In der aktuellen Ausgabe von Psychotherapie Forum ist ein Artikel von Elisabeth Wagner über Diagnostik aus systemischer Perspektive in open access zu lesen. Im Abstract heißt es: „Am Anfang des Beitrages wird die traditionell diagnosekritische Haltung der systemischen Therapie dargestellt und theoretisch begründet: sowohl aus der interaktionellen Perspektive der frühen Familientherapie, wie auch aus konstruktivistischer und systemtheoretischer Perspektive wird der Anspruch, intrapsychische Störungen objektiv zu erfassen, in Frage gestellt. Der diagnostische Fokus systemischer (Kurz)Therapie liegt dementsprechend auf der Wirklichkeitskonstruktion der_Klientinnen und Klienten, deren Zielen und Ressourcen und soll eine darauf differenziert abgestimmte therapeutische Kooperation ermöglichen. In weiterer Folge wird argumentiert, dass trotz aller berechtigter „Diagnoseskepsis“ nicht zuletzt die Ausweitung des Interventionsrepertoires in der systemischen Therapie eine differenziertere Erfassung intrapsychischer Prozesse als Grundlage verantwortungsvollen therapeutischen Handelns erforderlich macht. Diese wird aus einer synergetischen Perspektive dargestellt und der Klassifikation psychischer Störungen nach ICD und DSM gegenübergestellt. Abschließend werden die Dimensionen eines professionellen systemischen Fallverständnisses zusammenfassend dargestellt.“
Heute würde Steve de Shazer, der im September 2005 in Wien an den Folgen einer Lungenentzündung in Wien starb, 80 Jahre alt werden.
1984 veröffentlichte er in der Zeitschrift Family Process einen Artikel mit der Überschrift The Death of Resistance, in dem er sich kritisch und auf einer sehr theoretischen Weise mit dem Widerstandskonzept in der Psychotherapie auseinandersetzte und statt dessen das Konzept der Kooperation als Alternative vorschlug. Wie er 1989 in einem weiteren Text Resistance Revisited erzählt, ist sein Text jahrelang von allen in Frage kommenden Zeitschriften abgelehnt worden, bis es 1984 zur Veröffentlichung der mittlerweile 6. Revision in der Family Process kam. Ein schönes Beispiel für Widerstand in der Zunft: „Of course, in order to get it published, I put my thesis in rather theoretical terms: I could not say ,I confess: I murdered it because it had out-lived its usefulness.“
In diesem Text von 1989, der in Contemporary Family Therapy 11(4) erschien, erklärt er noch einmal auf kurze und bündige Weise die Entstehung der Idee vom Tod des Widerstands gegen Veränderung und der Entwicklung von Kooperation entlang der Frage nach den bereits ausnahmsweise oder imaginierten Veränderungen, die wie viele andere seiner Konzepte auch über seinen 80. Geburtstag hinaus fortbestehen werden. Den Text schließt er folgendermaßen ab: „It seems that therapists and clients alike can go on quite well without the concept of resistance. Theoretically it has proved to be unnecessary and, in fact, pragmatically its absence, or rather the presence of the concept of cooperating, has proved useful. Therapy is much more fun for everyone when the topic of conversation is centered around the times when the complaint is unexpectedly absent, focusing on what it is that the clients are doing that is useful, effective, good for them, and fun.“
Selbstorganisation – ein Paradigma für die Humanwissenschaften, so lautet ein aktueller Band, der von Kathrin Viol, Helmut Schöller und Wolfgang Aichhorn „zu Ehren von Günter Schiepek und seiner Forschung zu Komplexität und Dynamik in der Psychologie“ herausgegeben wurde, wie der Untertitel lautet. Erschienen ist der Band im Springer-Verlag. Ausgangspunkt der Beiträge war eine internationale Konferenz in Salzburg, die anlässlich des 60. Geburtstags von Günter Schiepek 2018 in Salzburg stattfand. Andreas Manteufel hat das Buch für systemagazin besprochen.
