systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

13. April 2016
von Tom Levold
1 Kommentar

Wandel durch Dialogische Zusammenarbeit

Im systemischen Feld gehört Klaus Deissler (Foto: deissler.org) seit langem zu den Vertretern des sozialkonstruktionistischen Ansatzes, über den er auch schon viel veröffentlicht hat. In seinem Text „Wandel durch Dialogische Zusammenarbeit“ aus dem Jahre 2016 resümiert er noch einmal die wichtigsten Aspekte einer dialogisch orientierten, sozialkonstruktionistischen Therapie, die sich weniger an den „großen Erzählungen“ der Psychopathologie, Psychoanalyse oder Systemtheorie orientiert, sondern – Francois Lyotard folgend, eher an den „«kleinen Erzählungen» (…), die innerhalb lokalgebundener Gespräche (Diskurse) stattfinden und die der Bewältigung von Alltagsproblemen und der Erschaffung neuer Bedeutungen und Handlungsmöglichkeiten dienen. Den kleinen Erzählungen bringt Lyotard eine hohe Wertschätzung entgegen: sie überflügeln in der Gesamtheit ihrer Vielfalt und Unterschiedlichkeit die Bedeutung einzelner monolithischer Theorien oder Kosmologien. Es liegt nahe, therapeutische und beraterische Formen der Zusammenarbeit eher in dem Bereich zu lokalisieren, den Lyotard die kleinen Erzählungen nennt.“

Den vollständigen Text kann man hier lesen…

12. April 2016
von Tom Levold
5 Kommentare

Arist von Schlippe zum 65.

Arist von Schlippe

Nachdem gestern schon ein runder Geburtstag zu feiern war, folgt sogleich der Nächste: heute wird Arist von Schlippe 65 Jahre alt – und tritt damit theoretisch in das Rentenalter ein, was sich aber wohl niemand so richtig vorstellen kann. Was hat er nicht alles in den vergangenen Jahrzehnten initiiert, angeschoben und durchgeführt, als Lehrtherapeut, Dozent, Wissenschaftler, Forscher, Autor, Herausgeber, Unternehmensberater und nicht zuletzt auch als Organisator, Institutsvertreter und Vorsitzender der Systemischen Gesellschaft. Gegenseitig in den Blick genommen haben wir uns über eine kritische schriftliche Auseinandersetzung Mitte der 80er Jahre, bei der es nicht nur inhaltlich, sondern auch persönlich zur Sache ging. Einige Zeit später machte ich dann die schöne Erfahrung, dass man im persönlichen Kontakt mit Arist auch schnell über alten Ärger hinwegkommen kann, seitdem haben wir immer wieder an unterschiedlichen Orten und in unterschiedlichen Kontexten mehr oder weniger viel, aber immer gerne miteinander diskutiert, gearbeitet und sind dabei gute Freunde geworden: Als Autoren und Herausgeber (mit wechselseitig befruchtender Konkurrenz), als Funktionsträger in der Systemischen Gesellschaft, in der mehrjährigen gemeinsamen Arbeit am großen EFTA-Kongress in Berlin 2004 mit über 3.500 Teilnehmern und als Diskussions- und Intervisionspartner hinsichtlich unserer Theorieinteressen und Beratungspraxis. Dabei sind wir uns in den letzten Jahren gute Begleiter auch unserer privaten Lebenswege geworden, eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte.

Als Herausgeber des Kontext haben Petra Bauer, Dörte Foertsch, Wolf Ritscher und ich Deinen Geburtstag zum Anlass für ein Kontext-Gespräch genommen, das Dörte mit Dir geführt hat und das gerade rechtzeitig zu Deinem Geburtstag erschienen ist. Es ist ein schönes Gespräch geworden und hier kann man es nachlesen…

Lieber Arist, zum 65. also alles Gute! Dass das Ende Deiner festberuflichen Basis mit diesem Alter naht, liegt auf der Hand. Dass Du weniger aktiv als in den vergangenen Jahren sein wirst, ist allerdings kaum vorstellbar. Doch auch dafür braucht man in unserem Alter Gesundheit, Ruhe, Pausen und Erholung, damit man meistern kann, was man meistern möchte. Dafür wünsche ich Dir Glück, weiterhin eine gute Hand bei der Auswahl Deiner Aktivitäten und uns noch viele freundschaftliche Begegnungen!

Neben mir gratulieren Dir auch noch eine Reihe anderer Kolleginnen und Kollegen an diesem Tage im systemagazin, auf dass Du ihn genießen und Dich feiern lassen mögest!

