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Online-Journal für systemische Entwicklungen

Geheimhaltung systemisch: (immer noch nichts) Neues von der DGSF

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Ende Juni habe ich an dieser Stelle über eine öffentliche Stellungnahme des Aufsichtsrates und Vorstandes der DGSF informiert, die sich gegen eine angeblich „widerrechtliche Benennung von Mitgliedern der DGSF im Systemagazin“ durch meine Person richtet und in der mitgeteilt wird, dass die DGSF eine „eine rechtliche Prüfung der Veröffentlichung veranlasst“ habe.

Diese Stellungnahme wurde im Bereich „Meldungen“ unter „Aktuelles & Termine“ auf der DGSF-Website bereits am 15.5.2025 veröffentlicht und kann seitdem unverändert von jeder interessierten Person innerhalb und außerhalb der DGSF gelesen werden. Das ist insofern erfreulich, als damit offensichtlich auch seitens der Verbandsspitze ein verbandsübergreifendes öffentliches Interesse an den Auseinandersetzungen um die Kampagne von sogenannten „Akteur:innen der Wissenschaft“ innerhalb der DGSF erkannt worden ist. In dieser Kampagne wurde die massive Kritik an einer Rezension in der Zeitschrift Kontext zum Anlass genommen, Forderungen nach einer Zensur sogenannter „macht- und statusorientierter Texte“ sowie nach einer Änderung des gegenwärtigen Herausgeberstatus der Zeitschrift zu stellen, ohne jedoch mit eigenem Namen auch verbandsöffentlich zu diesen Forderungen zu stehen.

Da die Beteiligten an der Kampagne bis heute darauf beharren, dass weder ihre so genannten „Repliken“ noch ihre Autorenschaft innerhalb des Verbandes bekannt und damit einer offenen Diskussion zugänglich gemacht werden sollen, sind die Beiträge im systemagazin zu diesem Thema nach wie vor die einzigen Quellen, aus denen sich DGSF-Mitglieder über diese verbandsinternen Aktivitäten informieren können. Das ist natürlich weniger erfreulich.

In meiner oben genannten Antwort auf die Stellungnahme habe ich darauf hingewiesen, dass ich weder vom Vorstand noch vom Aufsichtsrat der DGSF über die Tatsache einer veranlassten „rechtlichen Prüfung“ informiert worden sei, immerhin waren da bereits sechs Wochen seit der Veröffentlichung der Stellungnahme vergangen.

Mittlerweile sind bis heute dreieinhalb Monate verstrichen, ohne dass ich irgendeine Nachricht seitens der DGSF erhalten hätte. Für einen Verband, der die Werte von Transparenz und dialogischer Haltung jederzeit und offensiv vertritt, ist das eine beachtliche Schweigeleistung. Auf der Suche nach Gründen ist man daher auf reine Spekulation angewiesen.

Eine nahe liegende Erklärung für das Schweigen wäre, dass es sich bei der veranlassten rechtlichen Prüfung um so gravierende und komplexe juristische Gegenstände handelt, dass eventuelle Ergebnisse auch nach monatelanger intensiver Recherche nicht zu erwarten sind und Aufsichtsrat und Vorstand daher nahegelegt worden ist, die eigene Position nicht durch weitere Äußerungen zu schwächen. Dagegen spricht aber, dass eine solch langwierige rechtliche Prüfung sicherlich mit erheblichen Kosten verbunden wäre, die in der Jahresbilanz des Verbandes über Gebühr zu Buche schlagen müssten.

Vielleicht hat eine rechtliche Prüfung aber auch sehr schnell ergeben, dass es sich gar nicht um eine „widerrechtliche Benennung von Mitgliedern“ gehandelt hat. In diesem Falle käme die Kommunikation eines solchen Ergebnisses aber einem Eingeständnis gleich, dass man selbst vielleicht mit dieser Vorverurteilung in der Stellungnahme einen kleinen Schritt zu weit gegangen ist, was wiederum nicht jedermanns Sache ist.

Als dritte Möglichkeit ist natürlich auch denkbar, dass es gar keine rechtliche Überprüfung gegeben hat, sondern das Ganze als Einschüchterungsmanöver konzipiert war, um die Löschung der Namen im systemagazin zu erwirken.

Das konsequente Schweigen der Verbandsspitze lässt also Raum für alle möglichen sinnvollen oder unsinnigen Spekulationen. Als Herausgeber des systemagazin kann ich zwar ganz gut damit leben, dass ich vom Verband nicht über die gegen mich initiierten Aktivitäten und ihre Ergebnisse in Kenntnis gesetzt werde, auch wenn ich ein solches Vorgehen als eine souveräne Geste empfinden würde. Vor allem die Rücknahme der haltlosen Unterstellung der Widerrechtlichkeit würde aus meiner Sicht für eine bestimmte Souveränität sprechen, vor allem dann, wenn gar keine Ergebnisse einer rechtlichen Prüfung vorliegen sollten.

Ganz unabhängig davon bin aber als DGSF-Mitglied  der Ansicht, dass es dem Souverän des Verbandes, nämlich der Mitgliedschaft, zusteht, sich ein Bild von verbandsinternen politischen Aktivitäten zu machen, wenn davon wichtige inhaltliche und formale Entscheidungen hinsichtlich der Zukunft des Kontext direkt oder indirekt berührt werden. Aus diesem Grund habe ich beim Vorstand der DGSF folgenden Antrag zur Beschlussfassung auf der ordentlichen Mitgliederversammlung der DGSF im Oktober 2025 eingereicht und bin gespannt auf das Ergebnis: 

„Die Mitgliederversammlung möge beschließen:
Auf der DGSF-Website wird im geschützten Mitgliederbereich die Dokumentation der Kontroverse um die Rezension von Stefan Beher im Kontext 3/23 und die sich darauf beziehenden Repliken eines „Qualitätszirkels der Hochschulinstitute“ und ihrer Mitunterzeichner als „Akteur:innen der Wissenschaft innerhalb der DGSF“, die im Frühsommer 2024 vom DGSF-Vorstand in einer nur geschwärzten Version im Mitgliederbereich der DGSF-Website veröffentlicht und danach wieder entfernt wurde, ungeschwärzt veröffentlicht und allen Mitgliedern nachrichtlich bekannt gemacht.

