systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

22. Mai 2008
von Tom Levold
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Ökonomie der Blase

In der aktuellen Ausgabe der„Blätter für Deutsche und Internationale Politik“ ist ein interessanter Artikel über die derzeitige Krise des Weltfinanzsystems aufgrund der massenhaft geplatzten Hypotheken in den USA erschienen, der bei eurozine online zu lesen ist. Eric Janszen (Foto www.iiconf.com), der selbst über Erfahrungen als Finanzjongleur verfügt, stellt in„Die Bubble-Ökonomie. Wie man die Märkte für den großen Crash von morgen präpariert“ die aktuelle Krise auf leicht verständliche Weise in einen historischen Zusammenhang und zeigt, dass die Produktion von Finanzblasen und die damit verbundene massenhafte Vernichtung von Kapital keine neue Entwicklung ist. Durch die Möglichkeit des Internet, in Echtzeit auf Entwicklungen des Finanzmarktes zu reagieren, gibt es allerdings kaum noch eine Möglichkeit der Erholung vom Platzen solcher Blasen, vielmehr wird versucht, durch Produktion neuer Blasen den Zusammenbruch vergangener Blasen zu korrigieren:„Erinnern wir uns an die Chemieindustrie vor 40 Jahren, als man Schadstoffe wie die polychlorierten Biphenyle (PCB) praktisch unkontrolliert in die Luft und in Gewässer abließ. Viele Jahre hindurch hielt die Industrie sich an das Mantra: ‚Die Lösung des Problems der Schadstoffemission heißt Verdünnung.‘ Man nahm an, die Vermischung von Giftstoffen mit gewaltigen Mengen von Luft oder Wasser neutralisiere die ersteren. Jahrzehnte später ist uns, angesichts von missgebildeten Fröschen, verseuchtem Grundwasser und mysteriösen Krebserkrankungen klar, dass diese Logik nicht stimmte. Doch nun haben die Banker unserer Tage den Fehler auf die Finanzwelt übertragen. Je mehr zweifelhafte Kredite seit Ende der 90er Jahre bis in den Sommer 2007 hinein vergeben wurden, desto mehr mussten sämtliche Teilnehmer des globalen Finanzsystems fürchten, durch die Risiken dieser Praxis in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Die Gefährdung lässt sich als eine Art ökonomisches Gift begreifen. Theoretisch sind die Schadstoffe, die Kreditrisiken, bis zur Unkenntlichkeit verdünnt im Ozean der Weltschuldenmärkte verschwunden; die Magie der Verbriefung hat sie entgiftet, so dass von ihnen keine Systemgefährdung ausgeht. Doch in Wirklichkeit bedrohen die Kreditschadstoffe unsere Wirtschaft ebenso, wie toxische Chemieabfälle unsere Umwelt gefährden. Wie die chemischen Schadstoffe drohen auch die Kreditrisiken sich in den schwächsten und verletzlichsten Teilen des Systems, in diesem Fall des Finanzsystems, zu konzentrieren. Dort treten die toxischen Auswirkungen folglich zuerst in Erscheinung: Der Zusammenbruch des amerikanischen Subprime-Hypothekenmarktes war sozusagen das Seveso, die Urkatastrophe des sich ausbreitenden Finanz-Giftskandals“


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20. Mai 2008
von Tom Levold
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„Ist seine Ehe auch ihre Ehe?“

Astrid Riehl und Jürg Willi haben sich 1999 in einer empirischen Untersuchung, die in„System Familie“ erschien, mit dieser Frage beschäftigt. Sie befragten 204 „normale“ und 31 Therapie-Paare schriftlich mit einem Fragebogen zur Partnerschaft. Die bereits 1994 in einer anderen Stichprobe überprüften Hypothesen über Geschlechtsunterschiede (Wohlbefinden, Zufriedenheit mit der Partnerschaft, Einfühlung in Partner/in) wurden erneut erheblich in Frage gestellt. Das Ergebnis läuft darauf hinaus, dass Unterschiede bei Ehepartnern häufig überschätzt werden und die Kongruenz im Wohlbefinden und Übereinstimmungen in Glück und Zufriedenheit das häufigere Phänomen sind, zumindest in nicht-klinischen Stichproben. Die meisten Unterschiede sind eher paartypisch als geschlechtstypisch verteilt. Dennoch ist „seine Ehe nicht gleich ihre Ehe“: es gibt sicher Unterschiede, die – obwohl „real“ schwer nachweisbar – affektiv bedeutsam sind. Der Beitrag ist in der Systemischen Bibliothek im systemagazin nachzulesen.
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19. Mai 2008
von Tom Levold
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Eine kleine Geschichte der Kommunikation I: Von Descartes bis Luhmann / Fuchs

