systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

5. Dezember 2015
von Tom Levold
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systemagazin-Adventskalender: open doors

5adventJürgen Hargens, Meyn:

Als ich Toms Einladung zu seinem Adventskalender mit diesem Thema las, musste ich als erstes lächeln. „Open Doors“ – zumindest doppeldeutig.

„Offene Türen“, also einerseits gleichsam eine Einladung, respektvoll einzutreten, neue Räume zu erleben oder aber hinauszugehen bzw. hinausgehen zu können oder zu dürfen.

Andererseits könnte ich es auch als Aufforderung lesen: „Öffne Türen“ – mit den vielen Assoziationen, einen Weg freizumachen.

Im Grunde genommen Aufforderungen und Angebote, um Möglichkeiten zu erkennen, wahrzunehmen und, wenn ich es möchte, diese auch anzunehmen. Genau das, was für mich meine Art zu arbeiten (gearbeitet zu haben, darf ich heutzutage als Rentner sagen) auszeichnet: mit Möglichkeiten zu spielen. Und in der deutschen Grammatik besteht dafür sogar eine Form, der Konjunktiv.

Und in Zeiten wie diesen bekommt die offene oder zu öffnende Tür noch eine weitere Bedeutung: viele Menschen flüchten – zu uns – und hoffen darauf, dass ihnen die Tür geöffnet und offengehalten wird.

Wenn ich weiter mit diesem Bild spiele (in des Wortes bester Bedeutung), dann frage ich mich, wenn ich beraterisch-therapeutisch tätig bin (oder sein will), ob ich „meine Tür(en)“ offenhalte und die Menschen zu mir kommen lasse. Oder ob ich die Tür(en) zumache, indem ich darauf verweise, keine „freien Plätze“ zu haben … was mich sehr bedrückt, denn ich bin immer mehr zu der Überzeugung gelangt, dass dies letztlich ein Ausdruck dessen ist, dass ich nicht über den Tellerrand schaue, sondern so weitermache wie bisher – und dabei das Heinz-von-Foerstersche-Theorem beiseite schiebe: „handle stets so, dass sich die Zahl deiner Möglichkeiten vergrößert“. In einer negativen Formulierung könnte ich sagen: „alternativlos“. Und das, so glaube ich, kann nicht stimmen.

„Keine freien Plätze haben“ – diese Aussage begreife ich als Einladung, mir darüber Gedanken zu machen, die Arbeit anders zu organisieren, so dass immer freie Plätze da sind. Das soll gehen? Ich bin davon überzeugt und habe das entsprechend praktiziert.

Offene Türen oder Türen öffnen – eine Einladung gegen den Strich zu lesen, Gegebenes nicht als unveränderlich hinzunehmen, sondern infrage zu stellen. Anders gesagt – offene Türen oder Türen öffnen könnte ich auch so verstehen, dass ich mich einladen lasse, Neues zu erkunden.

4. Dezember 2015
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender – Open Doors: In Memoriam Heinz Kersting

4adventRuppert Heidenreich, Aachen: Open Doors – In Memoriam Heinz Kersting

Heute Morgen habe ich die Tür für Heinz Kersting geöffnet. Ich wachte auf – und dachte an Heinz. Mir fiel ein, dass am 04. Dezember das Fest der Heiligen Barbara ist. Heinz hätte eine Würdigung des Barbaratages nie vergessen: Barbara ist die Schutzpatronin der Bergleute, aber auch vieler anderer Handwerker. Auch der SupervisorInnen, wie Heinz fest behauptete, weil nahezu alle Berufe, die mit Sprengstoff umgehen, sich Barbara als Schutzpatronin ausgewählt haben. Heinz meinte, dass auch SupervisorInnen mit Sprengstoff umgehen würden und Barbara eine würdige Schutzpatronin für sie wäre.

Brigitte, meine Frau, brachte Heinz am  4. Dezember immer ein paar Kirschzweige, Barbara-Zweige, die er in die Vase stellte und die dann just zu Weihnachten erblühten. Am 4. Dezember 2005  hat Brigitte die Zweige neben das Totenbett von Heinz gestellt. Heinz ist am frühen Morgen des 4. Dezember 2005 gestorben, heute vor 10 Jahren.

