Heute würde Milton Erickson seinen 115. Geburtstag feiern. Grund genug, an dieser Stelle auf einen Autor zu verweisen, der in der Tradition von Erickson steht und arbeitet: Bernhard Trenkle. Für sein neues Buch „3 Bonbons für 5 Jungs – strategische Hypnotherapie in Fallbeispielen und Geschichten“ hat ihn Margarethe Seul-McGee vom Carl-Auer-Verlag interviewt:
Carl-Auer: Lieber Herr Trenkle, Ihr neues Buch „3 Bonbons für 5 Jungs – strategische Hypnotherapie in Fallbeispielen und Geschichten“ ist – bei aller erzählerischen Verve – nicht ganz einfach zu verstehen. Mit dem Begriffspaar „strategische Hynotherapie“ im Untertitel stellen Sie sich sehr explizit in die Nachfolge von Milton Erickson. Im Vorwort aber zitieren Sie Ericksons Tochter Betty Alice, die den therapeutischen Ansatz ihres Vaters definierte als, „das zu tun, was funktioniert“. Wie passen Strategie und Pragmatismus (oder Utilisation?) zusammen? Liegt darin im langläufigen Verständnis nicht ein gewisser Widerspruch?
Bernhard Trenkle: Milton Erickson war gegen das Gründen von Therapieschulen. Erickson war auch gegen das Gründen eines Erickson’schen Ansatzes. Das ist vielleicht der Grund, warum es bei den Therapeuten, die sich auf Erickson berufen, so eine kreative Vielfalt von effektiven Ansätzen gibt. Erickson befürchtete, dass die Klienten durch zu viel Therapie-Schule in das Prokrustes-Bett einer Theorie gezwängt werden könnten.
Erickson plädiert also dafür, sehr flexibel in der Situation zu entscheiden, welcher therapeutische Ansatz in der jeweiligen Situation angebracht ist. Von daher sind natürlich auch immer „strategische“ Entscheidungen nötig. Zum Beispiel die Entscheidung: Ist Hypnose angebracht oder eine andere Form von Therapie? Das habe ich hauptsächlich im Kapitel über die „Ordeal-Therapie“ thematisiert. Das dahinterliegende Hauptkonzept von Erickson ist Utilisation, das heißt, es wird versucht, alles inklusive der Pathologie für positive therapeutische Ziele zu nutzen.

Bernhard Trenkle
Carl-Auer: Könnte man also sagen, Ericksons Strategie oder sein Konzept bestünde darin, sämtliche sich bietenden Eigenschaften, Ressourcen und selbst Aspekte der Störungsbilder eines Klienten einzubeziehen und für das therapeutische Ziel nutzbar zu machen? Setzt das nicht eine geradezu lauernd-beobachtende Distanziertheit des Therapeuten zum Klienten voraus?
Bernhard Trenkle: „Lauernd-beobachtend“ ist eine interessante Idee aus Ihrer journalistischen Perspektive. Wie wäre es, wenn wir das umformulieren in „wohlwollend-neugierige“ Haltung, um nützliche Potenziale für die Behandlungsziele des Klienten zu entdecken? Nossrat Peseschkian, der schon 1967 das erste Buch über Positive Psychotherapie geschrieben hat, beschreibt in einem seiner Bücher ein wunderbares Beispiel. Eine Klientin definierte sich selbst als frigide. Er antwortet: Sie sind nicht frigide. Sie haben die Fähigkeit, mit dem Körper Nein zu sagen. – Es ist dieser wohlwollend-neugierige Blick auf die positiven Potenziale und Anteile bei unseren Klienten, die die Erickson’sche Hypnotherapie auszeichnet und wovon wir auch Elemente in anderen Therapieansätzen finden.
Nun habe ich eine Gegenfrage. Wie würde unsere Welt aussehen, wenn auch die Mehrheit der Journalisten bei Interviews häufiger „wohlwollend-neugierig“ anstatt „lauernd-beobachtend“ unterwegs wären? In der Beantwortung dieser Frage habe ich mich z. B. strategisch entschieden, ein Beispiel eines Nichthypnotherapeuten zu bringen, und dann habe ich gleich noch die Möglichkeit gesehen, etwas zur Interviewführung zu sagen, was mich beim Fernsehschauen schon länger beschäftigt hat.
Das vollständige Interview können Sie hier lesen…
Zum Thema Ihres Adventskalenders „Fremd – Vertraut. Begegnungen mit der Fremdheit“ sende ich Ihnen ein Zitat von Franz Michael Felder (1839-1869), das fast so etwas wie eine paradoxe Intervention darstellt.
Ein Weg entsteht dadurch, dass ich ihn öfter beschreite. Wenn ich auf ihm unterwegs bin, brauche ich mich damit nicht mehr zu befassen und kann mich auf anderes konzentrieren. In einer bestimmten Gegend aufgewachsen zu sein, alle Wege dort zu kennen, mich mit Vertrautem zu umgeben vermittelt mir Sicherheit. Vor allem wenn ich gestresst oder ängstlich bin, suche ich nach dem Gewohnten und will mir eine Heimat erhalten, die mir gleichzeitig ständig entzogen wird. Die Lage, in der ich mich heutzutage befinde, verlangt mir nämlich ganz anderes ab. Die berufliche Umgebung fordert Flexibilität und Mobilität im Hinblick auf den Arbeits– bzw. Wohnort, alles verändert sich sehr schnell, ich muss mich ständig mit Neuem konfrontieren. Manchmal ärgere ich mich über das Befremdliche, darf es aber nicht zeigen, weil ich es nicht korrekt fände und den eigenen Auffassungen auch gar nicht entsprechend. Bestimmte politische Parteien schaffen mir mittels ihrer Parolen dann Erlaubnisräume für meinen Frust – in ihrem Schutz darf ich ungestört dagegen wüten und schäumen und mich an abgedroschenen Phrasen erfreuen.
Ins Museum für Ostasiatische Kunst gehe ich gerne, um mich befremden zu lassen. Wie beim Reisen in unbekannte Gegenden kann ich hinterher nicht sagen, ob ich mehr über das Fremde erfahren habe oder mehr über mich selbst. Oder mehr über etwas ganz anderes.

