systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

15. März 2008
von Tom Levold
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Merleau-Ponty zum Zweiten

Hier nun die versprochene Rezension zweier Einführungen in das Werk von Maurice Merlau-Ponty anlässlich des gestrigen hundertsten Geburtstag des französischen Philosophen. Diesen kann man nämlich zum Anlass nehmen, im Kontrast zur systemtheoretischen„Entsozialisierung“ des Körpers dessen Bedeutung als Basis jedweder Erfahrung, Beobachtung und Praxis noch einmal in den Blick zu nehmen. Die Fundierung jeder Wahrnehmung und Erfahrung im Körper, den Merleau-Ponty als „Leib“ fasst, steht im Mittelpunkt seiner Philosophie. Diese hat heutzutage nicht gerade Hochkonjunktur, was man an den spärlichen Würdigungen seines Geburtstages in den Medien ablesen kann. Zu sehr mag seine Philosophie mit dem politisch-philosophischen Diskurs der Theorie im Frankreich der 40er und 50er Jahre (in den „Les Temps Modernes“) in Verbindung gebracht werden, womöglich auch mit seinen Wurzeln in einem katholischen Kontext, als dass er für aktuelle Debatten anschlussfähig erscheint. Dennoch scheint mir gerade in Bezug auf die Frage des Konstruktivismus, wie und auf welche Weise denn wir unsere Wirklichkeit hervorbringen, eine Beschäftigung mit Merleau-Ponty auch heute noch gewinnbringend. Zwei Einführungsbände sollen den Zugang zu seinem Werk erleichtern. Stephan Günzel, Raum- und Medientheoretiker an der Universität Potsdam, und Christian Bermes, Philosophieprofessor an der Universität Trier, haben sich zur Aufgabe gestellt, das Werk Merleau-Pontys zusammenzufassen. Beide Bücher haben etwa gleichen Seitenumfang, unterscheiden sich aber im Format ebenso wie in der inhaltlichen Vorgehensweise. Ich habe beide Bücher mit Gewinn gelesen. Der Bermer-Band verlangt dem Leser etwas weniger ab, was es gerade für diejenigen attraktiver machen dürfte, die sich noch nicht mit Merleau-Ponty beschäftigt haben. Eine Lektüre des Originals können beide Bände nicht ersetzen, sie machen aber darauf neugierig. Das ist gut so, denn eine Theorie des Leibes bzw. der körperbasierten sozialen Praxis erscheint mir auch für aktuelle theoretische Debatten unverzichtbar.
Zur vollständigen Rezension…

15. März 2008
von Tom Levold
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Peter Fuchs: „Die große Indifferenz: Überlegungen zur Form des Menschen“

rebell.tv bringt einen Vortrag von Peter Fuchs als podcast, den dieser am 12.3. in der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten zum Thema gehalten hat und den man in voller Länge unter diesem Link anhören kann. rebell.tv-Moderator Stefan M. Seydel quetscht Peter Fuchs in einem kleinen Interview schon vor dem Vortrag über diesen aus. Wer sich einen ersten Eindruck machen will, kann sich das Interview hier anschauen. Viel Spaß!

14. März 2008
von Tom Levold
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100. Geburtstag von Maurice Merleau-Ponty

Heute würde der große französische Philosoph und Phänomenologe Maurice Merleau-Ponty seinen hundersten Geburtstag feiern. Interessanterweise stößt dieses Datum in den Medien nicht auf die Resonanz, die man eigentlich hätte vermuten können. Im systemagazin sollte heute an dieser Stelle aus gegebenem Anlass die Rezension zweier Einführungbücher in das Werk Merleau-Pontys erscheinen, die leider aus Krankheitsgründen auf morgen verschoben werden muss, was ich die geneigte Leserschaft zu entschuldigen bitte 🙂

14. März 2008
von Tom Levold
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Zehnerpotenzen

Eine nette, wenn auch nicht mehr ganz taufrische Animation, die von Charles und Ray Eames für IBM angefertigt wurde und die Größenverhältnisse im Bereich der Zehnerpotenzen im Makro- und Mikrobereich veranschaulicht (gefunden auf haha.nu).

