17. Dezember 2017
von Tom Levold
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Lothar Eder, Mannheim: Engagement? — Degagement!
Sich zu engagieren hat einen hohen Stellenwert. Es ist moralisch hoch angesehen, vor allem wenn es um die vermeintlich „gute Sache“ geht. Jedoch sind an das Engagement auch (systemische) Fragen zu richten, etwa die, welche Auswirkungen das Engagement wohl haben wird? Und es stellt sich die Frage, welche impliziten Überzeugungen dem individuellen und kollektiven, oder gar kollektiv geforderten Engagement zugrundeliegen. Kollektiv eingefordert, das heißt: Wer nicht mitmachen will, wer vor den Folgen warnt, wer sich nicht einverstanden zeigt, wer Kritik oder gar Protest formuliert, der läuft Gefahr, moralisch diskreditiert und aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden.
Wir leben in einer Zeit, in welcher die Forderungen nach globalen, ja ubiquitären Rettungen (das Klima, Millionen von Menschen, die migrieren wollen, das Tilgen jeder vorgeblichen Ungerechtigkeit und Unterschiedlichkeit) die mediale Sphäre und den öffentlichen Diskurs dominieren.
Wie selbstverständlich gehen wir davon aus, dass es möglich ist, alles Übel in der Welt zu tilgen. Diese Idee aber ist keineswegs selbstverständlich, sie ist eine Kreation der Moderne. Der Wissenschaft und dem kollektiven Einsatz guter Absichten wird dieses Projekt überantwortet. Ja, es scheint, dass dies nicht nur eine Hoffnung ist, sondern mehr noch eine Erwartung, eine Forderung gar. Befreiung von Leid, Befriedigung von Bedürfnissen, Zugang zu weitreichenden Privilegien sind in der späten Moderne keine bloße Hoffnung Verzweifelter mehr. Sie gelten vielmehr als Recht, auf das Anspruch erhoben werden kann.
Zunächst klingt das gut. Aber der Teufel ist ein Eichhörnchen. Und er steckt bekanntlich im Detail. Hier steckt er, neben der Frage nach der Machbarkeit und den Auswirkungen solchen Handelns, in den implizit ideengeschichtlichen Details. Und er steckt in den Aspekten der seelischen Verfassung und Stimmung, die damit einhergehen. Spätestens seit Nietzsche gilt Gott als tot und der Mensch als „Schöpfer der Geschichte“ (Fichte) ist an seiner Statt verantwortlich für das Leid in der Welt und dessen Beendigung. Dies ist (auch) die Folge der Aufgabe und Verneinung von Transzendenz. Das jetzige Leben gilt als einzige und letzte Gelegenheit, die eigenen Angelegenheiten und die anderer zumindest einer Besserung, wenn schon keinem paradiesgleichen Zustand zuzuführen. Weiterlesen →