Martin Dornes ist ein bekannter Autor, er hat Anfang der 90er-Jahre mit dem Bestseller „Der kompetente Säugling“ wie kaum ein Anderer die Ergebnisse der modernen Säuglingsforschung im deutschsprachigen Raum auch einem größeren Publikum verständlich dargelegt. Dornes ist von Haus aus Soziologe, hat sich 1996 in Psychoanalytischer Psychologie habilitiert und die Perspektive auf die Entwicklung und Situation von Kindern beibehalten. In letzter Zeit beschäftigt er sich mit dem „Strukturwandel der Persönlichkeit in der Spätmoderne“, so z.B. in einem 2012 erschienenen gleichnamigen Aufsatz für „Psychotherapie & Sozialwissenschaft“, in er davon ausgeht, „dass Veränderungen in der Erziehung, wie sie seit 1968 festzustellen sind, nicht ohne psychostrukturelle Folgen bleiben. Vier Möglichkeiten werden untersucht. Moderne Erziehungspraktiken und Lebensbedingungen führen a) zu einer regressiven Entdifferenzierung der Psyche, b) zu einer progressiven Differenzierung, c) zu einem bloßen Oberflächenwandel, der ihre Tiefenstrukturen unberührt lässt oder d) zu einem ambivalenten Wandel, der zu größerer intrapsychischer Freiheit, aber auch zu größerer Verletzlichkeit führt. Der Autor favorisiert die These vom ambivalenten Wandel. Danach werden mögliche makrosoziale Quellen psychischer Verunsicherung behandelt. Den Abschluss bildet eine Skizze der »postheroischen Persönlichkeit«, die der Autor als neuen Sozialcharakter betrachtet“ (P&S 14(1),2012, S. 17-36). Dass diese Position bei konservativen Psychoanalytikern auf Widerstand stoßen muss, wie etwa bei Christa Rohde-Dachser im gleichen Heft („Im Gegensatz zu Dornes, für den der »postmoderne Mensch« den Konflikten, die aus der Sicht der Psychoanalyse die Conditio humana prägen, mehr oder minder entwachsen ist, vertritt die Autorin die Ansicht, dass diese Konflikte »unkündbar« sind, auch wenn sie im Zuge der Modernisierung ihre Ausdrucksform verändert haben“), sei hier nur am Rande angemerkt.
Im gleichen Jahr jedenfalls hat Dornes eine ziemlich umfangreiche Studie (528 S.) als Fischer-Taschenbuch herausgebracht, die sich aus der benannten entwicklungspsychologischen Perspektive mit der Situation von Kindern und Jugendlichen in ihren Familien in der Gegenwart beschäftigt. In der Verlagsankündigung heißt es: „Kinder und Eltern haben derzeit eine schlechte Presse. Kindeer sind angeblich entweder verwöhnt und tyrannisch oder verwahrlost und gewalttätig. Eltern setzen angeblich keine Grenzen , fordern die Kinder zu wenig oder fördern sie falsch. Trotz guten Willens seien viele Eltern einfach überfordert. Der Autor untersucht den Realitätsgehalt dieser Meinungen; sein Ergebnis: Kinder und Eltern sind besser als ihr Ruf.“ Lothar Unzner hat das Buch gelesen, hier seine Rezension…