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Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) zum Heilpraktikerrecht

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Das Bundesgesundheitsministerium hat im Juli Verbände zu Einschätzungen zum Rechtgutachten zum Heilpraktikerrecht aufgefordert. Die DGSF hat eine Stellungnahme abgegeben, in der sie vor allem für den Erhalt der „Heilpraktikererlaubnis für Psychotherapie“ eintritt. Hier die Stellungnahme der DGDF im Wortlaut:

Vorbemerkung

Die DGSF ist ein gemeinnütziger Fachverband mit mehr als 8.000 Mitgliedern, von denen zahlreiche psychotherapeutisch tätig sind – einerseits mit Approbation, andererseits auf der Grundlage einer Heilpraktikererlaubnis (eingeschränkt auf den Bereich der Psychotherapie). Deshalb sind die Entwicklungen des Heilpraktikerrechts für unsere Mitgliedschaft von hoher Relevanz.
Die Initiative des Bundesgesundheitsministeriums, ein Rechtsgutachten zum Heilpraktikerrecht erstellen zu lassen und dazu eine ergebnisoffene Diskussion anzuregen, wird von uns begrüßt. Veränderungen und Klarstellungen im Bereich des Heilpraktikerrechts sind nach unserer Einschätzung sinnvoll, bedürfen aber einer breiten gesellschaftlichen Diskussion unter Beteiligung der relevanten Verbände.
Da nicht alle Fragen des Fragenkatalogs im Schreiben des Ministeriums an Fachverbände vom 8. Juli 2021 für die Mitglieder der DGSF relevant sind, möchten wir im Wesentlichen zu den allgemeinen Fragen sowie zur sektoralen Heilpraktikererlaubnis Stellung nehmen.

Stellungnahme

In Deutschland ist der Bereich der Psychotherapie im Hinblick auf die Zulassung der Behandler*innen und die Erstattung von Leistungen durch die gesetzlichen Krankenkassen stark geregelt. Solange die sozialrechtliche Anerkennung der Systemischen Therapie fehlte, mussten Patient*innen, die im ambulanten Bereich keine psychodynamische oder verhaltenstherapeutische, sondern eine systemisch ausgerichtete Psychotherapie wollten, auf die Psychotherapeut*innen zurückgreifen, die eine Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz hatten. Inzwischen ist eine Approbation als Psychologische Psychotherapeut*in bzw. als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in mit dem Vertiefungsgebiet Systemische Therapie möglich. Erste Ausbildungen starteten 2011 [Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie] und 2014 [Ausbildung zur/zum Psychologischen Psychotherapeut*in] und seit Sommer vergangenen Jahres ist Systemische Therapie für Erwachsene auch Leistung der gesetzlichen Krankenkassen, im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie allerdings bisher nicht (der Beschluss zum Beginn des entsprechenden Prüfverfahrens steht aktuell auf der Tagesordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses).

Wir schätzen die Lage so ein, dass auf längere Sicht nicht ausreichend approbierte systemische Therapeut*innen zur Verfügung stehen werden, um eine gute Versorgung sicherzustellen. Daher halten wir es für dringend angebracht, am Beruf des/der Heilpraktiker*in für Psychotherapie festzuhalten. Auch sind wir davon überzeugt, dass es mehr Berufsgruppen gibt, die einen fruchtbaren Beitrag zur psychotherapeutischen Versorgung leisten können als diejenigen, die nach Gesetzeslage in Deutschland einen psychotherapeutischen Beruf mit Approbation ergreifen können. Diesen Berufsgruppen jede Möglichkeit zu nehmen, psychotherapeutisch tätig werden zu können, halten wir nicht für angemessen.

Hinzu kommt, dass eine strikte Einschränkung auf wenige Psychotherapieverfahren kaum geeignet ist, Innovationen in der Versorgung durch „alternative“ oder „Nicht-Mainstream-Verfahren“ zu ermöglichen oder gar zu fördern. So halten wir zum Beispiel die Gesprächspsychotherapie oder die Gestaltpsychotherapie (oder andere „Humanistische Verfahren“) in der Patient*innenversorgung für durchaus sinnvoll, diese spielen aber aufgrund der Eingrenzung auf „Richtlinienverfahren“ im Gesundheitssystem nur (noch) eine marginale Rolle.

Hinweisen möchten wir auch darauf, dass viele Sozialarbeiter*innen, Sozialpädagog*innen oder Diplom-Pädagog*innen im Rahmen der Jugendhilfe neben vielfachen Beratungsleistungen auch therapeutische/psychotherapeutische Leistungen außerhalb der Heilkunde erbringen. In vielen Fällen haben diese Fachkräfte auch eine Heilpraktikererlaubnis eingeschränkt auf den Bereich der Psychotherapie, um heilkundliche Leistungen anbieten zu dürfen, ohne sich strafbar zu machen.

Insofern begrüßen wir die Feststellung des Gutachters, dass es derzeit keine Grundlage für die Abschaffung des Heilpraktikerberufs gebe, ausdrücklich. Dabei halten wir den Vorschlag, das Rechtsgutachten zum Heilpraktikerrecht um ein empirisches Gutachten zu ergänzen, um insgesamt die Daten- bzw. Faktenlage zu verbessern, für hilfreich.

Ein Festhalten an der Möglichkeit der Zulassung von „Heilpraktiker*innen für Psychotherapie“ halten wir für sinnvoll und im Sinne der Patient*innenversorgung derzeit sogar für notwendig. Gleichzeitig plädieren wir sehr dafür, das Qualifikationsniveau der „Heilpraktiker*innen für Psychotherapie“ weiterzuentwickeln. Gesetzesänderungen in diesem Bereich sollten unbedingt Möglichkeiten aufrechterhalten oder schaffen, dass eine psycho- therapeutische Versorgung auch jenseits der „Richtlinienpsychotherapie“ in einem minder streng geregelten Bereich möglich bleibt.

Dr. med. Filip Caby, Vorsitzender
Prof. Dr. Matthias Ochs, stv. Vorsitzender
Bernhard Schorn, Geschäftsführer

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