13. März 2008
von Tom Levold
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Untätigkeit von berufswegen

„In den letzten Jahren habe ich mehrmals Zeit in einem kleinen Hotel auf einer kroatischen  Insel verbracht. Inzwischen kenne ich die Kellner, die in der Sommersaison zwischen Terrasse, Anrichte und Küche hin und her laufen, Gäste bedienen und wartende Gäste bitten, später  wiederzukommen. Auch die gemächliche und erwartungsvolle Freundlichkeit des Hotelpersonals zu Saisonbeginn habe ich schon genossen, als ich einmal zwei Wochen vor Ostern dort  war. Alle Welt bereitete sich auf die Feiertage vor. Mein Mann und ich hatten ein schönes  Appartement unter dem Dach, an dem Drähte angebracht waren gegen die Tauben, die uns im  Sommer zuvor mit ihrem fiesen Gurren auf die Nerven gegangen waren.
Dieses Mal bin ich im Winter hierher gekommen, um in Ruhe an einem Text zu arbeiten. Außer mir gibt es nur noch einen einzigen weiteren Gast im Hotel. Komme ich morgens zum  Frühstück, steht Ante, der besonders nette und umsichtige Kellner, am Ende seiner Schicht  hinter der Theke. Er begrüßt mich mit müdem Gesicht und fährt fort, mit Gläsern und Flaschen zu hantieren. Unaufhörlich läuft das Radio mit kroatischen Heimatmelodien und sensationellen Werbeansagen, die eine ähnliche Wirkung auf mich haben wie das Gurren der Tauben im letzten Sommer. Kaum habe ich mich morgens zum Frühstück hingesetzt, trieft der  Heimatsound aus dem Radio zuerst in mein Unbewusstes und schwemmt dann leichten Ärger  in mein Bewusstsein. Ich könnte Ante bitten, das Radio auszustellen. Mit mildem, verständnislosem Blick würde er meiner Bitte nachkommen. Wenn ich ihn jedoch mit seinem im Unterschied zum Sommer bleichen und leeren Gesicht geistesabwesend mit den Gläsern hantieren und auf die Hafenbucht vor dem Hotel blicken sehe, kann ich ihn nicht darum bitten, weil  ich annehme, dass das Radioprogramm ihn vom Abgrund einer Winterdepression fernhält“
So schön fängt ein Beitrag von Edelgard Struß an, den sie für das systemagazin verfasst hat und das in der Systemischen Bibliothek zu finden ist. Ihr Thema ist die Langeweile, die sich als Spannungszustand in Arbeitsprozessen herauskristallisiert, in denen man nichts zu tun hat, aber jederzeit darauf eingestellt sein muss, dass sich dieser Zustand sehr schnell ändern kann. Die„erzwungene Muße“ stellt hohe Anforderungen nicht nur an das Personal, sondern auch an die Führung von Mitarbeitern:„Den Vorgesetzten der Un-Tätigen und den Führungskräfte in der Organisation bleibt nichts  anderes übrig, als die Untätigkeit von Mitarbeitenden in Kauf zu nehmen und zu ertragen. Sie  können darüber hinaus produktiv damit umgehen, sich aktiv mit den Folgen für das Arbeitsverhalten des Personals auseinandersetzen und für Strukturen sorgen, die einen vernünftigen  Umgang mit der Untätigkeit für alle Beteiligten möglich machen. Das bedeutet zunächst, Untätigkeit als notwendigen Bestandteil von Arbeit anzuerkennen und den Versuchen der Mitarbeitenden, mit den Folgen der Un-Tätigkeit umzugehen, grundsätzlich Respekt entgegenzubringen. Das ist nicht immer einfach, weil zum einen unser kulturell tief verankertes aktivistisches Arbeitsverständnis es nahe legt, auf Untätigkeit unwillkürlich abwertend zu reagieren.  Zum anderen kommt es beim Ausgleich der Spannung zwischen dem Zuviel und dem Zuwenig an Arbeit unvermeidlich zu berufs-, team- und personentypischen Entgleisungen und  Grenzverletzungen. Sie verlangen den Vorgesetzten einerseits ein gewisses Maß an Duldsamkeit und Diplomatie ab. Andererseits müssen sie aber auch immer wieder Ordnung herstellen,  Ansprüche klären und gemeinsam mit den Mitarbeitenden den eigentlichen Zweck und die  Ziele der Arbeit reflektieren. Beides kann anstrengend sein und wird nicht immer ohne Konflikte ablaufen“
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11. März 2008
von Tom Levold
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The Color Orange

