systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

12. Oktober 2019
von Tom Levold
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Luc Isebaert (22.5.1941 – 30.9.2019)

Foto: Solutionfairy

Am 30.9. ist Luc Isebaert gestorben. Der belgische Psychiater und Psychotherapeut ist als Vertreter der lösungsorientierten Therapie bekannt geworden. Er war Mitbegründer der European Brief Therapie Association (EBTA) sowie Gründer und Inspirator des Korzybski-Instituts für lösungsorientierte Therapie und des Brügger Modells für Kurztherapie.

Filip Caby, Vorsitzender der DSGF, hat Luc Isebaert gut gekannt und für systemagazin einen Nachruf verfasst.

Filip Caby, Leer: „Du brauchst nur hinzuschauen“

Am Montag, dem 30.09.2019, verstarb Luc Isebaert 78jährig in Oostende. Luc war ein belgischer Kinder- und Jugendpsychiater und Psychiater und leitete bis zum Ruhestand die psychiatrisch-psychosomatische Klinik am St-Jan-Ziekenhuis in Brügge. 

Seit den frühen achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts beschäftigte er sich mit der Ericksonschen Hypnotherapie und ließ sich von Bateson, Minuchin und Korzybski beeinflussen. Er gründete das Korzybski-Institut in Brügge und später weitere Ableger in Antwerpen und Rotterdam. Er war mit Insoo Kim Berg und Steve De Shazer eng befreundet und entwickelte seine Ideen der Lösungsfokussierung parallel zu deren Ideen.

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11. Oktober 2019
von Tom Levold
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Hans Schindler (6.7.1952 – 8.10.2019)

Hans Schindler
(Foto: B. Schmidt-Keller)

Am Dienstag, dem 8. Oktober 2019, ist Hans Schindler in seinem Haus in der Toscana unerwartet und unerwartbar gestorben. Er starb aufgrund eines Hornissen-Angriffes an einem anaphylaktischen Schock mit Herzstillstand. Das systemische Feld verliert einen wichtigen Wegbegleiter und Vertreter des Systemischen Ansatzes, viele von uns verlieren einen guten Freund.

Hans Schindler war Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut und früherer Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Bremen, seit 1989 arbeitete er als Lehrtherapeut am Bremer Institut für systemische Therapie und Supervision. Er war lange Zeit im Vorstand der Systemischen Gesellschaft tätig und Redaktionsmitglied der Zeitschriften Systhema und Psychotherapeutenjournal. Seine Bemühungen um die Anerkennung der Systemischen Therapie als Kassenleistung wurden zuletzt durch seine Wahl zum Präsidenten der Bremer Psychotherapeutenkammer gekrönt.

Wir vermissen Hans als einen klugen, zugewandten, humorvollen und immer vermittelnden Kollegen und Freund.

Arist von Schlippe, der Hans Schindler auch privat eng verbunden war, hat für systemagazin einen Nachruf geschrieben.

Arist von Schlippe: How fragile we are …

Diese Liedzeile von Sting geht mir seit gestern morgen nicht aus dem Kopf. Es war nur eine kurze Nachricht: Hans Schindler ist am 8.10. in Folge einer allergischen Reaktion auf einen Hornissenangriff gestorben. Er wurde 67 Jahre alt.

Ein Schock. Das ist unmöglich, kann nicht sein! Vor vier Wochen hatten wir noch in Bremen zusammengesessen, uns unsere Geschichten erzählt, gut gegessen und von den besonderen Flaschen aus dem unerschöpflichen Weinkeller getrunken. Wir hatten Spaß und haben viel gelacht, denn im Humor waren wir uns besonders nah. All das, was doch noch so viel Gegenwart in sich zu bergen schien, ist nun vergangen.

Wir waren enge Freunde und gute Kollegen. Ich kannte Hans noch aus seiner familientherapeutischen Ausbildungszeit am IF Weinheim, war später mehrfach auch im Bremer Institut zu Gast. Gemeinsam waren wir lange Jahre in der Systemischen Gesellschaft im Vorstand (1999-2005). Ich schätzte damals seine in langer Zeit des politischen Engagements gewonnenen Erfahrungen im Umgang mit schwierigen Konstellationen, etwa in Mitgliederversammlungen und ich bewunderte sein strategisches Denken, wenn es um die Weiterentwicklung der Verbandes ging. Selbstverständlich wurden die Vorstandssitzungen regelmäßig mit sehr gutem Essen und sehr gutem Wein beendet.