Vor zwei Jahren fand in Salzburg, dem beruflichen Wirkungsort von Günter Schiepek, ein Symposium zu seinem 60. Geburtstag statt. Nun erschien das Buch zum Symposium bzw. zum runden Geburtstag. Zu einem großen Teil decken sich die damalige Referentenliste und die Autorengruppe. Schiepek selbst, der Vielschreiber, dessen umfangreiches Oevre auf den letzten dieser über 600 Seiten aufgelistet ist, darf sich zurücklehnen und anschauen, was alte und neuere Weggefährten in ihren jeweiligen Fachgebieten zu einer synergetischen humanwissenschaftlichen Forschung beitragen.
Was da vor dem Auge des Lesenden vorbeizieht ist eine beeindruckende Parade von Arbeiten aus den unterschiedlichsten Disziplinen, geschrieben von Theoretikern, Forschern und Methodikern, klinischen oder beratenden Praktikern, zusammengehalten durch das Band der Synergetik und den Rahmen dessen, was im einleitenden Artikel des Mitherausgebers Helmut Schöller „Humanwissenschaften“ genannt wird, als hätte man diesen Terminus erfinden müssen, um der bunten Mitarbeiterschar des Geburtstagskindes einen Vereinsnamen zu verleihen. „Wie lassen sich alte, ungewünschte Strukturen aufbrechen, wie kann man selbstorganisatorische Prozesse unterstützen, wie ,steuern’?“ (S. 12) skizziert Schöller die abstrakte, aber allen gemeinsame Fragestellung.
Im Klett-Cotta-Verlag hat Elisabeth Wagner, Psychiaterin aus Wien mit u.a. systemischer Ausbildung, ein „Praxisbuch Systemische Therapie“ veröffentlicht, das sich vor allem an bereits in klinischen Kontexten tätige ärztliche, psychiatrische und psychologische Kolleginnen und Kollegen wendet, die sich in Systemischer Therapie qualifizieren wollen. Martin Rufer, der heute seinen 71. Geburtstag feiert (herzlichen Glückwunsch!), hat das Buch gelesen und für systemagazin rezensiert.
Was da in den letzten Jahren nicht alles an Lehr-, Lern und Handbüchern über Theorie und Praxis systemischer Therapie geschrieben worden ist. Auch ich selber will mich davon (synergetische Theorie und Praxis) nicht ausnehmen (Rufer, 2013 u.2018). Dass sich nun auch Elisabeth Wagner nach Ihrem letzten, viel beachteten Buch (zusammen mit Ulrike Russinger) über „Emotionsbasierte systemische Therapie“ auch noch ganz allgemein der Systemischen Therapie zuwendet, muss gut begründet sein.
„Psychotherapie ist keine Krankenbehandlung“. Diesen Satz aus dem Munde einer Ärztin in einem Buch mit dem expliziten Hinweis auf „klinische Kontexte“ zu lesen, ist nicht selbstverständlich. Obwohl Psychotherapie keine Krankenbehandlung ist, wie Wagner mehrmals im Buch hervorstreicht, macht es Sinn, dass sie sich als erfahrene Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin sowie Lehrende in Systemischer Therapie mit diesem Buch vor allem diejenigen KollegInnen erreichen und ansprechen will, die in klinischen Kontexten arbeiten. Die darin aufgeführten zahlreichen Fallbeispiele und eine „Konzeptualisierung unter synergetischer Perspektive“ (Wagner, S. 67ff) machen anschaulich, wie Wagner als Klinikerin Erfahrungen mit unterschiedlichsten psychischen Störungen gesammelt hat und dabei neben den Arbeiten von Lieb, Levold, Ludewig, Ciompi u.a. insbesondere diejenigen der Kollegen im eigenen Land (Schiepek, Grossmann u.a.) in dieses Buch mit einfliessen lässt, die sich durch synergetische Theorie und Praxis auszeichnen,. Dass „in den letzten 10 Jahren ca. 40 % aller in Wien tätigen AssistenzärztInnen für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin Ausbildungen in einem systemischen Curriculum“ absolviert haben, erscheint auf dem Hintergrund der Anerkennung der Systemischen Therapie in Deutschland doch ein gutes Omen. Aus Schweizer Sicht wäre selbstkritisch zu fragen, warum denn bei uns, wo die Systemische Therapie genauso lang anerkannt ist, ein solcher „Erfolg“ (in quantitativer Hinsicht) wohl nicht zu belegen wäre bzw. wie sie sich (verfahrensspezifisch) auch qualitativ und nachhaltig in klinischen Kontexten positionieren und etablieren kann…