Der dänische Künstler Jens Galschiot ist der Begründer einer Aktion, die während der Olympischen Spiele 2008, die vom 8. bis 24. August in Peking stattfinden werden, auf Menschenrechtsverletzungen in China hinweisen möchte. Das zentrale Zeichen dieser Kampagne ist die Farbe Orange. Auf der website der Galerie Thurnhofer ist mehr zu lesen: „‚Keine politische oder religiöse Organisation kann das Projekt für sich allein in Anspruch nehmen. Durch die Teilnahme am Projekt zeigt man nur, dass man den Kampf für die Menschenrechte in China unterstützt‘, betont Galschiot und erläutert den Hintergrund des Projekts: „Die Regierung will perfekte Hochglanz-Spiele durchführen, die China gegenüber Milliarden von Fernsehzuschauern als moderne, reibungslos funktionierende Gesellschaft präsentieren sollen. Man wird alles tun, um Kritik vor laufender Kamera zu vermeiden. Die Benutzung der Farbe Orange jedoch kann die strenge Zensur unterlaufen und etwas Wermut in den Propaganda-Becher des Regimes träufeln. Gleichzeitig bekommen Millionen unterdrückter Chinesen während der Olympischen Spiele 2008 eine Stimme.“ Der Bildhauer Jens Galschiot ist von allen politischen und religiösen Interessen unabhängig und hat oft globale Kunstevents zur Verteidigung eines humanistischen Menschenbildes u. a. in Zusammenarbeit mit der Demokratiebewegung in China durchgeführt. Die ‚Farbe Orange‘ bezieht Inspiration u. a. aus der Aussage des Malers Kandinsky: ‚Die Farbe Orange ist Rot, das mit Hilfe von Gelb humaner gemacht worden ist‘. Chinas Farbe ist ja eben Rot. Vielleicht können wir die humanen Kräfte durch die Einführung der Farbe Orange unterstützen. Die Wahl der Farbe Orange ist jedoch auch inspiriert von der Gefangenenkleidung von Guantanamo, den Mönchen in Tibet und Burma u.a.m.“
In einem e-Mail-Aufruf schreibt der Künstler selbst:„Die Idee ist raffiniert und einfach zugleich. Während der Olympischen Spiele trägt man in und außerhalb Chinas irgendetwas in der Farbe Orange mit sich und signalisiert dadurch, dass in China etwas faul ist. Dabei kann es sich um Hut, Fototasche, Schlips, Kugelschreiber, Papier, Kleid, Anzug, Tasche oder was immer handeln – wenn es nur orange ist. Sogar das Schälen einer Apfelsine kann unter Umständen ein markanter Ausdruck sein.
Keine politische oder religiöse Organisation kann das Projekt für sich allein in Anspruch nehmen. Durch die Teilnahme am Projekt zeigt man nur, dass man den Kampf für die Menschenrechte in China unterstützt.
Die Regierung will perfekte Hochglanz-Spiele durchführen, die China gegenüber Milliarden von Fernsehzuschauern als moderne, reibungslos funktionierende Gesellschaft präsentieren sollen. Man wird alles tun, um Kritik vor laufender Kamera zu vermeiden. Die Benutzung der Farbe Orange jedoch kann die strenge Zensur unterlaufen und etwas Wermut in den Propaganda-Becher des Regimes träufeln. Gleichzeitig bekommen Millionen unterdrückter Chinesen während der Olympischen Spiele 2008 eine Stimme.
Die Olympia-Charta nennt als grundlegendes olympisches Prinzip die„Achtung vor universalen, fundamentalen und ethischen Grundsätzen“ und die„Förderung der Errichtung einer friedlichen Gesellschaft, die sich die Bewahrung der Menschenwürde angelegen sein lässt“. Niemand kann ernsthaft behaupten, dass das chinesische Regime diesen Idealen nachlebt. Die Benutzung der Farbe Orange ist jedoch eine ethische und unpolitische Aussage, die tief im Einklang mit den grundlegenden Prinzipien der olympischen Bewegung steht.
Das Projekt kann nur gelingen, wenn möglichst viele wissen, was die Farbe Orange bedeutet. Normalerweise wäre dafür ein Werbebudget von Millionen von Dollars erforderlich. Das haben wir nicht, aber dafür haben wir (vielleicht) dich :-). Wenn du und Millionen andere dabei helfen, die Idee zu verbreiten, können wir gemeinsam einen Schmetterling-Effekt schaffen, der einen orange Wind über China wehen lässt“
Die Aktion wird von der Hong Kong Allianz, einem wichtigen Teil der Demokratie-Bewegung in China, aktiv unterstützt. Auf der website thecolororange.net kann man Näheres über die Aktivitäten der Kampagne erfahren und sich in die Liste der Unterstützer eintragen.

