschen sind gleich“ vereinbaren?
  • Wie lässt sich die Paradoxie Gleichheit und Differenz versöhnen?

In der Begegnung haben beide Seiten gleichermaßen eine Anpassungsleistung zu vollbringen. Diese Anpassungsleistung wird häufig nicht beobachtet und außer Acht gelassen, obwohl  sie alle an der Begegnung Beteiligten leisten müssen.

Der Begriff der Transkulturalität (Welsch 2002) greift dieses Dilemma auf. Damit ist gemeint, dass es notwendig ist, ein vielfältiges Verständnis für Kulturen zu erzeugen und den Blick nicht auf Ausgrenzung, sondern auf Anpassungsmöglichkeiten zu legen und somit nach Möglichkeiten für einen kulturellen Austausch zu suchen. Damit ist nicht Integration gemeint, sondern es geht darum, die Phänomene der Unterschiedlichkeit zu inkludieren. Weiterlesen →

4. Januar 2015
von Tom Levold
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Kontext 4/2014

Kontext 45(4) - 2014

Kontext 45(4) – 2014

Kurz vor den Feiertagen ist die letzte Kontext-Ausgabe 2014 erschienen. Im Editorial heißt es:

„Das aktuelle Heft ist als »freies Heft« also keinem spezifischen Thema zuzuordnen, sondern enthält eine Reihe von sehr anregenden und lesenswerten Beiträgen, die unterschiedliche theoretische, konzeptuelle, praktische und forschungsbezogene Akzente setzen und die Lebendigkeit des systemischen Feldes einmal mehr unter Beweis stellen.

Den Anfang macht Christoph Schneider, der sich Gedanken macht über das Begriffspaar Sinn und Struktur. Akzeptiert man das Luhmannsche Theorem, dass Sinn das Medium ist, vermittels dessen sich soziale und psychische Systeme strukturell koppeln, und den grundsätzlichen Verweisungszusammenhang darstellt, in dem Kommunikation und Denken jeweils für sich Anschlussmöglichkeiten auswählen, gibt es so etwas wie Sinnlosigkeit nicht, es sei denn, damit ist das Ende des Systems gemeint. Um dennoch das therapeutisch bekannte Thema von Sinnlosigkeit oder -mangel aufgreifen zu können, sucht Schneider im Anschluss an die Vorstellung unterschiedlicher Sinnbegriffe einen anderen, dritten Weg, der zwischen den polarisierten Kategorien von Sinn und Nicht-Sinn Zwischenräume ausloten will. Eine ähnliche Operation nimmt er mit dem Begriffspaar Struktur und Strukturlosigkeit vor. »Jenseits des Bezugs auf verlässlichen Sinn droht nicht zwangsläufig der abrupte Absturz in die Sinnlosigkeit, und hinter der Struktur lauert nicht unvermittelt das Schreckgespenst des Chaos. Es existieren vielmehr Übergangsräume und ›Zwischenlagen‹ (Giesen, 2010), die, dank ihrer klassifikationsfreien Offenheit und Unbestimmtheit, weder Sinn noch Sinnlosigkeit, weder Struktur noch ungeordnetes Chaos sind. Diese Übergangszonen zwischen Sinn und Sinnlosigkeit, zwischen Struktur und Chaos repräsentieren ein in der Schwebe gehaltenes Drittes …«. Dabei nimmt sein Text durchaus die eine oder andere kühne theoretische Wendung, was aber sein Anregungspotenzial nicht mindert, sondern eher vergrößert. Wer aufmerksam liest, wird Bezüge zu einem Konzept der Präsenz »diesseits der Hermeneutik« (H.-U. Gumbrecht) herstellen können, auch ohne dass hierauf im Text Bezug genommen würde: Das in der Schwebe gehaltene Dritte kann nämlich jenseits von Sinngebung oder Sinnverlust auch als unmittelbare und unvermittelte Begegnung verstanden werden, das sich als pure Resonanz einer Sinndeutung entzieht. Weiterlesen →

3. Januar 2015
von Tom Levold
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OSC 2014

OSC 2014: 21(4)

OSC 2014: 21(4)

Liebe Leserinnen und Leser,

zum Neuen Jahr wünsche ich Ihnen alles Gute – möge das ein gutes, friedliches und gesundes Jahr für uns alle sein!

Das vergangene Jahr war ein interessantes Jahr für das systemagazin, mit einem Re-Launch im Sommer und einem spannenden und diskussionsreichen Adventskalender im Dezember. Ich hoffe, dass die besseren Möglichkeiten zur Kommentierung auch in diesem Jahr dazu einladen, Stellungnahmen und Kommentare zu den einzelnen Beiträgen beizusteuern – das Systemische Feld braucht Debatten. Wenn Sie Lust haben, selbst einen Beitrag für das systemagazin zu verfassen, wäre das natürlich noch schöner: Ihre Texte sind mir jederzeit herzlich willkommen.