Auch privat hatten wir viel miteinander zu tun, unsere Familien waren und sind eng verbunden, wir verbrachten mehrfach die Ferien gemeinsam. Seine Mühle in der Toskana, die die Familie 1986 im baulich sehr schlechten Zustand gekauft hatte, war seine große Leidenschaft (sicher lag es auch daran, dass dort in den Jahren zuvor die PCI getagt hatte, die kommunistische Partei Italiens, der Hans sich nahe fühlte). Sein Ferienhaus wurde zum zweiten Leben, sämtliche Ferien spielten sich dort ab. Unermüdlich war er hier tätig, wir erlebten das Wachsen mit, ein Reitplatz entstand, ein Weinberg – zu dem brauchte es natürlich auch einen kleinen Traktor, dann einen Bagger. Und der Wein „Molino di Possera“ schmeckte – nach einigen Versuchsjahren – wie ein echter italienischer Landwein; ein Rosengarten und ein zweites Nachbarhaus entstanden. Es war ein alter Schuppengewesen, den er mit seinen Söhnen zum „Palazzo“ ausgebauthatte. Dieser wurde nun sein Schicksal, als er dort nichtsahnend eine Terrassentür öffnete, hinter der sich ein noch nicht entdecktes Hornissennest befand.

Und er hatte doch noch so viel Leben vor sich! Eine größere Krankheit war gut überwunden, ein wenig Schonung war angesagt, aber er war auch gerade zum Präsidenten der Psychotherapeutenkammer in Bremen gewählt worden. Der erste Systemiker als Chef einer Kammer! Es war nicht nur für ihn ein Sieg nach jahrzehntelangen Kämpfen, auch wenn er ihn natürlich persönlich sehr genoss – es war auch eine Genugtuung für die darin liegende Anerkennung für die systemische Therapie, der er aufs Engste verbunden war. Ich erinnere mich noch, wie er mir sagte, wie leicht nun auf einmal alles geworden sei: Nach der Anerkennung und mit der neuen Position nahm mit ihm die systemische Therapie nun ganz selbstverständlich Platz zwischen den anderen Verfahren, gehörte dazu. Seine Praxis betrieb er reduziert weiter, aber nur noch zur Hälfte, nachdem seine Tochter dort mit eingestiegen war.
Alle Kinder waren „unter der Haube“, die elf Enkelkinder in Bremen, zum Teil im Nachbarhaus. Eigentlich war nun die Zeit zum Innehalten gekommen, seine Frau Nina und er hatten Zeit und freuten sich, ihre engsten Lieben so nah zu wissen. Alle Zeichen standen auf positiv. Das Schicksal wollte es anders. Ich weiß nicht, wie wir alle, die ihn kannten und schätzten, mit dem Verlust fertig werden, aber am meisten denke ich jetzt an Dich, liebe Nina, und an Euch liebe Schindler-Familie.

How fragile we are…

Rudi Klein und Barbara Schmidt-Keller

How fragile we are… Wie wahr, lieber Arist

Wir haben mit Hans einen lieben Kollegen und engen Freund verloren. Das Gewebe unserer Erinnerungen verbindet  Begegnungen in Bremen und im Saarland, an der Mosel, in der Bretagne und in der toskanischen Mühle , umfasst  Diskussionen,  Witze, gemeinsames Lachen, Trinken, Essen, Genießen und  auch ernste und nachdenkliche  Gespräche über Krisen und körperliche Bedrohungen. Wir erinnern uns an Autofahrten, in denen 3 von 4 Insassen lautstark alte Abba-Songs mitgeschmettert haben, unterbrochen von gelegentlich heftigem Luftholen und einiger verkehrsbedingter Stoßgebete. Über alles eben, was zum Leben gehört.

Hans war ein wunderbarer Kollege und warmherziger Freund. Ich (Rudi) verdanke ihm in beider Hinsicht viel.  Seine Freude, Neugierde und Kraft waren ansteckend. Ich habe mit ihm sogar Beton gemischt und Mauern gebaut, obwohl ich in jeder anderen Beziehung um jedwedes Handwerken riesige Bögen gezogen habe und ziehe. Ich habe von ihm gelernt, gute von sehr guten Weinen zu unterscheiden, wie man ganze Seezungen (vier Stück) in einer riesigen Pfanne brät, wie man Zucchiniblüten füllt. Kurz: wie man das Leben genießt und welche Möglichkeiten es noch gibt, die eingefahrenen Prioritäten über den Haufen zu werfen und mit alternativen zu experimentieren.

Und wir sind dankbar für die letzte gemeinsam verbrachte Woche in Italien. Das Foto zeigt den Tisch, von dem wir gerade alle aufgestanden waren. Es war ein Mittagessen zu seinem 65. Geburtstag und das folgende Gedicht von Luigi Nono bringt für uns zum Ausdruck, was Hans uns bedeutet hat und weiter bedeuten wird.