11. März 2008
von Tom Levold
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Grimme Online Award 2008

Das Adolf Grimme Institut vergibt wie schon in den vergangenen Jahren einen Online Award für deutschsprachige Websites, die ihren Usern herausragende Qualität bieten – in den drei bisherigen Kategorien„Information“,„Wissen und Bildung“ und„Kultur und Unterhaltung“ sowie in der neuen Kategorie„Spezial“. Alle Internetnutzer, die einen Vorschlag zum Wettbewerb des Grimme Online Award einreichen, können an der Verlosung von drei Jahresabos der Zeitschrift TV SPIELFIM sowie eines Notebooks der Firma ASUS teilnehmen. Das systemagazin befindet sich in der Liste der bereits eingegangenen Vorschläge, wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, das systemagazin unterstützen wollen, können Sie selbst hier einen Vorschlag als Internetnutzer abgeben. Vorschläge werden bis zum 31.3. berücksichtigt. Unabhängig von der Jury des Adolf Grimme Institutes gibt es auch noch einen Publikumspreis, der als Sonderpreis ausschließlich durch die Internet-Nutzer vergeben wird.

10. März 2008
von Tom Levold
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Kinder ohne Bindung. Deprivation, Adoption und Psychotherapie

Karl Heinz Brisch und Theodor Hellbrügge, die Herausgeber des vorliegenden Sammelbandes, haben 12 Beiträge eines gleichnamigen Kongresses, der 2004 in München stattgefunden hat, herausgegeben. Rezensentin Maria Eberstaller aus Wien schreibt.„Das Buch stellt zum einen eine umfassende Zusammenfassung der Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Deprivation und Adoption dar. Zum anderen werden durch zahlreiche Fallbeispiele auch therapeutische Interventionen sehr gut veranschaulicht. Jeder Beitrag kann für sich gelesen werden, was bedeutet, dass sich beim Lesen der gesamten Lektüre einige Statements über Bindung und Deprivation wiederholen. Das mag einerseits den Eindruck von „Länge“ erzeugen, hat aber andererseits den Vorteil, dass die unterschiedlichen Zugangsweisen der Autoren zu diesem Thema auch beim Leser eine „Weite der Betrachtungsweise“ zulässt. Eine bindungsorientierte Sichtweise der Problematik zieht sich jedoch einheitlich durch alle Beiträge und gibt damit dem Buch seine Grundrichtung. Das Buch ist ein „Muss“ für all jene, die auf dem Gebiet der Adoption und Pflegschaft professionell tätig sind“
Zur vollständigen Rezension…

