systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

12. September 2007
von Tom Levold
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Baldiges Ende der Selbstmordattentate?

Islamabad: Wie gestern am Jahrestag des Anschlages auf das World Trade Center aus zuverlässiger Quelle bekannt wurde, ist ungewiss, ob es auch zukünftig weiter Selbstmordattentate geben wird. Der große Erfolg der Selbstmordattentate beruhte bislang – einem internen Al-Qaida-Dossier – zufolge vor allem darauf, dass jeder Attentäter die Sicherheit hatte, sofort ins Paradies aufgenommen zu werden und dort 70 Jungfrauen zur Verfügung gestellt zu bekommen. Allerdings war für die Terrorbewegung nicht voraussehbar, dass sich dermaßen viele Freiwillige finden würden. Zwar sind alle Attentäter planmäßig im Paradies gelandet, jedoch soll es schon seit einiger Zeit einen großen Mangel an qualifizierten Jungfrauen geben, weshalb sich die Kämpfer um die versprochene Belohnung gebracht fühlen. Es hat bereits zahlreiche bewaffnete Auseinandersetzungen um die wenigen verbliebenden Jungfrauen gegeben, die nur deshalb nicht zur Katastrophe gerieten, weil Selbstmordattentate im Paradies verboten sind. Alle Ersatzangebote (z.B. 70 Heimatbesuche, Computerspiele oder Kino-Gutscheine nach Wahl) wurden bisher von den Kämpfern entschieden abgelehnt. Noch scheint die Al-Qaida-Führung in der Lage zu sein, dem Großteil der Anwärter die wahre Situation im Paradies zu verheimlichen, allerdings rumort es in zahlreichen Trainingslagern bereits gewaltig. Es ist daher damit zu rechnen, dass über kurz oder lang die Rekrutierung neuer Selbstmordattentäter zusammenbrechen wird.

11. September 2007
von Tom Levold
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Die therapeutische Intervention

1983 ist ziemlich lange her. Ein Jahr später erschien Luhmanns umwälzendes Buch„Soziale Systeme“, das auch in der systemischen Therapieszene in der Folge allmählich zu einem Referenzwerk wurde. Allerdings war der Wandel von der Familientherapie zur Systemischen Therapie zu diesem Zeitpunkt schon eingeleitet. Im besagten Jahre 1983 erschien beispielsweise ein Aufsatz von Kurt Ludewig mit dem Titel„ Die therapeutische Intervention – Eine signifikante Verstörung der Familienkohärenz im therapeutischen System“ in einem von K. Schneider bei Junfermann herausgegebenen Sammelband„Familientherapie in der Sicht psychotherapeutischer Schulen“, der nun in der Systemischen Bibliothek zu lesen ist. Von Luhmann ist hier schon die Rede, von Maturana, der ganz wesentlich von Kurt Ludewig – nicht zuletzt durch dessen Übersetzung des„Baumes der Erkenntnis“ – im deutschsprachigen systemischen Diskurs bekannt gemacht wurde, noch nicht. Dieser Aufsatz sei zur Lektüre empfohlen, zeigt er doch, dass schon früh wesentliche Fragen diskutiert wurden, die auch heute noch nicht nur relevant, sondern in jeder Hinsicht anschlussfähig sind. Im Vorwort tastet Kurt Ludewig den damals noch ungewissen Rahmen der weiteren Entwicklung gewissermaßen aus:„Frau Welter-Enderlin warnt in ihrer Einleitung des Kongresssammelbandes zum Zürcher Symposium„Familientherapie“ 1979 vor der Gefahr, die Anwendung der systemisch-ökologischen Denkweise auf dem Gebiet der (Psycho)- Therapie zum Dogma zu erheben, bevor sie überhaupt aus ihrer vorwissenschaftlichen Phase herausgetreten sei. Wenige Zeilen später gibt sie ihrer Hoffnung Ausdruck, dass in einigen Jahrzehnten eine einheitliche Feldtheorie vorliegen möge, welche uns der Frage nach den menschlichen Bedingungen näher gebracht habe. Bereits in diesen beiden Bemerkungen offenbart sich die unsere Lage kennzeichnende Problematik, wenn wir uns als Therapeuten um eine ganzheitliche Sichtweise menschlichen Verhaltens bemühen: auf der einen Seite befinden wir uns auf der Suche nach einem Paradigma, das ein prozessorientiertes, holistisches Verständnis des komplizierten Gefüges sozialen Seins ermöglicht, auf der anderen Seite hegen wir aber dennoch die Hoffnung, eines Tages doch noch einen aufgeklärten Zustand zu erreichen, in dem das Beobachtete – das menschliche Verhalten – für den Beobachter eine erfassbare Konstanz gewonnen hat. Anders ausgedrückt: Wir bauen uns einen Weg, dessen Befolgung das Ziel sein soll, und erwarten dennoch, eines Tages ans Ende des Weges zu gelangen. Wir streben nach Ganzheit und hoffen zugleich auf Gerichtetheit“
Zur Systemischen Bibliothek…