Noch immer bin ich Mitglied der Balintgruppe, die Heinz 1989 gegründet und geleitet hat. In diesen 10 Jahren seit seinem Tod hat die Gruppe unentwegt weiter existiert mit wechselnden Mitgliedern und anderen Leitern. Ich selbst kannte Heinz seit etwa 1974, weil seine erste Frau und ich Kollegen an der Schule für Erziehungshilfe in Aachen waren. Wir haben 1980 unser gemeinsames Haus in Eilendorf gebaut und bis zu seinem Tod dort mit unseren Familien gewohnt.

Ruppert Heidenreich

Ich habe heute Morgen die Tür für Heinz geöffnet und bin  in den Garten unseres Hauses gegangen. Zu einem Apfelbaum, den Heinz im Frühjahr 2005  im Garten gepflanzt hat. Weil Heinz nicht so sehr mit Ackerbau und Viehzucht vertraut war, hatte er mich gebeten, ihn beim Pflanzen zu unterstützen. Ich grub ein tiefes Loch, füllte es mit Kompost und Erde. Dann kam Heinz und er legte ein Paket auf den Boden des Loches: Es war die Nachgeburt seiner Stieftochter Anne, die kurz zuvor ihr zweites Kind bekommen hatte. Es ist ein alter Brauch in vielen Ländern, ich kannte ihn nicht. Da soll sozusagen ein Lebensbaum für das Kind wachsen. Das war Heinz: ein aufgeklärter, kritischer Geist, der das Archaische im Leben liebte, mit dem man streiten und philosophieren konnte. Und der zugleich Riten, Rituale, Gebräuche in sein Leben integrierte. Der Baum ist wunderschön gewachsen und trägt jedes Jahr sehr viele Früchte.

Ich habe heute Morgen die Tür für Heinz geöffnet und mich erinnert, dass er Mitte der 80er Jahre den Gedanken entwickelte, einen Verband für SupervisorInnen zu gründen. Wir sind an manchen Sonntagen durch unseren weiten Garten gegangen und haben darüber diskutiert. 1989 war es dann soweit, die Deutsche Gesellschaft für Supervision wurde aus der Taufe gehoben und Heinz ihr erster Vorsitzender. Heute ist die DGSv der anerkannte Verband für Supervision in Deutschland mit nunmehr rund 5000 Mitgliedern.

Heinz Kersting 31.5.1937 – 4.12.2005

Open doors: Ich bin auch im Andenken an Heinz in den Gewölbekeller unter unserem alten Bruchsteinhaus aus dem 16. Jhdt. gegangen. Wir hatten dort einen gemeinsamen Weinkeller. Dann und wann trafen wir uns in diesem Keller, um Weine zu probieren (ob sie noch oder nicht mehr oder bald zu trinken waren) und um nebenbei ein paar Weltprobleme zu lösen. Heinz hatte noch die Kerze von seiner Primiz, das ist die erste Messe, die ein katholischer Priester nach der Priesterweihe liest. Die Kerze hatte Heinz in eine Nische im Weinkeller gestellt. Sie wurde zu Beginn der Weinproben angezündet und nach diversen Proben sang Heinz laut Tauflieder und sonstige kirchliche Gesänge, schüttete den Wein solcher Flaschen, die nicht mehr trinkbar waren, gegen die Kellerwände, von wo er in den Kellerboden sickerte. Und unser ehrenwertes Haus roch noch Tage danach wie ein veritables Weinlokal, nein eher wie eine runtergekommene Weinschwemme.

Wenn einmal die Tür geöffnet ist, dann fließen und strömen so viele Erinnerungen und Gedanken an Heinz. All das ist auf einmal gegenwärtig, was er für das Beratungsformat Supervision entwickelt, initiiert, durch seinen wissenschaftlichen Verlag publiziert hat, die Gründung des Instituts für Beratung und Supervision, das nach wie vor SupervisorInnen ausbildet,  seine Arbeit als Hochschullehrer, all das und noch viel mehr, witzige und auch ernste Geschichten. Und weil es genau 10 Jahre her ist, dass Heinz gestorben ist, dachte ich, im Sinne seiner Vorlieben für Rituale, die Tür zum runden Gedenktag an seinen Tod im Adventskalender zu öffnen.