So betitelt Peter Bormann eine 81 Seiten starke Einführung in die systemtheoretische Kommunikationstheorie (Abb.: Wikimedia Commons):„Differenzlehren wie die ‚Dekonstruktion‘ (im Anschluß an Jacques Derrida) oder die soziologische ‚Bielefelder Systemtheorie‘ (ausgehend vom Werk von NiklasLuhmann) können nun als Reaktionen auf (den) Plausibilitätsverlust traditioneller sozial wissenschaftlicher Ansätze angesehen werden. Zugleich hat aber die Bielefelder Systemtheorie mittlerweile ein derartiges Komplexitätsniveau erreicht, daß der elegante Einstieg in diese faszinierende Theorieformation sehr schwer fallen muß. Da ich in letzter Zeit des öfteren auf kurze und knappe Charakterisierungen der Systemtheorie angesprochen wurde, schien es mir sinnvoll zu sein, den Text zur sozialwissenschaftlichen Grundlagenkrise in eine Art„Mini-Leitfaden zur modernen (Theorie- )Geschichte der Kommunikation“ umzuwandeln. Das heißt: Das Ziel dieses Vademecums ist es, Hintergrundwissen zu einigen älteren und aktuellen Kommunikationskonzeptionen, vor allem dem systemtheoretischen Ansatz von Niklas Luhmann und Peter Fuchs, zu vermitteln. Dabei wurde auf eine schnörkellose und klare Darstellung Wert gelegt, die insbesondere den Zugang zur komplexen Bielefelder Systemtheorie erleichtern soll. Sollten interessierte Laien nun anhand dieses Textes in relativ kurzer Zeit ein ausreichendes Grundverständnis für die Systemtheorie entwickeln können, so hätte diese Arbeit ihren Zweck voll und ganz erfüllt“
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18. Mai 2008
von Tom Levold
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Systemische Therapie in Aktion

Am 21. Mai erschein im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht ein Buch des Systemischen Therapeuten und Supervisors Jan Bleckwedel aus Hamburg, das sich mit dem Einsatz von Aktionsmethoden in Familien- und Paartherapien beschäftigt. systemagazin bringt heute als Vorabdruck das Kapitel 1 („Wie Klienten zu Akteuren werden“) aus dem ersten Teil. Aus den Verlagsinformationen:„Der Psychologe Jan Bleckwedel zeigt praxisnah, wie Therapeuten und Klienten zu aktiv gestaltenden Akteuren werden, und stellt dafür ein breites Repertoire systemischer Aktionstools und psychodramatischer Techniken zur Verfügung. Fallbeispiele verdeutlichen, wie therapeutische Prozesse mit Familien und Paaren kreativ gestaltet werden können. Ein methodenübergreifendes Navigationssystem gibt Orientierung“
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17. Mai 2008
von Tom Levold
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Dialoge im Netzwerk