10. März 2008
von Tom Levold
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Hinter den Spiegeln…

Am 18. und 19. April findet die diesjährige Jahrestagung der Systemischen Gesellschaft in Berlin statt, ausgerichtet vom Berliner Institut für Familientherapie, das mit dieser Tagung auch sein 25jähriges Bestehen feiert (und den 15. Geburtstag der SG). Das Thema der Tagung wird im Tagungsprogramm folgendermaßen skizziert:„Wen fängt der Spiegel ein? Was spiegelt er zurück? Wie ist der Blick durch ihn hindurch und welches die Welt auf seiner Rückseite – im Reich des Beobachters? Diese und andere Fragen sind es, mit denen wir uns als systemisch Denkende und Handelnde beschäftigen. Seit Gründung des BIF begleiten sie uns. Wir gestalten die Tagung, in der wir diese und andere Fragen bewegen, umstellen, andere Perspektiven und Blickwinkel zusammentragen, gegenüberstellen, neu entwickeln. Begegnung, Reflektion und Dialog stehen im Fokus dieser Tagung. Wir laden Sie ein daran teilzunehmen, mitzugestalten, weiterzuentwickeln“ Im Zentrum des Programms stehen Gespräche u.a. mit Volkmar Aderhold, Maria Borcsa, Harlene Anderson, Klaus Deissler, Joseph Duss von Werdt, Ellis Huber, Wolfgang Loth, Kurt Ludewig, Arist von Schlippe, Cornelia Oesterreich, Max van Trommel, Jim Wilson und vielen mehr …
Thematisch geht es um Gespräche über: Menschenbilder systemisch · Wie verschieden kann systemische Therapie sein? · Methodenwerkstatt Supervision · Dialogische Verfahren in der Jugendhilfe · Gewalt und Familie · systemische bedürfnisangepasste Psychiatrie · Live-Sitzungen · Kinder- und Jugendlichentherapie: Eine Rolle rückwärts oder vorwärts? · Dialog zwischen den Geschlechtern · Richtiges Leben im Falschen? – Systemische Diagnostik · und wie wär’s mit ein bisschen politisch?
Veranstaltungort ist die Katholische Akademie in Berlin-Mitte. Zur Anmeldung…

8. März 2008
von Tom Levold
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Therapeuten unter sich


In seinem 1990 erschienenen Buch „Meine Psychose, mein Fahrrad und ich“ beschreibt Fritz B. Simon ein Rollenspiel (in Anlehnung an ein Experiment der Palo Alto-Gruppe um Watzlawick), in dem zwei Versuchspersonen eingeladen werden, einen Psychiater und einen Patienten zu spielen, wobei die Beobachter nicht erfahren, wer welche Rollenanweisung erhält. Ich habe dieses Rollenspiel in Kursen oft und gerne eingesetzt. Auf den Karten, mit denen die Spieler instruiert werden, steht bei beiden das Gleiche: „Sie sind Psychiater und werden zu einem Patienten gerufen, von dem Sie wissen, dass er verrückt ist. Eines seiner Symptome ist, dass er sich für einen Psychiater hält (…)“ (S. 132). Nehmen beide Rollenspieler diese Anweisung ernst, kann es für sie schwierig werden, aus diesem Rollenspiel auszusteigen. Für die Beobachter kann das aber sehr komisch wirken. Wie komisch, lässt sich in einer Episode sehen, die von den englischen Komödianten Stephen Fry und Hugh Laurie für ihre TV-Serie „A Bit of Fry and Laurie“ gedreht wurde, die in der Zeit zwischen 1989 und 1995 im englischen Fernsehen lief, und die von der gleichen Idee inspiriert wurde (der Hinweis auf diese Episode ist dem Psycho-Blog „Of Two Minds“ entnommen).