3. Dezember 2015
von Tom Levold
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systemagazin-Adventskalender: Die vorweihnachtlichen Leiden eines kinderfreundlichen Soziologen

3adventPeter Fuchs, Soest:

Ich habe in diesen Tagen mit einem etwa zweieinhalbjährigen Kind gespielt, das mich noch nicht kannte. Dabei habe ich auf meinen Schatz von mechanischem Spielzeug zurückgegriffen, hier dann auf ein Blechkrokodil, das man aufziehen kann. Einmal losgelassen, vollzog es – mit dem Gebiss klappernd – einen wilden Lauf.

Das Kind rennt schreiend, dann quiekend davon, ich gehe langsam und vorsichtig hinterdrein, fasse das Krokodil an, hebe es auf und rede begütigend auf das Mädchen ein, das langsam näher kommt, das Krokodil wird in Bewegung versetzt, das Kind rennt wieder weg, aber deutlich gespielter, womit ich die Erlaubnis habe, das Tier mit meinem Mund knurren (knurren Krokodile?) zu lassen, und so geht es hin und her – mit immer neuen Variationen, bis ich aus meiner Hosentasche einen Blechfrosch ziehe, der hüpfen kann und sobald er es tut, nur noch Entzücken, keine Angst auslöst, während mein Uraltkater heranschleicht, völlig angstfrei den Frosch beschnuppert und ungerührt aus dem Felde geht, wahrscheinlich weil das Gerät nicht nach Fressbarem riecht.

Mädchen läuft hinter Katze her, mein Eheweib eilt herbei: „Nicht Kater, nein, nicht … Oliver kratzt“. Die Mutter des Kindes kommt hinzu, schnappt sich das Kind, das ruft: „Kroko … spielen“, lauter: „Alina Kroko … spielen!“. Mutter: „Nein, wir haben keine Zeit mehr … nächstes Mal wieder!“ Kind versteht vermutlich diesen Satz nicht, ist aber trotz der Negation besänftigt oder fällt in Trotz … oder … Weiterlesen →

2. Dezember 2015
von Tom Levold
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systemagazin-Adventskalender: Systemische Abschlussszenarien entwicklungsfördernd nutzen

Dennis Gildehaus, Bad Zwischenahn:

2adventMeine systemische Entwicklung wurde angestoßen durch ein Buch und Film von Arist von Schlippe et al. „Zugänge zu familiären Wirklichkeiten“ (2000). Ich würde fast sagen, dass ich vorher recht linear interveniert habe. Damals war ich noch als Familientherapeut in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung tätig und war eher dem Problem ausgesetzt, dass der Altersunterschied zu den Eltern der Hilfeempfänger recht groß war. Ich kann mich noch immer an die vielen Aussagen erinnern, die mich in meiner Entwicklung als Therapeut retrospektiv positiv beeinflussten: „Kannst Du mir bitte einen Betreuer holen, ich habe ein Elterngespräch…“; „Was wollen Sie mir denn erzählen, Sie könnten mein Sohn sein…!“; „Ist Ihr Vater auch zu sprechen…?“

Beginnend mit der Genogrammarbeit und systemischen Fragestellungen setzte ich mich immer mehr mit innovativen Techniken auseinander und war gefesselt und fasziniert von der damals so rasanten systemischen Entwicklung. Es sind mittlerweile mehr als 15 Jahre vergangen und als besonders prägend empfand ich die „Impact-Techniken für die Psychotherapie“ von Dani Beaulieu (2005) als auch die „MiniMax-Interventionen“ von Manfred Prior (2002).

gildehausEs waren aus heutiger Sicht oft nicht die zeitaufwändigeren systemischen Interventionen, wie z.B. die Arbeit am Familienbrett, der Skalierungsscheibe oder Aufstellungsinterventionen im Raum, sondern die scheinbar pragmatischen Techniken, die unglaublich schnell wirkten und die Klienten sofort zum Nach-denken anregten und ein „Aha-Erlebnis“ auslösten. Ebenso waren auch systemische Abschlussszenarien unglaublich hilfreich, um bei mir Entwicklung verdichtet anzustoßen, wie z.B. „Hat Ihnen innerhalb der letzten 6 Sitzungen etwas gefehlt, was Sie bisher nicht angesprochen haben?“; „Angenommen, Sie könnten meine therapeutische Entwicklung positiv beeinflussen, was würden Sie mir empfehlen? Fehlte Ihnen etwas an meinen Vorgehensweisen?“; „Angenommen, Sie wären ein Therapeutentester Undercover – Undercover Reportagen sind momentan ein Trend in Deutschland … was würden Sie an meiner Praxis oder an meinen Eigenschaften als Therapeut konstruktiv kritisieren?“

In diesem Sinne wünsche ich allen „Türenöffnern“ eine schöne Weihnachtszeit!