10. September 2007
von Tom Levold
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Niklas Luhmann über die Systemtheorie (1973)

Im Jahre 1973, als ich mein Studium der Sozialwissenschaften begann (das mit einer Diplomarbeit über Luhmann endete), führte Ulrich Boehm ein Interview mit Luhmann, in dem er ihn nach den Grundzügen der Systemtheorie (vor der„autopoietischen Wende“) befragt. Aus diesem Interview ist bei Youtube ein knapp sechsminütiger Ausschnitt zu sehen, eindrucksvoll das 70er-Jahre-Ambiente (immerhin vor 34 Jahren):

9. September 2007
von Tom Levold
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Eine Million Besuche beim systemagazin

Das systemagazin feiert ein Jubiläum der besonderen Art. Gut zweieinhalb Jahre nach dem Start ist der millionste Besuch zu feiern. Das macht mich, mit Verlaub, ziemlich stolz. Und ganz besonders freue ich mich über die Glückwünsche vieler KollegInnen und Kollegen, die hier dem Posteingang nach zu lesen sind. Vor allem danke ich Allen von Herzen, die in der vergangenen Zeit etwas zum Fundus beigetragen haben (oder das vielleicht noch vorhaben) – und Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, die das systemagazin immer wieder besuchen und damit diesen Erfolg erst möglich machten.
Ich wollte das Gästebuch für 48 Stunden freigeschalten, damit Sie mir auch Ihre Meinung zum systemagazin mailen können, aber leider ist es nicht möglich, das Gästebuch vor den Heimsuchungen von Spamrobotern zu schützen: Wenn Sie mögen, können Sie mir Ihre Rückmeldungen einfach an tom.levold@systemagazin.de mailen, ich setze sie dann in das Gästebuch hinein.
Herzlichen Dank, Tom Levold – Herausgeber

Und hier geht es zu den Glückwünschen…

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8. September 2007
von Tom Levold
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Family Process 3/2007

Die September-Ausgabe von Family Process beinhaltet eine bunte Mischung von Beiträgen. Herausgeberin Evan Imber-Black eröffnet den aktuellen Band mit einer Würdigung von Peggy Papp und Olga Silverstein, die im Mai im Ackerman-Institut für ihre langjährigen Beiträge zur Entwicklung der Familientherapie geehrt wurden und sich gerade auch bei der Eröffnung der Gender-Perspektive in diesem Feld Verdienste erworben haben. Weiterhin findet sich ein (kommentierter) Aufsatz von Margaret Shapiro über die Bedeutung des Geldes in Paarbeziehungen wie Paartherapie durch die verschiedenen Phasen des Lebenszyklus einer Paarbeziehung hinweg. Eine Sektion ist der Bewältigung von Belastungen durch schwere Erkrankungen (HIV/AIDS und Brustkrebs) gewidmet, eine weitere der Resilienzforschung: hier geht es um die Verbindung von Familien und Gemeinden als Träger von Veränderungsprozessen, um die Erfahrung von Eltern im Umgang mit Kinderschutzeinrichtungen sowie um die Auswirkungen von Stress auf die Paarbeziehungen bei israelischen und palestinensischen Paaren. Ein Überblicksartikel von Mona DeKoven Fishbane befasst sich mit dem Themenkreis Neurowissenschaften, Beziehungstheorie und Psychotherapie. Das Heft wird abgeschlossen von einem Beitrag von Salvador Minuchin über seinen in diesem Jahr verstorbenen Lehrer Jay Haley sowie einer Hommage an Paul Watzlawick von Wendel A. Ray.
Zu den vollständigen abstracts…     

7. September 2007
von Tom Levold
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Doktoranden: Anmeldung zur Doktorandenwerkstatt bis zum 15.9.!



