29. April 2015
von Tom Levold
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Michael B. Buchholz
Heute gratuliert systemagazin Michael B. Buchholz ganz herzlich zu seinem 65. Geburtstag. In einem Alter, dem andere gerne als Pensionsalter entgegensehen (und -gehen), steht Michael Buchholz inmitten eines unglaublich produktiven Lebens, dessen Früchte weithin in die psychotherapeutische Szene hinein wirken.
Als Psychoanalytiker mag er vielen systemischen Kolleginnen und Kollegen weniger vertraut sein, wer sich aber aktiv mit den Grundlagen klinischer Theorie auseinandersetzt, kommt an ihm keinesfalls vorbei. Ohne Übertreibung lässt sich sagen, dass er schon seit geraumer Zeit einer der bedeutendsten gegenwärtigen klinischen Theoretiker im deutschen Sprachraum ist. Anstatt schulenimmanentes Wissen einzuhegen und zu verteidigen, treibt er im Gegenteil die theoretischen Entwicklungen immer weiter voran, immer neugierig auf das, was außerhalb der Dogmen und Lehrsätze zu finden ist – und mit einer beneidenswerten Gabe, die verschiedensten Konzepte und Modelle ständig neu zu lesen und miteinander in ein fruchtbares Verhältnis zu setzen. Das macht seine Arbeiten, auch wenn sie dem Anschein nach primär an die psychoanalytische Gemeinde adressiert sind, immer auch für alle anderen Psychotherapeuten lesenswert: es gibt jedes Mal etwas zu lernen.
Sein publizistisches Werk ist mittlerweile fast unüberschaubar, die Themenvielfalt außerordentlich, aber dennoch sind die Grundakkorde seines Schaffens deutlich vernehmbar. Psychotherapie ist für ihn ein soziales Unternehmen und keine medizinanaloge „Behandlung“ des Patienten durch die Therapeutin. Im Vollzug eines wechselseitigen Beziehungsprozesses zwischen Therapeuten und Klienten, in ihrer Interaktion kommt es zur Koproduktion von Bedeutung, die es ermöglicht, „unlösbare Probleme in eine haltbare Lage“ umzuwandeln.
Um den sozialen Charakter dieser Veranstaltung erfassen zu können, reicht ein rein psychologisches Verständnis von Psychotherapie nicht aus, schon gar nicht die Vorstellung, Psychotherapie sei so etwas wie angewandte Psychotherapieforschung. Vielmehr bedarf das psychotherapeutische Handwerk einer breit angelegten sozialwissenschaftlichen Fundierung, für die kaum jemand mehr Rüstzeug zur Verfügung gestellt hat als Michael Buchholz.
In seinen zahlreichen Büchern und Aufsätzen hat er einen unglaublichen Reichtum an Anschlussmöglichkeiten an Konzepte und Theorien aus Soziologie, Systemtheorie, Linguistik, den Kognitionswissenschaften, der Professionstheorie, der Säuglings- und Affektforschung geschaffen, um nur einige zu nennen. All das gelingt ihm mit einer souveränen, ja oft spielerischen, aber immer die Leser fesselnden Art der Verkettung von Gedanken, die den diese in neue, bislang nicht gedachte Zusammenhänge zu führen vermag.
Um zu verstehen, was tatsächlich in der psychotherapeutischen Begegnung passiert (und nicht den Dogmen zufolge dort angeblich passieren soll), braucht es einen praxeologischen Zugang, der mithilfe von RCT-Studien nicht zu erreichen ist. KANAMA, die Verbindung von Konversationsanalyse, Narrationsanalyse und Metaphernanalyse, ist einer von Buchholz’ spezifischen Beiträgen für eine qualitative Weiterentwicklung der psychotherapeutischen Profession, von der alle Professionellen ganz unabhängig von ihrer schulenspezifischen Provenienz profitieren können. Auf der website des Instituts für Kinder-, Jugendlichen- und Familientherapie Luzern, für das er seit langem als Dozent tätig ist, ist ein schöner Text über die Entwicklung der Psychoanalyse von einer Individualpsychologie hin zu einem Interaktionskonzept unter dem bezeichnenden Titel „Neue Verbindungen“ zu lesen, das diese Orientierung ausgezeichnet zusammenfasst.
Auf seiner website an der International Psychoanalytic University in Berlin, an der er für die Lehre in Grundlagen der Psychoanalyse verantwortlich ist, antwortet er auf die Frage, was Studierende von ihm persönlich lernen könnten: „Die Liebe zum Detail – denn nur die Details einer Erzählung entzünden unsere wirklichen Affekte. Die Liebe zur Theorie – denn nur, was man einmal wirklich durchdrungen hat, erkennt man in seiner therapeutischen Praxis. Die Liebe zur Praxis – denn sie motiviert uns, weiter nachzudenken und genauer zu hören.“ Genauso ist es. Diese Liebe zum Detail, zur Theorie und zur Praxis war und ist ansteckend: von wenigen Kolleginnen und Kollegen habe ich in den vergangenen 30 Jahren ähnlich viel lernen können!
Lieber Michael, zum Geburtstag wünsche ich Dir alles Gute, vor allem Gesundheit und weiterhin ungebrochene Schaffenskraft! Uns allen wünsche ich, dass wir auch in Zukunft weiterhin soviele Inspirationen, Anregungen und Einsichten von Dir bekommen wie in der Vergangenheit!