Lebendig ist, wer wach bleibt
Sich den anderen schenkt
Das Bessere hergibt
Niemals rechnet
Lebendig ist, wer das Leben liebt
Seine Begräbnisse, seine Feste 
Wer Märchen und Mythen aus den ödesten Bergen findet.

Lebendig ist, wer das Licht erwartet
in den Tagen des schwarzen Sturms
Wer die stilleren Lieder
ohne Geschrei und Schüsse wählt

Sich zum Herbst hinwendet
und nicht aufhört zu lieben
In Verbundenheit mit Nina und der Familie und den Freunden

Rudi und Barbara

10. Oktober 2019
von Tom Levold
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Luc Ciompi wird 90

Luc Ciompi
(Foto: T. Levold)

Heute feiert Luc Ciompi seinen 90. Geburtstag und systemagazin gratuliert von Herzen. Am 10. Oktober 1929 wurde Luciano „Luc“ Ciompi in eine komplizierte Familiensituation in Florenz geboren und wechselte mit der Mutter in die Schweiz über, wo er Medizin studierte und eine Karriere als Psychiater durchlief. Er war von 1977 bis 1994 Professor für Psychiatrie an der Universität Bern und ärztlicher Direktor der Sozialpsychiatrischen Universitätsklinik Bern. Als Kliniker berühmt wurde er durch sein innovatives Konzept der Soteria, einer Wohngemeinschaft für Menschen mit akut schizophrenen Störungen, die vor allem durch intensive zwischenmenschliche Begleitung und Zuwendung in einem emotional entspannenden Milieu behandelt wurden. Auch hierdurch, aber vor allem durch seine Arbeiten zur Affektlogik und ihrer Bedeutung für den systemischen Ansatz im Allgemeinen und die Psychotherapie im Besonderen, wurde er auch im systemischen Feld bekannt und einflussreich, sein Werk umfasst über 250 wissenschaftliche Veröffentlichungen, darunter 14 Bücher und über 50 Buchbeiträge, insbesondere zum Langzeitverlauf der Schizophrenie, zum Konzept der Affektlogik, zu den emotionalen Grundlagen des Denkens sowie zum Problem von Zeit und Zeiterleben.

Lieber Luc,

Meine ersten Begegnungen mit dir (als sehr junger systemischer Therapeut) hatte ich nur über die Literatur. Im Januar 1981 erschien in der „Psyche“ dein Aufsatz „Psychoanalyse und Systemtheorie – ein Widerspruch? Ein Ansatz zu einer ,Psychoanalytischen Systemtheorie“, dessen Titel mich schon elektrisierte, weil ich als Soziologe, der einen psychoanalytischen Background hatte, aber über Luhmann seine Diplomarbeit geschrieben hatte, genau diese Verbindung interessant fand. Deine These damals war, „dass die beiden Denkmodelle sich nicht in einem Widerspruchsverhältnis befinden, sondern allenfalls (…) im hierarchischen Verhältnis einer allgemeinen zu einer speziellen Theorie. Was die familiär-interpsychische gegenüber der individuell-intrapsychischen Dynamik anbelangt, so stehen die beiden Theorien in einem ausgesprochen komplementären Verhältnis zueinander“. Auch wenn damals die Psychoanalyse, die heute viel systemischer geworden ist, und die sich entwickelnde Familientherapie nicht wirklich aneinander interessiert waren und in ihrem Sprachspielen wohl weniger kompatibel waren, als du vorgeschlagen hattest, wurde deine visionäre Idee, eine bestimmte Art psychodynamischen Denkens mit systemtheoretischen Überlegungen zu verknüpfen, schon damals wegweisend – unabhängig davon, was an altem theoretischen Ballast dafür noch abzuwerfen war.

Im systemischen Feld war die Bedeutung von Affekten und Gefühlen noch lange – bis in die 90er Jahre – eher kein oder allenfalls ein Randthema. Dass sich das im Laufe der Zeit verändert hat, dazu hast du Wesentliches beigetragen.

Persönlich kennengelernt haben wir uns sehr viel später. Ich meine, wir sind uns erstmals auf einem der Symposien ohne Publikum begegnet, die Rosmarie Welter-Enderlin mit ihrem Gespür für die wichtigen Themen so wunderbar zu organisieren wusste. Deine freundliche, zugewandte, alle Status- und Reputationsmarkierungen beiseite lassende Art der Diskussion und Aufmerksamkeit für das, was im Raum an inhaltlichen Entwicklungen möglich war, hat mich von Anfang an beeindruckt. Deine Leidenschaft für die Themen, die dich umtreiben, deine Liebe zur Komplexität und auch abstrakter Theoriebildung bei gleichzeitiger Fähigkeit, sie mit den unmittelbareN Erfahrungen und der klinischen Praxis anschaulich zu verbinden, ist bewundernswert und mir immer ein Vorbild gewesen.

