John F. Rauthmann, Post-Doc an der Abteilung für Persönlichkeitspsychologie der Humboldt-Universität Berlin, hat im Journal Psychologie des Alltagshandelns, Vol. 8 / No. 1, einen interessanten (und recht komplexen) Text veröffentlicht, der das Konstrukt der Persönlichkeit aus einer systemisch-synergetischen Perspektive entwickelt. Dabei betont er einen transdisziplinären Anspruch, der sich aber in erster Linie auf die Integration der einzelnen psychologischen Teilwissenschaften bezieht als auf die Einbeziehung auch anderer wissenschaftlichen Felder. Im abstract heißt es: „Die kontemporäre Forschung zur Persönlichkeit ist zersplittert in viele Teilbereiche und nur lose miteinander verknüpften Konzeptionen. Umso wichtiger ist es, alte sowie neue theoretische und empirische Erkenntnisse in übergeordnete Rahmenmodelle zu integrieren, um eine holistische Sicht auf die ,Psyche’ des Menschen zu bekommen. ,Persönlichkeit’ wird als ein informationsprozessierendes dissipatives, non-lineares dynamisches System in variierenden strukturellen Systemkonfigurationen aus komplexer Organisation und Interaktion intra- sowie extrapsychischer Prozesse verstanden, das auf seiner biophysiologischen Basis beständig in Wechselwirkung mit der belebten und unbelebten Umwelt über verschiedene Situationen hinweg existiert. Der theoretische und methodologische Zugang erfolgt mittels Systemtheorie und Synergetik, um die intra-, inter- und transsystemische Informationsfluktuation und -prozessierung darzustellen.“
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In dem Maße, in dem das Wort „systemisch“ immer weitere Verbreitung und Akzeptanz findet, verliert es auch an Aussagekraft. Was ist heute nicht systemisch? Aber wie definiert man den „Wesenskern“ des Systemischen? Und welche Rolle spielt der Rückbezug auf Systemtheorie (in welcher Spielart auch immer)? Zu diesen Fragen hat sich Wolfgang Loth 2010 in einem Aufsatz für die „Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung“ unter dem Titel „Was soll’s? – Eine Annäherung an ,systemisch-plus‘“ Gedanken gemacht. Im abstract heißt es: „Die Prägnanz des Begriffs „systemisch“ vermag zu täuschen. Die Diskussionen um systemisches Störungswissen zeigten das auf. Sowohl ontologistische als auch konstruktivistische Positionen können im Prinzip sinnvoll mit systemischen Perspektiven in Verbindung gebracht werden. Im vorliegenden Beitrag versuche ich daher, die entsprechenden Prämissen zu entwirren. Es lässt sich ein Kern herausfiltern, der systemische Prämissen zusammenfasst und ein weites Feld von Handlungsoptionen eröffnet (das Fokussieren auf Kontexte als notwendiges Bei-Werk von Systemen, sowie auf das Organisieren von Hilfe über das Berücksichtigen von Sinngrenzen als Hort der System-Umwelt-Dynamik). Die jeweilige Auswahl aus diesen Optionen lässt sich aus dem Kern jedoch nicht eindeutig ableiten. Hier wirken andere Orientierungen. Ich bevorzuge daher die Verknüpfung des Begriffs „systemisch“ mit einem „plus“. Das „plus“ stände dann für die Absicht, wie ich zu einem systemisch angelegten Hilfegeschehen beisteuern möchte. Ich bevorzuge dabei eine ,existenzielle‘ Orientierung.“
Als Dozent und Lehrtherapeut an unterschiedlichen systemischen Instituten bin ich immer wieder überrascht, dass viele Pioniere der Familientherapie und der Systemischen Therapie allmählich in Vergessenheit geraten oder den TeilnehmerInnen der Weiterbildungen gar unbekannt sind. So wissen viele nichts von Ivan Boszormenyi-Nagy, der seit Ende der 70er Jahre häufig in Deutschland zu Gast war und in vielen Workshops und Tagungen sein Konzept der Kontextuellen Therapie vermittelt hat (