Ganz herzlich, Tom Weiterlesen →

11. April 2016
von Tom Levold
2 Kommentare

Rudolf Wimmer wird 70!

Heute feiert Rudolf Wimmer seinen 70. Geburtstag, ein Anlass, ihm ganz herzlich zu gratulieren! Nach Studien der Rechts- und Staatswissenschaften, der Politikwissenschaft und Philosophie in Wien sowie mehrjährigen Forschungsaufenthaltem in Deutschland und den USA habilitierte er über das Thema Gruppendynamik und Organisationsberatung an der Universität Klagenfurt. Von 1999-2004 war er Inhaber des Lehrstuhls für Führung und Organisation an der Universität Witten/Herdecke, seit 2004 ist er hier APL-Professor. Seit 2012 ist r zudem als Vizepräsident für Wissenschaftstransfer für die Hochschule tätig. Darüber hinaus ist er seit 1977 freiberuflich als Berater von Organisationen und Unternehmen tätig. Seit 1988 ist der geschäftsführender Gesellschafter der OSB (Video: Rudolf Wimmer im Gespräch mit Reinhart Nagel, www.osb-i.com), einer Gesellschaft für systemische Organisationsberatung in Wien, und spezialisiert auf Fragen der Strategieentwicklung und des Veränderungsmanagements sowie auf die Konzeption und Implementierung neuer Führungsstrukturen. Er ist Gründungsmitglied der österreichischen Gesellschaft für Gruppendynamik und Organisationsberatung und Mitherausgeber und Redakteur der Zeitschrift Organisationsentwicklung. Im systemischen Feld ist er weithin bekannt als Verfasser zahlreicher Artikel und Bücher zu Themen der Organisationsberatung und der Strategieentwicklung auf der Grundlage der soziologischen Systemtheorie und forscht unter anderem zum Thema Familienunternehmen. Seine Arbeiten haben ganz wesentlich zu einem vertieften systemtheoretischen Verständnis gerade von Familienunternehmen beigetragen.

Lieber Rudi, zum 70. Geburtstag alles Gute und die besten Wünsche für den Erhalt Deiner Schaffenskraft und Energie, Weitsicht und Initiative im neuen Lebensjahrzehnt, verbunden mit Gesundheit und Zufriedenheit – und natürlich auch dem Wunsch, dass wir auch weiterhin von Deiner Kreativität und intellektuellen Potenz profitieren können!

Tom Levold

5. April 2016
von Tom Levold
Keine Kommentare

Niklas Luhmann (1986): Die Selbstbeschreibung der Gesellschaft und die Soziologie

In einem interessanten Vortrag aus dem Jahre 1986, der offenbar auch in einem Radio-Programm zu hören war und dessen Aufzeichnung jetzt unter Soundcloud gehört werden kann, setzt sich Niklas Luhmann mit der Frage der Aufgabe der Soziologie (und ihrer Verantwortung) für die Selbstbeschreibung der Gesellschaft auseinander. Dabei macht er deutlich, dass auch die Soziologie (wie auch jede andere Form der Beschreibung von Gesellschaft) Gesellschaft nie von außen beschreiben kann, sondern jede Gesellschaftsbeschreibung immer schon innerhalb des Beschriebenen stattfindet. Insofern wirkt Soziologie an der laufenden Selbstbeobachtung der Gesellschaft mit. Selbstbeschreibung ist dabei die textförmige Fixierung von Selbstbeobachtung zur Weiterverarbeitung in unterschiedlichen kommunikativen Kontexten. Die Soziologie konkurriert dabei mit anderen Formen der Selbstbeschreibung, insbesondere mit dem Wertediskurs, der einen fiktiven Wertekonsens für Gesellschaft unterstellt, den sozialen Bewegungen und den Massenmedien. Am Beispiel des Risiko- und Gefahrendiskurses verdeutlicht Luhmann diese Konkurrenz – und bescheinigt der Soziologie vergleichsweise wenig Einfluss in Bezug auf Veränderungsmöglichkeiten.