Die Management-Zentrum Witten GmbH veranstaltet ihren zweiten X-Organisationen-Kongress im November in Berlin und lädt wieder Doktoranden ein, ihre Arbeit vorzustellen. Aus der Ausschreibung:„Aus systemisch-konstruktivistischer Perspektive sind professionelle Domänen zunehmend vernetzt. Die Systemakteure in Organisationen müssen sich zusehends interdisziplinär orientieren und im Spannungsfeld verschiedenster Rationalitäten Sicherheit generieren, die sie selber eigentlich nicht gewährleisten können. Diese Paradoxie steigert die Komplexität von Entscheidungen. Weil Wissenschaft ein Interesse daran hat, diese Komplexität produktiv zu machen, findet einen Tag vor der 2. Berliner Biennale für Management und Beratung im System die Doktorandenwerkstatt statt. Ziel der Veranstaltung ist es, die Vernetzung einer wissenschaftlichen Community im deutschsprachigen Raum, zu welcher die erste Doktorandenwerkstatt im Jahr 2005 einen Beitrag geleistet hat, weiter voranzutreiben und insbesondere jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einen Diskussions- und Anknüpfungsrahmen zu bieten. Wir adressieren dabei Promovierende, die sich im Rahmen ihrer Forschungsarbeit mit systemisch-konstruktivistischen Konzepten im Bereich von Management, Organisation und Beratung beschäftigen.

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7. September 2007
von Tom Levold
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Festnahmen im Sauerland Fahndungspannen?

Wie der Bundesminister des Inneren, Dr. Wolfgang Schäuble, heute in Berlin verlauten ließ, sind die Festnahmen von drei Terroristen im Sauerland zwar erfreulich, aber keinesfalls darauf zurückzuführen, dass die bestehenden rechtlichen Regelungen zur Ermittlung und Verfolgung von Straftaten auch nur annähernd ausreichend seien. Vielmehr seien die Festnahmen nicht nur ausschließlich auf Zufälle zurückzuführen, sondern überhaupt erst – als erster Erfolg – für den Zeitpunkt vorgesehen gewesen, an dem die geplanten Online-Durchsuchungen Gesetz geworden wären. Es sei vor diesem Hintergrund unklar, ob es sich um eine Panne der Ermittler gehandelt habe oder ob sich sogar die Verdächtigen, die sich der monatelangen Observation immerhin bewusst gewesen seien, gezielt zu diesem Zeitpunkt haben festnehmen lassen, um die Bemühungen des Ministers um den weiteren Abbau von Persönlichkeitsrechten in der Öffentlichkeit zu diskreditieren.„Wie man sieht“, äußerste der Minister,„sind dem Terror allen Mittel recht“ Wie bei der wahren Liebe müsse man auch bei der Demokratie – zu ihrem Schutz – bereit sein, im äußersten Falle auf sie zu verzichten, um ihren Gegnern nicht in die Hände zu spielen.

7. September 2007
von Tom Levold
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Einführung in den Konstruktivismus

In der Autorenriege des systemagazin ist an dieser Stelle Jürgen Beushausen aus Friedrichfehn zu begrüßen (herzlich willkommen!), der einen Text zur Systemischen Bibliothek beisteuert, der die Grundzüge des Konstruktivismus skizziert und einen guten Einführungstext darstellt. Der Artikel besteht im Wesentlichen aus dem ersten Kapitel seiner Dissertation („Die Konstruktionen von Gesundheit und Krankheit im sozialen System Familie. Theorie und Empirie“) aus dem Jahr 2002.
Zur Systemischen Bibliothek…

