systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

Zitat des Tages: Sigmund Freud

| Keine Kommentare

Heute vor 70 Jahren starb in London Sigmund Freud (Foto: Wikimedia Commons), der nicht nur die Psychoanalyse begründet hat, sondern auch ein wunderbarer Schriftsteller war. Auch wenn viele seiner theoretischen Konzepte mittlerweile selbst der Vergänglichkeit anheimgefallen sind, ist die Lektüre seiner Arbeiten immer wieder ein Genuss. Ihm sei mit diesem Zitat des Tages, in dem es genau um diesen Wert des Vergänglichen geht, gedacht:„Der Vergänglichkeitswert ist ein Seltenheitswert in der Zeit. Die Beschränkung in der Möglichkeit des Genusses erhöht dessen Kostbarkeit. Ich erklärte es für unverständlich, wie der Gedanke an die Vergänglichkeit des Schönen uns die Freude an demselben trüben sollte. Was die Schönheit der Natur betrifft, so kommt sie nach jeder Zerstörung durch den Winter im nächsten Jahre wieder, und diese Wiederkehr darf im Verhältnis zu unserer Lebensdauer als eine ewige bezeichnet werden. Die Schönheit des menschlichen Körpers und Angesichts sehen wir innerhalb unseres eigenen Lebens für immer schwinden, aber diese Kurzlebigkeit fügt zu ihren Reizen einen neuen hinzu. Wenn es eine Blume giebt, welche nur eine einzige Nacht blüht, so erscheint uns ihre Blüte darum nicht minder prächtig. Wie die Schönheit und Vollkommenheit des Kunstwerks und der intellektuellen Leistung durch deren zeitliche Beschränkung entwertet werden sollte, vermochte ich ebensowenig einzusehen. Mag eine Zeit kommen, wenn die Bilder und Statuen, die wir heute bewundern, zerfallen sind, oder ein Menschengeschlecht nach uns, welches die Werke unserer Dichter und Denker nicht mehr versteht, oder selbst eine geologische Epoche, in der alles Lebende auf der Erde verstummt ist, der Wert all dieses Schönen und Vollkommenen wird nur durch seine Bedeutung für unser Empfindungsleben bestimmt, braucht dieses selbst nicht zu überdauern und ist darum von der absoluten Zeitdauer unabhängig“ (In: Vergänglichkeit. Der Text stammt aus: Das Land Goethes 1914–1916. Ein vaterländisches Gedenkbuch. Herausgegeben vom Berliner Goethebund. Stuttgart und Berlin: Deutsche Verlags-Anstalt 1916. S. 37–38.)

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.