Weil ich so begeistert bin, dass es Leute gibt, die nicht SupervisorInnen und Coaches sind und sich mit genau diesen Fragen beschäftigen, hier zum Schluss ein Zitat und eine ausführliche Literaturangabe.
Hier mein Beitrag zum systemagazin-Adventskalender. In der Einladung wurde um Texte gebeten. Mein Beitrag ist allerdings kein Text und somit vielleicht auch fremd zwischen den vertrauten Formen von Text. Vielleicht kommt jedoch (nichtöffentlicher) Text im Betrachter auf und dann könnte der Beitrag etwas ins Vertraute rücken. Ich bin keine (studierte) Künstlerin und damit ist vielleicht auch meine Art zu zeichnen befremdlich. Dennoch kann vielleicht Fremdes gefallen und Vertrautes missfallen? Oder andersrum…
Liebe Leserinnen und Leser,



Heute würde Heinz von Foerster (Foto: Wikipedia) seinen 105. Geburtstag feiern. 1979 ist ein Artikel von Humberto R. Maturana im Cybernetics Forum erschienen, in dem er unter dem Titel „The wholeness of the unity: Conversations with Heinz von Foerster“ beschreibt, wie ihn die Gespräche mit Heinz von Foerster während seines 10omonatigen Aufenthaltes am Biological Computer Laboratory an der University of Illinois während der Jahre 1968 und 1969 zu seinen Überlegungen hinsichtlich der Begriffe Funktion, Zwecke und Ziele von lebenden Systemen inspiriert haben. Diese Begriffe sind keine Aspekte lebender Systeme (etwa Zellen oder Organismen) selbst, sondern erhalten nur Sinn aus der Perspektive eines Beobachters. Diese Ideen werden anhand von einigen Anekdoten Heinz von Foersters, der u.a. tatsächlich auch als Zauberer aufgetreten ist, verdeutlicht. Der Artikel ist im Konstruktivismus-Archiv der Universität Wien gespeichert und
Heute vor 25 Jahren, am 10.11.1991, ist Harold Goolishian in Galveston gestorben. Der Psychologe, Pionier der Familientherapie und langjähriger Inhaber des Lehrstuhls für Klinische Psychologie an der Medizinischen Fakultät Galveston der University of Texas gehört gemeinsam mit Harlene Anderson zu den Begründern des narrativen Ansatzes in der systemischen Therapie und gründete 1977 mit ihr, Paul Dell und George Pulliam das Galveston Family Institute in Texas. Im Zentrum ihrer Überlegungen stand die Idee, dass nicht die Therapeuten die Experten für Lösungen seien, sondern die Klienten selbst, eine Perspektive, die eine (oft missverstandene) Haltung des Nicht-Wissens auf Seiten des Therapeuten nahelegt. In einem Aufsatz für das von Sheila McNamee und Ken Gergen 1992 b bei Sage herausgegebenen Bandes „Therapy as Social Construction“ präsentierten Anderson und Goolishian ihre diesbezüglichen Ideen. In diesem Aufsatz wird ein interpretativer und hermeneutischer Ansatz des Verstehens von Therapie beschrieben. Die Idee der therapeutischen Konversation als Dialog, in welchem der Therapeut die Position des Nichtwissens einnimmt, wird dargestellt und erweitert. Insbesondere wird die konversationale Art zu Fragen diskutiert, die den KlientInnen Spielraum läßt, ihre Geschichte zu erzählen – und zwar unabhängig von den zuvor entstandenen Ideen des Therapeuten. Der Therapeut schließt sich der sich natürlich entfaltenden Erzählung der Klienten durch aufrichtiges Bemühen an, um mit grenzenloser Neugier die Bedeutungen des Klienten zu verstehen und kennenzulernen. Das Ziel dieses therapeutischen Kontexts ist nicht das Entdecken von Wissen, sondern die Erzeugung eines dialogischen Konversationsprozesses. Im Verlauf dieses Prozesses entwickeln sich neue Bedeutung und Verstehen wechselseitig, und diese werden immer begrenzt durch die lokal verhandelten Regeln der Bedeutung.