„Stellen Sie sich vor: Ein Mensch kommt in den Krisendienst oder die psychiatrische Klinik und innerhalb von 24 Stunden wird sein komplettes ‚Netzwerk‘ – Angehörige, Freunde, Arbeitgeber, alle, die kommen wollen – zu einem Gespräch mit dem Behandlerteam eingeladen, um in einem „Offenen Dialog“ gemeinsam herauszufinden, was zu verstehen und was zu tun ist. In Deutschland sicher (noch) unvorstellbar – in Finnland gängige Praxis. Dieses dort seit Jahren erprobte Vorgehen erhöht nicht nur die Behandlungserfolge, sondern vermindert die Zahl der Erkrankungen – unglaublich, aber wahr und belegt. Unter anderem in diesem Buch. Seikkula und Arnkil beschreiben ausführlich die Konzepte des „Offenen Dialogs“ sowie des ‚Antizipatorischen Dialogs‘, der dann mit Gewinn und Erfolg eingesetzt wird, wenn verschiedene Helferteams sich zusammen mit den betroffenen Familien aus Zuständigkeitsgerangel und Sackgassen befreien wollen. Ein Buch mit vielen wegweisenden Ideen und einem bahnbrechenden Potenzial für alle Felder der psychosozialen Praxis“ So wirbt der Paranus-Verlag in Neumünster für ein hochinteressantes Buch des finnischen Psychologen Jaakko Seikkula und des Sozialwissenschaftlers Tom Erik Arnkil über„Neue Beratungskonzepte für die psychosoziale Praxis“. In der Tat wäre das Psychiatrie-System hierzulande gut beraten, wenn es gelegentlich über die Grenzen schauen und zur Kenntnis nehmen würde, was unsere skandinavischen Nachbarn an Kooperationsstrukturen in der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung entwickelt haben, die diesen Namen auch verdienen. In seiner Rezension schreibt Jürgen Hargens:„In dieser Klarheit und Stringenz ist dieses Buch für mich ein Informationsgewinn – im Batesonschen Sinne eines Unterschiedes, der einen Unterschied macht. Die Grundidee ist einfach (nicht zu verwechseln mit leicht) – Vernetzung und das heißt, alle Beteiligten in gleichberechtigter Weise zu einem Dialog einzuladen, der unmittelbar nach Bekanntwerden/Ausbruch einer (psychotischen) Krise stattfindet. Die dahinterstehende Idee der „Dialogik“ wird von den Autoren beschrieben als „eine Art zu denken …, die man mit verschiedenen Methoden verbinden kann und die das gemeinsame Zuhören und Denken fördert“ (S. 28). Dabei bildet ein Ausgangspunkt die theoretische Einsicht wie praktische Erfahrung, dass „das an sich gut organisierte professionelle System an seine Grenzen [gerät], wenn es mit Phänomenen konfrontiert wird, die nicht in der Weise arbeitsteilig angegangen werden können, in der das Expertensystem organisiert ist“ (S. 32) – Ausdruck der Erkenntnis, dass sich Interessen und Bedürfnisse von ExpertInnen und KlientInnen nicht notwendigerweise überschneiden. In Hinblick auf eine verbesserte Behandlung ist es dann erforderlich, sich darauf zu orientieren, was am besten helfen kann – und in einem solchen Dialog hat jede Stimme gleichermaßen Gewicht und Bedeutung“
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15. Mai 2008
von Tom Levold
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Jürgen Hargens: Replik auf Lothar Eder


Zu Lothar Eders Beitrag zur„Lehrbuchdebatte“, der vorgestern an dieser Stelle erschien, hat Jürgen Hargens einen Kommentar verfasst. Darin kritisiert dieser Eders These, dass Patienten und„Krankenkassen“ keine Erkenntnistheorie hätten, sondern einen eher pragmatischen Zugang zum Konzept der Krankheit pflegen würden:„Ich glaube (ich sage bewusst: glaube), dass auch PatientInnen, KlientInnen, KundInnen eine Erkenntnistheorie haben (MitarbeiterInnen von Krankenkassen meiner Überzeugung nach auch. Krankenkassen wohl eher nicht, denn Erkenntnistheorien sind für mich an Personen gebunden) – sie suchen, so mein Bild, nach einer guten (d.h. für sie selbst überzeugenden) Erklärung dessen, was sie „haben“ (ihr sog. Symptom). Nur ist diese Erkenntnistheorie nicht auf der Basis der vorherrschenden Wissenschaft entwickelt“
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14. Mai 2008
von Tom Levold
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Bundestag spendet Diätenerhöhung für gute Zwecke – Wirtschaft beteiligt sich