Der Lockdown im März dieses Jahres hat viele systemisch arbeitende Kolleginnen und Kollegen kalt erwischt. Vom 12. bis 14.3. war ich als Dozent an der Universität Kassel in einem Studiengangsmodul tätig, als die Nachrichten von den ersten Maßnahmen stündlich eintrafen und die Universität dann am 13.3. alle Veranstaltungen räumen ließ. Alle geplanten Workshops und Seminare sowie Vorträge auf Tagungen wurden in den Folgetagen abgesagt – ich hatte im März und April zunächst einmal mehr oder weniger Zwangsferien. Einige Therapien und Coachings liefen weiter, aber die meisten Supervisionen (in Kliniken und anderen Einrichtungen) wurden kurzfristig storniert. Als sich abzeichnete, dass es sich womöglich um einen länger andauernden Zustand handeln könnte, entstanden neue und kreative Lösungen auch dort, wo bislang eher eine wenig technik-affine Haltung seitens der Klientensysteme vermutet werden konnte. Online-Plattformen wie Zoom oder andere Videokonferenz-Anbieter machen derzeit rasante Umsatz- und Gewinnsprünge. Mittlerweile habe ich eine ganze Reihe von Supervisionen und Weiterbildungsseminaren online durchgeführt, und auch wenn die fehlende räumliche Präsenz einen Verlust an interaktionellen Erfahrungen, Lebendigkeit und zwischenmenschlichen Begegnungen mit sich bringt, zeigt sich, dass die Arbeit online durchaus nicht nur Schattenseiten hat, sondern auch produktiv genutzt werden kann. Die therapeutische Arbeit oder Coachings im Einzelsettung kann ich mir online nach wie vor nur als unvermeidbaren Ersatz für ein anders nicht realisierbares Setting vorstellen.
Emily Engelhardt beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema online-Beratung. 2014 hat sie im Kontext einen Artikel über Online-Supervision veröffentlicht, der sich allerdings noch primär mit text-basierter Supervision über e-Mail oder Chats auseinandersetzte. Im abstract heißt es: „Vor welchen Herausforderungen steht Supervision im sich stetig fortentwickelnden Zeitalter der Digitalisierung und Mediatisierung unserer Gesellschaft ? Wie kann mit den gesellschaftlichen Veränderungen, die sich hierdurch auch für das Feld der Supervision ergeben, sinnvoll umgegangen werden? Die psychosoziale Beratung hat hierauf in den letzten zehn Jahren erste Antworten gefunden. Die immer stärkere Verbreitung von Onlineberatung als zusätzliches (oder eigenständiges) Beratungsangebot spiegelt sich in der Vielzahl der im Internet aufrufbaren Beratungsangebote wider. Supervision als »Sonderform« von Beratung wird sich in den nächsten Jahren dieser Entwicklung stellen müssen. Adäquate Angebote sind derzeit nur sehr vereinzelt zu finden. Eine klare Positionierung der Fachverbände für Supervision steht noch aus, ebenso die Entwicklung von Qualitätsstandards sowie spezifizierten Ausbildungen im Bereich der Online-Su- pervision (Höllriegel, 2013). Wenn Reflexion ein wesentlicher Aspekt von Supervision ist, müssen Supervisionskonzepte so gestaltet sein, dass sie Reflexion zulassen. Das bedeutet insbesondere, dass sich Supervisor/-innen als Verantwortliche für den Beratungsprozess Gedanken darüber machen müssen, in welchem Setting und mit welchen Methoden sie ihr Supervisionsangebot gestalten. Der Artikel gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der Online-Supervision, ihren besonderen Charakter und leitet Entwicklungsaufgaben für die Zukunft ab.“
Aktuell hat sie einen interessanten Blog in die Welt gesetzt, der sich in Texten und Podcasts u.a. mit dem Thema Online-Beratung in Corona-Zeiten beschäftigt. Wer sich mit diesen Fragen, den Medien, Methoden und auch den praxeologischen und ethischen Implikationen beschäftigen möchte (und das dürfte im Moment und in Zukunft sehr viele von uns betreffen), sollte diesen Blog einmal besuchen.
