Heute würde Virginia Satir ihren 100. Geburtstag feiern. Sie wurde am 26. Juni 1916 in der tiefsten Provinz der USA, dem Kleinstädtchen Neillsville in Wisconsin (2010: 2.463 Einwohner) geboren. Als sie 13 war, bestand ihre Mutter darauf, dass die Familie umzog, um der Tochter den Besuch einer High School zu ermöglichen, die sie 1932 abschloss. Im gleichen Jahr begann sie ihre Ausbildung am Milwaukee State Teachers College (jetzt University of Wisconsin-Milwaukee), die sie mit einem Bachelor beendete. Nach einer Zeit der Tätigkeit als Lehrerin machte Satir noch eine Ausbildung zur Sozialarbeiterin und begann schon 1951, in eigener Praxis mit Familien zu arbeiten, was zur damaligen Zeit völlig außergewöhnlich war. Ab 1955 unterrichtete sie das Fach Familiendynamik am Illinois Psychiatric Institute. In einer Zeit, in der alle namhaften Familientherapeuten Männer waren, setzte sich als einzige Frau mit großem Selbstbewusstsein durch. Ende des Jahrzehnts zog sie nach Kalifornien, wohin sie 1959 von Don D. Jackson und Jules Ruskin in das Gründungsteam des Mental Research Institute in Palo Alto bei Stanford (USA) berufen wurde. Hier übernahm sie die Leitung der Ausbildungsabteilung des Instituts und entwickelte das erste familientherapeutische Ausbildungsprogramm in den USA, das auch eine Weltpremiere darstellte.Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre war Virginia Satir auch häufig in Deutschland zu Gast, um hier Workshops und Kurse zu geben. Vor allem hat sie durch ihre Verbindung mit dem Weinheimer Institut für Familientherapie viele systemische Therapeutinnen und Therapeuten geprägt, die ihre professionelle Entwicklung im IFW begonnen haben. Die starke Orientierung an der sogenannten Mailänder Schule um Mara Selvini Palazzoli einerseits, die konstruktivistische und systemtheoretische Wende, die die Familientherapie Anfang der 80er Jahre hierzulande nahm, andererseits führte jedoch dazu, dass der Ansatz von Virginia Satir, der u.a. Arbeit mit Familienskulpturen, Familienrekonstruktion und das Konzept des Selbstwerts in den Vordergrund rückte, außerhalb der humanistisch geprägten psychotherapeutischen Szene nicht sehr breit rezipiert wurde. So habe ich Virginia Satir nie selbst erlebt, mich aber auch nicht darum bemüht, da mir ihre konzeptuellen Überlegungen nicht besonders zusagten. Ihre geschichtliche Bedeutung für die Familientherapie habe ich erst viel später realisiert.
Neben ihren historischen und inhaltlichen Beiträgen ist Virginia Satir vor allem für ihre besondere Art der Präsentation und des Umgangs mit Menschen berühmt geworden, die durchaus gelegentliches „Fremdeln“ oder zumindest Ambivalenz hervorrufen konnte, wie auch aus dem einen oder anderen folgenden Beitrag hervorgeht. Weiterlesen →
26. Juni 2016
von Tom Levold
6 Kommentare

Der systemische Ansatz zeichnet sich dadurch aus, dass er bei der Erklärung von (vermeintlich individuellen) Phänomenen immer die verschiedenen relevanten sozialen, historischen, ökonomischen, rechtlichen u.a. Kontexte einbezieht. Gerade bei der Frage, was als psychisches oder seelisches Problem, Krankheit oder Störung gelten kann, ist diese Perspektive von besonderer Bedeutung. Allerdings ist die Frage, inwiefern gesellschaftliche Entwicklungen Einfluss auf die Entstehung psychischer Probleme nehmen oder diese sogar verursachen, schon viel älter als systemtheoretische Beschreibungen. Ob der Kapitalismus krank macht, ist eine alte soziologische Fragestellung, die aber natürlich von eminenter politischer Bedeutung ist (und seit den 60er Jahren diskutiert wird).

