Im April 2018 hat das Berliner Institut für Familientherapie, Systemische Therapie, Supervision, Beratung und Fortbildung (BIF) sein 35-jähriges Jubiläum mit einer Fachtagung zu einem Thema gefeiert, das im systemischen Diskurs bislang nicht sonderlich gut vertreten war: »Die Kunst zu hören«. Initiatorin dieser Tagung war für das BIF Regina Riedel. Die unterschiedlichen wissenschaftlichen, praktischen und sinnlichen Beiträge zu dieser Tagung inspirierten die Herausgabe eines Kontext-Themenheftes, das als Heft 1/2019 erschien, das die beiden Hauptvorträge der Tagung sowie einen weiteren Originalbeitrag enthält.
Peter Rober von der Universität Löwen in Belgien eröffnet das Heft mit seinem Beitrag über die Komplexität des Zuhörens in der Familientherapie, vor allem unter Einbezug auch der jüngeren Kinder. Ihm geht es in seinem narrativen Zugang zu den Geschichten der Familien um verschiedene Arten des Zuhörens, nämlich das Zuhören mit den Ohren, mit den Augen und mit den Herzen. Nur im Zusammenklang dieser drei Arten des Zuhörens entsteht so etwas wie empathische Responsivität.
Tom Levolds Arbeit zielt darauf, dem Zuhören einen bedeutsameren Platz im systemischen Diskurs zu verschaffen, der einerseits von einer Dominanz visueller Metaphern geprägt ist, anderseits hinsichtlich der Gesprächsführung eher mit Fragen als mit Zuhören beschäftigt ist. Er arbeitet die Unterschiede zwischen Hören und Zuhören und die Bedeutung der Erfassung unterschiedlicher linguistischer und paralinguistischer Elemente von Klientennarrativen im therapeutischen Gespräch heraus, in dessen Verlauf verborgene Aspekte des Problemerlebens als »Thema hinter dem Thema« sowie mögliche Lösungen erkennbar werden.
Ulrike Meier, die »Eine Theorie des Zu/Hörens: Aus konstruktivistischer Per- spektive« veröffentlicht hat, steuert einen dritten Originalbeitrag ge- winnen, der die Prozesse des Verstehens und der Verständigung unter einem doppelten Fokus der Perspektiven des Zuhörens einerseits und einer konstruktivistischen Beobachtertheorie anderseits betrachtet. In dieser Hinsicht erweist sich Kommunikation als ein Resonanzgeschehen, in dem besonders imaginäre Prozesse, Impulse, die sich der Sprachlichkeit entziehen, als dynamisierende Kräfte kommunikativen Handelns erkennbar werden. Wird dieses imaginäre Geschehen bewusst wahrgenommen, zeigen sich damit zugleich Regulative, die Kommunikation gestaltbarer sowie das Zuhören als Handlungsmacht erfahrbar machen.
»Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen« lautet der letzte Satz des Wittgensteinschen Tractatus Philophicus. Frank Trip, Claudia Wirtz und Claudia Volkerts haben ihre Abschlussarbeit beim BIF dem Thema »Schweigen in der Therapie« gewidmet. Eine in Zusammenarbeit mit Dörte Foertsch verkürzte und leicht umgearbeitete Version ihrer Arbeit, die das Schweigen im therapeutischen Gespräch mit den Pausen in der Musik parallel führt, bildet den inhaltlichen Abschluss zum Thema Zuhören.
Darüberhinaus gibt es neben einem Plädoyer von Jan Bleckwedel für einen aufgeklärten Humanismus wie immer eine Menge Rezensionen.