4. April 2016
von Tom Levold
Keine Kommentare

Familiendynamik 2/2016: Angst

Unbenannt-1Schwerpunktthema der aktuellen Ausgabe der Familiendynamik ist „Angst“, wie schon einmal bei einem Themenheft von 2008. Die Herausgeber dieses Heftes, Christina Hunger und Arist v. Schlippe, schreiben hierzu in ihrem Editorial: „Angststörungen [werden] neben affektiven und somatoformen Störungen zu den drei häufigsten »Volkskrankheiten« gezählt. Und die Zahlen, so die Krankenkassen, steigen weiter. Dies könnte dazu verleiten anzunehmen, dass noch keine Generation so sehr von seelischen Erkrankungen bedroht gewesen sei wie unsere. Jedoch gilt es zu berücksichtigen, dass unsere Statistiken psychischer und psychiatrischer Leiden auf von Ärzten diagnostizierten Störungen beruhen. Und die Ärzte haben gerade in den vergangenen Jahren »Bezeichnungen« für psychische und psychiatrische Störungen häufiger gewählt. Das bedeutet aber nicht, dass Angststörungen nicht auch schon früher häufig vorgekommen sind. Epidemiologische Studien zeigen jedenfalls, dass in den westlichen Staaten psychische Störungen seit der Mitte des letzten Jahrhunderts nicht zugenommen haben. In diesem Zusammenhang wollen wir gleich auf einen kritischen Beitrag von Allen Frances (Coronado, USA) in den Seiten-Blicken verweisen. Er hat an verschiedenen Formen des DSM (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen) mitgearbeitet und hinterfragt nun die fünfte Version massiv, weil sie in der Gefahr stehe, immer neue »Krankheiten« und damit eben auch viele neue »Kranke« zu produzieren. Daher ließe sich nun mit Recht fragen: Wozu erneut eine Ausgabe der Familiendynamik zum Thema »Ängste«? Dieses Heft wird zeigen, dass auch wenn die Anzahl der diagnostizierten Angststörungen konstant bleibt, sich dennoch der Blick auf diese verändert hat. Dieser veränderte Blick ermöglicht wiederum neue (systemische) Behandlungsformen. Zugleich möchte das Heft folgendem Umstand Rechnung tragen: Neben der kassenfinanzierten Versorgung von Angststörungen im Rahmen (kognitiv-)verhaltenstherapeutischer, tiefenpsychologisch-fundierter und psychoanalytischer Ansätze ist die systemische Therapie bekanntlich gut etabliert. Sollte sie durch das »Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen« (IQWiG) in den nächsten Jahren positiv bewertet und in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden, stünde diese allen gesetzlich Versicherten als ein weiteres Psychotherapieverfahren zur Verfügung. Insofern ergibt eine – wenn auch stets kritisch zu reflektierende – Störungsorientierung der systemischen Therapie Sinn.“

Zum den themenbezogenen Beiträgen gibt es neben dem erwähnten Text von Allen Frances auch noch Beiträge von Christina Hunger, Jochen Schweitzer & Rebecca Hilzinger, Eli Lebowitz & Haim Omer sowie Wilhelm Rotthaus. Auf einen Theorie-Text von Till Jansen im letzten Heft der Familiendynamik reagieren Jürgen Kriz, Guido Strunk und Heiko Kleve mit kritischen Kommentaren.

Alle bibliografischen Angaben und abstracts des aktuellen Heftes finden Sie hier…

29. März 2016
von Tom Levold
Keine Kommentare

Jeder zweite 23-jährige Mann wohnt noch bei den Eltern

Junge Männer verlassen den elterlichen Haushalt später als ihre Altersgenossinnen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, lebte im Jahr 2014 rund die Hälfte (52 %) aller 23-jährigen Männer im Elternhaus. Mit 30 Jahren wohnten 12 % und mit 40 Jahren noch 4 % der Männer als „lediges Kind“ bei den Eltern. Das zeigen die Ergebnisse des Mikrozensus, der größten jährlichen Haushaltsbefragung in Deutschland.

Dagegen wohnte im Jahr 2014 noch etwa jede dritte Frau (35 %) im Alter von 23 Jahren als „lediges Kind“ im elterlichen Haushalt. Mit 30 Jahren gehörten 5 % und mit 40 Jahren noch 1 % der Frauen dem elterlichen Haushalt an.

Quelle: Pressemitteilungen – Jeder zweite 23-jährige Mann wohnt noch bei den Eltern – Statistisches Bundesamt (Destatis)