1. Dezember 2015
von Tom Levold
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systemagazin-Adventskalender: Hinter jeder offenen Tür steckt immer … (ein Zitat)

1adventLiebe Leserinnen und Leser,
heute ist der erste Advent – und auch dieses Mal gibt es einen systemagazin-Adventskalender! Wie schon in den letzten Jahren ist das Projekt beim Start noch offen: das heißt, ich freue mich noch auf den einen oder anderen Beitrag von Ihnen, damit der Kalender auch bis zum 24.12. läuft. In den letzten Jahren hat das immer gut geklappt. Das Motto des diesjährigen Kalenders lautet „open doors“. Es gibt also keine inhaltlichen Vorgaben, vielmehr soll in diesem Kalender Platz sein für Geschichten und Erwägungen, die Sie gerne mit der systemischen Szene teilen möchten. Den Anfang macht heute Wolfgang Loth – viel Spaß beim Lesen!

Wolfgang Loth, Bergisch-Gladbach: Hinter jeder offenen Tür steckt immer (ein Zitat)

… vielleicht, obwohl das mit den offenen Türen nicht so eindeutig ist. Nehmen wir die Doors, „This is the end“ singen sie, und fangen damit ein Lied an. Gut, das ganze Lied nennen sie dann auch wieder „The End“, und das am Anfang ihrer Karriere, aber immerhin, Raum geöffnet für Luzides. „The Doors“ als Konzept und Bekenntnis: Wenn die Pforten der Wahrnehmung geöffnet seien, werde deutlich, wie die Dinge wirklich seien: unendlich. Zitat auch dieses, mehrfach, von Blake zu Huxley zu Morrison. Im Unendlichen kommt nicht nur Nettes vor, der Text zum end greift ans Gemüt, nicht Helligkeit, sondern Dusternis, offene Tür hin oder her. Und überhaupt, offene Türen sind an sich weder gut noch schlecht. Ob sie eher als Einladung gemeint sind oder eher als Frischluftschleuse, darüber können die Meinungen auseinandergehen. Je nachdem, wen man fragt, die Wohnungseigentümer oder die Einbrecher. Da wäre er also wieder, der Kontext, als Bedeutung und als Perspektive. Das unerschöpfliche „je nachdem“. Jedenfalls soweit wir das Unendliche verfolgen können, vermutlich nicht so weit. Manchmal helfen Grenzen halt beim Orientieren, und manchmal vergessen wir sowohl das Gemachte von Grenzen als auch deren Provisorisches. Da klingt es dann eindeutig: Wir sind das Volk! Ach Gott, das? Seit wann? Für wen? Und der Orient im Orientieren? Ex oriente lux und dann go west! Flüchtendenschicksal? Tür auf, Tür zu. Weiterlesen →

27. November 2015
von Tom Levold
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Autobiographische Skizzen

Heute wird Kurt Buchinger 72 Jahre alt – ein Grund, ihm herzlich zu gratulieren und ihm alles Gute zu wünschen. Dem systemagazin hat er einen kleinen autobiografischen Text geschickt, der wie alles von ihm wunderbar zu lesen ist – viel Vergnügen!

