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Online-Journal für systemische Entwicklungen

Systemische Therapie – eine Annäherung?

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Kurz vor den Weihnachtstagen ist das letzte Heft des Kontext erschienen, und das hat es in sich. Diesmal ist es ein echtes Diskussionsheft geworden, das in Gänze einem Beitrag von Günter Schiepek gewidmet ist. Im Editorial heißt es:„In der letzten Zeit gab es zudem einige Vorstöße von Günter Schiepek, die auf die Auflösung des bisherigen (Selbst-)Verständnisses systemischer Therapie zugunsten einer (schon vor längerem von Klaus Grawe vorgeschlagenen) „Allgemeinen Psychotherapie“ hinauslaufen. Grundlage dieser „Allgemeinen Psychotherapie“ wäre zwar für Schiepek die Theorie komplexer Systeme und die Konzeption eines „synergetischen Prozessmanagements“, die Systemische Therapie als eigenständiges Verfahren, um dessen kassenrechtliche Anerkennung derzeit gerungen wird, fände inhaltlich aus dieser Perspektive aber nicht unbedingt Unterstützung. In diesem Heft veröffentlichen wir einen umfangreichen Text von Günter Schiepek, der als Plädoyer für eine solche Entwicklung gelesen werden kann. Aus dieser Sichtweise wäre Systemische Therapie „die Ermöglichung von Veränderungsprozessen von als defizitär oder dysfunktional beurteilten Zuständen eines Systems oder Netzwerks von Systemen (Strukturen und/oder Funktionen betreffend) mit Methoden, die ihre Verortung im Theoriespektrum komplexer, dynamischer und nichtlinearer Systeme haben“. Ob es sich dabei um soziale, psychische oder biologische (neuronale) Systeme handelt, ist – im Unterschied etwa zu einer Konzeption von Psychotherapie als Veränderung von Sinnsystemen – nicht mehr relevant. Entscheidend für Schiepek ist vielmehr „die prozessuale Erfassung der Systeme und ihrer Dynamik, also ein konsequentes Prozessfeedback. Der Therapie- und Veränderungsprozess selbst wird damit als dynamisches, selbstorganisierendes System konzipiert und erfasst.“ Damit eng verbunden ist die Frage der psychotherapeutisch relevanten Modellbildung von Problemen und Lösungen mittels spezifischer technischer Instrumente, etwa des von ihm entwickelten und propagierten, internetbasierten „Synergetischen Navigationssystems“ (SNS), welches aus seiner Sicht ein unverzichtbares psychotherapeutisches Mittel ist, um „Evidenzbasierung“ von Psychotherapie ohne die gängigen armseligen RCT-Studien begründen zu können. Die Konsequenz dieser Perspektive wäre, dass „systemische Therapien nicht auf Psychotherapie beschränkt sind – neurobiologische oder biomedizinische Behandlungen können in diesem Sinne ebenso systemisch sein wie psychologische oder soziale“, und dass „im Anwendungsfeld der Psychotherapie keine A-Priori-Festlegung auf bestimmte Interventionsmethoden oder Therapieschulen erfolgt“. Damit ist gleichzeitig die Frage nach der Identität Systemischer Therapie aufgeworfen, die uns im Spannungsfeld von eigenständiger Theoriebildung und äußeren Anforderungen seitens des (wie auch immer konventionellen) Wissenschaftsbetriebes einerseits, der fach- und berufspolitischen Interessenpolitik andererseits seit Jahren umtreibt. Vor diesem Hintergrund fanden wir den Versuch einer Neubestimmung Systemischer Therapie unter dem Gewand einer universalistischen, weil transdisziplinären Perspektive, die aber gleichzeitig der Orientierung an (psychischen und sozialen) Sinnsystemen, die in unserer Zunft einen zentralen Stellenwert hat, eine Absage erteilt, unbedingt diskussionswürdig. Aus diesem Grund haben wir Günter Schiepek vorgeschlagen, seinen Text durch Kolleginnen und Kollegen aus dem systemischen Feld kommentieren zu lassen und ihm die Gelegenheit zu geben, auf diese Kommentare zu antworten. Zu unserer Freude hat Günter Schiepek sofort zugestimmt. Ulrike Borst, Klaus Deissler, Wolfgang Loth, Kurt Ludewig und Roland Schleifer (in alphabetischer Ordnung), die für unterschiedliche Perspektiven im systemischen Feld stehen,  haben seinen Text gelesen und machen in ihren Beiträgen deutlich, welche Anschlussmöglichkeiten an den gegenwärtigen Stand systemischer Theorie und Praxis aus ihrer Sicht zu finden und welche Schwierigkeiten damit verbunden sind. Günter Schiepek geht in seiner Antwort auf die Kommentare bewusst in einer locker-dialogischen Weise ein, auf deren editorische „Verförmlichung“ wir verzichtet haben“
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