Ins neue Jahr startet systemagazin mit einer kleinen Zeitschriftenlese. Nach und nach wird das Archiv mit den bibliografischen Angaben der gelisteten Zeitschriften ins neue Layout überführt. Aktuell ist der 21. Jahrgang von OSC (Organisationsberatung Supervision Coaching) abgeschlossen, ein interessanter Jahrgang, der sich in seinen Themenheften unter anderem mit Reflexionen zum Charakter von Organisationsberatung, Coaching und Supervision als professionellen Beratungsformaten beschäftigte, oder mit der Frage, ob Supervision und Coaching in unendlichen vielen Feldern nutzbar gemacht werden könne. Das aktuelle Heft hat den Themenschwerpunkt „Kompetenzen von Führungskräften und Coaches“.

Wie immer finden Sie alle bibliografischen Angaben und abstracts, allerdings seit dem vergangenen Jahrgang übersichtlich jahrgangsweise, und zwar hier…

24. Dezember 2014
von Tom Levold
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Frohe Weihnachten!

merry christmasLiebe Leserinnen und Leser des systemagazin,

ich wünsche Ihnen allen frohe Weihnachten und ruhige Festtage, wo immer Sie sie auch verbringen werden. In den letzten 24 Tagen ist ein Adventskalender zum Thema „systemisch – was fehlt?“ entstanden, der so lebendig war wie nie. Dafür möchte ich an dieser Stelle allen Autorinnen und Autoren danken, aber vor allem auch allen Leserinnen und Lesern, die die Kommentarfunktion genutzt haben und sich an der Diskussion der vielen wirklich diskussionswürdigen Beiträge beteiligt haben. Mit diesem Diskurs haben Sie auch mir ein großes Geschenk gemacht, denn das war eigentlich die Idee, die mich zum systemagazin angestiftet hat, das übrigens am 26.1.2015 seinen 10. Geburtstag feiert. Aber vielleicht liegt die Lust am Diskurs, an den Theorien (und ihren Schwachstellen) heute wieder mehr in der Luft als in den vergangenen Jahren, als alle Energie eher in die Bemühungen um die Anerkennung der Systemischen Therapie als „wissenschaftlich fundiertes“ Verfahren hineingeflossen ist.

Wie auch immer, wenn Sie Lust haben, systemagazin zum 10. Geburtstag zu gratulieren (in welcher Form auch immer), können Sie das gerne auch jetzt schon tun, indem Sie mir einfach eine email senden.

Aber nun heißt es Baum schmücken, kochen und gut essen, die Familienmitglieder beschenken und innehalten im Alltagsstress – und für manche auch der spirituellen Dimension des Weihnachtsfestes nachspüren. Dabei wünsche ich Ihnen alles Gute, Genuss, Vergnügen und Besinnlichkeit.

Herzliche Grüße

Tom Levold, Herausgeber systemagazin 

24. Dezember 2014
von Tom Levold
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systemisch – was fehlt? Danke, mir fehlt nichts

Andreas Manteufel, Bonn: Danke, mir fehlt nichts!

24adventDas Adventskalenderthema von Tom Levold erinnert an die Eingangsfrage beim Hausarztbesuch: „Was fehlt Ihnen denn?“. Beantwortet wird diese Frage dann mit einer Auflistung dessen, was man hat, nämlich Beschwerden, Schmerzen, Fieber, ein Drücken hier, ein Ziehen da, bis der Arzt eine Vermutung äußert, was uns gesundheitlich fehlt oder, anders gewendet, was wir haben. Vielleicht schreibt er uns krank und wir nutzen die Zeit, um darüber nach zu denken, ob es sich besser mit einen Zuviel oder einem Zuwenig lebt.

Ich kann aber, bezogen auf die diesjährige Adventskalenderfrage, beruhigt abwinken: Mir fehlt nichts, jedenfalls nichts Ernsthaftes.