Kurt Buchinger, Wien:  Autobiographische Skizzen

buchingerMein Vater war ein aufbrausender, jähzorniger Mann. Aus einem chronischen Gefühl des Ungenügens heraus, jedoch allem Lernen abgeneigt, lebte er mit rasch wechselnden Tätigkeiten in den Tag hinein und tyrannisierte seine Umgebung. Meine Mutter gab dazu das entsprechende Negativ. Eine zierliche, anziehende Frau mit höchsten intellektuellen und emanzipatorischen Ansprüchen, die in krassem Gegensatz zu ihrem gelebten Leben standen, weckte sie in ihrer Umgebung den Wunsch, sie zu erlösen, den sie standhaft zu enttäuschen wußte. Versunken in einem chronischen Gefühl der Leere, das sie mit ihren Kindern vergeblich auszufüllen suchte, blieb sie beschränkt auf ihre zunehmend verhasste und dementsprechend ausgefüllte Mutter- und Hausfrauenrolle. Mein älterer Bruder bekam die Last dieser Verhältnisse ungemindert zu spüren, was ihn für sein Leben zeichnete. Man sollte meinen, der Arme, an dem sich meine Eltern schon einigermaßen abgearbeitet hatten, bevor ich das Licht der Welt erblickte, wirkte als Barriere und Schutzschild gegen deren direkte Einwirkung auf meine zarte Seele. Aber der Böse erwies sich vielmehr als ein Art Brennglas, durch das er alles in höchster Konzentration auf mich weiter leitete. Es braucht kaum erwähnt zu werden, dass ich ein mehrfach seelisch missbrauchtes Kind war, unterdrückt, entwertet, gleichzeitig als Rettungsengel phantasiert. Ohnmacht, Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle waren der fruchtbare Boden für eine katholische Erziehung, die sich mir, wenngleich moderat und ohne äußeren Zwang ausgeübt, als kosmische Rechtfertigung des in mir angerichteten seelischen Chaos darstellte. Es erübrigt sich, auszuführen, dass mein Leben den vergeblichen Bemühungen eines Verdammten gleichkam, eine einzige Misere. Leistungsneurotisch und trotz aller möglichen Qualifikationen mein Berufsfeld immer wieder wechselnd, konnte ich nie schätzen, was ich erreichte. Auch im Privatleben unternahm ich mehrere Anläufe, was dazu führte, dass ich heute, umgeben von vielen Kindern, die mich immer noch ausbeuten, allein lebe. Was Wunder, dass mich – verbraucht durch alle die vergeblichen Anstrengungen, meinem vorgezeichnetem Schicksal zu entkommen – zu guter letzt eine lebensbedrohliche Krankheit heimsucht, die sich nun auch noch weigert, dem allen ein gnädiges Ende zu bereiten. Ich erlaube mir, mich durchgängig als gescheitert anzusehen.

Nein, bitte um Verzeihung, ich war grad etwas schlecht drauf nach der Lektüre einiger psychoanalytischer Fallberichte, das stimmt alles so nicht. Lassen sie mich noch einmal von vorne beginnen: Weiterlesen →

22. November 2015
von Tom Levold
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Psychotherapieforschung – und ihre Beschränkung durch einen schulenspezifischen Bias

Jürgen Kriz

Jürgen Kriz

In der aktuellen Ausgabe von „resonanzen – E-Journal für biopsychosoziale Dialoge in Psychotherapie, Supervision und Beratung“ ist ein Artikel von Jürgen Kriz über die Fragwürdigkeit der Übertragung eines experimentellen Forschungsparadigmas auf die Psychotherapieforschung zu lesen. Im abstract heißt es: „Das Ausüben von Psychotherapie einerseits und Psychotherapieforschung andererseits gehören unterschiedlichen Handlungsbereichen an – mit jeweils unterschiedlichen Regeln und Kompetenzen. Eine Vermengung beider Bereiche wäre ebenso problematisch wie der Versuch, die Regeln eines Bereiches zur Strukturierung des anderen heranzuziehen – also therapeutisches Handeln nach bestimmten wissenschaftsmethodischen Modellen zu strukturieren oder, anders herum, Forschungsmethodik nach therapeutischen Modellvorstellungen beziehungsweise „Schulen“ auszurichten.
Ein hervorragendes Modell zur Untersuchung experimenteller Forschungsfragen ist das RCT-Design mit randomisierten kontrollierten Studien. Dies gilt aber nur dann, wenn klar definierbare Ursachen und ebenso klar definierbare Wirkungen hinreichend isolierbar sind und die Realität brauchbar abbilden. Je größer der Handlungsspielraum zur Gestaltung der Ursachen (Interventionen) ist und je komplexer die relevanten Wirkungen sind, desto weniger tauglich ist dieser Ansatz.
RCT-Designs eignen sich in der Psychotherapieforschung daher besonders dann, wenn insbesondere manualisierte Programme angewendet werden. Dies gilt primär für die Verhaltenstherapie. Für psychotherapeutisches Vorgehen, das wesentlich in der prozess-spezifischen Entfaltung von Prinzipien begründet ist, sprengt die große Variabilität der Detail-Ursachen (Interventionen) die erforderliche massenstatistische Homogenität für ein experimentelles Design. Die Forderung, Wirksamkeit vor allem mit RCT-Designs zu belegen, läuft dort auf methodische Artefakte hinaus, beziehungsweise stülpt eine bestimmte psychotherapeutische Präferenz, nämlich für die Verhaltenstherapie, auf dem Wege der Wissenschaftsmethodik anderen Psychotherapieansätzen über.“