Und nun schenkst du allen interessierten Leserinnen und Lesern mit deinem Blog beim Verlag Vandenhoeck & Ruprecht besondere und auch sehr intime Einblicke in deine persönliche Entwicklungsgeschichte wie in deinen intellektuellen und professionellen Werdegang mit allen damit verbundenen Zweifeln, Niederlagen und Widrigkeiten, die es zu überwinden oder zumindest auszuhalten galt. Deine Bereitschaft, am Beispiel deiner eigenen Biographie zu zeigen, dass professionell erfolgreiche Entwicklungen immer auch notwendigerweise mit einer Entwicklung der Persönlichkeit – mit allen Höhen und Tiefen –, einhergehen muss, zeugt von deiner Haltung, Theorie, Praxis und Selbstreflexion in einen stimmigen Zusammenhang zu bringen. Davon können wir alle nur lernen und dafür möchte ich dir ganz besonders danken.

Deine geistige Frische ist wie dein künstlerischer und schriftstellerische Elan in deinem Alter ist trotz aller erwartbaren Beeinträchtigungen bewundernswert. Ich wünsche dir, dass deine Leidenschaft, Energie und Kreativität auch in den kommenden Jahren noch einige Überraschungen für dich und uns bereit halten wird.

Lieber Luc, zum 90. Geburtstag ganz herzliche Glückwünsche und alles Gute! Ich freue mich, dass ich dir auch im systemagazin einen Strauß von Gratulationen überreichen kann.

Tom

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3. Oktober 2019
von Tom Levold
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Borderline

Das aktuelle Heft der Familiendynamik ist dem Thema „Borderline-Persönlichkeitsstörungen“ gewidmet. In der Einleitung von Rieke Oelkers-Ax und Christina Hunger-Schoppe heißt es: „Mit dem Wort »Borderline« (engl. ›Grenzlinie‹) bezeichnete der Psychiater C. H. Hughes 1884 erstmals einen Bereich diagnostischer Grenzfälle zwischen Gesundheit und psychischer Krankheit. A. Stern beschrieb 1938 die meisten Merkmale der heutigen Borderline-Persönlichkeitsstörung unter dem Namen »border line group«. Damit wurde der Begriff in einer stark von psychoanalytischer Theorie beeinflussten Zeit geprägt für psychische Zustände an der Grenze (engl. ›border‹) von Neurose und Psychose. Dies war damals nicht nur eine Symptombeschreibung, sondern auch eine Einschätzung zu Therapiemöglichkeiten und Prognose: nämlich zwischen »behandelbar« (wie Neurosen durch die Psychoanalyse) und »unbehandelbar« (wie Psychosen).

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25. September 2019
von Tom Levold
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Systemischer Forschungspreis für Mathias Berg

(DGSF, 25.9.2019) Systemischer Forschungspreis für Wirksamkeitsforschung in der Jugendhilfe

Der Systemische Forschungspreis 2019 geht an Mathias Berg. Ausgezeichnet wird seine Dissertation „Auswirkungen systemischer Beratung und Therapie in einer Erziehungs- und Familienberatungsstelle auf die Bindungssicherheit verhaltensauffälliger Kinder im Grundschulalter”. Der Preis der beiden systemischen Fachgesellschaften DGSF und SG ist mit 3.000 Euro dotiert und wurde im Rahmen der wissenschaftlichen Jahrestagung der DGSF in Hamburg verliehen.

Erziehungs- und Familienberatung ist die meistgenutzte Hilfe zur Erziehung im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe. Dabei ist systemische Beratung und Therapie das dominierende Verfahren. Erziehungsberatung und der systemische Ansatz in der psychosozialen Beratung sind hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und ihrer Effekte im Vergleich zur Psychotherapie allerdings noch wenig erforscht. Mathias Berg untersuchte in seiner Interventionsstudie die Beratungsprozesse bei 61 Grundschulkindern. Hauptsächliches Forschungsziel war es, mehr über eine potentielle Veränderung der Bindungssicherheit bei Kindern nach der Beratung herauszufinden, zentraler Bestandteil der systemischen Intervention waren dabei die Eltern beziehungsweise die Familie des Kindes. Die Befunde zeigen, dass systemische Beratung und Therapie im Feld der Erziehungsberatung dazu in der Lage sind, Bindungssicherheit zu fördern und Verhaltensauffälligkeiten zu reduzieren.