Das in den nächsten Tagen erscheinende Heft 1/2020 der Zeitschrift systeme ist prall gefüllt mit unterschiedlichen Beiträgen zur (systemischen) Theorie und Praxis, Vortragstexten und Rezensionen. Evelyn Niel-Dolzer schreibt über den Unterschied zwischen Erzählen und Aneignen der eigenen Geschichte, Günter Emlein reflektiert den Stellenwert der Systemtheorie in der (systemischen) Praxis. Cordula Stratmann und Konrad Paul Liessmann setzen sich mit der Bedeutung von Humor und Witz auseinander, Luise Reddemann mit dem Konzept der Resilienz. Schließlich gibt es noch ein Plädoyer von der bekannten Vertreterin des Sozialkonstruktionistischen Ansatzes Sheila McNamee, PraktikerInnen primär als Menschen im Dialog anzusehen, das sie auf der ÖAS-Jubiläumstagung 2019 in Wien gehalten hat. Ein Interview mit Fritz B. Simon kreist um das Thema Paradoxien in Gesellschaft, Organisationen und Familien sowie „konkrete Rezepte“ zu Kommunikation. Wie man sieht, eine lohnende Zusammenstellung!
Die neueste Ausgabe der Familiendynamik ist dem Thema der „Wiederkehr der Theorie“ im systemtherapeutischen Diskurs gewidmet. Optimistisch heißt es im Editorial von Hans Rudi Fischer und Günter Emlein: „Nachdem der über zwei Jahrzehnte dauernde Kampf um die Anerkennung systemischer Therapie als wirksame psychotherapeutische Praxis erfolgreich zu Ende gegangen ist, scheint das Interesse an wohlbegründeter Fundierung therapeutischer Praxis wiederbelebt zu sein. Die Wiederkehr der Theorie, von der hier die Rede ist, ist nicht die eines ehemals Verdrängten, sondern eher eine Rückkehr zum Ausgangspunkt, nämlich der anfangs abstrakten Theorie, um, von deren Quellen gestärkt, in die therapeutische Praxis zu kommen.“
Im Heft findet sich dann ein Artikel von Ulrike Borst über Systemische Therapietheorie und Fallkonzeption sowie ein Beitrag von Günter Emlein, der Psychotherapie als polykontexturale Praxis versteht. Ferner findet sich ein Text von Martin Kurthen zum Streit um die Tragweite neurowissenschaftlicher Erkenntnisse, ein ausführlicher Nachruf auf den Zeitschriftenmitbegründer Josef Duss-von Werth und ein Text der im vergangenen Jahr verstorbenen Philosophin Ágnes Heller. Alle bibliografischen Angaben und abstracts finden Sie hier…
2018 ist im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht in der Reihe Leben. Lieben. Arbeiten: systemisch beraten Corina Ahlers‘ Buch Patchworkfamilien beraten erschienen, ein Thema, das Corina Ahlers, systemische Therapeutin in Wien und langjährige Lehrtherapeutin der dortigen ÖAS, schon seit Jahren beschäftigt. Wolfgang Loth hat das Buch gelesen und bescheinigt ihm, das zu verkörpern, „was mir Compassion zu bedeuten scheint: mitfühlend Orientierung ermöglichen“.
Vielleicht sollte ich es spannender machen, doch was soll’s. Mein Eindruck nach dieser Lektüre ist, ein wohltuendes Buch in der Hand zu haben. Wohltuend zu einem nicht einfachen Thema. Wenn es stimmt, man müsse nur bis drei zählen können und schon habe man es mit Chaos zu tun[1], dann gibt es im Fall von Patchworkfamilien dazu vielfältigen Anlass. Das könnte man ausschlachten und ein Drama draus machen. Man kann es aber auch anerkennend zur Kenntnis nehmen, und diese Anerkennung in zugewandtes, zutrauendes und kreatives Handeln übersetzen, die Grenzen der eigenen Möglichkeiten im Sinn, und bereit, den Raum, den sie markieren, zu nutzen. Darüber hinaus Mitgefühl empfinden – Ahlers spricht von „betroffener Partizipation durch Zeugenschaft“ (S.56) – und somit bereit für das Risiko sein, dass die eigene Resonanz von dem allfälligen Chaos angemacht wird. Und ebenfalls die Disziplin aufbringen, unerschrocken nach Anschlussmöglichkeiten zu suchen. Dass dies hier alles zusammenkommt, ist es wohl, weshalb ich das hier besprochene Buch als wohltuend erlebe.