Wie die Geschäftsstelle der Systemischen Gesellschaft mitteilt, findet vom 28.09. bis 01.10.2016 die nächste Tagung der European Family Therapy Association (EFTA) in Athen statt. Ursprünglich sollte die nunmehr 9. Konferenz der EFTA in Amsterdam stattfinden. Es hat sich jedoch sehr schnell herausgestellt, dass die Planung finanziell nicht umsetzbar ist. Kurzfristig ist deshalb der nationale Verband Griechenland eingesprungen und hat die Konferenz nach Athen geholt – der Zeitpunkt ist durchaus passend. Die UNESCO hat 2016 das Aristoteles-Jahr (2.400 Jahre) ausgerufen. Das Programm der Tagung basiert auf der Aristotelischen Philosophie von Ethos, Logos, Techne und Polis.Der Titel der Tagung lautet: „Origins and Originality in Family Therapy and Systemic Practice“.
In einem spannenden Aufsatz für resonanzen – E-Journal für biopsychosoziale Dialoge in Psychotherapie, Supervision und Beratung befasst sich Rudolf Schmitt, Psychologe und Professor an der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Hochschule Zittau-Görlitz, mit der Rolle von und dem Umgang mit Metaphern in Beratung und Therapie, vor allem hinsichtlich der – oft wenig bewussten – metaphorischen Strukturierung des Denkens und Handelns von BeraterInnen und TherapeutInnen. Im abstract heißt es: „Der Umgang mit Metaphern in Beratung und Therapie wird oft selbst nach der Logik eines Werkzeugs diskutiert, als wären Metaphern Instrumente, die man kunstfertig einsetzen könnte. Die von der kognitiven Linguistik (Lakoff & Johnson, 1980, 1998) abgeleitete Metaphernanalyse erschüttert dieses naive Selbstverständnis: Auch BeraterInnen und TherapeutInnen leben in ihren kaum bewussten metaphorischen Mustern, und qualitative Forschung zeigt, dass metaphorische Kommunikation ein situatives und interaktives Phänomen ist, zu dem alle Teilnehmenden beitragen. Der Aufsatz fasst den aktuellen Diskussionsstand zusammen und schlägt eine behutsame und reflexive Vorgehensweise vor.“ Weiter heißt es im Text: „Die folgenden Überlegungen zum Umgang mit Metaphern in Beratung und Therapie sind von der Überzeugung getragen, dass die Pose des genialischen Deuters und poetischen Helden, die schulenübergreifend zu finden ist, wenig zum Verständnis metaphorischer Kommunikation beiträgt, oder, genauer gefasst: Das Reden über Metaphern in Beratung und Psychotherapie ist selbst oft gerahmt von der metaphorischen Übertragung des Helden und des Magiers auf den (fast immer männlichen) Therapeuten. Hier soll eine vorsichtigere Position des Intervenierens mit Metaphern entwickelt werden, die davon ausgeht, dass Metaphern kulturelle Rahmungen unseres Denkens bilden, die auch das Handeln und das Selbstverständnis von BeraterInnen und TherapeutInnen prägen. Der Umgang mit Metaphern in dieser Perspektive leitet sich aus der doppelten Reflexion von Metaphern ab, sowohl jener Sprachbilder der KlientInnen, aber auch unserer eigenen, in denen wir (noch) befangen sind. Das heißt nicht, dass man frei von Bildern sein könnte – jedoch könnte die Benennung eigener leitender Bilder ein Schritt zur Distanzierung sein.“
Am 04. Juni wird unter dem Titel „Schau mir in die Augen“ ein sogenannter „Mentalmagier“ in einer Show des Senders RTL Prominente in Hypnose versetzen. RTL bewirbt die Sendung als „TV-Hypnose-Ereignis des Jahres“ und verspricht den Zuschauern „lustige Situationen und den Kontrollverlust der prominenten Teilnehmer“. Chaos sei programmiert, heißt es weiter. Es geht RTL folglich recht unverblümt um die Vermarktung von unangemessenem, lächerlichem und enthemmtem Verhalten von Menschen unter Hypnose. Der Carl-Auer Verlag fragte Bernhard Trenkle, einen Pionier der Hypnotherapie, Mitglied im Vorstand der International Society of Hypnosis und Gründer des Milton Erickson Instituts in Rottweil, was aus seiner Sicht zu solchen Veranstaltungen zu sagen ist (Foto: T. Levold).