Dr. Ulrike Borst, Vorsitzende der Systemischen Gesellschaft (SG), und Dr. Björn Enno Hermans, scheidender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF), übereichten den Preis gemeinsam am vergangenen Samstag im Audimax der Universität Hamburg. Der Preisträger ist seit September Professor für Theorien und Konzepte Sozialer Arbeit an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen.

Näheres über die Arbeit von Mathias Berg ist hier zu lesen.

 

24. September 2019
von Tom Levold
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Schon wieder Weihnachten?

Weihnachten? Im September? Nun, schaut man sich in den Supermärkten dieses Landes um, findet man sich schon seit einigen Tagen zwischen Bergen von Spekulatius, Dominosteinen und Lebkuchen wieder. Der Spätsommer hat sich noch nicht abgemeldet, da klopft schon die Weihnachtsindustrie an die Türen der Konsumenten. Auf absehbare Zeit stellt sich wieder die Frage: „Was schenken wir unseren Kindern?“ Zu dieser Frage haben Gerald Hüther und André Stern „eine Entscheidungshilfe“ vorgelegt, die gerade frisch veröffentlicht worden ist. Wolfgang Traumüller hat sich das Büchlein angeschaut und präsentiert hier seine Überlegungen:

Wolfgang Traumüller: Vom Schenken, Beschenktwerden und fraglichen Dank

Es ist Herbsteszeit, der Sommer scheint vorüber und mit den vom Rhein über die Rebhänge herüber wabernden Nebelschwaden zieht bereits ein leises Wähnen des Christkinds über das Land, in das aus den Fenstern der Discounter schon die ersten Nikoläuse lauernd Schokoladen-Blicke werfen. Wie alle Jahre wieder wird stimulierter Kaufrausch über die Theken und Verkaufstische branden, der Handel unter dem Klingeln seiner Kassen mehr oder weniger zufriedene Gesichter machen und von mancher Kanzel die hilflos-dumme Mär verbreitet werden, weil Gott im Kind sich zum Geschenke mache, schenkten auch wir von dieser unbändigen Freude weiter. Als habe sich nichts verändert seit den Tagen des Paradiesgärtleins und der kargen Lichtlein auf dem kargen Fichtlein, das der Großvater aus dem Schnee in die warme Stube bringt und Kinderaugen groß macht unter einem bewegenden „Stille Nacht“-Gesang. Was noch vor hundert Jahren und mehr die Herzen wärmte, wirkt in unseren coolen Tagen wie in Konsum ersoffener, betulicher Brauchtumskitsch.

Passend zum Anlass, zum Weltkindertag am 20.September und zur Buchmesse legen die Bildungsexperten Gerald Hüther und André Stern ihre Entscheidungshilfe vor: „Was schenken wir unseren Kindern?“

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23. September 2019
von Tom Levold
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Sigmund Freud (6.5.1856-23.9.1939)

Heute vor 80 Jahren starb in London der Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud, wohin er am 4. Juni 1938, nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland aus Wien emigrierte und wo er sein letztes Lebensjahr verbrachte. Ein Anlass auch für Systemiker, seiner zu gedenken. Systemtheorie und Psychoanalyse zusammen zu denken ist seit jeher ein Anliegen von Harald Wasser, auf dessen Dissertation „Sinn – Erfahrung – Subjektivität. Eine Untersuchung zur Evolution von Semantiken in der Systemtheorie, der Psychoanalyse und dem Szientismus“ von 1994 ich hier hinweisen möchte. In der Einleitung heißt es: „In der vorliegenden philosophisch-interdisziplinären Arbeit soll der Versuch unternommen werden, implizite wie explizite evolutionär bedeutsame Modifikationen und Neuentwicklungen der Begriffe Sinn, Erfahrung und Subjektivität aus der Literatur zum systemtheoretischen, zum psychoanalytischen und zum sogenannten szientistischen Ansatz gleichsam „abzulesen“ und detailliert herauszuarbeiten.
Dabei liegt die These zugrunde, daß die jeweiligen Verwendungen und Definitionen (oder auch Zurückweisungen) der Begriffe des Sinns, der Erfahrung und der Subjektivität von zunehmender Bedeutung für die Struktur und die Entwicklung der ausgewählten und möglicherweise auch anderer wissenschaftlicher Strömungen sind. Damit verbunden ist die weitere These, daß anhand einer Untersuchung der genannten Begriffe Tendenzen sichtbar werden, die darauf hinweisen, daß sich diese Wissenschaften mitten in einem evolutionären Schub von großer Bedeutung befinden. Insbesondere der Sinnbegriff ist dabei von Relevanz.“

Die Arbeit ist online hier zu lesen…

21. September 2019
von Tom Levold
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Hören 1. und 2. Ordnung. Warum Zuhören mehr ist als wissen, was gesagt worden ist