6. September 2007
von Tom Levold
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Noch mehr Landkarten :-)

Michael White ist ein großartiger Autor – und Wolfgang Loth ist ein großartiger Rezensent. Im Mai ist Michael Whites neues Buch mit dem Titel„Maps of Narrative Practice“ erschienen und systemagazin freut sich über die sehr ausführliche und tiefgehende Besprechung von Wolfgang Loth, die diesem Buch hoffentlich auch hierzulande ein breites Publikum beschert:„Das Dekonstruieren vorgegeben erscheinender Verhältnisse und Beschränkungen ist die Leitlinie. Die Idee eines isolierten Selbst findet in diesem Ansatz keinen Anklang. Identität gilt als sozialer Prozess, ein fortwährendes Erschaffen neuer Momente von erfahrener Lebenswirklichkeit. Zugehörigkeit, aufeinander Verweisen und sich Berücksichtigen sind dann Ausdrucksformen von Identität. Bedeutsamkeit ist dann keine Erhöhung über andere, sondern Erfahren von Zugehörigkeit und Wert im Leben von anderen. Trotz der Distanz, die dieser Ansatz und dieses Vorgehen zu Fachwissen über andere hält, zu Diagnosen also, zu Störungsbegrifflichkeiten, Therapieplänen und erst recht zu Therapiemanualen, wirkt Whites Vorgehen in keiner Weise abgehoben oder beliebig. Im Gegenteil, obwohl White sich in Gesprächen explizit als jemanden bezeichnet, der sich nicht auf Diagnosen einlasse, und obwohl sich das Konzept des „rich story development“ kaum mit den eingrenzenden Bemühungen jeglicher Diagnose zusammenbringen lässt, trotz alledem wirkt sein Vorgehen dermaßen passend auch und gerade im Hinblick auf geäußerte Klagen und Beschwerden, dass es schon erstaunt. (…) Ich bin beeindruckt von diesem Buch, von der Klarheit seiner Sprache, seiner Unmittelbarkeit, vom Feingefühl, das im beschriebenen Wirken des Autors an jeder Stelle erkennbar wird, von seiner politischen Bewusstheit, von seiner Genauigkeit und Einfachheit. Ein bewegendes Buch. Ich empfehle es sehr“
Zur vollständigen Besprechung (übrigens die 230ste im systemagazin) …

5. September 2007
von Tom Levold
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Landkarten für die USA

Ein Fünftel der Einwohner der USA ist nicht in der Lage, die Lage der USA auf einer Weltkarte zu bestimmen. Wie das Online-Magazin Telepolis berichtet, wurde nun die Ursache dieses Problems bekannt. Bei der Wahl zur„Miss Teen“ stellte die Kandidatin von South Carolina, Lauren Caitlin Upton, fest, dass die Bürger der USA einfach zu wenig Landkarten haben. Das ist nicht nur äußerst überraschend, sondern auch äußerst positiv, haben wir es hier doch endlich einmal mit einem USA-Problem zu tun, das lösbar erscheint. Sofort hat sich eine wunderbare Initiative gebildet, die unter dem Titel „Maps for Us. The Children of America need Maps“ die Bürger der Welt bittet, den Amerikanern mit Landkarten aller Art zu helfen. Dieser Bitte wird fleißig nachgekommen. Bei Erfolg könnte sogar der alten Forderung zum Durchbruch verholfen werden, dass amerikanische Präsidenten nur die Invasion von Ländern befehligen dürfen, die sie auch zweifelsfrei auf einer Weltkarte bestimmen können. Helfen Sie mit! Mailen Sie Karten!

4. September 2007
von Tom Levold
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Was wir vom Lernen zu wissen glauben

Unter diesem Titel ist 2003 in„Report. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung“ ein Aufsatz des immer faszinierenden und klugen Siegfried J. Schmidt (Foto: Halem-Verlag) erschienen, der sich mit den schwierigen Lernverhältnissen beschäftigt. Damit sind für ihn schwierige Beobachtungsverhältnisse gemeint, schwierige Orientierungsverhältnisse, schwierige Beeinflussungsverhältnisse, schwierige Wissensverhältnisse und schwierige Entscheidungsverhältnisse. Der Aufsatz beginnt folgendermaßen:„Kultürlich – ich borge diesen Ausdruck von P. Janich – wissen wir, was ,Lernen‘ ist. Schließlich gehen wir jeden Tag damit um, schreiben es uns und anderen zu oder ab, besuchen besondere Orte des Lernens wie Schulen, Bibliotheken, Universitäten usw. Wir gehen mit diesem Begriff im Alltag ebenso sicher um wie mit anderen wichtigen Begriffen, wie z. B. Gedächtnis und Verstehen, Wissen und Kultur, Kommunikation und Wirklichkeit, und das ohne Explikation und Definition – oder gerade deswegen? Wissenschaftliche Bemühungen um eine zumindest inreichende Definition solcher Begriffe tun sich da viel schwerer. Verschiedene Disziplinen bieten sehr unterschiedliche Definitionen von Lernen an, die sich nicht zu einer kohärenten Gesamtdefinition synthetisieren lassen. Das verwundert den Beobachter solcher Bemühungen auch keineswegs; hat doch jede Disziplin bei der Verwendung dieses Begriffs einen anderen Referenzbereich im Blick, der von physiologischen über psychologische bis hin zu sozialen, kulturellen und ökonomischen Aspekten reicht. Mit anderen Worten, jede Disziplin selektiert mit Hilfe des Begriffs Lernen andere Phänomenbereiche, die dann als ,Lernen‘ konzipiert werden. Im Unterschied zu solchen einzelwissenschaftlichen Versuchen, inhaltlich bestimmen zu wollen, was Lernen ,ist‘, soll im Folgenden darüber nachgedacht werden, wie wir über ,Lernen‘ reden und welche Plausibilität ein solcher Diskurs erreichen kann“
Zum vollständigen Aufsatz…