Gestern wäre Ivan Boszormenyi-Nagy, einer der Pioniere der Familientherapie und Begründer der kontextuellen Therapie 100 Jahre alt geworden. Im systemagazin ist er schon an unterschiedlicher Stelle gewürdigt worden, z.B. hier anlässlich seines Todes im Januar 2007.
Dieses Video aus den USA von Janet Stauffer ist zwar recht „amerikanisch“, gibt aber einen guten Einblick in das Leben und Werk von Boszormenyi-Nagy mit zahlreichen privaten Fotos und Ausschnitten aus Therapiesitzungen.
Die systemische Geschichtswerkstatt, die seit Sommer 2018 frei zugänglich ist, ist eine browserbasierte nicht-lineare Darstellung der Geschichte des Systemischen Ansatzes im 20. Jahrhundert. Ausgangspunkt dieses Projektes war eine Arbeitsgruppe, zu der Tom Levold, Kurt Ludewig, Anni Michelmann, Wolf Ritscher, Wilhelm Rotthaus und Gisal Wnuk-Gette gehörten.
Die Recherche, Datensammlung und Erfassung in der Datenbank sowie die technische Umsetzung auf der Netzplattform Kumu wurde von Tom Levold erbracht. Mit Kumu wurde eine browserbasierte Netzplattform gefunden, die in der Lage ist, sehr komplexe Zusammenhänge benutzerfreundlich darzustellen. Es handelt sich dabei um eine Software zur Visualisierung von Netzwerken, die beliebig viele Items bzw. Knotenpunkte mit beliebig vielen Verbindungen zwischen diesen Items dynamisch abbilden kann. Die Kategorien, die als Knoten für das Geschichtsprojekt-Netzwerk ausgewählt wurden, sind Personen, Jahre, Ereignisse (wie Treffen oder Tagungen), Zeitschriften, Schlüsselwerke (bedeutsame Veröffentlichungen), Therapieansätze, Institute, Organisationen und Verbände. Zu jedem Knoten gibt es in diesem Fenster eine Beschreibung, bei Personen z.B. eine kurze Vita, ein Publikationsverzeichnis, evtl. Fotos und Videos. Von jedem Knoten gehen Verbindungslinien zu zugehörigen anderen Knoten aus, bei Personen z.B. Teilnahme an Tagungen, Mitgliedschaft in Organisationen oder Autorenschaft für bestimmte Schlüsselwerke etc. Auf diese Weise kann man nach Belieben durch eine Vielzahl von Verbindungen wandern und dabei immer neue Zusammenhänge zu finden.
Auf dem Jubiläumskongress der ÖAS in Wien im Frühjahr 2019 habe ich einen Vortrag über die Geschichte und Funktionsweise dieses Projektes gehalten. Er wurde von der Firma AH-Effekt hören-sehen-lernen aufgezeichnet, der ich herzlich für die Veröffentlichungsrechte danken möchte.
Im Kohlhammer-Verlag ist 2018 das Buch Beziehungspsychologie. Grundlagen, Forschung, Therapie erschienen, das einen „umfassenden Überblick über den aktuellen Stand der internationalen beziehungspsychologischen Theoriebildung, Forschung und Intervention“ bieten soll. Wolfgang Loth hat es gelesen und empfiehlt die Lektüre.
Wenn Bodo Klemenz ein Thema anpackt, kann man davon ausgehen, dass er dessen Breite und Tiefe in vollem Umfang erfasst, gliedert und geradezu lexikalisch aufbereitet. Sein bisheriges Werkverzeichnis, das dies dokumentiert, ist beeindruckend. Im Zentrum stand zunächst das konsequente Übertragen ressourcenorientierter Ansätze in die Praxis. Insbesondere seine Arbeiten zur ressourcenorientierten Diagnostik in der Kinder- und Jugendlichentherapie waren seinerzeit eine starke Alternative zu störungsfokussierten Perspektiven (2003). In späteren Arbeiten richtete er diesen Blick auf Erziehung allgemein (2007) und dann umfassend, zweibändig, auf Psychologie als eine „menschenfreundliche Wissenschaft“ (2009, 2011). In einem nächsten Schritt wurde das Ganze noch einmal kondensiert zu einer Beratungspsychologie (2014). Mit dem vorliegenden Werk bildet nun Beziehungspsychologie das Leitmotiv.
