Wenn Schüchternheit zur psychiatrischen Erkrankung erklärt wird und die pharmazeutische Industrie sogleich mit einem passenden Medikament zur Hand ist, weckt das zwangsläufig Misstrauen – und wahrscheinlich Begeisterung bei manchen Schüchternen. Die Schwierigkeit liegt offensichtlich darin, dass die Definitionsmacht über psychiatrische Klassifikationssysteme wie DMS IV oder ICD-10 bei ausgewiesenen medizinischen Forschern liegt, diese aber in nicht unerheblichem Ausmaß auf der Pay-Roll der pharmazeutischen Unternehmen stehen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Wie das Ärzteblatt gestern berichtete, haben„mehr als die Hälfte der Autoren des DMS-IV in den Jahren vor 1994 Gelder von Herstellern der Medikamente erhalten
, deren Einsatz sich auf die Definition der im Manual genannten psychiatrischen Erkrankungen gründet“. Was sich für die einzelnen Autoren dahinter verbirgt, geht aus dieser unsentimentalen Auftstellung genauer hervor. Und wie eine solche Forschungsförderung aus der Perspektive der Industrie, hier dem Pharma-Konzern Lilly ausschaut, lässt sich hier erahnen. Das soll sich nun bei der Zusammenstellung der Autoren für das DMS-V dadurch ändern, dass diese ihre Interessenkonflikte offenlegen müssen und nicht mehr als 10.000 US-Dollar pro Jahr durch Tätigkeiten für die Medikamenten-Hersteller verdienen dürfen. Wir dagegen dürfen gespannt sein, ob eine solche Maßnahme Einfluss auf die zukünftige Konstruktion von Krankheiten nehmen kann.
Zum vollständigen Artikel
Die geschäftliche Seite der Diagnostik
8. Mai 2008 | Keine Kommentare