Im Editorial der neuen Ausgabe der Familiendynamik schildern die Herausgeber Tilman Kluttig und Arist von Schlippe einen fiktiven Dialog, der die Paradoxien forensischer Arbeit auf den Punkt bringt: „Patient: Wie lange muss ich hier bleiben? Therapeut: Nun, das kann dauern. Bis es Ihnen besser geht und wir Ihre Entlassung empfehlen können. P: Wann bekomme ich Ausgang? Th: Das hängt davon ab, wie Sie sich verhalten. Erst einmal müssen wir Sie kennenlernen. P: Ja, aber ich mach’ ja nix. Ich will ja mitmachen. Th: Das freut mich, aber davon müssen Sie uns erst überzeugen. P: Vor Gericht hat man mir gesagt, wenn ich mitmache, bin ich bald wieder draußen. Th: Das hängt von der Prognose ab. Letztlich entscheidet die Strafvollstreckungskammer. P: Ja, schon, aber wie lange dauert das? Th: Na ja, das hängt davon ab, wie Sie mitmachen bei der Therapie. P: Ja, schon, ich will das ja auch, aber wie lange dauert das denn, wenn ich mitmache? Th: Das kann man schlecht vorhersagen, im Durchschnitt drei bis vier Jahre. Aber: Es hängt von der Prognose ab. P: Die anderen haben mir gesagt, mit meiner Straftat kann das zehn bis zwanzig Jahre dauern, stimmt das?“
Den Schwierigkeiten des Umgangs mit Gewalttaten und „Tätern“ (mit den Begriffen Tat und Täter setzt sich Wolfgang Loth in seiner Kolumne am Ende dieser Ausgabe gedankenreich auseinander) ist dieses Heft gewidmet. Im Editorial heißt es weiter: „Der Fokus-Beitrag von Tilman Kluttig, dem langjährigen Präsidenten der »Internationalen Vereinigung für Forensische Psychotherapie« (IAFP), beleuchtet, welche Bedeutung systemischer Praxis in der forensischen Psychotherapie zukommt, und arbeitet die Besonderheiten der Klientel im Maßregelvollzug heraus. Peter Reutter und Roswita Hietel-Weniger skizzieren die Möglichkeiten der Genogrammarbeit und zeigen, wie mit dieser Methode die prägenden Sozialisationsbedingungen gewalttätiger Patienten erschlossen werden können. In einem engagierten Beitrag schildert Michael Heilemann die Quintessenz seiner 35-jährigen Erfahrung mit schwer gewalttätigen jungen Männern. Bestimmte Eckpunkte der persönlichen Geschichte und der Bindung an die jeweilige Subkultur tauchen bei diesen Tätern immer wieder auf – Heilemann nimmt sie als Ausgangspunkt für das von ihm entwickelte Anti-Gewalt-Training. Schließlich fassen Ziv Gilad, Ronen Kasten und Haim Omer die Ergebnisse eines Projektes zusammen, in dem sie geprüft haben, wie sich elementare Informationen zur Philosophie des gewaltlosen Widerstands auf die Eskalationsbereitschaft israelischer Polizisten auswirken.“
Soweit zum Schwerpunktthema, das von weiteren interessanten Texten eingerahmt wird. Alle bibliografischen Angaben und abstracts finden Sie hier…