Am 14.4.2018 fand in Berlin die Jubiläumstagung des Berliner Instituts für Familientherapie (BIF) zum Thema »Die Kunst zu Hören« statt. Während die Kunst zu fragen von Beginn an ein Markenzeichen des Systemischen Ansatzes ist, das sich in zahllosen Veröffentlichungen spiegelt, blieb die Beschäftigung mit dem Hören und Zuhören im therapeutischen Prozess unentwickelt. Der Beitrag „Hören 1. und 2. Ordnung. Warum Zuhören mehr ist als wissen, was gesagt worden ist“, den ich auf der Basis eines Vortrages auf dieser Tagung verfasst habe, ist im Kontext-Heft 1/2019 zum Thema „Hören und Zuhören“ erschienen und findet sich auch im Wissensportal der DGSF. Im abstract heißt es: „Im systemischen Diskurs sind visuelle Metaphern dominant, zum Hören und Zuhören ist hier wenig zu finden. Auch die Literatur zur Gesprächsführung ist primär an Fragen orientiert und nicht am Zuhören. Der Aufsatz beschreibt die Unterschiede zwischen Hören und Zuhören und arbeitet die Bedeutung des Zuhörens für Therapie und Beratung heraus. Sprechen und Zuhören werden als wechselseitiger Prozess dargestellt, in dessen Verlauf verborgene Aspekte des Problemerlebens als »Thema hinter dem Thema« sowie mögliche Lösungen erkennbar werden. Dabei spielt die Erfassung unterschiedlicher linguistischer und paralinguistischer Elemente von Klientennarrativen eine bedeutsame Rolle. Abschließend werden die Konsequenzen dieser Konzeption für die Frage einer aktiven Strukturierung von Therapiegesprächen erörtert.“

Der vollständige Beitrag kann hier gelesen und heruntergeladen werden…

18. September 2019
von Tom Levold
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Süchtiges Trinken eine Heldenreise?!

Stefan Jirkovsky ist Klinischer und Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut (SF) und u.a. Lehrtherapeut an der Wiener Lehranstalt für systemische Familientherapie. Am Psychosomatischen Zentrum Eggenburg arbeitet er mit Menschen mit süchtigen Verhaltensweisen. Im Journal der Lehranstalt Systemische Notizen hat er 2018 einen Artikel veröffentlicht, der das Narrativ der „Heldenreise“, die „Dreiphasen-Struktur“ von Übergangsritualen von Van Gennep und das „Dreiphasenmodell“ nach Rudolf Klein zur Bearbeitung süchtigen Trinkens miteinander kombiniert.

In seinem Text heißt es: „In diesem Artikel möchte ich Ansätze systemischer Therapie bei süchtigem Trinken in das Narrativ der Heldenreise integrieren. Ich beschäftigte mich mit der Frage, wie wiederkehrende, leidvolle und häufig von Vorfällen boykottierte Suchtdynamiken mit dem Narrativ der Heldenreise so aufbereitet werden, dass sie in Entwicklungsdynamiken übergehen können. Als Grundlage dient mir das Modell von Rudolf Klein (…), der süchtiges Trinken als missglücktes oder stagnierendes Übergangsritual konzeptualisiert hat. Ich erweitere diesen Ansatz um das Narrativ der Heldenreise als ein Übergangsritual in einem vergrößerten bzw. metaphorischen Maß. In einem Folgeartikel werde ich Interventionen und Fallgeschichten dazu diskutieren und die Chancen aufzeigen, diese im ambulanten Einzelsetting und stationären Gruppensetting zu nützen.“

Der erste Teil kann hier online gelesen und heruntergeladen werden.

16. September 2019
von Tom Levold
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Systemischer Kinderschutz – Empfehlungen des Fachverbands DGSF

(DGSF, 16.9.2019): Es gibt keinen allumfassenden Kinderschutz, auch nicht mit noch so ausgefeilten Checklisten oder Handlungsmanualen. Ein wirksamer Kinderschutz darf nicht vorwiegend auf stärkere Kontrolle setzen. Er sollte vielmehr dialog-, und hilfeorientiert sein, muss die Lösungsideen der betroffenen Familien ernst nehmen und sie bei Gefährdungseinschät­zungen aktiv beteiligen. Das sind zentrale Aussagen einer fast 100-seitigen Broschüre „Systemischer Kinderschutz“, die die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) zu ihrer am 19. September beginnenden Jahrestagung in der Universität Hamburg vorlegt.