Wie der Bundestagspräsident Norbert Lammert gestern überraschend auf der Bundespressekonferenz bekannt gab, haben sich alle 612 Abgeordnete des Deutschen Bundestages verpflichtet, zukünftig ihre 16prozentige Diätenerhöhung für die Opfer von Unwettern und anderen klimatisch bedingten Katastrophen einzusetzen. Zu den ersten Begünstigten gehören die Opfer des Zyklons Nargis in Myanmar. Wie Lammert mitteilte, setzt jeder Abgeordnete für jeden Euro seiner Diätenerhöhung noch einmal einen Euro aus seinem privaten Vermögen in den Spendentopf ein.„Wir haben eingesehen, dass wir in der Vergangenheit als Parlament viele Entscheidungen getroffen haben, die zur sich abzeichnenden Weltklimakatastrophe beigetragen haben. Dies bedauern wir zutiefst. Als Zeichen der Umkehr möchten wir die Zweckbindung unserer Diätenerhöhung an die Unterstützung der Opfer dieser Entwicklung verstanden wissen. Wir sehen unsere Aktion gleichzeitig als Signal an die Vorstände der großen Deutschen Unternehmen, die maßlose Erhöhung ihrer Bezüge in den vergangenen Jahren ebenfalls für diesen Zweck einzusetzen“, so Lammert wörtlich. Der Bundesverband der Deutschen Industrie und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände zeigten sich in ersten Reaktionen begeistert.„Wir freuen uns über diese Initiative des Bundestages und werden unser Bestes tun, um die Aktion zu unterstützen. Viele unserer Vorstände wissen ohnehin nicht mehr recht, was sie mit ihrem Geld anfangen sollen“, äußerte sich der Präsident des BDI, Jürgen R. Thumann, in einer ersten Stellungnahme. Dem Vernehmen nach soll Joseph Ackermann (Foto: Deutsche Bank) bereits in einer spontanen Reaktion ein Drittel seines Jahresgehaltes von 13,2 Millionen € für die Aktion gestiftet haben. Der ehemalige Mannesmann-Chef Klaus Esser überwies dem Vernehmen nach sogar die kompletten 30 Mio. € aus seiner Vodafone-Abfindung. Ex-Bundespräsident Roman Herzog zeigte sich gerührt:„Endlich geht ein Ruck durch Deutschland, wie ich ihn mir nicht besser hätte erträumen können“.

13. Mai 2008
von Tom Levold
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Rehabilitierung des Krankheitsbegriffs?

Beim Kirschenklauen erwischt, oder: Wer nicht krank ist, braucht auch keine Therapie“. So betitelt Lothar Eder seinen klugen„weiteren Beitrag zur ‚Lehrbuchdebatte'“ für die Systemische Bibliothek, die an dieser Stelle bereits intensiv geführt worden ist. er kritisiert dabei sowohl die Kritiker des Lehrbuches als auch die Autoren und bringt eine interessante Wendung in die Debatte, nämlich eine Rückbindung sprachlicher Konstruktionen an ihre körperbezogenen Wurzeln. Aus dieser, metapherntheoretisch unterfütterten Argumentation, verliert der Krankheitsbegriff für ihn die Anrüchigkeit:„Angestoßen durch den Beitrag von Jürgen Hargens im systemagazin (v. 29.1.2008) als Reaktion auf Jochen Schweitzers und Arist von Schlippes ‚Erwiderung an ihre Kritiker‘ ebenfalls vom Januar 2008, möchte ich im Rahmen der sogenannten ‚Lehrbuchdebatte‘ erneut versuchen, einige Überlegungen beizusteuern. Dabei erscheinen mir sowohl die Position von Schweitzer / v. Schlippe als auch die vielleicht prototypisch für ‚die Kritiker‘ stehenden Anmerkungen von Hargens diskussionswürdig. Die beiden Autoren des Lehrbuchs I und II scheinen sich, so lassen sich einige Passagen ihrer Erwiderung deuten, ihrer Sache mit dem Krankheitsbegriff nicht so ganz sicher zu sein. Möglicherweise ist die Reaktion auch vor dem Hintergrund eines nicht erwarteten und doch recht scharfen Gegenwindes eines größeren Teils der systemischen Szene zu verstehen. Jedenfalls stellen Arist v. Schlippe und Jochen Schweitzer in ihrem Beitrag heraus, sie hielten ja selbst auch nichts vom üblichen Krankheitskonzept, aber man müsse eben in den sauren Apfel beißen, wenn man mit von der Partie sei wolle. Das klingt ein wenig nach einem Geständnis, wenn man beim vermeintlichen Kirschenklauen erwischt worden ist, sein Handeln aber damit verteidigt, man habe es nur im Dienst der Gemeinschaft getan. Man ist dann gewissermaßen ein guter Kirschendieb (d.h. ein ‚guter, weil systemisch reflektierender Verwender des Krankheitsbegriffs‘) im Gegensatz zu denen, die das ohne Gewissensbisse tun (also ‚die‘ ‚Vertreter‘ des ‚traditionellen‘ Gesundheitssystems)“
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10. Mai 2008
von Tom Levold
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Love & Care? – Die Allgegenwart von Enklaven. Zum Inzestfall in Amstetten

