In einer schönen Studie, die 1988 im von Hans-Georg Soeffner herausgegebenen Sonderband„Kultur und Alltag“ der Zeitschrift„Soziale Welt“ erschienen ist, befasst sich der Soziologe und Interaktionsforscher Jörg R. Bergmann (Foto: uni-bielefeld.de), bis zu seiner Emeritierung 2011/12 an der Universität Bielefeld tätig, mit der kommunikativen Beziehung zwischen Mensch und Tier. Bergmann schreibt: “Daß Menschen mit Tieren sprechen, das ist uns im Alltag keinerlei Rätsel und scheint auch für die Wissenschaft so schimärenhaft nicht. Vor vierzig Jahren bereits behauptete ein prominenter Mitbegründer der vergleichenden Verhaltensforschung von sich,„er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen“ (- so der Titel seines Erstlingswerks). Und heute ist es eine Heerschar hochgerüsteter Zoologen, Ethologen, Tierpsychologen, Primatologen und anderer Verhaltensforscher, die sich mit den unterschiedlichsten Aspekten der Mensch-Tier-Kommunikation beschäftigen. Doch die Arbeiten dieser Wissenschaftler lassen immer aufs neue an eine offenbar weitsichtige Bemerkung Montaignes denken, der vor über 400 Jahren im Zweiten Buch seiner Essays schrieb:„Der Mangel, der ein gegenseitiges Verständnis zwischen Tieren und Menschen verhindert, warum sollte der nicht ebensogut bei uns wie bei ihnen zu suchen sein?“. Montaignes Zweifel erhält nämlich gerade dann eine besondere Bedeutung und Aktualität, wenn man ihn auf die Arbeiten dieser modernen Verhaltensforscher bezieht. Nahezu alle diese Arbeiten durchzieht nämlich ein grundsätzlicher Mangel, der signifikant in dem eben zitierten Buchtitel zum Ausdruck kommt: während dort noch die kommunikative Leistung eines Menschen, mit Tieren zu reden, in den Mittelpunkt gerückt und als Thema des Buches avisiert wird, ist davon im Buch selbst, in dem es primär um die Schilderung der Verhaltensweisen verschiedener Tiergattungen geht, kaum mehr die Rede. Das aber kennzeichnet die Arbeiten der modernen Verhaltensforschung zur Mensch-Tier-Kommunikation durchgängig, der Mangel nämlich, daß in ihnen die Funktionsweisen und Organisationsprinzipien der menschlichen Kommunikation als bekannt vorausgesetzt und wie selbstverständlich als Bedingungen der Kommunikation mit Tieren präsupponiert werden. In kaum einem Fall wird es für notwendig befunden, den kommunikativen Part, den Menschen in der Kommunikation mit Tieren spielen, zum Thema der Untersuchung zu machen. Welches kommunikative Verhalten wir Menschen im Umgang mit Tieren zeigen, das wissen diese Forscher immer schon und scheint ihnen jedenfalls irrelevant. Für die Untersuchung der Mensch-Tier-Kommunikation ist das jedoch ein elementares Versäumnis. Denn was immer das Tier als seinen Teil in den Austausch mit einem Menschen einbringt, gewiß verlassen wir uns im Umgang mit Tieren zunächst auf unsere gattungs- und kulturspezifischen Fertigkeiten und Routinen der Kommunikation. Die folgenden Beobachtungen und Überlegungen haben weder das Ziel, die Kritik an der Forschung über Mensch-Tier-Kommunikation im Detail zu belegen und auszuführen; sie beanspruchen auch nicht – einer gewissen Forschungstradition folgend -, Verständigungsmöglichkeiten zwischen Mensch und Tier zu bestimmen, noch geht es in ihnen um die„Sprache der Tiere“. Stattdessen soll an einem kleinen Datenkorpus explorativ verfolgt werden, wie Menschen im häuslichen Bereich kommunikativ mit Tieren – und das heißt hier: mit ihren Haustieren – umgehen. Gefragt wird also nach Strukturen der menschlichen Kommunikation, in deren Verlauf sich Kontakte mit Haustieren realisieren. Zu neuen Erkenntnissen über das Verhalten von Haustieren wird die Untersuchung der Mensch-Tier-Kommunikation nur insoweit führen, als wir darin etwas über uns und unsere Kommunikationspraxis erfahren.
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Haustiere als kommunikative Ressourcen
23. November 2013 | Keine Kommentare