Das Thema Kinderschutz gerate vor allem durch dramatische Kinderschutzfälle in die öffentliche Diskussion, die die fachliche Kinderschutzpraxis zu verengen drohe. Es nähmen fachliche und fachpolitische Tendenzen zu, den Schutz von Kindern und Jugendlichen auf technokratisches und auf Kontrolle ausgerichtetes Handeln zu verkürzen, was einen „achtsamen und hilfeorientierten“ Kinderschutz erschwere, so der Fachverband in seiner Broschüre. DGSF-Vorsitzender Dr. Björn Enno Hermans schreibt in seinem Vorwort: „Systemischer Kinderschutz bedeutet für mich, den Kontext und die Wechselwirkungen der Situation eines Kindes angemessen zu berücksichtigen und alle relevanten Personen und Institutionen einzubeziehen“.

Die Broschüre beschreibt „Leitplanken“ eines systemischen Kinderschutzes, die „Systemische Sozialraumorientierung“ und Kinderschutz als Elternrecht. Von der Kindeswohlgefährdung vor der Geburt über Kinderschutz für ältere Kinder und Jugendliche bis zum Schutz in Institutionen werden die verschiedensten Aspekte des Themas berücksichtigt. Auch die Rolle der Medizin im Kinderschutz wird systemisch betrachtet. Ein Anhang mit systemischen Arbeitsmethoden – wie aufsuchende Familientherapie, Multifamilienarbeit, Familienrat oder „Kidstime“ – die Nennung von Ansprechpartnern sowie die Verlinkung zu Arbeitshilfen und Fachbeiträgen erhöhen den praktischen Nutzen der Veröffentlichung für Fachkräfte im Kinderschutz.

Die DGSF stellt die Broschüre auf ihrer Website kostenfrei zum Download zur Verfügung. Dort richtet der Fachverband auch ein Forum für Rückmeldungen, Kritik und weitere fachliche Expertisen ein. Die Veröffentlichung soll im Dialog mit der Fachöffentlichkeit weiterentwickelt werden – ein ergänzendes Kapitel zum Kinderschutz bei sexueller Gewalt ist bereits in Vorbereitung und wird in Kürze auf der DGSF-Webseite zum Kinderschutz veröffentlicht.

10. September 2019
von Tom Levold
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Lynn Hoffman, 10.9.1924 – 21.12.2017

Heute würde Lynn Hoffman ihren 95. Geburtstag feiern. Im systemagazin ist schon häufiger auf ihre Bedeutung für die Entwicklung des systemischen Ansatzes hingewiesen worden, so z.B. hier oder hier. Wie vielen anderen PionierInnen der Systemischen Therapie bliebe ihr, die zunächst als Literaturwissenschaftlerin in Kontakt mit dem therapeutischen Feld gekommen ist (und von Virginia Satir eingeladen wurde, ihr bei der Abfassung des Buches „Conjoint Family Therapy“ zu helfen), heute wohl der Weg zu einer therapeutischen Ausbildung versperrt – auch wenn gerade ihr unkonventioneller professioneller Background (wie bei vielen anderen Pionieren) die therapeutischen Perspektiven in den vergangenen Jahrzehnten wesentlich erweitern half. Die Sprache und ihre Bedeutung für die Konstruktion und Veränderung von Wirklichkeiten blieb ihr lebenslanges Thema, das sie mit Klugheit und Wärme in aller Welt auf wunderbare Weise vermittelte. An dieser Stelle sei mit zwei Nachrufen von Harlene Anderson und Imelda McCarthy an Lynn Hoffman erinnert!

9. September 2019
von Tom Levold
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Systemische Organisationsberatung

Eckard König, emeritierter Lehrstuhlinhaber im Fachbereich Erziehungswissenschaft an der Universität Paderborn, ist gemeinsam mit Gerda Volmer für seine „Personale Systemtheorie“ bekannt geworden, die im Unterschied zum Luhmannschen Ansatz die Basis sozialer Systeme nicht in den Kommunikationen als zentrale Operationen sieht, sondern in den beteiligten Personen, ihren Wirklichkeitsdeutungen und daraus resultierenden kommunikativen Mustern, Systemgrenzen und -entwicklungsmöglichkeiten. Beide sehen sich dabei in der Tradition von Gregory Bateson und Paul Watzlawick. Ihr. Konzept der „Personalen Systemtheorie“ stellten sie in ihrem Buch „Einführung in die systemische Organisationsberatung“ vor, das heute als wichtige Grundlage für Systemische Organisationsberatung und Systemisches Coaching gilt. Erstmals 1993 erschienen, wurde 2008 aus der Einführung das Handbuch, das 2018 bereits in der 3. komplett überarbeiteten Fassung im Beltz-Verlag erschienen ist. Ingo Kallenbach, der die ursprüngliche Fassung in den 90er Jahren kennengelernt hat, ordnet den Band dem unverzichtbaren Kanon der Organisationsberatungsliteratur zu:

Ingo Kallenbach, Rohrbach:

Gern würde ich die Besprechung mit einer kleinen Umfrage starten: Wer von Ihnen als Lesende/r dieser Rezension hat dieses Buch nicht auch im Bücherschrank stehen? Da es sich bei der Zielgruppe hier um Systemiker/innen handelt, schätze ich einfach mal auf mindestens 50 %. Und das auch nur, da sich nicht jede/r im weiten Feld der systemischen Disziplin für Organisationsberatung interessiert, denn dann wären es vermutlich nahezu 100 %.