21. März 2016
von Tom Levold
3 Kommentare

„Crazy like us“ – Wie Amerika den Rest der Welt verrückt macht

Ethan Watters (2016): Crazy Like Us

Ethan Watters (2016): Crazy Like Us

Eine wichtige Neuerscheinung des aktuellen Jahres ist soeben im dgvt-Verlag Tübingen erschienen. Es handelt sich um die deutsche Übersetzung eines Buches von Ethan Watters, auf das ich schon 2011 im systemagazin aufmerksam gemacht habe. Watters ist ein amerikanischer Journalist, der sich in seinen Texten mit psychiatrischen, psychologischen und psychotherapeutischen Fragestellungen beschäftigt. In Wikipedia heißt es über sein aktuelles Buch: „In Crazy Like Us erweitert Watters seinen kritischen Ansatz auf die unreflektierte Anwendung psychiatrischer Konzepte. Watters wendet sich in diesem Buch an ein breites Publikum. Teilweise im Stil einer Reisereportage geschrieben schildert das Buch Watters Begegnungen mit psychisch Kranken, Psychiatern und Psychotherapeuten auf der ganzen Welt. Watters zeichnet die Wege nach, auf denen sich über Zeitschriften, Zeitungen, Fachmagazine und Meinungsführer psychiatrische Diagnosen um den ganzen Erdball verbreiten – häufig vorangetrieben durch Kampagnen der Pharmaindustrie.

Watters stützt sich dabei auf die Arbeiten des Medizinhistorikers Edward Shorter. Shorter geht davon aus, dass psychiatrische Diagnosen wie Sinnangebote funktionieren. Sie geben Menschen die Möglichkeit, ihrem Leiden in einer zu ihrer Zeit und in ihrer Kultur akzeptierten Form Ausdruck zu verleihen. (…) Watters selbst schreibt in Crazy Like Us über die im Westen verbreiteten Konzeptionen psychischer Störung: ,Wenn man sie von fernen Ufern aus betrachtet, sieht man die gesellschaftlichen Vorurteile und Gewissheiten, die unser eigenes Bild von psychischen Krankheiten und dem menschlichen Geist prägen, mit atemberaubender Klarheit. Von diesem Standpunkt aus erscheinen unsere eigenen Annahmen über Wahnsinn und das Selbst plötzlich recht seltsam.’“

Die deutsche Übersetzung hat Thorsten Padberg besorgt, auch für systemagazin-Leser kein Unbekannter mehr. systemagazin bringt hier mit freundlicher Erlaubnis des Verlages sein Nachwort als Übersetzer. Andrea Sacher aus Unna hat das Buch gelesen und resümiert: „Dieses Buch ist ein Appell an jeden von uns, die Selbstverständlichkeiten in unserem beruflichen Alltag zu hinterfragen. Lesen Sie es!“. Dieser Einladung kann ich mich nur anschließen: Wenn Sie die Rezension und das Nachwort gelesen haben, wissen Sie warum!
Weiterlesen →

18. März 2016
von Tom Levold
Keine Kommentare

Kriegserbe in der Seele

Udo Baer & Gabriele Frick-Baer: Kriegserbe in der Seele. Was Kindern und Enkeln der Kriegsgeneration wirklich hilft

Udo Baer & Gabriele Frick-Baer: Kriegserbe in der Seele. Was Kindern und Enkeln der Kriegsgeneration wirklich hilft

Lothar Eder, Mannheim: Beschäftigung mit einer lange tabuisierten Thematik: Umgang mit Traumata bei Angehörigen der deutschen Kriegsgeneration und den Folgen für ihre Kinder und Enkel

Seit Beginn der Jahrtausendwende ist zu beobachten, dass ein bisher vernachlässigtes Thema publizistisch in den Fokus rückt: die Auswirkungen von Krieg und Vertreibung der Deutschen im zeitlichen Kontext des zweiten Weltkrieges und den darauf folgenden Ereignissen. Dieses Interesse nährt sich vor allem aus einem Generalmotiv: nämlich die damaligen und die folgenden Generationen, ihr Erleben, ihre seelischen Verletzungen und Einschränkungen besser zu verstehen. Insbesondere die Bücher von Sabine Bode stechen hier heraus (zu nennen wäre u.a. der thematische Erstling Die vergessene Generation. Kriegskinder brechen ihr Schweigen, 2004). Darin spürt sie individuellen Schicksalen von Kriegskindern nach; und sie tut dies anhand von Interviews mit heutigen Erwachsenen, die das damalige Geschehen als Kinder erlebt haben. Ausgangspunkt ist in der Regel ein psychisches Problem oder eine als Problem erlebte Verhaltensweise (z.B. die Unfähigkeit, nahe Beziehungen einzugehen). Der Erzählfaden spannt sodann die Geschichte auf und macht das heutige Geschehen im Kontext von Zeit und Familie verstehbar. In der Gesamtschau ergibt sich aus den Einzelschicksalen eine fast kollektive Traumatisierung der damaligen Generation. Mittlerweile gibt es einige weitere journalistisch-dokumentarische Veröffentlichungen, die ähnlich gelagert sind. Weiterlesen →