28. November 2021
von Tom Levold
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Beim Stöbern bin ich auf einen Blog mit dem Titel „wildes weben“ gestoßen, den Astrid Habiba Kreszmeier „als Aktivistin für Sympoietisches“ seit einiger Zeit auf der Website des Carl-Auer-Verlags gestaltet. Dort kreisen ihre Beiträge auf poetische und assoziative Weise mit den Zusammenhängen von Natur, Therapie, Tiefenmythologie und der Schönheit des Lebendigen. Die Thematik der Zirkularität und Rückbezüglichkeit „als lebensbildende Grundlage“ durchzieht dabei alle Beiträge dieses Blogs auf die eine oder andere Weise, so auch der aktuelle Post mit dem Titel „Immer wieder Rückbezüge“ vom 26.11.2021, dessen Zwischenüberschrift „Unheimliche cybernetics“ meine Aufmerksamkeit erregte und mich zu einer kritischen Stellungnahme an dieser Stelle bringt, da die Kommentarfunktion der Carl-Auer-Blogs seit einiger Zeit abgeschaltet ist.
Dem assoziativen Selbstverständnis folgend, mäandriert der Text vom Herbst im Appenzellerland über SVP-Kampagnen gegen die Corona-Politik, die Kybernetik Norbert Wieners, Helm Stierlins Boygroup, männlich perspektivische Geschichtsnarration und die Ethik Heinz von Foersters zurück zur Corona-Politik der Schweiz, ohne dass die Verkettung dieser Assoziationen tatsächlich nachvollziehbar würde. Soweit, so gut – und für einen poetischen Text natürlich völlig angemessen.
Die Bemerkungen zur Kybernetik und zu Norbert Wiener haben mich aber stutzen lassen. Schon in einem früheren Blogbeitrag von April 2021 ist bei ihr zu lesen: „Kybernetik ist und bleibt ein missverständlicher Name, wenn es ums Lebendige geht“, wenngleich dort auch betont wird, dass „zirkuläres Denken schlicht und ergreifend systemisches Denken“ sei.
Ihre Kritik an der Kybernetik leitet sie mit einem Hinweis darauf ein, „dass auch andere, aktuelle Publikationen von Carl-Auer die Rückbezüglichkeit als lebensbildende Grundlage neu thematisieren; dass sie Ethik und Verantwortung gegenüber der Welt vermehrt ansprechen“ und zur „Erinnerung nahezu vergessener Kontexte“ einladen. Dies ist aber kein generelles Plädoyer für die Einbeziehung von Kontexten, vielmehr „gibt es ja auch für mich einige Kontexte, die ich lieber vergessen möchte, weil sie mir unheimlich sind. Zum Beispiel das Wort Kybernetik, übertragen aus dem Englischen: Cybernetics“, und zwar „als interessierte Kollegin, die um Zirkuläres bemüht ist“.
Nun empfinde ich mich auch als interessierten Kollegen, der um Zirkuläres bemüht ist, und stimme zu, dass zirkuläres Denken ein zentrales Element systemischen Denkens ist. Inwiefern aber die Kybernetik gerade in diesem Punkt unsystemisch sein sollte, hat sich mir aus ihrem Beitrag nicht erschließen können. Womöglich ist ihre Argumentation aber auch darauf zurückzuführen, dass sie sich gar nicht ausreichend mit diesem Kontext befasst hat, den sie ja lieber „vergessen“ möchte. Immerhin nennt sie ja sein 1948 erschienenes Buch „Cybernetics or control and communication in the animal and the machine“, dessen empfehlenswerte Lektüre doch den Vorwurf des „Unsystemischen“ entkräften könnte. Ob sie es wirklich gelesen hat, sei einmal dahingestellt.
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