Ob sich Systemiker kritischer über gesellschaftliche Entwicklungen äußern sollten? Das muss jeder selbst entscheiden. Der systemische Ansatz liefert genug Stoff dafür, versteht er sich doch als ein Arbeiten „mittendrin“ im Geschehen von Familien, Gruppen, sozialen Netzen. Systemtheorien bieten ausreichend Material für entlarvende politische Analysen. Aber auch jeder Analytiker, Verhaltenstherapeut oder sonstige Vertreter irgendeiner Richtung kann sein soziales Engagement, wenn es ihm denn danach ist, mit seiner Theorie unterfüttern – und viele tun es ja. Aber das ist vielmehr eine persönliche als eine fachliche Entscheidung. Weiterlesen →

23. Dezember 2014
von Tom Levold
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systemisch – was fehlt? Auseinandersetzung

Sabine Klar, Wien:

23adventWas ich trotz aller Sympathie noch einmal sagen wollte …

… du weißt eh, dass es nerven wird, wenn du wieder die kritische Stimme erhebst, so als ob nicht auch du Teil des ganzen „Systems“ wärst.

Ich bin schon lange nicht mehr so widerständig wie früher, bin so wie alle anderen reifer und etablierter geworden und will in Ruhe „mein Ding“ machen.

Widerstand ist halt einfach auf Dauer für alle Beteiligten sehr anstrengend. Auch du willst, dass dein Leben und das deiner KlientInnen  funktioniert, dass es läuft, das kleine Rädchen in der großen Maschinerie seines sozialen Kontextes. Auch du begeisterst dich schnell für Geschichten, die das ermöglichen. Mit den schwer veränderbaren Lebenslagen, von denen dir manche KlientInnen erzählen – als „Unglück“ oder „Elend“ eher negativ konnotiert – tust auch du dir schwer. Dauernd schaust du aus nach realisierbaren Aufträgen, Zielen Lösungsbewegungen, Möglichkeiten der Veränderung, Handlungs- und Gestaltungsoptionen im Unglück.

Leidende Menschen wird es angesichts der Auflösung des Individuums in relationale Identitäten vielleicht sowieso bald nicht mehr geben. Und Probleme auch nicht, da es sich ja auch dabei bloß um Geschichten handelt. Weiterlesen →

22. Dezember 2014
von Tom Levold
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systemisch – was fehlt? Ein Blick zurück in die Zukunft

Martin Rufer, Bern:

22adventBin ich da nicht geneigt zu sagen „nichts“, denn nicht für nichts habe ich das „Systemische“ gewählt, schon früh als viele meiner jüngeren systemischen Kolleginnen und Kollegen noch gar nicht erst mal auf der Welt waren. Und doch wie war das damals genau vor 40 Jahren als ich an der Universität in meinem Psychologiestudium mit Lern- und Entwicklungstheorien, vor allen Dingen aber mit viel Empirie und Statistik konfrontiert und geimpft wurde, da war für viele von uns doch die Psychoanalyse ein interessantes, v.a. auch gesellschafts- und wissenschaftskritisches Gegenmodell, das unsere Lust am Denken und Debattieren anregte. Etwas später dann ging es zur Sache. Es war die Zeit der Encountergruppen mit viel Selbsterfahrung, bei mir im Rahmen einer Gestalttherapie. Bei Rogers fanden wir dann ein Modell für die Gestaltung der Beziehung mit künftigen Klienten. Auch wenn ich dabei immer kritisch blieb, hat dies bei mir bis auf den heutigen Tag Spuren hinterlassen, weil es eben einen selbst berührte und darum auch gut verstehen kann, warum heute einige Kolleginnen und Kollegen, darunter nicht wenige Systemiker, auf der Achtsamkeitswelle surfen und ins EFT abtauchen, mit Schematherapeutischem Fehlendes ergänzen oder in einer persönlichen Krise auch ganz gerne mal einen Psychoanalytiker aufsuchen.

Ja, und doch half mir all das, damals Ende der 70er Jahre, als ich auf der Erziehungsberatung erstmal besorgten Eltern und entnervten Lehrern begegnete und reihenweise Schulreife- und Legasthenieabklärungen machen musste, dann eben doch recht wenig. Genauso wie kurz darauf, als ich in der therapeutischen Gemeinschaft als frischgebackener Psychologe und viel 68er Idealismus mit jungen Drogenabhängigen konfrontiert wurde. Da erschien mir dann das „Systemische“, dieses ganzheitlichen Denken, das ich zwar von der Uni her kannte, praxisrelevanter und pragmatischer. Erst da konnte ich aber verstehen, was es heisst den Menschen eingebettet in seinem familiären und sozialen Kontext zu sehen. Und so begannen wir dann ja auch Anfang der 80 er Jahre die Eltern aktiv in unsere alternative Milieutherapie einzubeziehen, mit mehr oder weniger Erfolg natürlich, aber doch mit grosser Zufriedenheit, weil sich hier Perspektiven auftaten und ich das Gefühl hatte mit Minuchin, Haley, Ericson, später dann De Shazer, den Brigern, Mailändern und den Heidelbergern nun endlich eine therapeutische Heimat gefunden zu haben. Weiterlesen →