3. September 2007
von Tom Levold
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Die anderen Seiten der Krise: Bindungen, Gewohnheiten schaffen Sicherheit und zugleich Freiraum

Für das systemagazin hat Gerda Mehta aus Wien einen Artikel über den Umgang mit Krisen verfassst, der in der Systemischen Bibliothek zu finden ist:„Biografien verlaufen bei vielen Menschen nicht geradlinig oder vorhersehbar. Sie sind zwischenmenschlich oft schwierig mit den Nächsten abzustimmen. Das schafft Spannungen in Familien, Gemeinschaften und Gesellschaften. Politische, ökonomische und technische Errungenschaften reichen in ihrem Einfluß tief in unsere Persönlichkeit hinein. Historische, gesellschaftliche, berufliche, familiäre und biografisch bedingte Umbrüche fordern von uns Umorientierungen. Diese sind nicht immer willkommen. Wir wollen uns manchmal dem schier unabwendbaren, auf uns Zukommendem widersetzen. Wir werden zu Umbrü­chen gezwungen, die wir nicht akzeptieren wollen. Dies hinterlässt seelische Narben. Wenn auch nur kleine Chancen des Anhaltens des Befürchteten gesehen werden, fühlt sich das wie eine Krise an. Krise bringt eine rebellische Energie mit sich. Sie macht deutlich, was Menschen wollen oder eben gerade nicht wollen und akzeptieren. Widerstand stellt sich wie automatisch ein. Zur Begleitung von Menschen, die in Krisen geraten, braucht es vor allem Feinfühligkeit zur (Wieder)Erlangung des Notwendigen und beim Aufspüren des auch unter anderen Umständen wieder Möglichen. Aus der Hand nehmen und Retten sind nicht immer sich positiv auswirkende, nachhaltig akzeptable Interventionen“
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2. September 2007
von Tom Levold
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Das unbehagen in der (psychotherapie-)kultur

Das Motiv des Symposiums „Das Unbehagen in der (Psychotherapie-) Kultur“, das am 17./18. März 2006 in Bonn stattfand, war einfach wie nachdrücklich: es ging um die Überwindung der psychotherapeutischen Schulen und gegen die politischen und wissenschaftlichen Trends einer mehr und mehr empiristischen Psychotherapie. Doch dann geriet das Symposium mitten ins Zentrum psychotherapie-politischer Turbulenzen. Zeitgleich war der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (G-BA) mit der Neukonzipierung der Psychotherapierichtlinien befasst, in der es um nicht weniger ging, als den Verfahrensbegriff der Psychotherapie zugunsten von „Methoden und Techniken“ aufzulösen. Zudem sollte die Anerkennung dieser selektiven Methoden und Techniken an die Wirksamkeit bei häufig vorkommenden psychischen Störungen gekoppelt werden. Hier sahen sich die Teilnehmer des Symposiums in ihrer psychodynamischen, humanistischen oder systemischen Tradition aufgerufen ein Zeichen zu setzen. Sie setzten die „Bonner Erklärung“ auf, die sich gegen das Vorhaben des G-BA wendet. In den darauf folgenden Wochen unterzeichneten mehr als 3.000 Psychotherapeuten diese Erklärung – etwa 10% der gesamten Psychotherapeutenschaft! Darin wenden sich die Unterzeichner im Kern „gegen die Zergliederung von Psychotherapieverfahren in Verfahren, Methoden und Techniken und gegen die ausschließende, diagnosebezogene Zuordnung von Psychotherapieverfahren“. Der vorliegende Tagungsband ist somit das Kompendium einer Psychotherapiekultur – gegen jenes Effizienzdenken in der Psychotherapie, das fern ganzheitlicher Zusammenhänge agiert. Die vielgestaltigen Referatsthemen bündeln sich in einem der Grundthemen von Psychotherapie: systemische Perspektive versus mechanistisches Naturverständnis. Es geht u.a. um jene Aspekte, die aktuell das Selbstverständnis von Psychotherapie ausmachen und zukünftig zur Integration der Therapieverfahren beitragen können.
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