7. März 2008
von Tom Levold
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Unternehmenskultur in der freien Wohlfahrtspflege

Unter diesem Titel veröffentlichte Hartwig von Schubert 1999 in„System Familie“„Fragen eines Mitarbeiters an den Träger“, die heute in der Systemischen Bibliothek nachzulesen sind:„Der Auftrag einer sozialen Einrichtung entsteht im komplexen Zusammenspiel zwischen hilfesuchendem Bürger, professionellem Mitarbeiter, dessen Anstellungsträger und dem Kostenträger. Alle gemeinsam sind Teilhaber am gesellschaftlichen Projekt der allgemeinen Wohlfahrtspflege. Im folgenden stellt ein Mitarbeiter seine Fragen an einen freien Träger und erhofft sich von einem wechselseitigen Gespräch eine Klärung und Weiterentwicklung der Auftragsformulierung. Die sechs Fragen lauten: Was will die freie Wohlfahrtspflege, wenn sie mehr ist als ein Kartell von Anbietern? Was veranlasst die Träger „Professionelle“ zu beauftragen? Wie sollen Professionen die Qualität ihres Handelns gewährleisten? Wer formuliert eigentlich den Auftrag: der freie Träger oder der Kostenträger? Wie „professionell“ sind eigentlich die Trägervertreter? Welche Art der Beziehung sollen wir zu unserem ideellen Erbe einnehmen? Der Autor – selbst Vertreter eines diakonischen Trägers – antwortet auf diese Fragen in dem Wissen, dass Mitarbeiter in ihrem professionellen Handeln empfindlich gestört sind, wenn Fragen dieser Art unzureichend oder gar nicht beantwortet werden“
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5. März 2008
von Tom Levold
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Vorabdruck: Steve de Shazer & Yvonne Dolan: Mehr als ein Wunder

Im Frühjahrsprogramm des Carl-Auer-Verlages erscheint das letzte Buch von Steve de Shazer, das dieser kurz vor seinem Tode mit Yvonne Dolan und anderen gemeinsam verfasst hat. In zahlreichen ausführlich dokumentierten und kommentierten Therapietranskripten wird die Kunst der lösungsorientierten Vorgehensweise eindrücklich dargestellt. Gerade weil es nicht nur um platte Fragetechnik oder gar Fragekataloge geht (wie leider in vielen lösungsorientierten Veröffentlichungen) sondern erkennbar wird, wie präzise die Fragen auf der Mikro-Ebene des therapeutischen Prozesses gestelt werden und im Kontext einer sich entfaltenden therapeutischen Beziehung ihre Bedeutung erhalten, macht diesen Band zu einem der besten Bücher über den lösungsorientierten Ansatz, die ich seit langem gelesen habe. systemagazin bringt als Vorabdruck das vollständige 10. Kapitel, in dem es um Fragen bzw. Missverständnisse geht, die den Lösungsorientierten Ansatz betreffen. Unter anderem wird auf die Frage, ob denn das ständige Stellen der Wunderfrage nicht langweilig werde, geantwortet:„Lösungsfokussiertes Arbeiten ist vielleicht eine Frage des Geschmacks. Manche Menschen mögen das Wabern einer großen Jazzband, während anderen ein Jazztrio lieber ist. Zwar lässt sich kaum bestreiten, dass die vielschichtigen Harmonien mehrerer Instrumentalgruppen bezaubern, aber genauso fesselnd können die endlosen Tonvariationen sein, die Klavier, Bass und Schlagzeug hervorbringen. Diejenigen, die eher der SFBT zugeneigt sind, ähneln vielleicht eher den Liebhabern von Jazztrios. Bei der SFBT entwickeln sich Kreativität und therapeutische Kunst aus dem Wissen, wie man mit den Anforderungen dieses Ansatzes arbeitet und wie man den Klienten helfen kann, aus den alltäglichen Melodien ihres Lebens Meisterwerke zu komponieren. Dieses Vorgehen strahlt vielleicht nicht die Intensität einer Therapie auf dem Niveau einer »Tanzkapelle« aus, ist deshalb aber nicht weniger kreativ oder weniger befriedigend“
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