Begründung: 
Die DGSF legt in ihrem Selbstverständnis großen Wert auf Transparenz, Partizipation und Dialog und die Entwicklung von Strukturen, die einen offenen und diskursiven Umgang mit allen innerverbandlichen Themen möglich machen. Die Kontroverse um den „Kontext“, die im Zuge der genannten Rezension und den darauf bezogenen Repliken entstand und in der von Akteuren des Verbandes Änderungen des unabhängigen Status der Herausgeber sowie die Zensur bestimmter Texte gefordert wurden, prägt bis heute die Debatte um die Frage der Zukunft der Verbandszeitschrift „Kontext“. Bis heute haben die Mitglieder, in deren Namen die „Replik-Gruppe“ nach eigener Auskunft handelte, jedoch keine Möglichkeit, sich vom Inhalt dieser Kontroverse und ihren Vertretern ein eigenes Bild zu machen. Im Rahmen innerverbandlicher Demokratie und dafür erforderlicher offener Meinungsbildung ist das nicht hinnehmbar. Dies gilt umso mehr, als mit Nikola Siller und Dirk Rohr zwei Mitglieder des Aufsichtsrates selbst zu den Unterzeichnern der Repliken gehören, deren Veröffentlichungen sie bis heute verhindern. Die Entschwärzung der Dokumentation und ihre Zugänglichmachung für alle Mitglieder ist ein notwendiger Schritt, um Hintergründe der aktuellen Auseinandersetzung um den Kontext einordnen zu können und auch in dieser Frage innerverbandliche Transparenz herzustellen.“

2 Kommentare

  1. Markus Haun sagt:

    Lieber Tom, als DGSF-Mitglied unterstütze ich den Antrag von Dir nachdrücklich!

    Mit Heft 4/2025 werde ich meine Tätigkeit als Herausgeber des KONTEXT aufgeben.

  2. Dr. Arist von Schlippe sagt:

    Danke, Tom, für die Information über den Stand der Dinge. Aus meiner Sicht hat sich hier ein „Karussell der Empörung“ festgefahren und die Kolleginnen und Kollegen, die das Karussell gestartet haben, können nicht mehr vor und nicht zurück.
    Rekapitulieren wir doch einmal (stark verkürzt): da gibt es die Rezension eines Buches, über die man geteilter Meinung sein kann, über die man vielleicht auch – je nachdem, wie man es versteht und wertet – moralisch empört sein kann (ich war es nicht). Dann wird die erlebte Empörung durch eine Gruppe in die Form einer scharfen Replik gebracht, um dieser Ausdruck zu geben und es geht noch ein paar Mal mehr hin und her mit Stellungnahmen und Repliken. So weit, so gut, die Schärfe ist dabei m.E. allerdings eher dem moralischen Diskurs geschuldet als einem systemischen Spiel mit Perspektiven, wie ich es in „unserem Kreisen“ erwarten würde. Und dann wird bei dem expliziten Wunsch nach Transparenz (der m.E. der systemischen Logik entspricht) gefordert, dass die Gruppe nicht namentlich genannt werden dürfe, was wiederum auf Widerspruch stößt – und es geht weiter…
    Dem ganzen Prozess unterliegen zahlreiche Selektionsschritte, in denen jeweils Information, Mitteilung und Verstehen ausgewählt wurden. Sie tragen dazu bei, dass das Karussell sich immer weiter festfährt – nun schon seit mehr als zwei Jahren! Machen wir uns doch noch einmal klar, um welchen Anlass es eigentlich geht: hier hat keiner ein schweres Verbrechen begangen, Gewalt oder Naziliteratur verherrlicht oder schlimmeres! Es geht – nein, es ging, denn darum geht es schon lange nicht mehr! – um ein Buch, kein verbotenes Buch, sondern um ein Werk über Aussagen zu einem Thema, die empirisch unterlegt sind, über die man natürlich trotzdem streiten kann. Es betrifft aber einen Bereich der „political correctness“ (und berührt damit ein sensibles Gebiet). Statt den offenen, sachlichen Streit zu wählen, ist nun, so meine Interpunktion, durch die Verschiebung des Themas auf die Zusammensetzung des Redaktionsteams und auf die Frage, ob die Namen genannt werden durften, ob die Stellungnahmen abgedruckt oder geschwärzt werden sollten, und ob Tom Levold den schwarzen Peter kriegen sollte (Stefan Beher leider sowieso), eine Eskalationsdynamik vorangetrieben worden, die sich weit von dem Ursprung der Angelegenheit entfernt hat. Mal ernsthaft: was wäre denn so schlimm daran gewesen, die Rezension, die Stellungnahmen, die Meinungen der Beiräte des Kontext und die anderer Leute unzensiert und, wie es sich gehört, mit Namensnennung zu veröffentlichen? Statt dessen wurde die Dynamik immer weiter verschärft, am Ende hat all dies wohl auch die „systemische Sache“ beschädigt.

    Als DGSF-Mitglied unterstütze ich daher den Antrag von Tom Levold voll und ganz!

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