Online zu lesen ist der Artikel hier…

13. November 2015
von Tom Levold
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Diagnose Alkoholmissbrauch: 4 % weniger Kinder und Jugendliche im Jahr 2014 stationär behandelt

WIESBADEN – Im Jahr 2014 wurden 22 391 Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 19 Jahren aufgrund akuten Alkoholmissbrauchs stationär in einem Krankenhaus behandelt. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, waren das 3,8 % weniger als 2013. Bezogen auf 100 000 Einwohner dieser Altersklasse sank ihre Anzahl gegenüber 2013 von 296 auf 285 (– 3,4 %). Dabei ging der entsprechende Wert bei Mädchen und jungen Frauen um 3,3 % zurück (auf 244 Fälle je 100 000 Einwohner), bei Jungen und jungen Männern verringerte er sich um 3,5 % (auf 324 Fälle je 100 000 Einwohner). 70 % der Kinder und Jugendlichen, die wegen akuten Alkoholmissbrauchs stationär behandelt werden mussten, waren noch keine 18 Jahre alt. Weiterlesen →

12. November 2015
von Tom Levold
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„Bitte Klopfen – Der Körper als die Bühne der Gefühle“

Im youtube-Kanal des Carl-Auer-Verlages ist ein 90-minütiger Vortrag von Michael Bohne zu sehen, den dieser am 1.10.15 auf der Embodiment-Tagung in Wien gehalten hat. Im Begleittext heißt es:

„Der Hirnforscher Antonio Damasio bezeichnete den Körper als die Bühne der Gefühle. Dies ist eine schöne Beschreibung, da Gefühle ohne den Körper nicht fassbar wären. Die Klopftechniken setzen genau dort an, wo die Gefühle ihre phänomenologische Bühne betreten – am Körper. Über den Körper wird auf das emotionale Erleben Einfluss genommen.

Klopftechniken verbreiten sich seit rund zehn Jahren im deutschen Sprachraum. Sie dienen mittlerweile gleichsam als Selbsthilfetechniken wie auch als Interventionstools für Psychotherapeuten, Traumatherapeuten, Ärzte, Stressmediziner und Coaches. Klopftechnik(en) – oder in der Fachsprache auch als ‚bifokal-multisensorische Interventionstechniken’ (BMSI) beschrieben – beeinflussen das haptisch-taktile System und haben ihren Ursprung in der sogenannten Energetischen Psychologie.

Viele dieser Klopftechniken standen und stehen jedoch nicht auf dem Fundament der wissenschaftlichen Medizin bzw. Psychotherapie und bemühen Wirkhypothesen, die sich bei genauer Betrachtung nicht halten lassen. Viele Interventionstechniken der Energetischen Psychologie ließen sich zunächst auch nicht mit dem Vokabular der medizinischen und psychotherapeutischen Terminologie beschreiben. Gleichzeitig steckte in diesen Ansätzen ein großes Potential, welches die Neugier vieler Anwender aus der wissenschaftlich sozialisierten Medizin und Psychotherapie unübersehbar geweckt hatte.

Vor allem die teils spektakulären Verläufe mit dramatisch schnellen Angst- und Stressreduktionen beeindruckten und beeindrucken die Beobachter. Als einer der Ersten, der in Deutschland mit diesen neuen Ansätzen in Berührung kam, schien es mir nach einigen Jahren intensiver Erfahrung nötig, die Klopftechniken von vielfältigem Ballast zu befreien. Es war aus psychotherapeutischer Sicht notwendig, die einzelnen Tools auf ihre Wirksamkeit und Wirkgenese hin zu untersuchen und terminologisch umzubenennen. Nicht nachvollziehbare Wirkhypothesen wurden über Bord geworfen und mit notwendigen Ergänzungen und Erweiterungen versehen. Daraus entstand PEP, die Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie.

