„Jürgen Hargens: Bill, wenn ich Deiner Antwort zuhöre, denke ich, daß viel von dem, was Du sagst, auch von jeder lösungsorientierten TherapeutIn hätte gesagt werden können. Finde heraus, was die Person von der Konsultation will; Ziele; was funktioniert und was funktioniert nicht. Fragen nach Gefühlen könnten anders sein, obwohl man sagen könnte, nun ja, das gehört zu der Frage, ob die Person bekommen hat, was sie wollte. Du hast vorhin gesagt, Du würdest jederzeit Haltungen Methoden vorziehen.
Deshalb noch einmal – wie würdest Du den Unterschied zwischen Möglichkeiten-Therapie und lösungs-orientierter Therapie beschreiben und definieren – in Bezug auf Haltungen, in bezug auf Methoden, in Bezug auf …?Bill O’Hanlon: Flexibilität, kein so enger Fokus, Bereitschaft, die Person zu behandeln, die keine klaren Ziele hat, Bereitschaft, Langzeit-Therapie zu machen, Loyalität der KlientIn und nicht der Theorie gegenüber, willens sein, als Person aufzutreten und nicht nur als Fragesteller, um die KlientIn kennenzulernen, das Einbeziehen spiritueller oder politischer Aspekte, die Bereitschaft, Methoden anderer Theorien zu benutzen (wie Verhaltenstherapie, kognitive Methoden, Gestalt, Ericksonian usf.), die Bereitschaft, anderen therapeutischen Vorgehensweisen und anderen Theorien das Verdienst in der Therapie zuzubilligen, die die Entwicklung meiner Arbeit beeinflusst haben undsoweiter. Ist das jetzt genug?“
Aus: „Möglichkeiten sind umfassender als Lösungen: ,… würde ich jederzeit Haltungen Methoden vorziehen’. Ein Interview mit William (Bill) H. O’Hanlon von Jürgen Hargens“. In: Familiendynamik 24(3), 1999, S. 345
1. Juni 2015
von Tom Levold
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In dem Maße, in dem das Wort „systemisch“ immer weitere Verbreitung und Akzeptanz findet, verliert es auch an Aussagekraft. Was ist heute nicht systemisch? Aber wie definiert man den „Wesenskern“ des Systemischen? Und welche Rolle spielt der Rückbezug auf Systemtheorie (in welcher Spielart auch immer)? Zu diesen Fragen hat sich Wolfgang Loth 2010 in einem Aufsatz für die „Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung“ unter dem Titel „Was soll’s? – Eine Annäherung an ,systemisch-plus‘“ Gedanken gemacht. Im abstract heißt es: „Die Prägnanz des Begriffs „systemisch“ vermag zu täuschen. Die Diskussionen um systemisches Störungswissen zeigten das auf. Sowohl ontologistische als auch konstruktivistische Positionen können im Prinzip sinnvoll mit systemischen Perspektiven in Verbindung gebracht werden. Im vorliegenden Beitrag versuche ich daher, die entsprechenden Prämissen zu entwirren. Es lässt sich ein Kern herausfiltern, der systemische Prämissen zusammenfasst und ein weites Feld von Handlungsoptionen eröffnet (das Fokussieren auf Kontexte als notwendiges Bei-Werk von Systemen, sowie auf das Organisieren von Hilfe über das Berücksichtigen von Sinngrenzen als Hort der System-Umwelt-Dynamik). Die jeweilige Auswahl aus diesen Optionen lässt sich aus dem Kern jedoch nicht eindeutig ableiten. Hier wirken andere Orientierungen. Ich bevorzuge daher die Verknüpfung des Begriffs „systemisch“ mit einem „plus“. Das „plus“ stände dann für die Absicht, wie ich zu einem systemisch angelegten Hilfegeschehen beisteuern möchte. Ich bevorzuge dabei eine ,existenzielle‘ Orientierung.“
Als Dozent und Lehrtherapeut an unterschiedlichen systemischen Instituten bin ich immer wieder überrascht, dass viele Pioniere der Familientherapie und der Systemischen Therapie allmählich in Vergessenheit geraten oder den TeilnehmerInnen der Weiterbildungen gar unbekannt sind. So wissen viele nichts von Ivan Boszormenyi-Nagy, der seit Ende der 70er Jahre häufig in Deutschland zu Gast war und in vielen Workshops und Tagungen sein Konzept der Kontextuellen Therapie vermittelt hat (