Im Unterschied zu den vielen marketing-affinen Handreichungen, die leicht bekömmliche Ware anbieten, setzt Klemenz auf differenzierte Ausarbeitungen, die den aktuellen Wissensstand aufgreifen und diskutieren, auch in seinen teils irritierenden Facetten. Er scheint in Kauf zu nehmen, dass das für die schnelle Orientierung im zunehmend unhandlicher erscheinenden Arbeitsalltag vielleicht ein Manko darstellt. Umso imponierender erscheint mir daher seine unerschütterliche Bereitschaft, dem das beharrliche Durchdringen des weiten Feldes entgegenzusetzen, mit dem es unsere Arbeit nun einmal zu tun hat. Das gilt für mich auch, wenn ich davon ausgehen muss, dass Klemenz in diesem Werk systemische Positionen kaum explizit benennt, und wenn, dann eher kursorisch. Das Unterkapitel über die therapeutische Beziehung in der systemischen Therapie steht dafür (S.316ff.). Aber darauf kommt es mir in dieser Besprechung nicht an. Wer spezifische Kenntnisse aus systemischen Perspektiven sucht, wird woanders eher fündig. Und dennoch denke ich, dass ein Buch wie dieses über Beziehungspsychologie wichtige Anregungen auch für das Nachdenken über systemische Praxis bietet. Und dies nicht als unmittelbare und eindeutige Anweisung. Ein Buch wie dieses liefert trotz seines lexikalischen Gehalts paradoxerweise nicht die Antworten für die Praxis, sondern verschafft eine festere und tiefere Fundierung für den Umgang mit den Fragen, die sich im beruflichen Beziehungs-Alltag stellen. „Drinnen“, im Alltag immer wieder neu, spezifisch und mit unmittelbarem Resonanzbedürfnis ausgestaltet. „Draußen“, im beziehungspsychologischen Kontext sensu Klemenz umgreifend, auf längerfristige Reflexion ausgerichtet als allgemeine Orientierung und Proviant.
Andreas Graf von Bernstorff ist freiberuflicher Berater für Campaigning und Strategische Kommunikation, war Lehrer, Journalist, Wahlkämpfer, Landtagsabgeordneter und Politikberater. Im Carl-Auer-Verlag hat er ein Buch veröffentlicht, in dem er sich mit Schlüsselwörtern der deutschen Rechten auseinandersetzt. Tanja Kuhnert hat es für systemagazin gelesen und rezensiert.
„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“ (Ludwig Wittgenstein)
Der systemische Theoriediskus erörtert seit seinen Anfängen immer wieder die Beschreibung von Wirklichkeiten und die Bedeutung von Wörtern und Sprache dabei (siehe hierzu verschiedenen Veröffentlichungen von Gregory Bateson, Heinz v. Foerster, Ernst von Glaserfeld, Fritz Simon und anderen). Deswegen erscheint es mir konsequent, dass ein systemischer Verlages auch Raum schafft, die Wirkung politischer Sprache zu reflektieren. Schon in 2008 veröffentlichte der Carl-Auer-Verlag das Buch „Auf leisen Sohlen ins Gehirn“ (George Lakoff & Elisabeth Wehling). Im Jahr 2018 legte Fritz B. Simon im gleichen Verlag das Buch „Anleitung zum Populismus oder Ergreifen Sie die Macht!“ vor. Nun publiziert der Verlag eine dezidierte Auseinandersetzung mit rechter Sprache bzw. „rechten Wörtern“:
„Die rechte Szene hat ihre ganz eigene Sprache und Sprechweise entwickelt, zum Teil mit neuen Wortgebilden, die im Alltag und in der Sprache der etablierten Medien nicht gebräuchlich sind. Andere, geläufige Wörer haben in dieser – rechten – Welt eine eigene Bedeutung(szuweisung erhalten)“ (S. 9).
Tatsächlich habe ich neugierig auf dieses Buch gewartet. Nun ist es Anfang April erschienen und mir ist es gelungen, eines der ersten Exemplare zu ergattern. Hiermit möchte ich allen dieses Buch sehr ans Herz legen!