In den Redaktionen der Schmier- und Wixpresse knallen angesichts der immer neuen Nachrichten aus Amstetten die Sektkorken (so präsentierte bild.de gestern lüstern„Die perverse Lebensbeichte des Inzest-Monsters“). Der Sozialhistoriker und Familiensoziologe Reinhard Sieder (Universität Wien), aus dessen Buch„Patchworks. Das Familienleben getrennter Eltern und ihrer Kinder“ kürzlich systemagazin einen Vorabdruck gebracht hat, hat in der Ausgabe vom 3. und 4.5.08 des Österreichischen„Standard“ den Fall in Amstetten in einen größeren familientheoretischen Zusammenhang gestellt, der den Blick von der Skandalisierung auf die familiäre Intimität als Risikogebiet schlechthin zurücklenkt:„“Die westliche Gesellschaft geht vom gleichen Recht auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit ungeachtet der Herkunft, des Geschlechts und des Alters der Person aus. Das unterscheidet sie von ihrer Vergangenheit und anderen Teilen der Welt. Nur die Familie ist davon, nicht nach dem Gesetz, aber doch praktisch ausgenommen. Das hat sie zu einer Kampfzone werden lassen, in der sich mehr Leid ereignet als an irgendeinem anderen Ort. Der öffentliche Diskurs über „Gewalt in der Familie“ klärt diese Zusammenhänge nicht auf. Im Gegenteil: Er stilisiert körperliche und sexuelle Gewalt zu seltenen Ausnahmen. Den europäischen Massenmedien ist die Geschichte der beiden Familien des Josef F. ober und unter der Erde in einem Ort namens Amstetten nur eine tragische Episode unter vielen. Das glaubhafte Mitleid der Bevölkerung mit den Kindern ändert fast nichts daran. Wenn es der Schaulust und der Angstlust und dem Profit der Massenmedien dient, wird man sie bloßstellen, fotografieren und sich dann über gewissenlose Journalisten beschweren. Die Zusammenhänge aber bleiben weiter verborgen“
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9. Mai 2008
von Tom Levold
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Hinter den Spiegeln… Jubiläumstagung des BIF und der SG

Hartmut Epple aus Berlin hat zur Tagung„Hinter den Spiegeln“ im April in Berlin einen Tagungsbericht für systemagazin geschrieben: Sein Fazit:„Eine durchdringende Selbstbespiegelung, den Untertitel eingelöst und mehr, nämlich auch praktisch Relevantes ausgetauscht. Ein fröhliches Familientreffen dazu (ist bei mir überwiegend positiv konnotiert). Mein Eindruck allerdings insgesamt auch: so wie mit der Spiegelaktion keine nennenswerte Provokation der Öffentlichkeit einherging, so sind auch systemische Ideen inzwischen nicht mehr so provokant und von hohem Neuigkeitswert. Man könnte dazu auch sagen: Willkommen in der Ebene. Insofern war die Tagung auch ein erfolgreicher Ausdruck des Standes der systemisch-therapeutischen Reflexion in Deutschland“
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8. Mai 2008
von Tom Levold
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Gemeinsamer Bundesausschuss lehnt Gesprächspsychotherapie erneut ab


Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), seit 2004 Rechtsnachfolger des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, hat am 24. April 2008 die Ablehnung der Gesprächspsychotherapie wiederholt, die er nach jahrelanger Beratung bereits im November 2006 beschlossen hatte. Die Entscheidung kommt einem Berufsverbot für approbierte Gesprächspsychotherapeuten und für die staatlich anerkannten Ausbildungsstätten mit dem Schwerpunkt Gesprächspsychotherapie gleich. Es versteht sich von selbst, dass diese Entscheidung keine qualifizierte Einschätzung über die Gesprächspsychotherapie darstellt, sondern nur eine interessante Information über den Gemeinsamen Bundesausschuss. systemagazin veröffentlicht hier die gemeinsame Pressemitteilung der deutschen Fachverbände für Gesprächspsychotherapie zum am 5.5. veröffentlichten Beschluss des G-BA vom 24.04.2008.
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8. Mai 2008
von Tom Levold
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Die geschäftliche Seite der Diagnostik

Wenn Schüchternheit zur psychiatrischen Erkrankung erklärt wird und die pharmazeutische Industrie sogleich mit einem passenden Medikament zur Hand ist, weckt das zwangsläufig Misstrauen – und wahrscheinlich Begeisterung bei manchen Schüchternen. Die Schwierigkeit liegt offensichtlich darin, dass die Definitionsmacht über psychiatrische Klassifikationssysteme wie DMS IV oder ICD-10 bei ausgewiesenen medizinischen Forschern liegt, diese aber in nicht unerheblichem Ausmaß auf der Pay-Roll der pharmazeutischen Unternehmen stehen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Wie das Ärzteblatt gestern berichtete, haben„mehr als die Hälfte der Autoren des DMS-IV in den Jahren vor 1994 Gelder von Herstellern der Medikamente erhalten …, deren Einsatz sich auf die Definition der im Manual genannten psychiatrischen Erkrankungen gründet“. Was sich für die einzelnen Autoren dahinter verbirgt, geht aus dieser unsentimentalen Auftstellung genauer hervor. Und wie eine solche Forschungsförderung aus der Perspektive der Industrie, hier dem Pharma-Konzern Lilly ausschaut, lässt sich hier erahnen. Das soll sich nun bei der Zusammenstellung der Autoren für das DMS-V dadurch ändern, dass diese ihre Interessenkonflikte offenlegen müssen und nicht mehr als 10.000 US-Dollar pro Jahr durch Tätigkeiten für die Medikamenten-Hersteller verdienen dürfen. Wir dagegen dürfen gespannt sein, ob eine solche Maßnahme Einfluss auf die zukünftige Konstruktion von Krankheiten nehmen kann.
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7. Mai 2008
von Tom Levold
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Noch mehr Positives Altern

Nachdem vorgestern das aktuelle – von Thomas Friedrich-Hett herausgegebene – Heft der Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung vorgestellt worden ist, ist heute an dieser Stelle eine ausführliche Besprechung des von ihm herausgegebenen Buches„Positives Altern. Neue Perspektiven für Beratung und Therapie älterer Menschen“ zu lesen, das 2007 im transcript-Verlag erschienen ist. Tim Schramm aus Hamburg empfiehlt den Band allen, die in Beratung und Therapie mit alten Menschen zu tun haben, zur Lektüre:„Die Aufforderung ‚Das Alter schätzen lernen‘ (…) richtet sich dabei ausdrücklich und wohl in erster Linie an alle, die in Beratung und Therapie tätig sind – sie sollen das Alter und die Alten sensibel und ‚inspirierend‘ wahrnehmen – , aber dieser Impuls möchte natürlich auch die Alten selbst, die sog. ‚jungen Alten‘ ebenso wie die ‚Hochbetagten‘, erreichen. Hier wie da geht es darum, die weit verbreiteten ’negative(n) Stereotypen über das Alter‘ zu erkennen und zu überwinden. Der Verfasser will ‚die Entwicklung neuer, angemessener Altersbilder unterstützen‘ und deshalb ‚Anregungen zu einer dringend notwendigen Rekonstruktion‘ geben. Nicht ohne Emphase wird ‚zu einer wertschätzenden und ermutigenden Perspektive‘ eingeladen, ‚bei der Altern als ein Prozess einzigartiger menschlicher Bereicherung und gesellschaftlicher Förderung gesehen werden kann‘. Kurz, das ‚Defizit-Modell‘ soll ebenso wie auf anderen Feldern auch hier dem ‚Kompetenz-Modell‘ weichen“
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