Soll heißen: An dem Handbuch kommt eigentlich nicht vorbei, wer sich mit systemischer Organisationsberatung beschäftigt. Meine persönliche Ausgabe, damals noch im Deutschen Studienverlag erschienen, datiert aus dem Jahr 1996, damals schon die 4., überarbeitete Ausgabe innerhalb von drei Jahren. Erstausgabe war im Jahre 1993. Die hier zugrundeliegende Ausgabe ist die 3., komplett überarbeitete Auflage des »Handbuch Systemische Organisationsberatung«, wie es seit 2008 heißt. Weiterlesen →

6. September 2019
von Tom Levold
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Gestiegene Geburtenhäufigkeit bei älteren Müttern

WIESBADEN (3.9.2019) – Im Jahr 2018 kamen in Deutschland 787 500 Babys zur Welt. Das waren rund 2 600 Neugeborene mehr als im Vorjahr. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, blieb 2018 die durchschnittliche Kinderzahl je Frau auf dem Vorjahresniveau: Die zusammengefasste Geburtenziffer betrug 1,57 Kinder je Frau. In den neuen Ländern (ohne Berlin) war sie mit 1,60 Kindern je Frau höher als im früheren Bundesgebiet (ohne Berlin) mit 1,58. Bemerkenswert ist die steigende Geburtenhäufigkeit der Frauen ab 40 Jahren. Mütter im Alter ab 40 Jahren brachten 2018 rund 42 800 Babys zur Welt. Zwar war ihre Geburtenhäufigkeit mit 88 Kindern je 1000 Frauen immer noch relativ gering, hat sich aber gegenüber 23 Kindern je 1000 Frauen in 1990 fast vervierfacht.
Die zusammengefasste Geburtenziffer wird zur Beschreibung des aktuellen Geburtenverhaltens herangezogen. Sie gibt an, wie viele Kinder eine Frau im Laufe ihres Lebens bekäme, wenn ihr Geburtenverhalten so wäre wie das aller Frauen zwischen 15 und 49 Jahren im betrachteten Jahr.

Niedersachsen und Brandenburg mit höchster Geburtenziffer

In Niedersachen und Brandenburg war 2018 die zusammengefasste Geburtenziffer mit 1,62 Kindern je Frau am höchsten. Mit Ausnahme Mecklenburg-Vorpommerns war sie auch in den übrigen ostdeutschen Bundesländern sowie in Bremen und Nordrhein-Westfalen mit 1,60 Kindern je Frau relativ hoch. Besonders niedrig war die Geburtenziffer dagegen in Berlin (1,45 Kinder je Frau). Auch im Saarland (1,47) und in Hamburg (1,49) war sie deutlich niedriger als den übrigen Bundesländern.

Stadtstaaten gemessen an Einwohnerzahl besonders geburtenreich

Die Zahl der Geborenen wird allerdings nicht nur durch das Geburtenverhalten, sondern auch durch die aktuelle Altersstruktur der Bevölkerung beeinflusst. In Bundesländern mit einer relativ jungen Bevölkerung gibt es mehr potenzielle Eltern. Dort werden deshalb – bezogen auf die Einwohnerzahl – vergleichsweise mehr Kinder geboren. An erster Stelle standen hier 2018 die Stadtstaaten Hamburg mit 12 Kindern sowie Berlin und Bremen mit jeweils 11 Kindern je 1 000 Einwohnerinnen und Einwohner. In den Bundesländern mit einer verhältnismäßig alten Bevölkerung und weniger potenziellen Eltern wurden dagegen im Verhältnis zur Einwohnerzahl weniger Kinder geboren. So kamen in den neuen Ländern (außer Sachsen) und im Saarland nur 8 Babys je 1 000 Einwohnerinnen und Einwohner zur Welt. In Deutschland insgesamt wurden 9 Kinder je 1 000 Einwohnerinnen und Einwohner geboren, im früheren Bundesgebiet (ohne Berlin) 10 Kinder.

Quelle: Deutsches Statistisches Bundesamt