Mit überwältigender Mehrheit von über 95 % aller Stimmen wurde das Positionspapier „Hingeschaut“ der DGSF-Expertinnengruppe „Ambulante Erziehungshilfen“ bei der Mitgliederversammlung in Dresden beschlossen.
Ziel ambulanter Hilfen zur Erziehung ist, Familien dabei zu unterstützen, ihr Leben gelingend zu gestalten und Kindeswohlgefährdungen möglichst zu verhindern. Ziel des Positionspapiers ist es, eine Sensibilisierung der Fachöffentlichkeit für den Zusammenhang von Qualität und Wirksamkeit von ambulanten Erziehungshilfen zu erreichen und Fachgesellschaften und Politik einzuladen, sich intensiver und umfassender mit dem Thema zu befassen. In dem Positionspapier werden die Reaktionen der Jugendhilfe auf gesellschaftliche Entwicklungen aufgegriffen, die Wechselwirkungen von kommunalen Ressourcen auf die (Nicht-)Beteiligung von Eltern beschrieben, auf die sich wandelnden Rollen von Eltern und Fachkräften im Hilfe- und Kooperationskontext eingegangen, die Anforderungen an die ambulanten Hilfen zur Erziehung beschrieben und an die politischen Verantwortungen zum Handeln appelliert. Das Positionspapier gibt die Sichtweise des Verbandes wieder und ist folgendermaßen gegliedert:
- Erfordernisse für die Zukunft
- Kontext „Gesellschaftliche Entwicklungen“: Kinder- und Jugendstärkungsgesetz zwischen Anspruch und Wirklichkeit
- Auswirkungen gesellschaftlicher Entwicklungen auf die ambulanten Hilfen zur Erziehung
- Menschenbild
- Politisches Handeln und politische Verantwortung
- Systemische Grundlagen in den ambulanten Hilfen zur Erziehung
- Anforderungen an die ambulanten Hilfen zur Erziehung
- Ausblick auf erlebbare Qualität
Das Positionspapier stellt nicht nur Forderungen nach einer verbesserten Fachlichkeit von Hilfsangeboten auf, sondern bietet auch eine Analyse des politischen Kontextes, der für die zunehmende Verschlechterung des Hilfesystems bei gleichzeitig zunehmendem Handlungsdruck verantwortlich ist: Die „Fortschritte in den Hilfen zur Erziehung [aus den 1990er Jahren] wurden jedoch nach wenigen Jahren bereits „ausgebremst“, indem mittels neoliberaler Steuerungsinstrumente nicht nur Hilfen als „Produkte“ beschrieben, Pauschalfinanzierungen abgeschafft, Fachleistungsstunden geschaffen, Personalbegrenzungen vorgenommen wurden u.a.m. Das führte nicht nur zu einer immer höheren Fallzahlbelastung unter anderem in den Allgemeinen Sozialen Diensten (ASD) der Jugendämter, sondern auch zu Stundenreduzierungen und Fallzahlerhöhung bei den ambulanten Hilfen zur Erziehung. Damit begann eine langsame, aber bis heute andauernde kontinuierliche Aushöhlung von Fachlichkeit und eine Ökonomisierung in den ambulanten Hilfen zur Erziehung. Gemeint ist hier ein betriebswirtschaftlich ausgerichteter Prozess in der Sozialen Arbeit, bei dem eine „(…) zunehmende Durchdringung von Strukturen, Organisationsmodellen, Konzepten und Handlungsmustern sozialer Dienstleistungstätigkeiten durch wettbewerbliche, marktorientierte Elemente der Konkurrenz und Effizienz“3 stattfindet. Der zentrale Modus, nach dem die vorhandenen Ressourcen, Akteur*innen, Bedarfe und Leistungen koordiniert, optimal verteilt und bestmöglich genutzt werden sollen und der zudem noch systemische Flexibilität und Innovationsoffenheit gewährleisten soll, wird in Markt und Wettbewerb gesucht.“