PEP ist jedoch weit mehr als eine „Klopftechnik“. Neben der stress- bzw. emotionsregulierenden Funktion, der Diagnostik und Bearbeitung unbewusster Lösungsblockaden stellt ein dezidiertes Selbstwerttraining eine zentrale Säule dar. Mit PEP konnte eine Interventionsarchitektur kreiert werden, die sich sowohl in der emotionalen Selbsthilfe, also auch in der Therapie, sowie im Coaching als äußerst nützlich erwiesen hat.“

11. November 2015
von Tom Levold
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Trialogie 2016

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Nach den sehr erfolgreichen Events 2014 und 2015 in Zagora/Marokko gibt es auch 2016 dort (im zauberhaften Riad Lamane) wieder eine Trialogie-Tagung unter dem Thema „re-mind“, und zwar vom 20. bis zum 27. Februar. Tagungsfokus ist die Erinnerung an und (Wieder-)Herstellung der Verbindung zu verlorenen oder ungenutzten Ressourcen, zu bedeutsamen Ideen, Themen und Erinnerungen sowie die Vernetzung mit Kolleginnen und Kollegen aus dem professionellen Feld. Diese Verbindung wird nicht über ein Lehrprogramm realisiert, sondern durch die gemeinsame Erfahrung in der Arbeit mit unterschiedlichen Medien und Gruppenkonstellationen. Dazu gehören Tanz, Theater, Arbeit mit (Ton-)Skulpturen, Querdenken und -schreiben, Film und Rhythmus – angeleitet durch erfahrene Experten aus den jeweiligen Bereichen: Elisabeth Clarke, Steve Clorfeine, Franz Kasperski, Sabine Menken, Matthias Ohler und Tobias Stürmer. Organisiert wird die Tagung von Liane Stephan, Mohammed El Hachimi und Tom Levold. Alle nötigen Informationen über die Tagung und Anmeldemodalitäten gibt es hier…

10. November 2015
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Kurt Buchinger

„Je entwickelter das Expertentum mit seinem Wissen und seinem Methodenrepertoire, desto mehr weicht die Expertise des Wissens einer hochentwickelten Expertise des Nicht-Wissens. Das hat allerdings wenig zu tun mit einer Haltung, die davon ausgeht, daß man sich den Erwerb des vorliegenden Wissens deshalb ersparen kann, weil man ohnehin seine eigene, nie restlos abgesicherte Entscheidung aufgrund der eigenen nie restlos abgesicherten Wahrnehmung treffen muß. Expertise des Nicht-Wissens bedeutet im Gegenteil, daß es sinnvoll ist, möglichst viel Wissen und viele gut fundierte Methoden aus den unterschiedlichsten Disziplinen und Schulen zu beherrschen, im übergeordneten Wissen, daß es sich dabei bloß um Konstruktionen und Hypothesen handelt, die helfen sollen, die eigenen Hypothesen möglichst fundiert zu bilden und sich die eigenen Vorgehensweisen zurechtzulegen im Bewußtsein der vollen Eigenverantwortung. Mit Expertise des Nicht—Wissens bezeichnen wir die entwickelte Fähigkeit, die eigenen Schritte durch eine unbekannt bleibende Landschaft zu tun — unter Zuhilfenahme aller möglichen Landkarten als Orientierungshilfe, aber immer auf eigenes Risiko.“

(Aus Kurt Buchinger & Herbert Schober (2006): Das Odysseus-Prinzip. Leadership revisited. Stuttgart (Klett-Cotta), S. 48f.)

9. November 2015
von Tom Levold
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Geburtenziffer 2013 bei 1,42 Kindern je Frau

Wiesbaden, 6.11.2015: „Die zusammengefasste Geburtenziffer aller Frauen in Deutschland ist in den Jahren 2011 bis 2013 von 1,39 auf 1,42 Kinder je Frau geringfügig gestiegen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, trugen vor allem Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit zu diesem Anstieg bei. Ihre Geburtenziffer nahm im gleichen Zeitraum von 1,34 auf 1,37 Kinder je Frau zu. Bei Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit stagnierte dagegen die zusammengefasste Geburtenziffer um 1,80 Kinder je Frau.

Diese endgültigen Ergebnisse der Geburtenstatistik beruhen auf dem korrigierten Bevölkerungsbestand unter Berücksichtigung des Zensus 2011. Im Vergleich zu den früheren Angaben auf Basis der Bevölkerungsfortschreibung vor dem Zensus 2011 hat die Einbeziehung der Zensusergebnisse zu einer Erhöhung der bisher ausgewiesenen Geburtenziffern geführt. Weiterlesen →